Der Kriegsfilm der 50er Jahre
Entlastung der Wehrmacht und moralische Vorbereitung für das neue Militär mit antikommunistischer Stoßrichtung
„Das zweite erfolgreiche Genre [neben dem Heimatfilm] bildeten mit gut 7% der westdeutschen Produktion zwischen 1949 und 1964 die Kriegsfilme. Nachdem amerikanische Produktionen vor allem über die Kämpfe in Ostasien den Krieg als Unterhaltung wieder konsumierbar gemacht hatte, entstanden im Vorfeld der »Wiederbewaffnung« die Bilder, die die Wehrmacht entlasteten und moralisch das neue Militär vorbereiteten.“ (1)
Parallel zur Planung der Bundeswehr – zunächst im Geheimen – , der Gründung derselben im November 1955 und schließlich der Einführung der Wehrpflicht im Juli 1956 rollte auch die Welle der Kriegsfilme an und eroberte die Kinoleinwand. (2)
Eine Entlastung der Wehrmacht konnte dabei nur funktionieren, wenn man ein neues bzw. altes Feindbild (re)konstruierte: „den Russen“, durchaus rassistisch konnotiert und eingebettet in einen unreflektierten Antikommunismus gegen die Sowjetunion.
Die Darstellung von Kriegsgeschehen im Zusammenhang mit den ehemaligen Gegnern und nun „Freunden“ im Westen eigneten sich nur dann, wenn man sich auf einzelne Personen konzentrierte, und diese zu Helden stilisierte. Vorbild dafür wurde der US-Kriegsfilm von 1951, in dem Rommel als militärisch genialer „Wüstenfuchs“ hervorgehoben wurde. In der Folge wurden dann Udet „des Teufels General“ (1955) und Canaris (1954) der getriebene Fast-Widerstandkämpfer, allesamt moralisch integer und geeignet als Vorbilder für die Führungselite des neuen Milirtärs. Diese setzte sich real auch aus den Kreisen ehemaliger hochrangiger Wehrmachtsoffiziere zusammen.
Diese Entwicklung in der westdeutschen Kriegsspielfilmproduktion korrespondierte mit den antikommunistischen Propagandabemühungen der USA zur „Eindämmung des Kommunimus in Europa“. (3)
Detlef Endeward, Mai 2024
Anmerkungen
1) Irmgard Wilharm: Die verdeckten Spuren…, 1992
2) Hans Jürgen Wulff listet in seiner ‚Filmobibliographie‘ zu bundesdeutschen Kriegs- und Militärfilmen für den Zeitraum von 1950 bis 1961 insgesamt 65 Filme auf: „Aufgenommen wurden Filme, die explizit als Kriegsfilme annonciert waren, sowie Filme, die Militärthemen behandeln oder im Kriegs- und Militärmilieu spielen. Nachgewiesen wurden auch die Filme, die in Kriegsgefangenenlagern spielen oder die Heimkehrerproblematik behandeln.“
3) Solche Propagandakampagnen gab es zur gleichen Zeit auch zur ideologischen Durchsetzung der kapitalistischen Marktiwrtschaft und Unterstützung der CDU-geführten Bundesregierung. Siehe dazu „Operation Wunderland“
Der deutsche Soldat: moralisch integer – ein Vorbild für die Bundeswehr?
„Besonders aufschlußreich sind zwei Erfolgsfilme, die 1954 zugleich in den Kinos liefen: „08/15″ (1. Teil, Regie Paul May) und CANARIS (Regie Alfred Weidenmann). Allen voran Paul Mays erster Teil der Trilogie „08/15“.
„08/15″ zeigt Kasernenleben 1938/39 und endet mit Hitlers Radioansprache, nach der auf Polen „zurückgeschossen“ werde. Es gibt keinerlei Aussage gegen den Krieg, wenn auch eine eindrucksvolle Sequenz gegen Schikane in der Ausbildung (Robben im Matsch). Wenn jemand angeklagt wird, dann sind es die unfähigen Vorgesetzten, die von den nachrückenden jungen Soldaten mit Mut und legalen Mitteln von ihren Rängen verdrängt werden. Die neue Führungsgruppe trägt unverkennbar Züge, die an Prinzipien der „inneren Führung“ erinnern und eine Absage an Militarismus alten Stils sein sollen. Zugleich geht aber die neue Führung aus den moralischen intakten Soldaten der Wehrmacht hervor – eine Aussage zum Kontinuitätsproblem beim Aufbau der Bundeswehr.
Der eigentliche Entlastungs- und Rehabilitierungsfilm ist CANARIS. In der filmischen Aussage ist Canaris (O.E. Hasse) samt seiner Abwehr die Symbolfigur eines vom Nationalsozialismus nicht infizierten (alten) deutschen Offiziers, Gegenpart zu SS und unfähigen Generälen, nur mit immensen Skrupeln zu Kontakten mit dem Widerstand bereit (entsprechend der zeitgenössischen Diskussion der fünfziger Jahre), moralisch integer bis zu seiner Verhaftung und Hinrichtung, ein Vorbild der Bundeswehr, die damit an unbelastete Traditionen anknüpfen zu können glaubte.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges kommt 1958 ein ganz anderes Entlastungsprodukt in die Kinos: DER ARZT VON STALINGRAD (Regie Geza Radvanyi). Thema ist das Leiden deutscher Kriegsgefangener von Stalingrad 1949. Titelheld ist wieder O.E. Hasse, der als Gehirnspezialist und moralische Autorität für die Gefangenen an Wunder grenzende Leistungen vollbringt, die auch von den Russen anerkannt werden: ein russischer Gehirnspezialist assistiert dem deutschen bei einer schwierigen Operation. Für den Zuschauer wird die militärische Niederlage durch die Demonstration von moralischer, technischer und intellektueller Überlegenheit kompensiert. Der Film ist ein Musterbeispiel für die Symbiose von NS-Vorstellungen zum russischen „Untermenschen“ und von Feindbildern des Kalten Krieges.“
Irmgard Wilham (1992)
Auszug aus: Irmgard Wilharm: Krieg in deutschen Nachkriegsspielfilmen. In: Niedhart, Gottfried/Riesenberger, Dieter (Hg); Lernen aus dem Krieg? Deutsche Nachkriegszeiten 1918 und 1945. Beiträge zur historischen Friedensforschung, München 1992, S: 294/95 (Überschrift, D,E.)
Der Zweite Weltkrieg im Film
Hannoversche Filmdokumente aus den 40er Jahren
Krieg im deutschen Nachkriegsfilm: Schicksal und menschliches Leid
Der Anti-Kriegsfilm der 50er Jahre: Anklagen gegen den Krieg
- Der Mythos von der „sauberen Wehrmacht“
- Der militärische Widerstand im Film der 50er Jahre
- Spionagegeschichten
- Opferstilisierung und Antikommunismus
- Frank Wisbar: Spezialist für Kriegsgeschichten
- Wolfgang Staudte: Spuren von Faschismus und Krieg im Deutschland der 50er Jahre
- Das Fernsehen entdeckt den Krieg
- Literatur
Raub und Krieg – beste Gewinnaussichten für das deutsche Kapital
Ausgewählte Spielfilme
Für diese Lernwerkstatt sind die expliziten Kriegsfilme bedeutsam, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren. Zu diesen Filmen zählen wir auch die Anti-Kriegsfilme, zumal es unmöglich ist eine klare Grenze zwischen Kriegs- und Anti-Kriegsfilmen zu ziehen. Thematisch relevant sind darüber hinaus die die Spionage- und Kriegsgefangen-Geschichten. Und die Filme, die den militärischen Widerstand thematisieren
Kriegsfilme
- 08/15; BRD 1954, Paul May
- KINDER; MÜTTER UND EIN GENERAL (aka: Hau‘n Sie ab mit Heldentum); BRD 1955, Laszlo Benedek.
- URLAUB AUF EHRENWORT; BRD 1955, Wolfgang Liebeneiner
- HAIE UND KLEINE FISCHE; BRD 1957, Frank Wisbar.
- U 47 – KAPITÄNLEUTNANT PRIEN; BRD 1958, Harald Reinl.
- HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN, BRD 1959, Frank Wisbar
- NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN, BRD 1960, Frank Wisbar
- STRAFBATAILLON 999, BRD 1959, Harald Philipp.
- DIVISION BRANDENBURG; BRD 1960, Harald Philipp
Filme über den militärischen Widerstand
- CANARIS, BRD 1954, Alfred Weidenmann
- DES TEUFELS GENERAL, BRD 1955, Helmut Käutner
- DER 20. JULI; BRD 1955, Falk Harnack.
- ES GESCHAH AM 20. JULI; BRD 1955; G.W. Pabst
- DER FUCHS VON PARIS, BRD 1957, Regie: Paul May
- FABRIK DER OFFIZIERE; BRD 1960, Frank Wisbar
Kriegsgefangenengeschichten
- DER ARZT VON STALINGRAD
- TAIGA; BRD 1958, Wolfgang Liebeneiner.
- DER TEUFEL SPIELT BALALEIKA; Frankreich/BRD 1961, Leopold Lahola
Spionagegeschichten
- VERRAT AN DEUTSCHLAND, BRD 1954, Veit Harlan.
- SPION FÜR DEUTSCHLAND, BRD 1956, Werner Klingler
- ROMMEL RUFT KAIRO, BRD 1958, Wolfgang Schleif
TV-Mehrteiler
- SO WEIT DIE FÜSS TRAGEN, BRD 1958/59, Fritz Umgelter (TV-Sechsteiler)
- AM GRÜNEN STRAND DER SPREE, BRD 1960, Fritz Umgelter (TV-Fünfteiler)