Der Film „Im Westen nichts Neues“ im Unterricht

Was macht den Film IM WESTEN NICHTS NEUES für den Geschichtsunterricht noch heute so interessant? Diese Frage zu beantworten heißt zugleich, etwas zum Verhältnis von Film und Geschichte sagen zu müssen.

Film und Roman erzählen eine Geschichte, die im Ersten Weltkrieg spielt, es ist eine fiktive, erdachte Geschichte. Ihr liegen keine historischen Fakten zugrunde, wohl aber ein reales historisches Umfeld. Film und Roman stellen Geschichte dar, nicht in der Form einer wissenschaftlichen Untersuchungen oder dokumentarischen Edition von authentischen Quellen, sondern als Geschichte/Story. Film und Roman sind zugleich aber auch erfahrungsgestützte retrospektive Stellungnahmen. Im Film und im Roman drücken sich vor allem Verarbeitungsmuster von Kriegserlebnissen und -erfahrungen aus.

Als geschichtliche Darstellungen können sie im Unterricht durchaus eine Funktion haben, wenn es darum geht, Kriegsgeschehen „anschaulich“1 und vor allem authentisch (im Sinne von „glaubwürdig“) zu präsentieren. Vor allem der Film offenbart in dieser Hinsicht seine besonderen, aber auch problematischen, „Qualitäten“2 : Die filmische Inszenierung von Kampfhandlungen ist der Wirklichkeit des Kampfgeschehens „näher“ als jeder Text, aber auch jede dokumentare Aufnahme, die in vergleichbarer Weise Kampfgeschehen, z. B. den Grabenkampf, gar nicht im Bild festhalten kann. Sie eröffnen einen Zugang zum Thema „Krieg“ vor allem über die emotionale Auseinandersetzung mit dem Schicksal der im Film dargestellten Personen. Ein Vergleich mit den gestellten sogenannten Dokumentarfotografien von der Front zeigt dies deutlich.

Als Stellungnahmen zum Krieg und als Verarbeitung von Kriegserfahrungen sind beide aber auch Quelle für die Zeit ihrer Entstehung. Der Roman ist das Werk eines einzelnen Autoren,
vergleichbar dem des bildenden Künstlers, der darin seine Kriegserlebnisse und Erfahrungen erinnert und reflektiert und vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation der späten 20er Jahre in der Weimarer Republik mit dem Buch eine – auch politische – Position zum Krieg bezieht. Zu fragen ist dann:

  • Was ist dem Autor wichtig, dargestellt zu werden? Wie tut er dies, mit welcher Intention und Aussage?
  • Steht dieser Autor mit seinen Ausführungen allein oder gibt es vergleichbare Verarbeitungen der Kriegserlebnisse? Gibt es ganz andere Formen, und worin unterscheiden sich diese?

In noch viel stärkerem Maße lassen sich Spielfilme in dieser Hinsicht als Quelle nutzen.3 Beim vorliegenden Film ist die Beschreibung dieses Quellenstatus allerdings nicht so einfach. Zunächst einmal ist der Film eine in den USA entstandene Verarbeitung der Romanvorlage von Remarque. Er ist in dieser Hinsicht ein Beispiel für die amerikanische Auseinandersetzung mit Krieg. Er steht – bezogen auf sein Ursprungsort – somit auch im Kontext mit der zeitgleichen inneramerikanischen Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg und kann als solcher interpretiert werden.

Er steht aber auch – bezogen auf Bezugszeit und -ort, sowie literarische Vorlage – im Kontext der deutschen Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg. Und in diesem Zusammenhang sollte die quellenkritische Arbeit mit dem Film gestellt werden, sollte er als eine Art „Außensicht“ in Beziehung gesetzt werden zu „lnnensichten“ des gleichen zeitlichen Umfeldes.

Roman und Film sind außerdem aber auch noch – in eher indirekter Form – „Quelle“ für ihre Zeit: Beide riefen heftige Reaktionen hervor – im In- und Ausland, in allen politischen und kulturellen Lagern der Gesellschaften. Die Zensur- und Rezeptionsgeschichte dieses Films, seine zahllosen Verbote und Verstümmelungen steht so exemplarisch für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen und dokumentiert politische (Wert-)Vorstellungen.

Eine – naheliegende – Möglichkeit, besteht darin, die Kriegsdarstellung von Roman und/oder Film zum Gegenstand des Unterrichts zu machen. Unter Kurserfahrungen werden Erfahrungen mit einem Oberstufenkurs vorgestellt, der diese Art der Beschäftigung mit dem Film zum Ausgangspunkt genommen hat.


1. Zur Frage des Veranschaulichens vgl.: Hans-Jürgen Pandel, Gerhard Schneider: Veranschaulichen und Vergegenwärtigen. Zu zwei zentralen Kategorien der geschichtsdidaktischen Mediendiskussion. In: Hans-Jürgen Pandel, Gerhard Schneider (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht.
Geschichtsdidaktik, Band 24, Düsseldorf 1985, S.3-10. Manfred Bönsch: Anschaulicher Unterricht mit Medien. Studien und unterrichtspraktische Hilfen für den Unterricht mit Medien. Hannover 1987

2. Vgl. hierzu den Beitrag Anmerkungen zum Problem eines Antikriegsfilms. Siehe auch: Irmgard Wilharm: Über die Schwierigkeiten der Darstellung von Krieg im Film, in: Beiträge aus der ev. Militärseelsorge u.a., hrsg. vom Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr, S. 75-81

3. Dieser Ansatz geht auf die Arbeit von Siegfried Kracauer zurück, der in seiner Analyse der Filme der Weimarer Republik den tiefen psychischen Dispositionen der Menschen auf die Spur kommen wollte. Vgl. Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitier. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, Frankfurt/M. 1984 (stw 479)

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