Herrenpartie (1964)
Inhalt
Eine deutsche Touristengruppe gerät irgendwo in Jugoslawien in ein Dorf ohne Männer. Ein Viertel der männlichen Bevölkerung jenes Landes, das deutsche Truppen vor einem Vierteljahrhundert überfallen hat und das zu den beliebten Reiseländern der Deutschen zählt, ist im Krieg ums Leben gekommen. Mit dieser Vergangenheit werden die Mitglieder eines deutschen Männergesangvereins konfrontiert. Die Frauen des Dorfes, antiken Rachegöttinnen gleich, verschließen Herz und Haus, denn die Erinnerung „verjährt“ nicht. Die Deutschen reagieren darauf mit Unverstand, Dünkel und militärischer Abwehrhaltung.
Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre
Filmansicht bei Youtube
Regie: Wolfgang Staudte
Drehbuch: Werner Jörg Lüddecke
Kamera: Nenad Jovicić
Schnitt: Carl Otto Bartning
Musik: Zoran Hristić
Produktionsfirma: Neue Münchener Lichtspielkunst GmbH (Neue Emelka) (München), Avala Film (Belgrad)
Herstellungsleitung: Rüdiger von Hirschberg
Produktionsleitung: Willy Egger, Nikola Kurilić
Aufnahmeleitung: Peter Müller
Erstverleih: Schorcht Filmverleih GmbH (München)
Dreharbeiten: 05.10.1963 – 15.11.1963: Montenegro
Länge: 2523 m, 92 min
Format: 35mm, 1:1,37
Bild/Ton: s/w, Mono
Uraufführung: 27.02.1964, Köln, Rex am Ring
Auszeichnung
Der 1963 in Jugoslawien gedrehte Film nahm am Wettbewerb der Berlinale 1964 teil, ging allerdings bei der Preisvergabe leer aus. Die beiden jugoslawischen Schauspielerinnen Mira Stupica und Nevenka Benković wurden jeweils für ihre darstellerischen Leistungen mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet.
1964 wurde der Film als offizieller Beitrag zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen, die Regierung der Bundesrepublik lehnte dieses Ansinnen jedoch ab.
Siehe: Andreas Lenhard: Ohne Prädikat: Herrenpartie. In: Uschi und Andreas Schmidt-Lenhard (Hrsg.): Courage und Eigensinn. Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Staudte. Röhrig, St. Ingbert 2006.
Das eigene Nest beschmutzen?
Als der Krieg glücklich verloren war, da war das eigene Nest hoffnungslos verdreckt
von oben bis unten. Und da kein revolutionäres Großreinemachen stattfand,awurde der Dreck versteckt, so gut es ging, aber er blieb im eigenen Nest…
Die aber, die sich diese Zeit dennoch nahmen und den Dreck aus den eigenen Ecken hervorzukehren suchten, es waren gottlob nicht wenige, mußten oft auf den Dank des Vaterlandes verzichten und erfahren, daß ihr politisches Reinlichkeitsbedürfniseben von jenem Kommentar begleitet wurde, der der Anlaß zu diesen Zeilen ist: Der beschmutzt ja sein eigenes Nest!
Schon bald nachdem der Film DIE MÖRDER SIND UNTER UNS uraufgeführt war, tauchte, wenn auch noch vergleichsweise zaghaft, dieser Vorwurf gegen mich auf. Heute weiß ich, daß der sorgenvolle Einwand vorwiegend von denen kam, die befürchten mußten, selbst zwischen Besen und Schaufel zu geraten.
Daß noch zwanzig Jahren die Mörder noch immer unter uns sind, aus Zuchthauszellen spazieren, Bundesverdienstkreuze erhalten, auf Minlstersessel gesetzt werden, besagt doch nichts anderes, als daß noch immer Schmutz im eigenen Nest ist, der beseitigt werden sollte. Wer sich aber dieser gewiß nicht immer dankbaren Arbeit unterzieht, erregt mancherorts Mißfallen auf seltsame, oft bedenkliche Art.
Er wird angesehen als fremder Vogel aus fremdem Nest, der schadenfroh krächzt: Seht, wie schmutzig euer Nest ist! Dabei ist es sein eigenes Nest und so auch sein eigener Schmutz.
Was nun aber jene betrifft, deren hastig renoviertes Nationalbewußtsein ins Wanken gerät und die sorgenzerfurcht über die ,,provisorischen“ Landesgrenzen blicken, denen ist mühelos nachzuweisen, daß Filme wie ROSEN FUR DEN STAATSANWALT oder KIRMES, die ich zu verantworten habe, dem deutschen Ansehen im Ausland mehr Achtung eingetragen haben als jene hoffnungslosen Versuche, deutsche Schuld in tragische Verstrickung umzudeuten.
Aber selbst der arme Heinrich Mann mußteaes sich gefallen lassen, daß vor dem UNTERTAN ein Titel lief, der etwa besagte, daß das Gonze nicht so böse gemeint sei, und es sich hier gewissermaßen um die Darstellung eines Einzelfalles handele. Spießbürgerliche Bedachtsamkeit, nicht das eigene Nest zu beschmutzen, hat hier zu bewußter Verfälschung geführt. Auch Hitler war ein Einzelfall. Aber sein Ungeist hat Europa in Brand gesetzt. Und von der idiotischen ldeologie des,,Herrenmenschen“ bis zur überheblichen Phrase wilhelminischer Prägung vom deutschen Wesen, an dem die Welt genesen sollte, ist nur ein kurzer Weg zurück.
Politische Filme sind ein Stück Geschichtsdarstellung der Gegenwort. Sofern sie Kunst sind, werden sie parteiisch sein, herausfordernd und subjektiv, aber immer anteilnehmend und besorgt um den Zustand des,,eigenen Nestes“.
Der Film HERRENPARTIE, der als deutscher Beitrag an den Start geht, ist ein solcher
Film. Eine satirische Attacke gegen politische lnstinktlosigkeit deutscher Touristen in ehemals besetztem Gebiet. Auf der anderen Seite aber wendet er sich auch gegen betonierten Deutschenhaß, gegen Unversöhnlichkeit und späte Rache. Nicht nur die Täter, auch die Opfer haben eine Vergängenheit zu bewältigen, und wir, denke ich, haben alle Ursache, ihnen dabei zu helfen. Daß es solche lnstinktlosigkeit hierzulande gibt, kann bei
einer Handvoll Spießbürgern wohl nicht bezweifelt werden, wenn Minister Reden halten können, die politisches Porzellan so laut zerschlagen, daß man das Scheppern selbst im Pentagon noch hört!
– Sicher sind es nicht die Filme, die das eigene Nest beschmutzen. (1964)
zitiert nach: Film und Fernsehen Heft 9/1986, S. 40/41