Nacht fiel über Gotenhafen (1960)

Inhalt

Als die Stadt am Abend bombardiert wird, lässt die Trostlosigkeit dieser Nacht Hans und Maria zueinander finden. Hans wird auf die „Gustloff“ abkommandiert und Maria bemerkt tief bestürzt Wochen später, dass sie schwanger ist. Die Schwiegermutter verweist sie des Hauses. Im ostpreußischen Laswethen findet Maria bei Edith und deren couragierter Nachbarin, Baronin von Reuss (Brigitte Horney), warmherzige Aufnahme. Maria bringt einen Sohn zur Welt, Kontakt zu dessen Vater lehnt sie aber ab. Dann rückt die Front näher, im großen Flüchtlingstreck Richtung Westen sind auch die Laswethener Frauen, begleitet von Marias Mann, dessen Kompanie auf dem Rückzug ist.

 

Kurt wird unterwegs schwer verwundet, doch sie schaffen es nach Gotenhafen in der Danziger Bucht. Zehntausende Flüchtlinge wollen sich hier über die Ostsee retten. Als sie erfahren, dass die „Gustloff“ im Hafen liegt, sucht Maria Hans Schott auf. Sie verlangt von ihm, auf dem überfüllten Schiff einen Platz für Kurt und acht Frauen zu organisieren. Am 30.01.1945, 12:30 Uhr läuft die „Gustloff“ aus. Doch am Abend wird sie von einem sowjetischen U-Boot beschossen, Panik bricht aus. (mdr)

Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre

Der Zweite Weltkrieg im Film

Filmansicht bei You Tube

 

Dokumentation bei filmportal.de

 

Produktionsland BR Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1960
Länge 99 Minuten
Stab
Regie Frank Wisbar
Drehbuch Frank Wisbar, Victor Schüller
Produktion Deutsche Film Hansa GmbH & Co. (Alf Teichs)
Musik Hans-Martin Majewski
Kamera Willi Winterstein
Schnitt Martha Dübber
DarstellerInnen
  • Sonja Ziemann: Maria Reiser
  • Gunnar Möller: Kurt Reiser
  • Erik Schumann: Hans Schott
  • Brigitte Horney: Generalin von Reuss
  • Mady Rahl: Edith Marquardt
  • Erich Dunskus: Vater Marquardt
  • Willy Maertens: Vater Reiser
  • Edith Schultze-Westrum: Mutter Reiser
  • Wolfgang Preiss: Dr. Beck
  • Tatjana Iwanow: Meta
  • Christine Mylius: Frau Rauh
  • Aranka Jaenke: Frau Kahle
  • Dietmar Schönherr: Gaston
  • Günter Pfitzmann: Oberleutnant Dankel
  • Erwin Linder: Kapitänleutnant
  • Günther Ungeheuer: Arzt
  • Karl-Heinz Kreienbaum: Funker der Gustloff
  • Carl Lange: Kapitän Zahn
  • Peter Voß: Kapitän Petersen
  • Carla Hagen: Monika
  • Til Kiwe: SS-Offizier
  • Georg Lehn: Herr Pinkoweit
  • Hela Gruel: Frau Pinkoweit
  • Thomas Braut: Leutnant von Fritzen
  • Wolfgang Stumpf: Reese, 1. Offizier der Gustloff
  • Ursula Herwig: Inge
  • Marlene Riphahn: Frau Kubelsky
  • Martin Hirthe: Partygast
  • Hans Jörg Götze: Partygast 2
  • Horst Frank: Sprecher

Frank Wisbar ist nach den Judenpogromen vom November 1938 aus Nazideutschland in die USA geflohen und gegen Ende der fünfziger Jahre aus der Emigration zurückgekehrt . Nach seiner Rückkehr drehte in innerhalb kurzer Zeit meherer Kriegsfilme und galt als „SPezialist“ für dieses Genre.

Für D. Kannapin ist Wisbar einer der „Protagonisten des antikommunistischen Films“ in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre. Insbesondere NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN IST FÜR kANNAPIN EIN Fim, “der zu einem Beitrag par excellence für den Antikommunismus in den Kinos der Bundesrepublik wurde“ . (S. 283/84

 

  • Lexikon des internationalen Films: „Ein in einzelnen Szenen überzeugend wirklichkeitsnah gestalteter Film, der aber keine Einsicht in die eigentlichen Ursachen der Katastrophe gibt.“[1]
  • Reclams Lexikon des deutschen Films (1995): „Das dabei angeschnittene Thema der Vergangenheitsbewältigung mündet wie in der überwiegenden Vielzahl ähnlicher Kriegsabenteuerfilme dieser Zeit in der Aussage, daß Krieg zwar schrecklich, jedoch nicht abzuwenden sei, und daß menschliche Gefühle und Edelmut auch in den schrecklichsten Momenten Grund zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben.“
  • Evangelischer Filmbeobachter: „Trotz einiger Milderungstendenzen in der Aussage und trotz überkonstruierter Spielhandlung immer noch ein eindringliches Mahnmal gegen leichtfertiges Spiel mit dem Krieg.“[2]

Kriegsfilme haben normalerweise eine eindeutige Botschaft: nie wieder dieser Irrsinn! Die Kraft der Bilder transportiert die Botschaft. “Im Westen nichts Neues“ zeigt ungeschminkt und illusionslos, wie Soldaten in Schützengraben Krieg führen müssen. Regisseur Frank Wysbar jedoch traut dem Krieg und dem Untergang der „Wilhelm Gustloff“ allein nicht und bettet dieses Geschehen in eine eher konventionelle Liebesgeschichte ein. Der Nachteil: diese Episode schiebt sich nun vor das Kriegsgeschehen. (…)

> weiter

aus: Falk Schwarz: Betulich und brachial – filmportal.de

Auseinandersetzung ausführlich bei:
Kannapin, Detlev: „Dialektik der Bilder. Der Umgang mit NS-Vergangenheit in deutschen Spielfilmen” – Eine vergleichende Studie zur Bedeutung des Films für die politische Kultur in Deutschland 1945-1989/90, S. 283 – 297

Zielsetzung einer umfassenden Arbeit, woraus dieser Beitrag als Nebenaspekt sich
entwickelt hat, ist die Untersuchung des Schiffsuntergangsmotivs im Spielfilm.
Dabei geht es wesentlich um seine jeweiligen Funktionalisierungen, um seine
filmästhetischen Realisierungen und seine kulturellen Bedeutungen zwischen
1913 und heute. Dass sich bei einigen dieser Untergangsfilme, en passant und
in dieser Form nicht erwartet, sehr spannende film- und kulturgeschichtliche
Fragestellungen auftaten, mag Zufall sein oder der im Untergangsmotiv schon
angelegten Bedeutungsschwere entspringen.

> weiter

Juhnke, Karl: Vom Volks- zum Leidensgenossen: Formen der Viktimisierung in NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN. In: Andrea Nolte (Hg.): Mediale Wirklichkeiten. Marburg: Schüren 2003 (Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium 15), S. 132–143. DOI: 10.25969/mediarep/14396
.

Im westdeutschen Film der fünfziger Jahre wurde das Kriegsende oft als Untergang
visualisiert2. So ist z.B. schon 1959 die Gustloff vollbesetzt mit Frauen und Kindern auf
deutschen Kinoleinwänden gesunken. Der Film Nacht fiel über Gotenhafen (Frank Wisbar, 1959), der offensichtlich als Vorlage für die Fernsehfilme Die Flucht und Die Gustloff gedient hat, thematisierte sowohl die Flucht aus Ostpreußen als auch den Untergang des ehemaligen Kraft-durch-Freude-Dampfers Wilhelm-Gustloff. Selbst das in Nacht fiel über Gotenhafen eingeschnittene Wochenschaumaterial ist in Die Gustloff wieder verwendet worden. Der Regisseur Frank Wisbar, der aus dem ostpreußischen Tilsit stammt und den Krieg im amerikanischen Exil verbracht hat, wollte in Nacht fiel über Gotenhafen „alle Schrecknisse vorführen, die der Krieg für Frauen bereithält.“
> mehr

Tuch, Geesa; Tacke, Alexandra: Frauen auf der Flucht: ”Nacht fiel über Gotenhafen” (1959), ”Die Flucht”, (2007) und ”Die Gustloff” (2008) im Vergleich.  In: Agazzi, Elena; Schütz, Erhard. Heimkehr: Eine zentrale Kategorie der Nachkriegszeit: Geschichte, Literatur und Medien. Berlin: Duncker Humblot 2010, S. 229-242. Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-41439

Der Film Nacht fiel über Gotenhafen über den Untergang des Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff lief im Februar 1960 in den westdeutschen Kinos an. Das Melodrama ist der einzige Film dieser Jahre, der die Flucht der Bevölkerung aus den damaligen deutschen Ostgebieten direkt thematisiert. In einigen zeitgenössischen Heimatfilmen schimmert die Flucht zwar als biographischer Hintergrund einzelner Figuren durch, sie erzählen aber Geschichten erfolgreicher Integration.
Regisseur Frank Wisbar (1899–1967) hingegen wollte mit seinem Film „den Leistungen und Leiden“ der deutschen Frauen im Zweiten Weltkrieg ein Denkmal setzen. Er deutete die Flucht als nationale Tragödie aus und nahm den Untergang der Wilhelm Gustloff zum Anlass einer symbolischen Rückschau auf das Ende des ‚Dritten Reichs‘. Als Vorlage dienten ihm so unterschiedliche Quellen wie ein Illustriertenfortsetzungsroman, Interviews mit Zeitzeugen und die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

> weiter

Tuch, Geesa (2013). Nacht fiel über Gotenhafen. In: Agazzi, Elena; Schütz, Erhard. Handbuch der Nachkriegskultur. Berlin: De Gruyter, 267-270

Das könnte dich auch interessieren …