Der Verlorene (1951)
Inhalt
Dr. Karl Rothe entwickelt in den letzten Kriegsjahren ein bedeutsames Impfserum. Seine Verlobte leitet die Forschungsergebnisse heimlich ans Ausland weiter. Als sie Rothe den Verrat beichtet und er zudem erfahren muss, dass sie ein Verhältnis hat, kommt es zu einer Kurzschlusshandlung: Er tötet die Frau, die er liebt. Voller Reue erwartet Rothe seine Strafe, doch der Vorfall wird vertuscht. Den Nazis sind seine Forschungen wichtiger als Rothes Wunsch nach Sühne. Aber kann er mit der Schuld leben? Seinem Gewissen entkommt Rothe nicht; er muss zwanghaft weiter morden, bis er Hoesch nach dem Krieg wieder gegenübersteht und diesen nicht triebhaft, sondern aus Überzeugung tötet. Dann endlich findet er Erlösung, in dem er den Mut hat, nicht zur Seite zu springen, als ein Zug auf ihn zurollt.
Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre
Originaltitel | Der Verlorene |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1951 |
Länge | 98 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 16 |
Regie | Peter Lorre |
Drehbuch | Peter Lorre, Benno Vigny, Axel Eggebrecht |
Produktion | Arnold-Pressburger-Filmproduktion, Hamburg |
Musik | Willy Schmidt-Gentner |
Kamera | Václav Vich |
Schnitt | Carl Otto Bartning |
Besetzung |
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Der beste Film, der in den Bendestorfer Ateliers in der Ära Rolf Meyer gedreht wird, ist eine Fremdproduktion. Die Junge Film-Union vermietet 1951 die Studios an die Arnold Pressburger Filmproduktion, München, die hier und im Atelier Hamburg-Heiligengeistfeld DER VERLORENE dreht.
Zum ersten und einzigen Mal führt der Remigrant Ladislav Loewenstein alias Peter Lorre Regie. In über sechzig Filmen hat der Mann mit dem Charaktergesicht bisher vor der Kamera agiert, darunter auch in Fritz Langs Meisterwerk M (1930). Um den Film auch visuell in das europäische Kino zu integrieren, verpflichtete Lorre den Kameramann Vaclav Vich, der dem Film einen naturalistischen und ungeschönten Schwarz-Weiß-Look in der Tradition des italienischen Neorealismus verlieh. Inhaltlich folgte Lorre hingegen der Tradition amerikanischer Film Noirs.
Bei den Filmfestspielen von Venedig 1951 wird für den Goldenen Löwen DER VERLORENE nominiert. In Deutschland wird er als künstlerisch bester deutscher Film 1951 mit dem „Bambi“ ausgezeichnet. Eine beantragte Bundesbürgschaft wird jedoch mit der Begründung abgelehnt, „dass der Film an sich gut sei, dass er aber höchstwahrscheinlich keinen Kassenerfolg darstelle“. Tatsächlich ist er bereits nach zehn Tagen aus den Kinos verschwunden. Peter Lorre kehrt enttäuscht nach Hollywood zurück.
Jurybegründung für die Verleihung des Prädikats „wertvoll“
Der Film schildert das Schicksal eines schwachen sensiblen Mannes, der durch den brutalen Eingriff einer brutalen Staatsform aus seiner Bahn geworfen wird und in einer pathologischen Anwandlung einen Mord begeht. Er muss, als er aus seiner schizophrenen Umnachtung erwacht, feststellen, dass der zum irdischen Richter berufene Staat, dem er sich, von seinem Gewissen getrieben und seiner Verantwortung bewusst, stellen will, die Sühne ablehnt, da er als Wissenschaftler diesem Staat wichtig ist. Es kommt dazu, dass der Staat die wissenschaftliche Arbeit dieses Mannes zu seinen verbrecherischen Zwecken auszunutzen gedenkt. Durch dieses Erlebnis gerät der Mann völlig ausser sich selbst. Bedrängt von dem Wissen um seine Schuld, dem eine Sühne versagt ist, wird der Mann fortgesetzt von Zwangsvorstellungen, die um den ersten Mord kreisen, geplagt. Zweimal gelingt es ihm, sich selbst zu entfliehen. Das dritte Mal erliegt er durch ein besonderes unbewusstes Entgegenkommen seines Opfers den ihn bedrängenden Gesichten. Eine Bombe zerstört sein Haus und er glaubt und hofft, aufgewühlt durch andere erschütternde Ereignisse der Zeit, dass die Vergangenheit und mit ihr seine Zwangsvorstellungen ausgelöscht seien. Nach dem Kriege trifft er den Mann, der sein persönliches Unheil verschuldet hat und in dem er die Verkörperung des korrupten Staatswesens sieht. Er erkennt, dass vergangene Schuld nicht verjähren kann. Er erschiesst den Betreffenden und lässt sein eigenes Leben auslöschen.
Die Handlung, die auf einer wahren Begebenheit beruht, ist mit einer so ungewöhnlichen Eindringlichkeit gestaltet, die schauspielerische Leistung von Peter Lorre und den eingesetzten anderen Kräften, die Regie und die Kamera sind von einer filmischen Ausdruckskraft, wie sie kein deutscher Film der letzten Jahre, wie sie kaum ein ausländischer Film der Nachkriegszeit gezeigt haben. Neben dieser ganz besonders künstlerischen Leistung steht aber auch die Tendenz des Films, die in so überaus notwendiger und eindringlicher Weise zeigt, bis zu welcher Vernichtung des Individuums ein diktatorisch gelenktes Staatswesen führen kann.
Die Kommission hat sich aus diesen Gründen mit Mehrheit entschlossen, dem Film das Prädikat „wertvoll“ zu geben. Nach längerer und eingehender Diskussion konnte die Kommission sich in ihrer Mehrheit nicht dazu verstehen, das Prädikat „besonders wertvoll“ zu verleihen. Hierfür war in erster Linie die Überlegung massgebend, dass es sich trotz der grausigen Konsequenzen, die die Umwelt verschuldet hat, im Anfang um eine Tat in pathologischer Umnachtung handelt. Hierdurch ist bedingt, dass dieser ersten Tat eine letzte Begründung fehlt. Jedenfalls kann sie nicht ohne weiteres mit den Zuständen unseres Staatswesens im Dritten Reich und auch nicht von der menschlichen Ebene allein her begründet werden. Wenn auch erkannt wird, dass der Film in seinem weiteren Verlauf eine ethisch und politisch positive Tendenz aufweist, so verbietet doch der makabre Ausgangspunkt die Zuerkennung des höchsten Prädikates.
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