IM WESTEN NICHTS NEUES – „Der“ klassische Antikriegsfilm

IM WESTEN NICHTS NEUES – das klassische Antikriegsbuch und der gleichnamige klassische Antikriegsfilm erlebten kurz nacheinander einen furiosen Start, wie es nachher wohl kaum einem literarischen Werk und seiner Verfilmung beschieden war.

1928 zunächst in einer Testphase als Fortsetzungsroman in der ,,Vossischen Zeitung“ erschienen, erlebte der Roman nach der Buchpremiere Anfang 1929 in kurzer Zeit immer neue Auflagen, so dass Ende des Jahres knapp 900.000 Exemplare verkauft waren. (1) In demselben Zeitraum erschienen in allen europäischen Staaten Übersetzungen und in den USA wurde eine Verfilmung vorbereitet. Im Mai 1930 hatte der Film, an dessen Drehbuch Remarque nicht mitgearbeitet hatte, in den USA Premiere. In Deutschland wurden nach der Erstaufführung im Dezember 1930 weitere Aufführungen verboten.

Buch und Film riefen heftige Reaktionen in allen politischen und kulturellen Lagern hervor. (2) Die einen sahen die Nation und die Ehre der Soldaten besudelt, den anderen fehlte die Darstellung der eigentlichen wirtschaftlichen und politischen Ursachen, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben. In der Folgezeit wurde das Vorführungsverbot zwar wieder aufgehoben, aber nur für geschlossene Veranstaltungen und mit erheblichen Kürzungen auf 83 Minuten Laufzeit (ursprünglich 139 Minuten). (3) Bis in die 60er Jahre hinein bestand ein Aufführungsverbot für bestimmte Sequenzen (2. B. die sog. ,,Trichterszene“), erst 1984 konnte eine weitgehend rekonstruierte Fassung des Films – allerdings neu synchronisiert – gezeigt werden.

Beide Kunstwerke blieben bis heute eindrückliche und fesselnde, z. T. aber auch umstrittene Verarbeitungen von Kriegserlebnissen. In der retrospektiven Filmkritik werden dabei v. a. die ,,rein emotionale Sicht“, ,,zu wenig ideologischer Hintergrund“ oder das Fehlen einer politischen Stellungnahme bzw. Orientierung, die die Ursachen des Grauens verdeutlichen würde, kritisiert. (4) Trotzdem gehört lM WESTEN NICHTS NEUES seit Jahren zu den Filmen, die für die friedenspädagogische Arbeit immer wieder nachdrücklich empfohlen werden. Vor allem in der Jugendarbeit wird positiv hervorgehoben, dass der Film ,,starke Betroffenheit“ auslöse, die die Grundlage für intensive Diskussion böte.

Der Kinofilmverleih hat bei der Wiederaufführung nach dem Krieg in Deutschland mit dem gegen den Film ausgesprochenen Verbot geworben und wirbt bis heute mit den politischen Kontroversen, die den Film von Beginn an begleitet haben. Ende der 70er Jahre steht in den Materialien für die Presse unter der Überschrift ,,Notiz für den lokalen Teil“:

„Nach dem durchgreifenden Erfolg von APOCALYPSE NOW ist beim internationalen Filmpublikum wie auch bei der Kritik wieder die Frage nach Wert und Unwert von Kriegsfilmen entbrannt. In dieser Diskussion nimmt ein Film einen besonderen Rang ein, der vor fast 50 Jahren die Gemüter erschütterte und heute zu den Klassikern des Genres zählt: IM WESTEN NICHTS NEUES.

Der Film (…) provozierte bei seiner deutschen Uraufführung in Berlin 1930 besonders die nationalkonservative Mehrheit der deutschen Bevölkerung und der marktbeherrschenden Hugenberg-Presse. Schon wenige Tage nach dem Start durfte dieses realistische Meisterwerk nur noch in kleinen Privatveranstaltungen gezeigt werden. Kein Wunder, daß Bewohner grenznaher Gebiete in Massen ins benachbarte Ausland fuhren, um diesen Film zu sehen. IM WESTEN NICHTS NEUES (…) hat nichts von seiner dokumentarischen Wahrheit und realistischen Überzeugungskraft verloren. „

Zu fragen ist, ob heute diese Aussagen heute noch – bezogen auf die 1930er Verfilmung – aufrecht erhalten werden können? Allerdings scheint die erzählte Geschichte selbst nach wie vor Interesse bei Filmemachern und Publikum hervorzurufen. Nach dem Endes des Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland zunächst 1953 eine sehr verstümmelte Fassung dem Publikum präsentiert. Das ZDF rekonstruierte dann 1984 eine neue Fassung, allerdings mit neuem Kommentar. Eine neue Restaurierung des Films, durchgeführt von der Filmabteilung der Bücherei des US-Kongresses in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Kabelkanal AMC, erfolgte Mitte der 90er Jahre (Erstaufführung: 05.06.1998, AMC). Für die in der Lernwerkstatt aufbereiteten Materialien wird diese Fassung nicht genutzt.

Neuverfilmungen

Mittlerweile sind zwei weitere Verfilmungen entstanden. 1979 entstand in den USA/Großbritannien unter der Regie von Delbert Mann eine Neuverfilmung, zu der das Lexikon des internationalen Films urteilte, dass der Film nicht die Intensität der ersten Verfilmung der Romanvorlage erreiche. „Wegen seines ehrlichen Realismus [sei er] dennoch [ein] eindrucksvoller Antikriegsfilm.“[1]

2022 entstand dann eine mehrfach ausgezeichnete deutsch-französische Verfilmung unter der Regie von Edward Berger.

Beider Verfilmungen sind nicht Gegenstand der folgenden Materialien. Wir konzentrieren uns auf die Erstverfilmung und deren jeweilige Neu-Fassungen. Für den Schulunterricht sind diese nach wie vor unter verschiedenen Gesichtspunkten für zahlreiche Fächer von Interesse. (2)  Für den Geschichtsunterricht gilt dies in besonderem Maße:

  1. Der Film zeigt mit sehr eindrücklichen Bildern die Sinnlosigkeit des Krieges und vor allem das Leiden der Menschen, nicht nur an der Front. Siehe dazu: Keine Wege zum Ruhm – das Grauen des Krieges.
  2. Die Auseinandersetzung um Roman und Film am Ende der Weimarer Republik ist Ausdruck des politischen Kampfes um die Aufrechterhaltung demokratischer Verhältnisse und Vorbote für den Faschismus. Siehe dazu: Umkämpfte Erinnerung – das Beispiel IM WESTEN NICHTS NEUES
  3. Ein Vergleich der Filmfassungen von 1952/53 und 1984 verweist auf die politische Stimmungslage in den 50er Jahren und deren Veränderung in der Folgezeit

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