Palast-Theater (1948-2003)

Das Palast-Theater wurde Anfang der zwanziger Jahre unter dem Namen Palast-Lichtspiele gegründet. Nachdem es im 2. Weltkrieg zerstört worden war, wurde das Kino vom Unternehmer Friedrich Mehmel wieder aufgebaut und am 21.2.1948 mit dem Jugert-Film Film ohne Titel wiedereröffnet.

In der Folge avancierte das Palast-Theater mit seinen 1000 Sitzplätzen neben den Weltspielen zum bedeutendsten Premierenkino Hannovers. Zu den Uraufführungsfeiern der fünfziger Jahre erschienen Stars wie Paul Hörbiger, Olga Tschechowa, Grethe Weiser und Willy Birgel.

Schon in den ersten Jahren nach der Wiedereröffnung wurden die Räumlichkeiten mehrfach renoviert. Die Hannoversche Allgemeine berichtete am 25.7.1951:

In warmem, leuchtendem Rot zeigt sich der Zuschauerraum, der Bühnenrahmen ist in sattem Rot und Silber gehalten, und die Decke, die eine Einfassung bekommen hat, ist gleichmäßig in einem sanften Grau getönt. Auch die Vor- und Nebenräume haben ein neues, freundlicheres Gesicht erhalten. Die Eingangshalle mit den Kassenschaltern wurde mit Marmorplatten ausgekleidet. Besonders vorteilhaft hat sich das Foyer im Erdgeschoss verändert. Helles, mildes Licht strömt aus unsichtbar montierten Leuchtstofflampen und unterstreicht den Kontrast zwischen den beigefarbenen Wänden und den dunkelroten Kunststoffplatten der vergrößerten Garderobe aufs beste. Ein kleines Schmuckstück für sich ist ein schwungvoll geformter kaffeebohnenförmiger Verkaufstresen, der sich dem Raum mit unaufdringlicher Eleganz anschmiegt.

Fünf Jahre später folgten weitere Modernisierungen: eine Cinemascope-Breitwand, neue Projektoren und eine Vier-Kanal-Magnet-Tonanlage wurden installiert. Am 27.7.1956 wurde das Kino, dessen Zuschauerraum und Bühne außerdem einen neuen Anstrich erhalten hatten, mit dem Film König der Safari wiedereröffnet.

Ende der fünfziger Jahre besaß der Palast einen großen Saal mit Balkon (852 Plätze) und ein Kinderkino „Prinzess“ (47 Plätze). 1960 wurden Foyer und Kassenhalle erneuert und die Großbildleinwand um drei Meter nach hinten verlegt.

Das Kinosterben der sechziger und siebziger Jahre überlebte das Palast-Theater zwar, doch war auch seine große Zeit vorbei. Im März 1972 berichtete die Neue Hannoversche Presse über die Kassiererin Marie Faßbender, die schon seit 1948 zur Belegschaft des Kino gehörte:

18 Theaterleiter hat sie inzwischen überlebt oder überdauert – manchmal tauscht sie mit einer ehemaligen Kollegin an deren Käsestand in der Markthalle Erinnerungen aus. Zum Beispiel an den liebenswürdigen Gustav Fröhlich, der zur Uraufführung seiner im Bahnhofsbunker gedrehten Wege im Zwielicht gekommen war oder an Otto Gebühr, hochgeehrten ständigen Gast des Hauses.
Erinnerungen an das Schwarzwaldmädel, zu dessen Start das ganze Personal die Besucher – „Das sind die Menschen, die uns das Brot bringen!“ – in Tracht begrüßte.

Nach dem Tod Friedrich Mehmels wurde das Kino 1981 an die Ufa-Theater-AG des Hamburger Filmkaufmanns Heinz Riech verkauft. Die HAZ schrieb dazu am 9.9.1981:

Das traditionsreiche Haus ist jetzt Teil des bundesweit mehr als 200 Kinos zählenden Imperiums, das der Hamburger Geschäftsmann Heinz Riech in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat. In Hannover herrscht Riech damit über 24 Kinos, darunter sämtliche Erstaufführungstheater.
Wie ein Sprecher des Hamburger Unternehmens auf Anfrage mitteilte, seien im Moment weder Pläne aktuell, den großen Saal des Palast-Theaters nach dem Vorbild vieler anderer Riech-Kinos in mehrere kleine Spielstätten aufzuteilen, noch beabsichtige man, die bestehende Programmkonzeption des Hauses als „Familienkino“ ohne allzu ausgeprägtes Sex-and-Crime-Angebot zu verändern.

Nachdem Riech das Kino zunächst in einen großen Saal mit 886 Plätzen und einen kleinen Raum mit 96 Plätzen aufgeteilt hatte, wurde es durch einen weiteren Umbau 1982-1984 entgegen früherer Aussagen in ein 12 Einzelsäle umfassendes „Schachtelkino“ umgewandelt.

In den achtziger und neunziger Jahren gab es immer wieder Gerüchte bezüglich des Palast-Theaters, die sich schließlich nicht bestätigten: Im April 1983 meldete die HAZ, im Kino schließe sich „endgültig der Vorhang“, weil die Ufa ihr Kino-Imperium aufgrund sinkender Umsatzzahlen verkleinern wolle.

Der Umsatzrückgang in der Branche wird indessen für 1982 auf 20 bis 25 Prozent geschätzt, der Videomarkt spielt eine Rolle. Davon ist auch Riechs Monopol nicht verschont geblieben.

Das Schließungsgerücht bewahrheitete sich ebensowenig wie die Ankündigung der Ufa vom Juli 1993, das Palast-Theater solle „völlig umgewandelt und modernisiert“ werden (HAZ, 27.7.1993):

Nur die Fassade solle erhalten bleiben. Der hintere Teil des Gebäudes werde abgerissen oder „entkernt“. […] Mit der beabsichtigten Umwandlung reagiert die UFA-Kette nun offensichtlich auf die veränderte Kinolandschaft. Obwohl [die Pressesprecherin der Ufa] Tanja Güß keine Besucherzahlen nennen wollte, ist auch für sie das Konzept des Schachtelkinos tot. Kinogänger verlangten heute einfach mehr Komfort und größere Leinwände.

Im April 1998 wurde der Palast 50 Jahre alt. Die HAZ vom 17.4.1998 berichtete:

Kino acht. Die Treppe hoch. Den Gang entlang. Links um die Ecke. Gradlinig verläuft hier kaum ein Weg ins Kino. Die Holzdielen knarren. Der Teppich ist nicht mehr der neueste. Für die einen ist es Flair, für die anderen Muff. Trotzdem: Das Palast-Kino in der Bahnhofstraße wird am Montag 50 Jahre alt, und neben all den Multiplex-Theatern ist es eines der Raritäten-Kinos, die übriggeblieben sind. Keine Leidensgeschichte über die „armen, alten Kinos“. Denn sie haben durchaus ihre Vorteile und fangen an, sie im Kampf um die Quoten zu benutzen.
Wenn die Filme aus den großen Kinos längst von der Rolle sind, sind sie meist im Palast noch zu sehen. In den kleineren Sälen rentiert es sich eher, einen Film weiter zu zeigen. Bestes Beispiel: Romeo und Julia lief noch neun Monate länger im Palast als in den Multiplex-Kinos. Dann kommen nicht nur die Leute, die dort den Film verpasst haben, sondern auch Leute wie die 16jährige Beate Chwalewitz, die noch etwas anderes am Palast schätzen: „Das Kino hat einfach mehr Ambiente und Flair.“

Die Zuversicht der Kinoleitung spiegelte sich auch in Investitionen wieder:

Die Renovierungsarbeiten im Palast gehen weiter: Im vergangenen Jahr wurden das Foyer für rund 50.000 Mark aufgemöbelt und der Service verbessert. Zusätzlich rekrutierte Theaterleiter Joachim Schumann einen Festangestellten und vier Aushilfskräfte. Sein vorrangiges Ziel: das Theater in den schwarzen Zahlen zu halten.

Mit der Eröffnung weiterer Multiplex-Kinos in der hannoverschen City sowie in Langenhagen und Garbsen erwuchs dem Palast-Theater in den folgenden Jahren neue Konkurrenz.

Im Jahr 2002 musste die Ufa-Theater-AG, einst Marktführer in Deutschland, Insolvenz anmelden. Das Palast-Theater wurde schon 2001 von der benachbarten Textilkette Olymp & Hades gekauft und schließlich mit der letzten Vorstellung am 18. Juni 2003 geschlossen. Cinemaxx-Chef Hans-Joachim Flebbe erinnerte sich in der HAZ:

Früher konnte man zum Palast noch Kino sagen. Es war immer spannend, in einen Film ab 16 zu gehen, wenn man erst 14 war.

Und wie schon vorher bei den Schließungen anderer Ufa-Kinos wurde das Inventar zum Verkauf angeboten:

Alles muss raus: Das Palast-Filmtheater, Bahnhofstraße 5, verkauft am Donnerstag und Freitag von 10 bis 18 Uhr alle Kinosessel. Die Stühle sind in verschiedenen Farben und Altersklassen erhältlich, die Preise liegen zwischen zwei und fünf Euro das Stück. Hilfreich ist es, Werkzeug mitzubringen. Das Personal ist bei der Demontage behilflich.


Palast-Filmtheater 1952 (Bildquelle: Filmblätter 15/1952)
Oberes Foyer 1951 (Bildquelle: Filmwoche 46/1951)
Palast-Filmtheater 1952 (Bildquelle: Filmblätter 15/1952)

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