Film in der Weimarer Republik 1919 bis 1933
Die deutsche Filmindustrie entwickelt sich in den Weimarer Jahren zur zweitgrößten nach den USA. Die Entwertung der Mark führte zunächst dazu, dass deutsche Filme im Ausland konkurrenzlos günstig angeboten werden konnten, während ausländische Firmen weniger nach Deutschland exportierten. Dieser Prozess ging einher mit horizontalen und vertikalen Konzentrationsprozessen, vergleichbar mit denen im Presse- und Rundfunkbereich. Träger der Filmproduktion waren vor allem die bereits während des Krieges gegründete Universum-Film AG (Ufa) und die Deulig Film AG sowie die Anfang der 20er Jahre gegründeten Terra AG, Dekla.Bisoskop, National-Film AG und der Emelka-Konzern. Die großen Firmen erweiterten ihren einflussbereich durch den erwerb kleinerer Produzenten, Verleiher und Theater. Vor allem der Hugenberg-Konzern entwickelte sich zu einem bedeutsamen politischen Instrument konservativer, nationalistischer und völkischer Massenbeeinflussung.
Mit der Stabilisierung der Mark nach der Inflationskrise kehren sich die Verhältnisse um. Einerseits geht der Auslandsabsatz der deutschen Produktion zurück, andererseits werden zunehmend mehr ausländische Filme in Deutschland angeboten. Kapitalmangel fürht, wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, zu AUfnahme von ausländischen Krediten. Dadurch wächst vor allem der einfluss amerikanischer Firmen.
Der Film war zugleich aber auch Ausdruck eines kulturellen Wandkungsprozesses. Anton Kaes attestiert ihm, in der Weimarer Republik „Motor der Moderne“ gewesen zu sein. Dies ist sicher zutreffend, über die kulturelle Bedeutung in den 20er und frühen 30er Jahren hinaus auch für das Freizeitverhalten der Menschen.
Die hier ausgewählten Filme sollen einerseits diesen Charakter zum Ausdruck bringen und damit die Möglichkeit eröffnen sich der Kulturgeschichte Deutschlands aus cineastischer Perspektive zu nähern. Im Wesentlichen sollen die Filme aber Aufschluss bringen für die Beschäftigung mit der Sozialgeschichte und den politischen Konfliktlinien in der Weimarer Republik.
Von der Motivgestaltung ausgehend, lassen sich (nach Kaes) folgende Phasen definieren:
- „Der Schauer des Fremden“ – expressionistischer Film
- Vom Kammerspielfilm zum Straßenfilm
- Großstadt und Moderne
- Nationale Mythen
- Wem gehört die Welt – gesellschaftskritischer Film
Gregor/Patalas beschreiben die Entwicklung des Films vom Expressionismus über das Kammerspiel zur neuen Sachlichkeit und sehen zum Ende der Republik realistische Tendenzen im sozial- und gesellschaftskritischen Film. Für sie waren die Anfangsjahre von 1920 bis 1924 und die Endphase der Republik von 1930 bis 1932 eine kurze Blütephasen des deutschen Filmschaffens, die die Entstehung künstlerisch relevanter Filme ermöglichten.
Zeiträume von wirtschaftlicher, sozialer und politischer Unsicherheit waren für Siegfried Kracauer prädestiniert, um die Spielfilme dieser Zeit als Quellen für gesellschaftliche Mentalitäten zu sehen/lesen:
Ich behaupte, daß mittels einer Analyse der deutschen Filme tiefenpsychologische Dispositionen, wie sie in Deutschland von 1918 bis 1933 herrschten, aufzudecken sind: Dispositionen, die den Lauf der Ereignisse zu jener Zeit beeinflußten und mit denen in der Zeit nach Hitler zu rechnen sein wird… (Vorwort 1946 zu „Von Caligari zu Hitler“)
Kracauer gliedert die Filmgeschichte der Weimarer Zeit entsprechend der geschichtlichen Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung in die Nachkriegszeit (1918-1924), die Stabilisierungszeit (1924-1929) und die präfaschistische Zeit (1930-1933). Ausgehend von seiem filmanalytischen Ansatz ordnet er dann Filme dominierenden Motivkomplexen zu.
Bei unserer Filmauswahl orientieren wir uns an Kracauers Filmanalyse und Zuordnung der Filme jener Zeit – auch wenn wir uns bewusst sind, dass wir – Jahrzehnte nach Kracauers Studien – mit anderen Blicken auf die Filme und die Geschichte schauen.
Detlef Endeward (2021)
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Literatur:
- Gregor, Ulrich/Patalas, Enno: Geschichte des Films. München, Gütersloh, Wien 1973
- Kaes, Anton: Film in der Weimarer Republik. In: Geschichte des deutschen Films. Hrsg. von Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler. Stuttgart 1993, S. 39-100
- Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Frankfurt/M. 1984 (Originalausgabe Princeton 1947)
Filme in ihrer Zeit
- Film in der Weimarer Republik 1919 bis 1933
- Film im Faschismus 1933 bis 1945
- Film im Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1950
- Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahren
- Film in der DDR der 50er und frühen 60er Jahren
- Film in der BRD der 60er Jahre
- Film in der DDR der 60er Jahre
- Film in der BRD der 70er Jahre
Film in der DDR der 70er Jahre - Film in der BRD der 80er Jahre
- Film in der DDR der 80er Jahre
- Film nach der Wiedervereinigung 199010
Die Filme
Dossiers
Beiträge und Dokumente zur Filmgeschichte 1919 – 1933
Dokumente
Beiträge zu den einzelnen Phasen der Weimarer Filmgeschichte
- Film in der Nachkriegszeit (1918-1924),
- Film in der Stabilisierungszeit (1924-1929)
- Film in der präfaschistischen Zeit (1930-1933)
Einzelne filmgeschichtliche Aspekte
- Film und Erster Weltkrieg
Beiträge zur Filmgeschichte in der Weimarer Republik im Internet
Literatur