Aufbau einer „modernen“ Filmindustrie

Produktionen am laufenden Band

Peter Stettner (1995)

In dieser Situation trat die JFU/Rolf Meyer, bestärkt durch die guten Erfahrungen vor der Währungsreform, die Flucht nach vorn an: Möglichst viele eigene Filme sollten in möglichst kurzer Zeit produziert werden, im Vertrauen darauf dass die Einspielergebnisse wie bisher stimmen würden.

Im Jahre 1949 wurden so drei weitere Spielfilme abgeschlossen, bis Ende 1950 sechs weitere. Die Devise hieß zu dieser Zeit: Schnell, billig und keine Experimente. Der sogenannte „zeitlose, „unpolitisch“ Unterhaltungsfilm sollte es sein, mal als Verwechslungskomödie (DIESE NACHT VERGESS‘ ICH NIE, 1949, Regie: Johannes Meyer), mal als historisches Drama (DER BAGNOSTRAFLING, 1949, Regie: Gustav Fröhlich) oder als Kriminalfilm (DER FALL RABANSER, 1950, Regie: Kurt Hoffmann).

Vom Rhein nach Paris und zurück

Im Frühsommer 1949 wird der bis dahin teuerste Film der Jungen Film-Union gedreht. Nach Motiven von Honoré de Balzac inszeniert Gustav Fröhlich einen der ersten großen Kostümfilme Nachkriegsdeutschlands: DER BAGNOSTRÄFLING. Der Stoff ist im Paris des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Hier entspinnt sich der Machtkampf eines ungleichen Bruderpaares – der eine (Paul Dahlke) ist Bankräuber, der andere (Richard Häußler) Polizeipräfekt. Für diese Szenerie bauen drei Architekten eine Pariser Straßenkulisse an den Dorfrand von Bendestorf.

Die Drehbuchvorlage für das nächste Projekt 13 UNTER EINEM HUT liefert ein Preisausschreiben, das die Junge Film-Union mit der Zeitschrift „Constanze“ veranstaltet: Unter 24.400 Einsendungen geht das Manuskript des Autors P.A. Müller hervor, der den Stoff schon einmal der Ufa angeboten hatte. Die Dreharbeiten zu dieser Verwechslungskömodie (Regie: Johannes Meyer) beginnen im Herbst 1949. Eine Reisegesellschaft, die mit einem omnibusähnlichen Gefährt von Hamburg bis Bingen am Rhein unterwegs ist, erlebt auf ihrer Fahrt unglaubliche Überraschungen.

Gleichzeitig startet in Bendestorf ein neuer Film unter der Regie von Paul Verhoeven. Da in die Bendestorfer Studios „13 unter einen Hut“ kommen sollen, wird das Ausflugslokal „Waldburg“ im nahen „Kleckerwald“ zum Ausweichatelier. DIESER MAN GEHÖRT MIR sagt sich hier die resolute Zimmerwirtin Fita (Heidemarie Hatheyer) und meint damit ihren Gast, den ledigen Landarzt Wilhelm (Gustav Fröhlich). Ausgerechnet die Sekretärin eines Eheanbahnungsinstituts (Winnie Markus) kommt ihr dabei mit eigenen Heiratsplänen in die Quere.

Modernisierung der Atelieranlage

Die JFU/Rolf Meyer setzte auf Expansion, nicht nur in der Zahl der produzierten Filme: In einer zweiten Bauphase wurde die Atelieranlage modernisiert. Kernstück der Erweiterung war eine dritte große Atelierhalle mit 1.000 qm Fläche und einer Höhe von 10 Metern. Dazu kam eine Erweiterung und Modernisierung der Nebengebäude. Der gesamte Erweiterungsbau wurde im Sommer 1950 von einer Baugruppe der Schiffswerft Blohm & Voss fertiggestellt. Als am 8.2. des Jahres das Richtfest gefeiert wurde, war auch der niedersächsische Kultusminister Voigt anwesend, denn dem Land Niedersachsen kam bei der jüngsten Entwicklung eine bedeutende Rolle zu. Die JFU hatte ihren Hauptsitz bereits 1949 von Hamburg nach Bendestorf verlegt. Ausschlaggebend hierfür war in erster Linie ein größerer Kredit, den Rolf Meyer von der Niedersächsischen Landesbank haben wollte und dann auch erhielt: 750.000 DM, die durch das Land Niedersachsen verbürgt und vornehmlich für die Ateliermodernisierung verwendet wurden. Zur Sicherung wurden dem Land alle Maschinen und filmtechnischen Geräte übereignet sowie das Erbbaurecht belastet.

Wenngleich die Expansion der JFU geglückt war – die Firma avancierte 1950 neben der Real-Film in Hamburg zur größten westdeutschen Filmproduktion – , ging die Rechnung Meyers trotzdem nicht auf denn die nach der Währungsreform produzierten Filme spielten nur Bruchteile dessen ein, was sie gekostet hatten. Dies hatte seinen Grund nicht zuletzt darin, dass sich das Angebot auf dem westdeutschen Filmmarkt ab dem Verleihjahr 1949/50 stark vermehrte: Nachdem das Experiment Währungsreform auch international als geglückt galt und die Deutsche Mark insofern attraktiv wurde, gelangten etwa doppelt so viele Filme auf den deutschen Markt wie zuvor. Vor allem die amerikanischen Firmen steigerten ihren Anteil erheblich. In dieser verschärften Konkurrenzsituation konnten die Filme der JFU nicht bestehen. Da dies aber nicht nur der JFU/Rolf Meyer so erging, sondern bis auf wenige Ausnahmen der gesamten deutschen Filmproduktion, stützten die Länder und der Bund die, „heimische“ Produktion durch Ausfallbürgschaften. Von den 19 Spielfilmen, die die JFU insgesamt realisierte, waren ab dem elften Film, DER FALL RABANSER, alle weiteren bundes- und landesverbürgt (Niedersachsen bzw. Hamburg), so dass hieraus keine neuen Verluste auf die Filmfirma zukommen konnten.

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