Kinder, Mütter und ein General (1955)

Inhalt

Im Film geht um vierzehn- bis sechzehnjährige Schüler, die aus ihrem Schulheim an die Ostfront entlaufen sind, um dort „die Russen aufzuhalten“. Fünf Mütter und eine Schwester machen sich auf den Weg an die Front, um die Jungen zurückzuholen. Weder der General noch der Hauptmann der Kampfgruppe Dornberg können die Frauen zurückhalten. Als es diesen nicht gelingt, die Kinder, die sich als Soldaten fühlen, zurückzubringen, bleiben sie selbst an der Front. Ein russischer Angriff führt zur Einschließung der Truppe, und der Hauptmann durchbricht — entgegen seinem Befehl, die Stellung unbedingt zu halten — mit den Frauen und Kindern die russischen Linien in Richtung Westen. Er wird von dem General unter Arrest gestellt, vom Kriegsgericht bedroht, aber schließlich wieder mit der Truppe an die Front geschickt, um eine aussichtslose Stellung zu halten. Die Frauen verstecken die Kinder, um sie vor dem Transport an die Front zu bewahren.

In der ursprünglichen Fassung, die im Ausland gezeigt wurde, bleiben die Frauen allein zurück, während die Kinder mit dem Transport an die Front gehen. Der Filmverleih Schorcht hielt diese Version für die deutschen Zuschauer für nicht akzeptabel und wurde in dieser Meinung von Kinobetreibern noch bestärkt. (vgl. Der versöhnliche Ausklang, in: Der Spiegel, 8. März 1955)

 


Filmtrailer bei cinema.de

Produktionsland Deutschland
Erscheinungsjahr 1955
Länge 109 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie László Benedek
Drehbuch László Benedek
Produktion Intercontinental-Film, München
(Erich Pommer,
Heinz-Joachim Ewert)
Musik Werner Eisbrenner
Kamera Günther Rittau
Schnitt Anneliese Artelt

DarstellerInnen

  • Hilde Krahl: Helene Asmussen
  • Ewald Balser: General
  • Therese Giehse: Elfriede Bergmann
  • Ursula Herking: Dr. Behrens
  • Alice Treff: Pastorin
  • Beate Koepnick: Inge
  • Marianne Sinclair: Näherin
  • Adi Lödel: Harald Asmussen
  • Dieter Straub: Leo Bergmann
  • Holger Hildmann: Sohn von Dr. Behrens
  • Karl-Michael Kuntz: Edmund, Sohn der Pastorin
  • Walter Lehfeld: Werner, Sohn der Näherin
  • Peter Bürger: Robert, Inges Bruder
  • Bernhard Wicki: Hauptmann Dornberg
  • Claus Biederstaedt: Verpflegungsgefreiter
  • Rudolf Fernau: Stabsarzt
  • Hans Christian Blech: Feldwebel mit den Orden
  • Klaus Kinski: Leutnant, der nicht mehr lacht
  • Maximilian Schell: Soldat, der nicht mehr mitmacht
  • Alfred Schieske: Fahrer mit der Flasche
  • Otto Lüthje: Bahnhofsvorsteher

Auszeichnungen

  • Therese Giehse wurde 1955 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie Beste Darstellerin ausgezeichnet.
  • 1956 wurde der Film mit dem Golden Globe Award in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.
  • Die Filmbewertungsstelle der Länder verlieh dem Film das Prädikat „wertvoll“.
  • Von der Evangelischen Filmgilde wurde der Film als „bester Film des Monats“ (Februar 1955) empfohlen.

Der Stoff geht auf eine Kriegserfahrung zurück, die Herbert Reinecker zu einem Roman für die Illustrierte „Quick“ verarbeitete und 1953 als Buch veröffentlichte. Auch mit dem harmloseren Schluß war der Film ein ökonomisches Fiasko. Zu groß war die Diskre­panz zu den anderen deutschen Kriegsfilmen vom Typ CANARIS, die letztlich entla­stend wirkten.

Der Regisseur Laslo Benedek, 1907 in Ungarn geboren, ging 1933 nach Wien, dann nach Paris und London und 1937 nach Hollywood, wo er mit „Tod eines Handlungsreisenden“ einen großen Erfolg feierte. Als sich Eric Pommer entschloß, den Stoff von Reinecker in seine Produktionsgesellschaft Intercontinental zu überneh­men, war Benedek sofort bereit, Regie zu führen. Auch Pommer war nach großen Erfolgen am Ende der Weimarer Republik 1933 emigriert und arbeitete in Hollywood und in England. 1946 bis 1949 war er Filmbeauftragter der amerikanischen Militärregierung für Deutschland und grün­dete 1951 seine eigene Produktionsfirma.

Gedreht wurde das Kriegsgeschehen in Walsrode, Fallingbostel und in der Lüneburger Heide. Tatsächlich kamen englische Panzer bei den Dreharbeiten zum Einsatz. Dazu wurden rund 35 junge Männer vom Bundesgrenzschutz als Statisten verpflichtet.

Obwohl finanziell ein Misserfolg, wurde der Film gerade im Ausland mit Begeisterung von der Kritik gefeiert und erhielt u.a. den Golden Globe.

 

Szene aus dem Film

(…) Reineckers Roman endete harmloser als die beiden Filmfassungen. Am Schluß des Romans gibt es eine militärische Ehrung für die jugendlichen Soldaten. Das Problem der Befehlsverweigerung beim Verlassen der eingeschlossenen Stellung wird entschärft, weil sich herausstellt, daß der General per Funkspruch, der aus technischen Gründen nicht ankam, sogar den Ausbruch befohlen hatte, der Hauptmann also unwissentlich einen Befehl ausgeführt hatte. In dem von Benedek und Reinecker verfaßten ursprüng­lichen Drehbuch wird die Befehlsverweigerung als solche bestraft und der Hauptmann mit seiner Truppe und den Jungen in eine aussichtslose Stellung abkommandiert. Die Mütter bleiben zurück mit den Worten: „Sie haben uns vergessen, sie werden uns immer vergessen.“ Die Botschaft von der Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Krieges ist in dieser Fassung eindeutig. In der Originalfassung bekam der Film den Preis der Kritiker in Belgien und in Hollywood.

Die für das westdeutsche Publikum verharmloste Schlußfassung läßt die Kinder in einer Scheune versteckt vom Transport an die Front verschont bleiben. Die Mühe der Frauen wird damit belohnt, die Botschaft der totalen Sinnlosigkeit des Krieges entschärft. Damit ändert sich der Stellenwert des Dialogs zwischen Hauptmann Dornberg und dem General über den Sinn eines Befehls und des militärischen Gehorsams. Was in der Originalfassung mit der Abkommandierung der Soldaten und Kinder in eine unhaltbare Stellung als blanker Zynismus erschien, wird zur ernsthaften Gegenposition zu den sonstigen Aussagen des Films. Bei der Auseinandersetzung mit Hauptmann Dornberg über dessen befehlswidriges Verlassen der Stellung sagt der General, daß der Krieg auf jeden Fall verloren sei. Darauf der Hauptmann: „Wenn wir das wissen, kann man da noch Menschen umkommen lassen? Hundertfünfzig, für die ich die Verantwortung habe, und zehntausend, deren Schicksal Sie in der Hand haben?“ „In der Hand haben — was Sie auch sagen, Dornberg, wir können nicht einfach aus dem Gesetz heraustreten, Sie nicht und ich nicht.“ Die letzten Worte des Generals lauten: „Die Division geht nicht zurück!“ Der Film wird damit in sich brüchig, ungleichgewichtig. Das stellt auch die Evangelische Filmgilde fest, die den Film zum besten des Februar 1955 erklärt, aber zugleich sagt, daß ein „bester Film“ nicht in jeder Hinsicht gut sein muß. Der Einwand: „Der Filmtitel ,Kinder, Mütter und ein General‘ läßt vermuten, daß diese Gruppierung die Träger der dramatischen Handlung bezeich­net. Aber die Mütter haben keinen echten Gegenspieler. Der General ist es nicht, er hat im Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Funktion: Er, wird zuerst von den Müttern, dann von Dornberg überspielt, aber nicht überwunden. Ein Vergleich etwa mit Canaris in dem gleichnamigen Film macht den Unterschied deutlich.“ Was hier kritisiert wird, trifft die ursprüngliche Aussage des Films, daß Krieg an sich sinnlos und zerstörerisch sei, was durch keinen General geändert werden könne. Im Film trifft ein Leutnant, der von sich sagt, daß er nicht mehr lachen kann (Klaus Kinski), mit einem Trupp versprengter Soldaten in einer provisorischen Unterkunft auf die Frauen, die an die Front wollen. Er sagt ihnen: „Es gibt ’ne Menge Ärger, der kommt nicht von Generälen, der kommt vom Krieg an sich.“ Als ein junger Deserteur in Zivilklei­dung vorgeführt wird, nimmt die resolute Handwerkerfrau Bergmann (Therese Giehse) für ihn Partei: „Der hat doch Recht, daß er Schluß machen will! Alle wollen nach Hause, auch unsere Kinder sollen nach Hause, alle wollen endlich mal nach Hause!“ Das zustimmende Lachen der Soldaten verstummt, als der Deserteur gegen den Protest der Frauen erschossen wird. Das letzte Wort im Film haben die Frauen, als die Soldaten zur Front zurückgebracht werden: „Herrgott im Himmel, da fahren sie nun hin!“ „Lassen Sie Gott aus dem Spiel. Die Menschen sind es, immer nur die Menschen.

Der Film bietet kaum Möglichkeiten, dem Krieg einen Sinn zu verleihen. Zwei sich anbahnende Liebesgeschichten, die aber mit dem Rücktransport der Soldaten an die Front keine Chance haben, ändern nichts an der Gesamtaussage. Die Gesprächsemp­fehlungen der Evangelischen Filmgilde nennen unter drei Aspekten als ersten und wichtigsten den „Gehorsam gegen das Gesetz und die Vernunft. Die Schlüsselfiguren sind der General auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite. Aber mit der Vernunft mischt sich bei ihnen schon die Mutterliebe. Der Leutnant, der Deserteur, der Hauptmann sind mit dem Begriff Vernunft nicht mehr zu fassen“.Das militärische Prinzip behält im Film Gültigkeit und wird selbst mit dem geänderten Schluß nicht mehr zum reinen Zynismus. Es gibt im ganzen Film nur anständige Menschen, auch keinen Nazi. Es wird nichts von den Ursachen des konkreten Krieges gesagt, auch nichts davon, daß halbwüchsige Jungen nicht nur aus Abenteuerlust zum letzten Aufgebot kamen, sondern eingezogen wurden. Diese entlastenden Züge teilt der Film mit den anderen deutschen Militärfilmen. Damit hätte er angesichts der Starbesetzung und der guten Inszenierung eigentlich auch für Deutsche attraktiv sein können, er war es aber nicht. Drehbuchautor Reinecker schreibt in seinem erinnernden „Zeitbericht“ 1990: „Benedek machte den Film, sah deutsche Soldaten so, wie er sich deutsche Soldaten vorstellte. In Bewegung, Benehmen und Diktion entsprachen sie nicht dem Bild, das ja viele noch kannten, so kam ein merkwürdiger Verfremdungseffekt hinzu, der erst nach dreißig Jahren verschwun­den war, weil die Verfremdung nun allgemein war. Der Film bekam phantastische Kritiken, aber die Leute sahen ihn sich nicht an. Sie wollten ihn nicht sehen. Sie wollten keine Soldaten mehr sehen.“17 Daß die Deutschen keine Soldaten mehr sehen wollten, ist angesichts der Kassenerfolge anderer Kriegsfilme offensichtlich falsch. Reinecker selbst schrieb fast gleichzeitig das Drehbuch zum Massenerfolg „Canaris“. Richtig dürfte dagegen die Annahme eines Verfremdungseffektes sein, aber weniger wegen Diktion und Benehmen, als vielmehr, weil der Film aus der Distanz der Emigration einige Grundzüge deutscher Produktionen nicht teilte, trotz aller Zugeständnisse an ein westdeutsches Publikum keine Sinngebung des Sinnlosen versuchte und keine sentimentale Opferstilisierung betrieb. In der „Deutschen Soldatenzeitung“ vom 14. Mai 1955 wird ein Selbstverständnis formuliert, das für Kriegsteilnehmer damals größere Repräsentativität hatte, als die Zeitung sie sonst für westdeutsche Bevölkerung beanspruchen konnte: „Wir wollen keinen Krieg! Wir glauben aber nicht, daß unser Kampf gerade* in diesen furchtbaren Schlußtagen nutz- und sinnlos war. Wir glauben vielmehr, daß wir durch unseren Einsatz viele Menschen gerettet haben und dadurch ein Weiterleben im größeren Sinne erst möglich wurde. Nach dem Film hätten wir unsere Gewehre wegwerfen und nach Hause gehen müssen.“ Daß diese Vorstellung der lebensnotwendigen Verteidigung gegen Osten im Kalten Krieg der 50er Jahre Resonanz fand, ist nicht verwunderlich; daß sie bis in die Tage des sogenannten Historikerstreits fortlebte, schon eher.“


Auszüge aus: Irmgard Wilharm: Filme mit Botschaft und kollektive Mentalitäten in der frühen Bundesrepublik. In: Geschichte als Möglichkeit. Über die Chancen von Demokratie. Festschrift für Helga Grebing. Hrsg. v. Karsten Rugolp/Christl Wickert, Essen 1995, S: 290-306, hier: S. 303-306

 

Schon allein das Thema dieses Films, der jenseits aller Politik die Klage der Menschheit über den Krieg auftönen läßt, sollte ihm unsere besondere Beachtung sichern. In der Geschichte von den Müttern, die ihre Söhne von der Front heimholen wollen, finden wir gleichnishaft die Fragen wieder, die unsere Generation zwischen den Kriegen zutiefst bewegen. Die überraschende Wirklichkeitsnähe und Menschlichkeit der Darstellung, bei der ausgezeichnete schauspielerische Leistungen beeindrucken, lassen den Besuch dieses Films besonders nachdrücklich empfehlen.

Jury der Evangelischen Filmarbeit. Empfehlung für den Film des Monats Februar 1955

 

Wir müssen mindestens noch zwei Jahre warten«, sagte Produzent Eric Pommer im Mai des vergangenen Jahres in München. »Die Zeit ist für einen solchen Film noch nicht reif.« Doch dann machte der plötzlich einsetzende Run der Produzenten auf zeitgeschichtliche Stoffe Pommers kinotaktische Überlegungen zunichte. > weiter

Der versönliche Ausgang – Der Spiegel 8. März 1955

 

Generell wird in zahlreichen Filmkritiken positiv darauf hingewiesen, dass der Film von den sonstigen Kriegsfilmen jener Jahre abweiche und gegen Krieg Stellung bezieht.

  • Der Film „ist eine Anklage des Krieges aus dem Geiste des Pazifismus“.
  • Und  bei filme.de: „Den Filmemachern ging es darum, die „Sinnlosigkeit des Krieges“ zu zeigen. Das Räderwerk der Kriegsmaschinerie ließe sich, einmal angekurbelt, nicht mehr zum Stillstand bringen.“
  • „Ein faszinierender Kriegsfilm, starbesetzt mit Hilde Krahl, Klaus Kinski und Maximilian Schell, der die Entartung der damaligen Kriegsführung anprangert und die Zerrüttung des Menschen im totalen Krieg aus der Perspektive mütterlicher Emotionen beleuchtet.“
  • Der ehemalige UFA-Assistent Benedek prangert in seiner einzigen in der BRD hergestellten Regiearbeit die barbarische und menschenverachtende Kriegsführung der Wehrmacht an. In gewissem Sinne nimmt er damit Wickis BRÜCKE vorweg“ heißt es bei filmarchiv.at.

Für cinema ist der Film ein „Antikriegsdrama“ und zugleich ein „Politdrama mit mit exzellenten Darstellerinnen“. Und weiter: “ Selten gezeigtes Drama um Mütter, die ihre Söhne von der Front holen wollen. – Wirkt heute gestelzt, ist als historisches Dokument aber hochinteressant.“

Auch die Leistung der DarstellerInnen wird in den meisten Kritiken ausdrücklich hervorgehoben.

 

„Ein diskussionswerter Film, der unmißverständlich die Entartung der damaligen Kriegsführung anprangert und die Zerrüttung des Menschen im totalen Krieg aus der Perspektive mütterlicher Emotionen beleuchtet. Sein Bemühen um eine Verurteilung des Krieges bleibt trotz imponierender Darsteller und guter Kameraführung allzuoft in Gefühl und Klischee stecken und erreicht nicht die Wirkung von Bernhard Wickis themenverwandtem Film Die Brücke.“

Aus: Lexikon des internationalen Films

 

„Der Film schwankt zwischen gediegenem Filmhandwerk und engagierter Botschaft, die jedoch allzu schablonenhaft bleibt und – trotz bestechender Schauspielerleistungen – einer Dramaturgie vordergründiger Effekte verhaftet ist.“

Martin Prucha in Reclams Lexikon des deutschen Films, 1995

 

In Zeiten des Krieges aufzuwachsen, bedeutet, sich früh von der Kindheit verabschieden zu müssen. Vor allem, als die Luft für Adolf Hitler und seine größenwahnsinnige Kriegsführung immer dünner wurde und er sogar 14-Jährige an die Front beorderte und diese dort für das Vaterland blindlings in den Kampf schickte. Kinder, Mütter und ein General, ein etwas unter dem Radar fliegender Eintrag in die deutsche Nachkriegskinolandschaft, versucht diesem Klima nachzuspüren: Er erzählt von einer Zeit, in der die Niederlage bereits zum Greifen war. Und er erzählt simultan dazu von einer Zeit, in der man sich nicht darauf einstellen wollte, wirklich verloren zu haben. In Stettin, einer geschichtsträchtigen Stadt im ehemaligen Westpommern, begrüßt uns Laszlo Benedek (Der Tod eines Handlungsreisenden) und führt uns ins Zentrum der Gefühlskrise einer sechsköpfigen Frauentruppe.

Die Frauen (unter anderem namhaft besetzt mit Hilde Krahl und Therese Giehse) wollten eigentlich nur ihre Söhne vom Gymnasium abholen, doch die sind bereits in Richtung Kriegsfront abgerückt. Als Appell an die mütterlicher Courage, den Kinder, Mütter und ein General formuliert, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die in Sorge schwimmenden Damen aufbrechen, um ihre Kinder zurückzuholen. Eine regelrechtes Himmelfahrtskommando. Dass sich Kinder, Mütter und ein General bei dieser Handlung auf seine Schauspieler verlassen kann, ist wohl eines Hauptargumente dahingehend, dass der Film niemals wirklich in klischierte Bahnen ausschlägt, obgleich es die Szenerie andeutet. Dafür sind die Leistungen, und hier dürfen sich auch Klaus Kinski (Fitzcarraldo), Maximilian Schell (Das Urteil von Nürnberg) und Bernhard Wicki (Die Nacht) angesprochen fühlen, einfach zu eindringlich und bestechend.

Vor allem muss man sich bei Kinder, Mütter und ein General kontinuierlich vor Augen halten, dass man es hier mit Zeitzeugen vor der Kamera zu tun hat. Mit Schauspielern, die die Gräuel des Krieges, mehr oder weniger, am eigenen Liebe erfahren haben und das Medium Film nun auch als Bewältigungsstrategie genießen dürfen. Kein Wunder also, dass sich Laszlo Benedeks inszenatorischer Grundklang in eine klare Richtung orientiert: Dieser Film ist anklagend und wütend. Er äußerst ein betroffenes, zorniges Unverständnis dahingehend, wie es sein kann, Menschen in einen so sinnlosen, dummen Tod zu schicken. Und da gelingt Kinder, Mütter und ein General nicht nur eine emotional einnehmende Abrechnung mit dem blinden Gehorsam am historischen Vorabend der Kapitulation, sondern auch eine herzzerreißende Hommage an die Würde des weiblichen Geschlechts. Sie sind es, die klar denken, die sich klar äußern, die klar handeln.

Fazit

Mit „Kinder, Mütter und ein General“ ist Laszlo Benedek ein herzzerreißender Befindlichkeitsfilm gelungen, der die schockierenden Verhältnisse am Vorabend der deutschen Kapitulation eindringlich dokumentiert. Sechs Frauen ziehen hier an die Front, um ihre minderjährigen Söhne mit nach Hause zu nehmen. Was überspannt klingt, ist in der finalen Umsetzung eine eindringliche Abrechnung mit dem Kriegstreiben, dem blinden Gehorsam und den fehlgeleiteten Idealen männlicher Tapferkeit. Nur noch klar übertroffen von „Die Brücke“.
https://www.moviebreak.de/film/kinder-mutter-und-ein-general

 

Beim Festival „Goldener Spatz 2008“ gab es im Vergleich zu den Vorjahren keine Retrospektive, sondern unter dem Stichwort „Die Ausgrabung“ die Wiederaufführung des Films „Kinder, Mütter und ein General“. Das Anliegen der Vorführungen in Gera und Erfurt war es, dem Publikum von heute interessante Filme von gestern nahe zu bringen. Der Mitte der 50er-Jahre entstandene Film führt zurück in die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs. Als die „Heimatfront“ immer näher heranrückte, wurden aus Schülern Soldaten. Diese Kindersoldaten waren das letzte Aufgebot der deutschen Wehrmacht. Vor allem an der Ostfront wurden Jungen der Hitlerjugend in Kampfhandlungen verwickelt. > weiter

 

Horst Schäfer in KinderJugendfilm Korrespondenz Ausgabe 115-3/2008

 

In vielerlei Hinsicht steht KINDER, MÜTTER UND EIN GENERAL exemplarisch für das bundesdeutsche Kino der 1950er Jahre. Denn neben vielen Heimatfilmen, Schlagerlustspielen und Naturmelodramen, formierte sich für einige Jahre so etwas wie eine kleine Welle der filmischen Bewältigung jüngster, deutscher Vergangenheit – die Dokumentation OFFENE WUNDE DEUTSCHER FILM (2016/2017) veranschaulicht diese Gemengelage recht gekonnt. Denn so radikal der kulturelle Bruch durch die nationalsozialistische Politik 1933 erfolgte, so wachsweich geriet der Neuanfang nach der Stunde null 1945. Logischerweise kam die Filmindustrie nicht umhin, nach dem Neubeginn auch mit Filmhandwerkern und -technikern weiterzuarbeiten, die der gleichgeschalteten UFA zu Diensten gewesen waren. > weiter 

Christopher Klaese bei splatting image, 7. Juni 2019


Selbst ein Ausnahmefilm wie Kinder, Mütter und ein General, 1954 von dem Emigranten Pommer produziert, Regie führte der Emigrant Laszlo Benedek, erfüllte diese Funktion, obwohl die Zeitgenossen den Film als Antikriegsfilm wahrnahmen. Es ist die Geschichte einer Gruppe von Jungen, die heimlich ihre Schule verlassen, um an der Ostfront zu kämpfen. Ihre Mütter holen die Überlebenden nach großen Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit hohen Militärs zurück. In diesem Film sind alle Opfer: die Kinder, die Mütter, die Offiziere und selbst der General, der in aussichtsloser Situation am Prinzip des militärischen Gehorsams festhält. Opfer sind auch die Filmgestalten der großen Erfinder und Unternehmer (z.B. Carl Zeiss in Made in Germany – ein Leben für Zeiss, W. Schleif, 1956). Sie opfern sich selbst, ihre Gesundheit und damit ihr Leben der Arbeit und der Gemeinschaft, und ihre Mitmenschen, besonders die Frauen, opfern sich wiederum für sie. Opfer in diesem Sinn sind auch die Ärzte und Krankenschwestern im Melodram.


Aus: Irmgard Wilharm: Die verdeckten Spuren des Kalten Krieges im deutschen Unterhaltungsfilm. In: Deutsches Historisches Magazin, Heft 5, 2. Jg. 1992,  S. 15-17

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