Die Csardasfürstin (1951)

Inhalt

Die bekannte Schauspielerin und Revuetänzerin Sylva Varescu (Marika Rökk) macht mit ihrem Verehrer Boni einen Ausflug zu Pferde in der sizilianischen Landschaft. Plötzlich werden die beiden von Straßenräubern überfallen, die Boni allerdings selbst bestellt hatte, um seinen Heldenmut zu beweisen und dadurch Sylvas Liebe erringen zu können. Unglücklicherweise geht jedoch Bonis Pferd durch und Sylva bleibt allein zurück. Die tatkräftige Frau kann die Räuber zwar in die Flucht schlagen, erschrickt jedoch anschließend über die eigene Courage und läuft weinend weg. Da sie bei dem Überfall auch ihr Pferd eingebüßt hat, sitzt sie nun hilflos am Wegesrand. Der holländische Militärattaché Edwin von Weylersheim (Johannes Heesters), der zufällig vorbeikommt, nimmt die junge Frau mit auf sein Pferd. Edwin schwindelt Sylva vor, daß eine Rückkehr ins Hotel für den heutigen Tag zu weit und zu gefährlich wäre und überredet sie, stattdessen in einer einsamen Bauernhütte zu übernachten. Sylva läßt sich notgedrungen darauf ein, weist aber die charmanten Annäherungsversuche des Militärattaches mit Bestimmtheit zurück. Nachdem die beiden ihr Schlaflager gerichtet haben, trifft jedoch Boni mit Bekannten ein, und Sylva kehrt mit ihm ins nahe gelegene Hotel zurück.

Als Edwin einige Zeit später in Rom weilt, sieht er ein Plakat, das Sylva Varescu ankündigt, und besucht die Theatervorstellung. Der Militärattaché bekundet auch hier Sylva seine Zuneigung, wobei er „seine Exzellenz“, den ihm vorgesetzten Botschafter, belästigt. In der Folge wird Edwin von Weylersheim gemaßregelt und zu einem Manöver in die Abruzzen geschickt. Da er Sylva aber versprochen hatte, zu einer Feier pünktlich in Rom zu sein, schafft er es, mit einem Hubschrauber in die Stadt zu fliegen. Sylva wird zunehmend klar, daß Edwin – anders als der ängstliche Boni – für sie der richtige Mann ist. Und für den Militärattaché ist Sylva die faszinierende, lebenstüchtige und schöne Frau, die er sich wünscht. Doch die gesellschaftlichen Standesunterschiede stehen zwischen Sylva und Edwin: als Sohn einer Patrizierfamilie haben seine Eltern die akademisch gebildete Diplomatentochter Stasi als Frau für ihn bestimmt.

Als Edwin bald dienstlich verreisen muß, verspricht er Sylva noch, eines Tages zurückzukommen, um für immer bei ihr zu bleiben. Edwins Eltern indes bereiten die offizielle Verlobung ihres Sohnes mit Stasi vor. Die Feier soll in einem großen Pariser Hotel stattfinden. Sylva, die sich während einer Tournee zufällig in dem Hotel aufhält, trifft dort auf Edwin. Mit den Worten „Es ist ja alles ganz gleich; es gibt keine Vergangenheit, es gibt nur noch ein Heute“ beschließt dieser sich nun über die Standesunterschiede hinwegzusetzen. Doch Sylva spürt den Widerstand von Edwins Eltern und beschließt, mit ihrem Revueensemble nach Australien zu fliegen. Während sie schon auf dem Weg zum Flughafen ist, wird Edwins Mutter von einem alten Bekannten genötigt, ihre Meinung zu ändern: um ihr eigenes Geheimnis wahren zu können – auch sie hatte vor ihrer Ehe im Revuegeschäft gearbeitet – ist sie bereit, den Wünschen ihres Sohnes nachzugeben. So können Sylva und Edwin, der inzwischen auf den Flugplatz geeilt ist, um notfalls mit seiner Geliebten zu fliegen, in letzter Minute das Ja seiner Eltern entgegennehmen. Da inzwischen auch Boni und Stasi ihre Liebe zueinander entdeckt haben, hat die Geschichte für alle einen glücklichen Ausgang.


Produktionsland Bundesrepublik Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1951
Länge 94 Minuten

Stab

Regie Georg Jacoby
Drehbuch Bobby E. Lüthge
Georg Jacoby
Produktion Deutsche Styria-Film, München
Junge Film-Union Rolf Meyer, Bendestorf
Musik Emmerich Kálmán
Willy Mattes Bearbeitung
Kamera Bruno Mondi
Schnitt Martha Dübber

Produktionsleitung: Karl Junge
Aufnahmeleitung: Heinz Karchow
Drehzeit: Mai – August 1951
Außenaufnahmen: Hamburg, München, Bad Reichenhall, Salzkammergut
Atelier: Bendestorf
Länge: 2477m = 91 Min.
Zensurdatum: 4.10.1951 (FSK)
Uraufführung: 18.10.1951, Frankfurt (Turmplast); 18.4.1952 Berlin-West

DarstellerInnen

  • Marika Rökk: Sylva Varescu
  • Johannes Heesters: Edwin von Weylersheim
  • Franz Schafheitlin: Leopold von Weylersheim
  • Margarete Slezak: Mathilde von Weylersheim
  • Walter Müller: Boni Kancsianu
  • Hubert Marischka: Feri von Kerekes
  • Jeanette Schultze: Stasi Planitz
  • Arno Assmann: Mac Grave
  • Helmuth Rudolph: Gesandter
  • Jutta Petrikowsky: Mädi
  • Inge Brinkhätker: Mädi
  • Helga Keck: Mädi
  • Renate Blaubach: Mädi
  • Ilse Maria Mahnke: Mädi
  • Eva Pflug: Mädi

DIE CSARDASFÜRSTIN – ein erfolgreicher „Großfilm“

Peter Stettner (1992)

Die letzte Produktion der JFU – DIE CSARDASFÜRSTIN – war nicht nur einer der wenigen finanziell erfolgreichen Filme der Firma, sondern auch ein Musterbeispiel dessen, was von der JFU als „Großfilm“ bezeichnet wurde. Ausgehend von dem Vorhaben einen „zweiten Rökk-Film“ drehen zu wollen, wurde von der JFU und dem Herzog-Filmverleih nach einem geeigneten Stoff gesucht. Bereits frühzeitig stand fest, daß ein aufwendiges Farbfilmprojekt realisiert werden sollte. Die Wahl fiel schließlich auf die bewährte Operettenvorlage „Die Csardasfürstin“, die bereits im Jahre 1934 von Georg Jacoby verfilmt worden war, der nun auch das Remake mit seiner Ehefrau Marika Rökk in der Titelrolle inszenieren sollte.301 Ein entscheidender Grund für die Wahl dieses Stoffes lag darin, daß sich hier sehr gute Möglichkeiten boten, zahlreiche Tanz- und Revueszenen mit bunten Kostümen zu verarbeiten. Die Wahl eines männlichen Stars als Partner für Frau Rökk fiel auf Johannes Heesters, der nach den Worten Meyers seinerzeit die „beste Zugkraft“ als Publikumsliebling hatte.302 Diese beiden Schauspieler waren bereits im Unterhaltungsfilm zur Zeit des Nationalsozialismus die größten Stars des Operetten- und Revuefilms gewesen.303 Nachdem sie in einigen Operettenverfilmungen, wie DER BETTELSTUDENT (1936) und GASPARONE (1937), beide ebenfalls unter der Regie von Georg Jacoby, zusammen agiert hatten, errangen sie ihre weiteren großen Erfolge jeder für sich. Ein Grund dafür lag darin, daß Heesters meinte, sich neben Marika Rökk nicht richtig entfalten zu können: „Marika hatte es verstanden, ihre Rollen mehr und mehr mit Tanznummern auszuputzen, so daß er sich dabei an die Wand gedrückt fühlte.“304

Als nun die beiden Revuestars in dem JFU-Fülm DIE CSARDASFÜRSTIN zum ersten Mal nach dem Krieg wieder zusammen vor der Kamera standen, lebten solche Ehrgeizeleien und Empfindlichkeiten gleich wieder auf. Daher bemühte sich Rolf Meyer bereits in der Vorbereitungsphase des Films darauf zu achten, daß die Anzahl der Solonummern „stimmte“, das hieß, daß beide Stars entsprechend ihrem Wert zur Geltung kamen. So machte sich der Firmenchef zum Fürsprecher von Johannes Heesters, dessen Wohlwollen für zukünftige JFU-Starfilme er sich nicht verscherzen wollte. Er drängte die Drehbuchautoren B.E. Lüthge und Georg Jacoby:

„Und was Frau Rökk tanzt, das singt er eben. Eine logische Erklärung braucht das nicht. Genau so wenig wie die anderen Lieder, zum Beispiel im Flugzeug und dergleichen letzten Endes keine logische Erklärung haben und brauchen . (…) Ich bitte noch folgendes zu beachten: Herr Heesters ist genauso ein Liebling der Backfische und Frauen wie Frau Marika Rökk ein Liebling der Jünglinge und Männer ist. Es muss also auch bei der Anlage der Szenen für Herrn Heesters daran gedacht werden, dass diese Szenen dieser Tatsache Rechnung tragen.“305

 

Restauration der Männer- und Frauenrollen in einem neuen Glanz

Peter Stettner (1992)

Um die schließlich realisierte Starinszenierung sowie weitere Merkmale der Neuverfilmung darzustellen, folgt zunächst eine Inhaltsangabe des Films.

Inhalt

Die bekannte Schauspielerin und Revuetänzerin Sylva Varescu (Marika Rökk) macht mit ihrem Verehrer Boni einen Ausflug zu Pferde in der sizilianischen Landschaft. Plötzlich werden die beiden von Straßenräubern überfallen, die Boni allerdings selbst bestellt hatte, um seinen Heldenmut zu beweisen und dadurch Sylvas Liebe erringen zu können. Unglücklicherweise geht jedoch Bonis Pferd durch und Sylva bleibt allein zurück. Die tatkräftige Frau kann die Räuber zwar in die Flucht schlagen, erschrickt jedoch anschließend über die eigene Courage und läuft weinend weg. Da sie bei dem Überfall auch ihr Pferd eingebüßt hat, sitzt sie nun hilflos am Wegesrand. Der holländische Militärattaché Edwin von Weylersheim (Johannes Heesters), der zufällig vorbeikommt, nimmt die junge Frau mit auf sein Pferd. Edwin schwindelt Sylva vor, daß eine Rückkehr ins Hotel für den heutigen Tag zu weit und zu gefährlich wäre und überredet sie, stattdessen in einer einsamen Bauernhütte zu übernachten. Sylva läßt sich notgedrungen darauf ein, weist aber die charmanten Annäherungsversuche des Militärattachés mit Bestimmtheit zurück. Nachdem die beiden ihr Schlaflager gerichtet haben, trifft jedoch Boni mit Bekannten ein, und Sylva kehrt mit ihm ins nahe gelegene Hotel zurück.

Als Edwin einige Zeit später in Rom weilt, sieht er ein Plakat, das Sylva Varescu ankündigt, und besucht die Theatervorstellung. Der Militärattaché bekundet auch hier Sylva seine Zuneigung, wobei er „seine Exzellenz“, den ihm vorgesetzten Botschafter, belästigt. In der Folge wird Edwin von Weylersheim gemaßregelt und zu einem Manöver in die Abruzzen geschickt. Da er Sylva aber versprochen hatte, zu einer Feier pünktlich in Rom zu sein, schafft er es, mit einem Hubschrauber in die Stadt zu fliegen. Sylva wird zunehmend klar, daß Edwin – anders als der ängstliche Boni – für sie der richtige Mann ist. Und für den Militärattaché ist Sylva die faszinierende, lebenstüchtige und schöne Frau, die er sich wünscht. Doch die gesellschaftlichen Standesunterschiede stehen zwischen Sylva und Edwin: als Sohn einer Patrizierfamilie haben seine Eltern die akademisch gebildete Diplomatentochter Stasi als Frau für ihn bestimmt.

Als Edwin bald dienstlich verreisen muß, verspricht er Sylva noch, eines Tages zurückzukommen, um für immer bei ihr zu bleiben. Edwins Eltern indes bereiten die offizielle Verlobung ihres Sohnes mit Stasi vor. Die Feier soll in einem großen Pariser Hotel stattfinden. Sylva, die sich während einer Tournee zufällig in dem Hotel aufhält, trifft dort auf Edwin. Mit den Worten „Es ist ja alles ganz gleich; es gibt keine Vergangenheit, es gibt nur noch ein Heute“ beschließt dieser sich nun über die Standesunterschiede hinwegzusetzen. Doch Sylva spürt den Widerstand von Edwins Eltern und beschließt, mit ihrem Revueensemble nach Australien zu fliegen. Während sie schon auf dem Weg zum Flughafen ist, wird Edwins Mutter von einem alten Bekannten genötigt, ihre Meinung zu ändern: um ihr eigenes Geheimnis wahren zu können – auch sie hatte vor ihrer Ehe im Revuegeschäft gearbeitet – ist sie bereit, den Wünschen ihres Sohnes nachzugeben. So können Sylva und Edwin, der inzwischen auf den Flugplatz geeilt ist, um notfalls mit seiner Geliebten zu fliegen, in letzter Minute das Ja seiner Eltern entgegennehmen. Da inzwischen auch Boni und Stasi ihre Liebe zueinander entdeckt haben, hat die Geschichte für alle einen glücklichen Ausgang.

Analyse

Diese an der Handlung orientierte Inhaltsangabe wird dem Film insofern nicht ganz gerecht, als die erzählte Geschichte nicht das allein entscheidende Moment ist. Ein großer Teil des Films ist angefüllt mit Tanz- und Gesangsauftritten, und zwar einerseits solchen, die Sylva Varescu qua Ausübung ihres Berufes im Film als Revue- und Operettenstar absolviert; und andererseits in den Starnummern Sylvas und Edwins im Rahmen der oben skizzierten Handlung. Die bekannten Emmerich Kaiman-Melodien aus der gleichnamigen Operette werden auf beiden Ebenen der Darbietung vorgetragen.

Die Auftritte Sylvas im Rahmen ihrer Revue- und Operettendarbietungen, die von Edwin als Zuschauer verfolgt werden, präsentiert der Film in zwei längeren Sequenzen, die jeweils mehrere Minuten dauern. Die erste Sequenz spielt in einem Theater in Rom und besteht aus vier aufeinander folgenden Tanzszenen, die entsprechend der ursprünglichen Operette in der K.u.k.-Zeit angesiedelt sind. Das Bühnenbild ist betont ausladend und verschwenderisch dekoriert. Die Kulissen wechseln zwischen den Tanzszenen mehrfach und betonen jeweils die Tiefe des Raumes, indem sie den Hintergrund in verschiedenen Schichten zeigen, z.B. wenn hinter der Tanzfläche zunächst angedeutete Gebäude erscheinen, die den Blick in eine Gartenlandschaft öffnen, die dann in einen Sternenhimmel übergeht. Zwei der vier Tanzszenen zeigen einen festlichen Ball: die Damen ganz in Weiß, die Herren im Frack, man tanzt Wiener Walzer. In ihrem mit zahlkeichen Rüschen besetzten Kleid steht Marika Rökk hier wie auch in den anderen Tanzszenen im Mittelpunkt der Inszenierung.

Die zweite große Tanzsequenz spielt in einem Pariser Theater. Auch hier sind immer wieder neue ausladende und farbenprächtige Dekorationen und Kostüme zu sehen sowie eine schier endlose Folge von Tänzen. Die Fülle und das Tempo der Darbietungen werden noch überhöht durch kameratechnische Spiegeleffekte, die die Beine Marika Rökks und ihrer Tanzpartner vervielfachen. Sowohl die Dauer dieser beiden Tanzsequenzen als auch ihre Ausgestaltung sind nicht so angelegt, daß sie allein aus der erzählten Geschichte heraus begründet wären: hier geht es vielmehr darum, Glanz, Luxus und „Größe“ als solche zu zeigen. Diese Sequenzen zielen auf die Überwältigung der Zuschauer.

Die Gesangs- und Tanznummern, die Edwin und Sylva im Rahmen der eigentlichen Handlung absolvieren, etwa zu den Melodien „Machen wir’s den Schwalben nach, bau’n wir uns ein Nest“ und „Tausend kleine Englein singen: Habt euch heb“, sind eher auf Sentiment, auf Einfühlung in die Liebesgeschichte der beiden Hauptfiguren angelegt

Doch die Rahmenhandlung ist aus einem anderen Grund besonders interessant. Der Autor Bobby Ε. Lüthge wollte mit der Wiederverfilmung des Stoffes nach eigenen Worten etwas wirklich Neues schaffen. Die als Vorlage dienende Ursprungsoperette von Stein und Jenbach stammte bereits aus dem Jahre 1915 und spielte zur Zeit der Kuk-Monarchie vor 1914, vorwiegend in Wien und Budapest.306 Der Schwarzweißfilm von 1934 hatte sich noch in den örtlichen und zeitlichen Vorgaben an die Vorlage gehalten. In dem Remake sollte nun der Stoff in modernisierter, gegenwartsnaher Form gestaltet werden. Bobby Ε. Lüthge, Anfang der 50er Jahre „mit rund 200 verkauften und verfilmten Drehbüchern der erfolgreichste deutsche Drehbuchfabrikant“ lieferte hierfür die Idee. „Da es sich herausgestellt hat“, so Lüthge, „daß Filme, auch wenn sie noch so gut gemacht werden, wenn sie im Kostüm von etwa 1912 spielen, vom Publikum abgelehnt werden, schlug ich vor, die Neufassung ganz modern und als zeitgemäßen Film, im Jahre 1951 spielend, zu machen. Anstatt der gräflichen Nichtstuer und liebenswürdigen Bummler mußten moderne Typen geschaffen werden „307

Die „modernen Typen“, die Bobby Ε. Lüthge schaffen wollte, stellen sich m den Hauptfiguren folgendermaßen dar. Aus dem Fürstensohn Edwin der Operettenvorlage entstand ein Militärattaché mit adligem Hintergrund, Graf Born wurde ein vermögender junger Mann, der, wie an einer Stelle kurz angedeutet wird, sein Geld mit Baumwolle gemacht hat. Aus der Komtesse Stasi wird die akademisch gebildete Diplomatentochter, während Sylva Varescu eine Revuesängern und -tänzerin bleibt. Wenn der Drehbuchautor „Nichtstuer und liebenswürdige Bummelanten“ ersetzen wollte, so geht der Film doch nicht so weit, die Herren bei der Ausübung einer Arbeit zu zeigen, sofern man Edwins Hubschrauberflug oder das Steuern eines Autos nicht als solche bezeichnen will. Allerdings der Militärattaché wirkt immer sehr geschäftig und agil.

Bedeutsamer als die eher vorsichtige Veränderung des Elternhauses bzw. des beruflichen Hintergrundes einiger der Hauptpersonen ist die Modernisierung der gegenständlichen Umwelt, in der die Filmhandlung sich vollzieht. Die Protagonisten verfügen nämlich über moderne Verkehrs- und Kommunikationsmittel, es wird häufiger telefoniert, man fährt elegante Autos und als ein Höhepunkt schwebt Edwin mit einem Hubschrauber aus Pappmache durch das Bühnenbild. Geachtet wurde auch darauf, daß die Kleidung den Modemaßstaben von 1950 gerecht wurde. Wenn Marika Rökk in einer kurzen Szene einmal nicht durch Kulissen, sondern tatsächlich in Rom spaziert, so tut sie dies in der Kleidung und mit dem Gestus, die einer Modenschau entsprechen.

Die Wahl der lokalen Gegebenheiten fügt sich in das Bild der „zeitgemäßen“ Modernisierung. In der Operettenvorlage spielte die Handlung vornehmlich in Wien und Budapest. Doch diese beiden Städte waren durch die jüngste Vergangenheit belastet. War die eine Metropole von den Alliierten besetzte Sektorenstadt gewesen, so lag die andere jetzt sogar hinter dem „eisernen Vorhang“. Stattdessen spielt die Handlung der Neuverfilmung zunächst auf Sizilien, dann in Rom und schließlich in Paris. Die Hauptfiguren bewegen sich als gut betuchte Reisende an diesen Orten. Diese „Westverschiebung“ findet – obwohl der Film natürlich alle direkten historisch-politischen Zeitbezüge vermeidet – ihre Entsprechung in der bundesdeutschen Realität der 50er Jahre: zum einen in der Westorientierung und Integration im Rahmen der „großen“ Politik; zum anderen in einer Alltagsorientierung der Bundesbürger, die auf eine Flucht aus dem ärmlichen Leben gerichtet war. Statt in Trümmern, notdürftigen Wohnungen und überfüllten Zügen bewegen sich die Menschen in traumhaften Villen und prächtigen Theatern, sie geben rauschende Feste, fahren elegante Autos und genießen eine schöne Postkartenlandschaft. All das, was das reale Leben vermissen ließ, wurde in der Filmwelt ausgiebig dargestellt, und zwar in Gegenden, die die Bundesbürger in den 50er Jahren – soweit ihre finanziellen Möglichkeiten dies zuließen – für „die schönsten Wochen des Jahres“ wählten. Hier wurden sowohl Wunschträume aufgegriffen, wie diesen gleichfalls ein (kitschiges) Bild gegeben wurde.

Bei dieser bewußt auf die gegenständliche Umwelt, auf Konsum, Freizeit und Verkehr konzentrierten, „unpolitischen“ Modernisierung beließen es die Autoren. Das eigentlich handlungstragende Moment des Operettenstoffes, nämlich die Schwierigkeiten, die zwei sich hebende Menschen infolge der Standesunterschiede in einer vordemokratischen und monarchistischen Gesellschaft erfahren, blieb in der Form, die die Operettenvorlage bot, im Prinzip erhalten. Doch während diese Standesunterschiede in der K.u.k.-Zeit ihre reale gesellschaftliche Entsprechung fanden, so waren in der jungen Bundesrepublik andere Gegensätze relevant. Eine zeitgemäße Modernisierung dieses Konfliktes hätte aber – anders als die beschriebene äußerliche Modernisierung – bedeutet, die Realität im Nachkriegsdeutschland, etwa Fragen des materiellen Wohlstandes sowie aktuelle Massen- bzw. schichtenspezifische Grenzen der „Liebe“ zu thematisieren. Eine derartige Modernisierung wurde von den für die Produktion Verantwortlichen zu keinem Zeitpunkt ins Auge gefaßt.

Dabei erwies sich die Brücke zum Vorgestern der K.u.k.-Zeit auch in der Hinsicht als „geschickt“, da so die jüngste deutsche Vergangenheit, die als belastend empfunden wurde, ausgespart bleiben konnte. Wenn Edwin in der Schlußszene sagt „Es gibt keine Vergangenheit, es gibt nur noch ein Heute“, so konnte mit den auch im Film als überholt dargestellten Standesunterschieden von vorgestern die nationalsozialistische Vergangenheit von gestern gleichfalls abgeworfen werden.

Ein weiterer auffälliger Aspekt der Neuverfilmung ist das propagierte geschlechtsspezifische Rollenverhalten, das am ehesten mit dem Begriff restaurativ bezeichnet werden kann. Die Beschreibung und Bewertung dieses Verhaltens leistet der Film vor allem anhand der Beziehungen zwischen Sylva und Boni bzw. Sylva und Edwin sowie Edwin und Stasi. Dabei geht es vornehmlich darum, wer ein „richtiger“ Mann bzw. eine „richtige“ Frau ist. Gleich zu Beginn des Films wird deutlich, was in diesem Zusammenhang von Boni zu halten ist. Bevor er und Sylva auf ihrem Ausflug durch die sizilianische Landschaft „überfallen“ werden, fragt Boni seine Begleiterin: „Ja, bin ich denn kein Mann?“ „Ja schon“, antwortet Sylva, „aber kein richtiger!“ Wie recht sie hat, macht die Inszenierung des Überfalls und der Verlauf desselben deutlich. Die Charakterisierung Bonis als weich, ängstlich und hilflos setzt sich im Film unablässig fort. Als Boni die Bauernhütte erreicht, in der Edwin und Sylva ihr Nachtlager aufgeschlagen haben, erkennen sich die beiden Männer wieder: sie hatten zusammen ihren Militärdienst absolviert. Als Sylva das Begrüßungsgespräch der beiden angehört hat, fragt sie Boni: „Du warst Soldat?“ Boni antwortet entschuldigend: „Das‘ schon lange her.“ Sylva: „Das merkt man!“ Die Verbindung von richtiger Männlichkeit und militärischem Charakter ist für den Film von großer Bedeutung. Edwin, der als Militärattaché fast ausschließlich in Uniform auftritt, verkörpert diesen Typ. Er ist entschlossen, draufgängerisch und überlegen. Daß er zudem blendend aussieht, macht ihn noch sympathischer.

Das weibliche Pendant zu Boni ist Stasi. Sie kann und will sich nicht auf ein faszinierendes Äußeres verlassen (sie trägt natürlich eine Brille!), sondern hat eine akademische Ausbildung absolviert und ist jetzt Medizinerin. Edwins Mutter, die Stasi – aufgrund ihres familiären Hintergrundes – gern als Schwiegertochter gesehen hätte, bringt diesen kritischen Punkt auf den Nenner: „Eine Frau sollte nach Parfum riechen und nicht nach Karbol.“ Im Verlauf des Films wird Stasi Edwin gegenüber immer wieder als zu schroff, zu eigenständig und zu rational charakterisiert. Als Edwin sie einmal fragt. „Liebst du mich denn überhaupt?“ antwortet sie: „Für eine Ehe wird’s schon reichen.“ Demgegenüber ist Sylvas Verhalten Edwin gegenüber allein von ihrem Herzen bestimmt. Nachdem Edwins Eltern einer Heirat zugestimmt haben, ist ihr größter Wunsch in Erfüllung gegangen. Beiläufig zeigt der Film, daß sie ihr Revueensemble verläßt, um sich ganz an die Seite ihres Mannes zu stellen.

Diese Charakterisierung und Wertung der Männer- und Frauenrollen im Film, die so in der Operettenvorlage nicht enthalten sind, zeigen wiederum deutliche Entsprechungen zur Restauration geschlechtsspezifischer Rollen in der jungen Bundesrepublik. Wenn im Zusammenhang der ersten Filme nach der Währungsreform, DIESE NACHT VERGESS‘ ICH NIE und DAS FRÄULEIN UND DER VAGABUND, festgestellt wurde, daß diese Produktionen den Prozeß der Rückkehr vieler Frauen aus einer erweiterten Selbständigkeit in der ersten Nachkriegszeit in eine betont traditionelle Rolle spiegeln – und sicherlich auch beeinflußt haben -, so gilt dies auch für DIE CSARDASFÜRSTIN. Hier erscheint diese Restauration bereits in einem neuen Glanz, die traditionellen Rollenbilder in Gestalt von Edwin und Sylva sind äußerst attraktiv. Ein „richtiger“ Mann wie Edwin von Weylersheim, der auf eine – nicht näher ausgeführte – militärische Vergangenheit zurückblicken konnte, der in der modernen Welt privat wie auch beruflich als ein Überlegener agierte, solch ein „richtiger“ Mann mußte seinerzeit die Wünsche vieler Männer treffen: Männer, die massenweise aus dem verlorenen Krieg und der Gefangenschaft zurückgekehrt waren, denen die Kriegserfahrungen in der Nachkriegszeit wenig nützten, die verunsichert und deprimiert mitansehen mußten, wie viele Frauen mit den schwierigen Lebensverhältnissen besser fertig wurden als sie. Und vielen Zuschauerinnen dürfte es nicht schwergefallen sein, sich als „richtige“ Frau an die Seite eines „richtigen“ Mannes wie Edwin von Weylersheim zu träumen.


Auszug aus: Peter Stattner: Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik, S. 137-143

Wünsche getroffen…

Peter Stettner (1992)

Die Publikumsresonanz, die der Film hervorrief, belegt, daß hier Wünsche getroffen wurden. Laut einer Umfrage rangierte DIE CSARDASFÜRSTIN bald unter den fünf beliebtesten Spielfilmen in der Bundesrepublik Deutschland.308

Bereits kurz nach der Uraufführung meldete die Presse uni sono, daß der Film die Zuschauer begeistere. Aus Nürnberg berichtete das „Atrium“: „Csardasfürstin hat alle Erwartungen übertreffen, Publikum restlos begeistert“. Der hannoversche Theaterbesitzer Robert Billerbeck meinte „Hannover meldet Großerfolg. Csardasfürstin in den ersten 5 Tagen 20.000 Besucher.“ Aus Braunschweig wurden Besucherzahlen „wie zur Reichsmarkzeit“ gemeldet.309 Auch die Presse rezensierte den Film überwiegend positiv. Zum einen wurde die aufwendige Inszenierung hervorgehoben. „Nichts mehr von der müden Ärmlichkeit im Dekor, die unsere ersten Revuefilme bedrückte. Die Spielräume sind weit gedehnt, ihre Pracht wirklich prächtig.“310 Zum anderen lobten die Kritiker die Stars: „Marika Rökk als Sylva ist das Herz des Ganzen. Ihr hinreißendes Temperament in den Tanzszenen läßt wirklich nicht an eine andere Besetzungsmöglichkeit dieser Rolle denken. Der Edwin ist bei Johannes Heesters ebenfalls in besten, nonchalanten Händen.“311 Es wurde auch bemerkt, daß mit den modernen Elementen „etwas Besseres an die Stelle der überalterten Operettenklischees getreten ist „312

Mit dem Film DIE CSARDASFURSTIN war es der JFU, anders als im Fall DIE SÜNDERIN, gelungen, einen wirklichen Publikumsfilm zu produzieren. Mit einem „bewährten“ Stoff und „bewährten“ Publikumsstars der 30er und 40er Jahre sowie in einer aufwendigen Farbinszenierung konnte die JFU an die ersehnte alte „Große“ des deutschen Unterhaltungsfilms vor 1945 anknüpfen. Und es konnte ein „zeitgemäßes“ Traumbild geschaffen werden: die Vergangenheit abschüttelnd, in den Verkehrs-, Freizeit- und Konsumwerten oberflächlich modernisierend, ohne daß gesellschaftliche Konflikte die Realitatsflucht beeinträchtigten. Mit einem gewissen Fingerspitzengefühl für kulturelle Strömungen hatten die für die Produktion des Films Verantwortlichen damit die Wünsche eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung getroffen. Dabei ist der Drehbuchautor Bobby Ε. Lüthge, dem in dieser Zeit mehrfach herausragende Erfolge gelangen – zu nennen waren etwa SCHWARZWALDMÄDEL (1950) und GRÜN IST DIE HEIDE (1951) – besonders hervorzuheben


Auszug aus: Peter Stettner: Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik, S. 143/44

Der zeitgenössische Kritiker im Film-Echo vom 22.12.1951 befand: „Man kann nicht behaupten, daß dieser Film irgendwelche künstlerischen Ambitionen besitzt – er will nichts weiter als prächtig beschwingt unterhalten. Und das tut er in solchem Maße, daß sich das Publikum nicht nur wegen der Feiertage an den Kassen drängt.“ Für den Spiegel in seiner Ausgabe 44/1951 vom 3010.1951 war Die Csardasfürstin für Marika Röck ein „Atelierausflug ins agfacolorierte Ungarland“.

Bei cinema.de wird dem Film bescheinigt: „Der Schwung ist hin: schwaches Remake“. Im Lexikon des internationalen Films wird dagegen gefunden, dass die „flotte[n] Melodien für das platt ‚modernisierte‘ Buch halbwegs entschädigen“

 
Emmerich Kalman schrieb die „Czardasfürstin“ im Jahre 1915, also im zweiten Kriegsjahr. Der Opernregisseur Peter Konwitschny nahm diese Entstehungszeit ernst und setzte die Handlung um die Soubrette Silva Varescu vor genau diesen Hintergrund – in Schützengräben, mit Bombeneinschlägen im Varieté, in dem Silva auftritt, mit den Scheußlichkeiten eines Krieges. Dadurch bekam die Allerweltshandlung eine völlig andere Dimension – eine Art Totentanz – und Konwitschnys Inszenierung wurde 1999 an der Semperoper in Dresden zum Skandal. Zeitbezug zu inszenieren verstand Georg Jacoby 1951 anders. > weiter

Das könnte dich auch interessieren …