Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre
Masse statt Klasse macht Kasse – oder nicht (nur)!?
Das Filmschaffen in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre wird bis heute gemeinhin als eher unbedeutend und künstlerisch wenig anspruchsvoll bewertet. Dazu beispielgebend Gregor/Patalas 1973:
„(…) als die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR die deutsche Teilung besiegelten, wurde auch der deutsche Film in zwei Lager gespalten: während sich im Osten propagandistische Monotonie ausbreitete, paßte sich der Film im Westen der herrschenden Konsumideologie an (S. 282) Die künstlerische Belanglosigkeit und Antiquiertheit auch des ambitionierten Teils der westdeutschen Produktion ist die unablösbare Kehrseite ihrer ideologischen Fixierung: die rigorose Weigerung der Autoren und Regisseure, sich und ihr Publikum mit der Wahrheit über den herrschenden Zustand zu konfrontieren, produziert die Halbheiten des Kabarettstils und des Momentrealismus. (S. 379)“(1)
Dieses Bild des westdeutschen Films der 50er Jahre dominiert die Wahrnehmung bis heute:
„Den Trümmerfilmen folgte schon bald eine populäre Mischung aus Heimat-, Urlaubs- und Schlagerstreifen. Die Euphorie der ersten Stunde, erlahmte schnell. Die Suche nach dem „neuen Adam“ erwies sich als schwierig. Zeitbezogene Filme fielen beim Publikum durch: (…) Stattdessen wurde 1951 mit „Grün ist die Heide“ jenes westdeutsche Filmgenre geboren, das dem anspruchsvollen Kinogänger ein Alptraum war: der Heimatfilm. (…)Natur- und Wohlstandssehnsucht, Eheglück und die große Liebe gehörten zu den beliebtesten Themen der Heimatfilme. Charakteristisch für dieses deutsche Filmgenre der 1950er Jahre war eine melodramatische Handlung, die meistens eine Liebesgeschichte beinhaltete. Dazu kamen komische oder tragische Verwechslungen. Häufig gab es Musikeinlagen. Die Handlung spielte in abgelegenen, aber spektakulären und durch den Zweiten Weltkrieg unzerstörten Landschaften wie dem Schwarzwald, den Alpen oder der Lüneburger Heide. Naturidylle statt Städteschutt. (…)Betont wurden besonders konservative Werte wie Ehe und Familie. Frauen als Identifikationsfiguren wurden meistens nur als Hausfrau oder Mutter positiv dargestellt. Die Obrigkeit durfte nicht in Frage gestellt werden. Filmkritiker haben der deutschen Kinoproduktion in den fünfziger und sechziger Jahren vor allem eine konservative, ja reaktionäre Struktur vorgehalten. Amüsement ohne wirkliche Tiefe.“ (2)
Also kurz gefasst: Masse – statt Klasse – macht Kasse
Auffällig am bundesdeutschen Nachkriegsfilm sei der Mangel an filmischem Wagemut gewesen, so äußern sich zahlreich Filmhistoriker. Lediglich die Filme von Wolfgang Staudte, dem es gelang „zeitkritische Gegenbilder“ zu entwerfen und einige wenige von – heute fast vergessenen – anderen Regisseuren werden davon ausgenommen.
Die von uns getroffene Filmauswahl nimmt diese filmgeschichtliche Diskussion auf und enthält dementsprechend auch Beispiele für die häufig genannten dominierenden Trends der Filmproduktion, z.B. Heimatfilm, Kriegsfilm oder Familienfilm. Aber auch für diesen Bereich gilt vor allem: Was tragen die Filme bei zur Auseinandersetzung mit der Geschichte – was erzählen sie uns über die Menschen in jener Zeit und was erfahren wir durch sie über Politik und Gesellschaft jener Jahre.
Detlef Endeward (2022)
(1) Ulrich Gregor/Enno Patalas: Geschichte des Films, München-Gütersloh-Wien 1973
(2) Deutsche Filmgeschichte (4): Der Nachkriegsfilm, DW 08.09.2011)
- Film in der Weimarer Republik 1919 bis 1933
- Film im Faschismus 1933 bis 1945
- Film im Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1950
- Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre
- Film in der DDR der 50er und frühen 60er Jahre
- Film in der BRD der 60er Jahre
- Film in der DDR der 60er Jahre
- Film in der BRD der 70er Jahre
Film in der DDR der 70er Jahre - Film in der BRD der 80er Jahre
- Film in der DDR der 80er Jahre
- Film nach der Wiedervereinigung 1990
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- Film in der BRD der 50er Jahre – ein kurzer Überblick
- Gräßlicher deutsche Nachkriegsfilm oder Große Zeit des deutschen Films
- Die verdeckten Spuren des kalten Krieges im deutschen Unterhaltungsfilm
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Beiträge – externe Links
- Die 1950er Jahre. Vom Kino in Trümmern zum Wirtschaftswunder
- Rainer Rother: Der Kalte Krieg und der deutsche Film
- Filmzensur durch den Interministeriellen Ausschuss für Ost/West-Filmfragen
- Andreas Kötzing: Zensur von DEFA-Filmen in der Bundesrepublik
- Filme, die der Bundesregierung nicht genehm waren
- Frank Arnold: Nachts auf den Straßen: Deutsche Filme der 50er Jahre, epd-film, 29.11.2016
- Udo Rotenberg: Vom Bergdrama zur Sex-Klamotte – Der „Heimatfilm“ im Zeitkontext. – 29.06.2015 [19.11.2022]
- Udo Rotenberg: Von „08/15“ bis „Die Brücke“ – deutsche Kriegfilme der 50er Jahre – 24.06.2013 [15.11.2022]
- Wilhelm Roth: Deutscher Film 1949-1963: Mamas Kino lebt! epd-film, 21.11.2016
- Hans J. Wulff (2012): Bundesdeutsche Kriegs- und Militärfilme der 1950er Jahre. Eine Filmbibliographie.