Das Mädchen Rosemarie (1958)

Inhalt

Während des Wirtschaftswunders kommt die junge Rosemarie Nitribitt nach Frankfurt, wo sie das große Geld machen will. Aufgrund ihres guten Aussehens wird sie schnell die Geliebte eines eleganten Geschäftsmannes. Bald lernt Rosemarie einen französischen Industriespion kennen, der sie mit weiteren Unternehmern bekannt macht und sich ihrer bedient, um an wichtige Interna zu gelangen. Als deutlich wird, dass Rosemarie zuviel weiß, gerät sie in Lebensgefahr. Mit ihrem Bruder Horst und dessen Freund Walter zieht Rosemarie Nitribitt durch die Straßen Frankfurts, wo sie ihren Lebensunterhalt durch Gesang verdienen. Eines Tages singt das Trio vor einem Frankfurter Hotel, in dem gerade eine Gruppe einflussreicher Unternehmer tagt. Die attraktive Frau fällt dem eleganten Geschäftsmann Konrad Hartog auf. Zwischen ihm und Rosemarie entwickelt sich schnell ein Verhältnis.
Bald finanziert ihr Hartog eine teure Wohnung. Als die französische Konkurrenz den Wirtschaftsspion Alfons Fribert auf Hartogs Unternehmen ansetzt, beschließt dieser, Rosemaries Wirkung auf Männer auszunutzen. Die Industriellen, die Rosemarie bald regelmäßig besuchen, ahnen zunächst nicht, dass ein Tonband ihre intimen Besuche und alles, was dabei besprochen wird, aufzeichnet. Und Rosemarie erkennt nicht, wie gefährlich das Spiel für sie werden kann. Als den Unternehmern klar wird, dass wichtige Interna an die Konkurrenz gelangt sind, steht Rosemaries Leben auf dem Spiel. Rolf Thieles Klassiker des bundesdeutschen Films ist eine opulente Leinwandbiografie der 1957 in Frankfurt ermordeten Prostituierten Rosemarie Nitribitt, zu deren Kundenkreis angeblich prominente Industrielle gehörten.
(Text: BR Fernsehen)

Siehe auch:

Originaltitel

Das Mädchen Rosemarie

Produktionsland

Deutschland

Originalsprache

Deutsch

Erscheinungsjahr

1958

Länge

101 Minuten

Stab

Regie

Rolf Thiele

Drehbuch

Erich Kuby, Rolf Thiele, Rolf Ulrich, Jo Herbst

Poduktionsfirma:

Roxy Film GmbH & Co. KG (München)

Produktion

Luggi Waldleitner

Musik

Norbert Schultze

Kamera

Klaus von Rautenfeld

Schnitt

Liesbeth Neumann-Kleinert

DarstlelerInnen

·         Nadja Tiller: Rosemarie Nitribitt

·         Peter van Eyck: Alfons Fribert

·         Carl Raddatz: Konrad Hartog

·         Gert Fröbe: Generaldirektor Willy Bruster

·         Mario Adorf: Horst

·         Horst Frank: Student Michael Runge

·         Hanne Wieder: Marga Hartog

·         Helen Vita: Eveline, Sängerin

·         Werner Peters: Franz Josef Nagonski

·         Tilo von Berlepsch: Oelsen

·         Erik von Loewis: von Killenschiff

·         Karin Baal: Do, Tänzerin

·         Hubert von Meyerinck: Portier Kleie

·         Jo Herbst: Walter

·         Ruth Hausmeister: Frau Hartog

·         Arno Paulsen: Schmidt

·         Florentine Castell

·         Karl Schönböck

Das Mädchen Rosemarie wurde 1958 mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet und fand im selben Jahr Aufnahme in den Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Zwar musste sich Thieles Film bei der Vergabe um den Goldenen Löwen Hiroshi Inagakis Drama Der Rikschamann geschlagen geben, jedoch wurde die Filmproduktion mit dem Premio Pasinetti ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt Thiele den Regiepreis des argentinischen Festival Internacional de Cine de Mar del Plata, während der Film bei der Golden-Globe-Verleihung 1959 gemeinsam mit dem französischen Beitrag Wenn die Flut kommt von François Villiers und der jugoslawisch-italienischen Koproduktion Straße der Leidenschaft von Giuseppe De Santis den Preis für den besten fremdsprachigen Film erhielt.

Der Fall sorgte im Deutschland der Wirtschaftswunderära für viel Aufsehen, blieb aber ungeklärt. Mit der Geschichte der Nitribitt, als Mischung aus Satire und Moritat erzählt, attackierte Thiele die Doppelmoral der Ära. Der Regisseur selbst sagte in einem zeitgenössischen Interview: „Ich bediente mich eines Lustmordes, um ein Stückchen Gesellschaftskritik loszuwerden.“

Mehr zum Hintergrund bei wikipedia

Zur zeitkritischen Kommentarfunktion der Musik

(…) Zeit- und Gesellschaftskritik entfalten sich in DAS MÄDCHEN ROSEMARIE
auch und insbesondere auf musikalischer Ebene, etwa durch
Gesangseinlagen, die die Filmhandlung immer wieder kommentierend
unterbrechen und den Film in die Tradition des politischen Kabaretts stellen.
Durchzogen von Allegorien, satirischen Elementen und karikierenden
Anspielungen geht der Film mit vorherrschenden Werten, politischen und
ökonomischen Verhältnissen sowie (doppel-)moralischen Vorstellungen ins
Gericht – mitunter so gut »versteckt«, dass diese trotz aller Einwände und
Eingriffe der FSK die »Zensur« passieren konnten.(…)

aus: Anika Thorhauer: »Wir sind den Umständen nicht dankbar, die uns zu diesem
Film herausforderten.« Zur zeitkritischen Kommentarfunktion der Musik in DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (1958). Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 11, 2014 // S. 321-332

 

Der Film über die früh gemordete Second Lady finanzstarker Bundesdeutscher, dessen Aufführung auf der Biennale in Venedig die Bundesregierung zu hintertreiben trachtete, erweist sich als eine der wenigen Arbeiten, mit denen der deutsche Film einige Ehre einlegen kann. Autor Erich Kuby und Regisseur Rolf Thiele haben sich nicht zu einer hämisch-skandalfrohen Dirnenballade verlocken lassen, sondern der Nitribitt-Affäre eine in Wort und Bild gewitzte, geistesgegenwärtige Satire abgewonnen. Die Gemächer der blonden SL-Kurtisane (Nadja Tiller) bilden darin nur den günstigen geometrischen Ort, von dem aus Mißverhältnisse des Wirtschaftswunderlandes nach allen Richtungen hin augenfallig werden. Der herzhafte Film folgt im Stil Staudtes »Untertan«, vermeidet jedoch, die Hauptfiguren karikaturistisch zu überzeichnen, und ist daher genauer. Die Darsteller stimmen mit ihren Rollen überein wie selten in deutschen Atelierprodukten. Sie beleben die Szene mit einer Spiellaune, zu der sie sich sonst kaum ermutigt sehen. Die Film-Selbstkontrolle verlangte allerdings, daß vor der öffentlichen Aufführung des Films eine gegen die Wiederbewaffnung gerichtete Pointe entfernt und daß obendrein im Vorspann ausdrücklich jede Beziehung des Films zur bundesdeutschen Wirklichkeit geleugnet wurde. 

aus: DER SPIEGEL 36/1958 – 02.09.1958

 

„Skadalfilm“, der am Schicksal einer Edelprostituierten die Doppelmoral der Wirtschaftswunderzeit bloß legt.

1957 wurde in Frankfurt am Main die stadtbekannte „Lebedame“ Rosemarie Nitribitt ermordet. Zu ihren Kunden hatten angeblich auch prominente Industrielle gehört. Die Fall schlug hohe Wellen, blieb aber ungeklärt. Der Journalist Erich Kuby verarbeitete den Stoff zu einem Drehbuchentwurf, der einen der umstrittensten und erfolgreichsten Filme der 50er Jahre inspirierte. Sorgfältig inszeniert, von satirischen Songs über Wirtschaftswunder und Remilitarisierung begleitet, glossiert der Film in einer Mischung aus Persiflage, Kabarett und Moritat die Doppelmoral der bundesdeutschen Gesellschaft der Wiederaufbauzeit, ohne freilich zu den tieferen Wurzeln der attackierten Mißstände vorzudringen. 

https://www.filmdienst.de/film/details/15671/das-madchen-rosemarie-1958

Das skandalöse Leben und der gewaltsame Tod des Callgirls Rosemarie Nitribitt stellen wenig mehr als nur den Anlass für ein satirisches Porträt des westdeutschen Nachkriegs-Wirtschaftswunders und seiner im Privaten so spießigen wie in Geschäften sachlichen Macher dar – wobei die Liebesdienste der Hure allemal zum Geschäftlichen gehören: Prostitution erscheint – weder glamourös noch aus der Not geboren – als moralfreie Aufstiegschance in einer von Angebot und Nachfrage regulierten Gesellschaft. Eine Story wird nur in Grundlinien skizziert; der Schwerpunkt liegt auf episodisch aneinander gereihten Tableaus und pointierten Dialogen, die distanzierend von kabarettistischen Song-Einlagen unterbrochen werden. Dazu passend interpretiert Nadja Tiller ihren Part mit einer ungerührt und unberührbar heiteren Gelassenheit, die ihre Tiefe dadurch erhält, dass sie nichts als eine makellose Oberfläche von sich preigibt. (is)

film.at (o.J.)

Satirischer Krimi mit Nadja Tiller als Edelhure.

Die 50er-Jahre, Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Ein solches ist auch Rosemarie (Tiller). Ihren Traum vom Leben im Luxus erfüllt sie sich als High-Society-Callgirl. Doch der Traum währt viel zu kurz… Denn die echte Rosemarie Nitribitt wurde 1957 unter nie geklärten Umständen ermordet. Dieses frivole Krimimelo rief damals die Tugendwächter auf den Plan, heute wirkt es harmlos, aber ganz amüsant.


FAZIT
Fifties-Moritat mit deutschen Stars

https://www.cinema.de/film/das-maedchen-rosemarie,90834.html

 

 

(…) Dass sich Regisseur Rolf Thiele den Vorwurf der „Kolportage“ gefallen lassen musste, als er nur wenige Monate nach Nitribitts Tod seinen Film „Das Mädchen Rosemarie“ in die Kinos brachte, lag entsprechend nah, auch weil er damit unmittelbar ins Selbstverständnis der sich am eigenen Wirtschaftswunder delektierenden Politiker und Wirtschaftsbosse vorstieß. Mit dem Journalisten Erich Kuby nahm er zudem einen Drehbuchautoren mit an Bord, der sich als „Nestbeschmutzer von Rang“ (Heinrich Böll) schon einen Namen gemacht hatte, und als links-liberaler Kritiker an der Regierungspolitik von vornherein unter Generalverdacht stand. (…)

aus: Udo Rotenberg auf „Grün ist die Heide. Der deutsche Film 1930 bis 1980“, 30.09.2012

 

(…) Prostituierte in Filmen werden oft von einer Reihe von Klischees begleitet. Da gibt es natürlich die Hure mit dem goldenen Herzen, die dem Helden unter die Arme greift (…). In Krimis und Thrillern dürfen sie gern auch mal Informantinnen spielen, als Bindeglied zur Unterwelt. Und natürlich bieten sie sich immer an für Sozialdramen, die von den Verwerfungen vergessener Gesellschaftsschichten erzählen. Da darf sich schon mal ein bisschen im Elend der Figuren gesuhlt werden, während Frau darauf wartet, von irgendeinem Mann gerettet zu werden. Dafür braucht es nicht einmal eine ausgeprägte Persönlichkeit, ein liebreizendes Äußeres reicht völlig.

Mit Schmutz zu Geld
Dass es auch ganz anders ginge zeigte Rolf Thiele 1958 in Das Mädchen Rosemarie. Basierend auf der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt erzählte der Regisseur und Co-Autor in dem Film von einer Frau, die anfangs ein bisschen naiv ist, aber von einem starken Willen angetrieben. Eine Frau, die genau weiß, was sie will, und dabei nicht so wirklich viele Skrupel mitbringt. Mit der realen Vorlage hat der Film eher weniger zu tun. Er greift jedoch eines der diversen Gerüchte auf, die über sie im Umlauf waren: Sie soll ihre Freier mit kompromittierenden Material erpresst haben und dadurch zu relativem Wohlstand gekommen sein – nicht unbedingt eine Voraussetzung für die übliche Heldin. (…)

aus: Oliver Armknecht: Das Mädchen Rosemarie – film-rezensionen.de – 09.08.2020

 

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