Zur Arbeit mit filmischen Quellen

Zur Arbeit mit filmischen Quellen

Dokumentar- und Spielfilme als historische Quellen

Filme sind stets gestaltete Realität und keine objektiven Abbilder. Sie zeigen Ereignisse und gleichzeitig Sichtweisen darauf. Als historische Quellen haben sie sowohl Traditions- als auch Überrestwert. Besonders Spielfilme spiegeln unbewusste zeitgenössische Einstellungen wider. Eine kritische Analyse erfordert Kenntnisse filmischer Gestaltungsmittel sowie äußere und innere Quellenkritik. Ziel ist nicht Objektivität, sondern das Offenlegen von Bedeutungszuweisungen.

Das im Titel zitierte Bonmot des französischen Filmtheoretikers und SemiotikersChristian Metz1formuliert nur scheinbar ein Paradox, denn wir alle, auch kleineKinder, sehen laufend und zumeist mit großem Vergnügen zahlreiche Filme: imKino, im Fernsehen, auf DVD, im Internet. Die rasante Expansion der Video-on-De-mand-Unternehmen, die ihren Abonnenten Filme per Streaming zugänglich ma-chen und selbst in großem Stil eigene Serien produzieren, um der steigenden Nach-frage nachzukommen, ist nur ein jüngstes Beispiel dafür, dass seit mehr als hundertJahren ein Massenpublikum über alle Klassen-, Alters- und Geschlechtergrenzenhinweg in seiner Freizeit Filme konsumiert und dabei verschiedene historisch je-weils verfügbare Technologien, oft nebeneinander, nutzt. Es empfindet dies als ent-spannend, vergnüglich, alsleicht: Filme sind intuitiv verständlich, sie verlangen,anders als Bücher, zumindest vordergründig keine Vorbildung. Sie erzählen eineGeschichte in bewegten Bildern, ahmenWirklichkeitnach, führen Phantasiewel-ten vor Augender Zugang zur filmischen Oberfläche ist in der Regel nicht schwie-rig.Der Film ist zu leicht verständlich, was es schwer macht, ihn zu analysieren,warnte in Anlehnung an Metz auch James Monaco in seinem inzwischen mehrfachaufgelegten und in zahlreiche Sprachen übersetzten KlassikerHow to Read aFilm.2Denn Filme als kulturelle Produkte sind keineswegs selbstevident. Sie erzäh-len, wie auf den zweiten Blick deutlich wird, in einer eigenenSprache, die zu ver-stehen man erst lernen muss. Sie sind, darüber sollte man sich nicht täuschen, kom-plexe Zeichensysteme, die es innerhalb eines bestimmten kulturellen Kontextes zuentschlüsseln gilt. Die Schwierigkeit potenziert sich noch, wenn es sich um histori-sche Filme handelt, bei denen die Filmsprache und auch ihr kultureller Kontext ver-gangen, dem gegenwärtigen Betrachter zeitlich entrückt sind. (…)


Vollständiger Text: Szöllösi-Janze, Margit: „Ein Film ist schwer zu erklären, weil er leicht zu verstehen ist“. Spielfilme als zeithistorische Quelle. In: Verfilmte Trümmerlandschaften. Nachkriegserzählungen im internationalen Kino 1945–1949. Herausgegeben von Johannes Hürter und Tobias Hof. Berlin/Boston 2019, S. 14-32 (pdf)