Der Tag vor der Hochzeit (1952)

Inhalt

Überraschenderweise hat sich in einer verschlafenen Kleinstadt hoher Besuch angekündigt: Der Bundespräsident höchstpersönlich wird erwartet! Da die Tochter des Bürgermeisters aber ausgerechnet an diesem Tag heiraten möchte, muss die Trauung verschoben werden – das meint zumindest der Brautvater. Thea sieht das natürlich ganz anders, und greift daraufhin zu einer Notlüge, um den lange ersehnten Termin nicht platzen lassen zu müssen. Auch die übrige Bevölkerung wird in allerlei hektischem Treiben in Erwartung des mit Spannung erwarteten Staatsbesuchs gestürzt. Die hochrangigen Herren im Stadtrat streiten wie Bastler darüber, welche Sondermaßnahmen für den höchsten Repräsentanten der noch jungen Bundesrepublik getroffen werden sollen, während die Opposition ihrerseits in aller Eile Flugblätter drucken lässt.
Selbst der greise Oberst von Hanfstaengl fühlt sich nach langer Zeit endlich mal wieder gefragt, hofft er doch, beim Eintreffen des Präsidenten die deutsche Flagge hissen zu können. Inmitten des Trubels gelingt es einem entlaufenen Kanarienvogel, zwei einsame Herzen zusammenzuführen, während der Kulturbeauftragte der Sekretärin des Bürgermeisters in gemeinsamen nächtelangen Vorbereitungen endlich seine Liebe gesteht. Am nächsten Morgen trifft der Bundespräsident ein, und mit ihrem Trick hat Thea es geschafft, ihren Hermann endlich gleichzeitig zu heiraten. Aller Trubel löst sich in Freude auf, und der Bundespräsident würdigt alle Aufregung seiner Beamten mit wohlwollender Miene.
(Übersetzung aus engl wikipedia)
 

Regie, Buch: Rolf Thiele
Kamera: Oskar Schnirch
Bauten: Walter Haag
Schnitt: Caspar van den Berg
Ton: Werner Schlagge
Musik: Norbert Schultze
Gesang: die Schöneberger Sängerknaben.

Darsteller:

Paul Dahlke (Bürgermeister)
Käte Haack (seine Frau)
Lisabeth Müller (Thea)
Joachim Brennecke (Hermann)
Adelheid Seeck (Frau Heidrich)
Heinrich Troxbömker (Oberst von Hanffstaengl)
Elisabeth Flickenschildt (Frau Plitzka)
Beate Koepnick (Margot)
Walter Giller (Schurisch)
Arthur Mentz (Schwanke)
Hugo Lindinger (Pedell Ahlborn)
Wolfgang Lukschy (Kultur-Dezernent Dr. Leiden)
Susi Nicoletti (Frl. Kluge)
Ursula Herking (Frl. Dr. Schreyvogel)
Günther Lüders (Weber)
Elisabeth Goebel (Frl Weidlich)
Gert Fröbe (Rundfunkreporter)
Adalbert Gausche (Pfarrer)
Hans Stiebner (Bäckermeister Zingel)
Else Reval (seine Frau Amalie)
Ilse Künkele (Frl. Windhose)
Margit Ensinger (Marie)
Susanne Uhlendorff (Gertrud)
Tilo von Berlepsch, Kurt Zips, Christian Schultze, Fritz Brand, Eugen Bergen, Erhard Pankatz.

Produktion: Filmaufbau GmbH, Göttingen
Produzent: Hans Abich, Rolf Thiele
Produktionsleitung: Hans Abich
Aufnahmeleitung: Frank Roell, Ulrich Preuss
Drehort : Atelier Göttingen
Außenaufnahmen: Göttingen und Umgebung.
Länge: 96 min, 2646 m.
Format: 35 mm, s/w, l:1.33.
Uraufführung: 27 11.1952, Hannover (Weltspiele)

> Weitere Informationen: filmportal.de

Der Film erzählt zugleich frech und liebenswürdig eine amüsante Provinzposse, von großen Schwächen und kleinen Sünden‘. Vom satirischen Ansatz her ein bemerkenswerter Versuch, mit qualifizierten Schauspielern und pointenreichen Dialogen die teils restaurative Anfangsphase der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich von Typen der Nazizeit) zu charakterisieren. Insgesamt bleibt der Film aber in humorig-komischen Lustspieldetails stecken

Die Situation auf dem deutschen Filmmarkt zu Anfang der 1950er Jahre stellte sich für die Filmproduktionsforma wie folgt dar:

  • Kapitalknappheit
  • Publikumszurückhaltung
  • Starke Konkurrenz ausländischer Filme
  • Bürgschaftssystem von Land und Bund, Begutachtung durch Bürgschaftsausschuss für Filmkredite; gewisse Eigenmittel aber trotzdem notwendig

Laut dem Produzenten Hans Abich sollte es ein sogenannter Publikumsfilm werden, das heißt ein erfolgreicher Unterhaltungsfilm, der allerdings nicht auf einer bekannten Welle reiten sollte und durchaus Niveau haben sollte. Mit Abichs Worten: wir sind „nicht in die Heide gefahren“, sondern wollten etwas nach eigenem Kopf machen.

Anlass/Idee für den Film:
Regisseur und Drehbuchautor Thiele ließ sich zu dieser Geschichte von einem Besuch des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss inspirieren, den dieser im Spätherbst 1951 der Universitätsstadt Göttingen abgestattet hatte.

Verschiedene Titel des Films wurden seitens der Filmfirma und im Bürgschaftsausschuss diskutiert:

„Man muss die Feste feiern“, „Ein hohes Tier kommt in die Stadt“, „Der Präsident kommt“.

Der ursprünglich von der FAB favorisierte Titel „Der Präsident kommt“ wurde schließlich durch den unverfänglichen Titel „Der Tag vor der Hochzeit“ ersetzt, da der reale Bundespräsident mit dem Titel nicht einverstanden gewesen sein soll bzw. der Bürgschaftsausschuss ihn unpassend fand.

Auffällig sind die zahlreichen politischen Anspielungen im Film, wobei Vertreter aller Parteien und Richtungen ihr Fett wegbekommen. Interessant ist auch eine Szene, in der der Schauspieler Gert Fröbe einen Rundfunkreporter mimt, der aus luftiger Höhe ein vermeintlich turbulentes Ereignis kommentiert und dabei eine grandiose Originalstimmung vorgaukelt. Die Szene gerät zur Goebbels-Parodie und wirft dabei auch ein Licht auf Kontinuitäten im Tonfall der Rundfunk- und Wochenschau­berichterstattung.

DER TAG VOR DER HOCHZEIT (1952) Regie: Rolf Thiele (© Filminstitut Hannover)

Der Verleih des Films wollte augenscheinlich das Licht auf andere Aspekte werfen.  Zur Vermarktung des Films warb er zwar auch damit, dass es der frechste Film des Jahres sei. Hatte dabei aber anderes im Blick: Zum Einsatz hatte der Verleih wie üblich Werberatschläge (Druckmatern) für die Kinobesitzer geliefert (…)

Zitat:

„Haben Sie keine Hemmungen, die Mater Nr. 6 (Mädchen im Hemd) aus unserem Ratschlag in Ihren Inseraten zu zeigen unter Benutzung der witzigen Liedzeile „Es kommt der Präsident, und Du, Du stehst im Hemd“.

 

In der zeitgenössichen Presse wurde der Film überwiegend positiv gesehen: „Schmunzelsatire auf allzu Politisches, aber auch die menschliche Schwäche und Dummheit bekommt ihren Teil ab.“

Der frechste Film des Jahres? Mag sein, dass wir Demokraten-Anlernlinge eine neckisch-gemütliche Belächelung kommunaler Tagesereignisse und politisch-allzupolitischer Schwächen schon für eine Frechheit halten. Nun, auch ohne Frechheit, Rolf Thieles Film ist …einer der so ersehnten Lichtblicke im deutschen Kientop.“
Die Welt, 17.1.53

Der Spiegel attestierte dem Film im Dezember 1952 „gehobene Unterhaltung, die alle Bonner Besorgnisse zerstört.“

Das Publikum sah das allerdings anders: Der Film wurde zum bis dato größten finanziellen Misserfolg der Filmaufbau, wozu offensichtlich die zahlreichen politischen Anspielungen beitrugen.

Ein Licht auf die moralische Verfasstheit der Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre wirft auch ein Kommentar der FBW.

kein Prädikat: Peinlichkeiten und Entgleisungen, u.a. junges Mädchen im Hemd, ein Gespräch über künstliche Befruchtung, zu viel Kritisches, keine „positive Gegenwendung“- Gegenbeispiele, Negierung aller Werte

 

Und der Spiegel wusste im September 1952 zu berichten:

„Was dann auf 217 Scriptseiten unter dem Titel »Der Präsident kommt« Bonner Ministerialbeamten viel Kopfzerbrechen machte, war nichts weiter als die ausgesponnene, neutralisierte, entlokalisierte Filmfassung des Pfauterschen Berichtes. Autor Thiele schwört: »Ich habe alles nur gemildert«Aber selbst diese Versicherung hielt einen niedersächsischen Landeskonservator, der sich als Sachverständiger zu dem Drehbuch äußern mußte, nicht davon ab, in dem Film eine »Verunglimpfung unserer Staatsform« zu erkennen.“

Man reibt sich erstaunt die Augen. Sieh da, eine Schwalbe im Winter Der Regisseur Rolf Thiele soll sich den Stoff zumindest den Anstoß dazu, nicht aus den Fingern gesogen haben. Schade, daß der Titel DER TAG VOR DER HOCHZEIT, der offenbar wieder aus der Retorte des Verleihsstammt, nicht durch einen treffenderen „Der Präsident kommt“ ersetzt wurde. Denn um den Schatten des Staatsoberhaupts handelt es sich, der auf die kleine aufgestörte Universitätsstadt fällt. Thiele beschloß, seiner kabarettistischen Phantasie freien Lauf zu Iassen. Das ist ihm in den Ansätzen sogar gelungen. Viele Details in seinem Film sind reizend. Sein Bürgermeister Winter gerät in Nöte. Er erhält mitten in den Hochzeitsvorbereitungen für seine einzige Tochter die ebenso ehrenvolle wie aufregende Nachricht, daß das Staatsoberhaupt unerwartet auf der Durchreise seiner Stadt einen kurzen Besuch abstatten will. Seine Absicht, die Hochzeit in letzter Stunde zu verschieben, wird von der hübschen und listigen Braut durchkreuzt. Es bleibt nichts anderes übrig, als beide Ereignisse miteinander zu verbinden, soviel Verwirrung auch dadurch entstehen mag.

Daß sie entsteht, dafür sorgt das Filmbuch. „Am Anfang des Menschen war seine Schwäche“ ist das Motto, das nicht nur dem Regisseur, sondern auch dem trefflichen Kameramann Oskar Schnirch vorschwebte, dem sehr hübsche persiflierende “ Schnappschüsse“ gelangen. Der Präsident, die Hauptperson, betritt nicht die Szene, nur sein Schatten, beinahe „profiliert“, fällt zum Schluß gespenstisch durch die offene Tür des Rathauses.

Der (im ganzen erfreuliche) Film erhält sein Niveau durch seine Darsteller. Vor allem Paul Dahlke als Bürgermeister gibt, humorvoll, prall und menschlich echt, eine prächtige Charakterstudie. Neben ihm, angenehm in ihrer Zurückhaltung, Käthe Haack als seine Gattin. Elisabeth Müller, eine Hilpert-Entdeckung, ist nicht nur sehr hübsch, sondern auch ein Gewinn für den deutschen Film. (… )

G.V., Rheinische Post, 24. 1. 1953

Etwas vom guten Geist

Nicht daß die Filmaufbau-Leute in Göttingen etwa vorhatten, den Bundespräsidenten persönlich vor ihre Kamera zu bemühen. Auch sollte für Theodor Heuss kein Double gesucht werden. Benötigt wurden lediglich das präsidiale und die üblichen Bundes- und Landes-Plazets für den Plan der Filmaufbau GmbH., die 48 Stunden vor einem Heuss“schen Staatsbesuch zum Gegenstand einer Filmhandlung zu machen. > weiter

(…) Aus der Nacherzählung eines Theodor-Heuss-Besuches in Göttingen (SPIEGEL 39/52) wurde eine Familien- und Kleinstadt-Komödie. In seinem Bemühen, dem Milieu und den Typen – vom Bürgermeister (Paul Dahlke) bis zur linksorientierten Putzfrau (Elisabeth Flickenschild) – gerecht zu werden, schaltet der Film Kleinstadt-Tempo ein und verliert sich in Betulichkeit, um erst im satirischen Endspurt – der Präsident trifft vorm leeren Rathaus ein. während sich die Massen und die Stadtväter von Gerüchten zur Kirche treiben ließen – die ausgelassenen Chancen wieder einzuholen. Gehobene Unterhaltung, die alle Bonner Besorgnisse zerstört. (Filmaufbau.)

Im Lexikon des Internationalen Films heißt es:

„Vom satirischen Ansatz her ein bemerkenswerter Versuch, mit qualifizierten Schauspielern und pointenreichen Dialogen die teils restaurative Anfangsphase der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich von Typen der Nazizeit) zu charakterisieren. Insgesamt bleibt der Film aber in humorig-komischen Lustspieldetails stecken.“

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