Der Tag vor der Hochzeit (1952)
Inhalt
Der kurzfristig angesagte Besuch des Staatsoberhaupts in einer kleinen westdeutschen Universitätsstadt stürzt die Bevölkerung in fieberhafte Aufregung und den Bürgermeister in Verlegenheit, weil seine Tochter zur gleichen Zeit zum Traualtar gehen will und sich gegen eine Verschiebung des Termins sträubt. Vom satirischen Ansatz her ein bemerkenswerter Versuch, mit qualifizierten Schauspielern und pointenreichen Dialogen die teils restaurative Anfangsphase der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich von Typen der Nazizeit) zu charakterisieren. Insgesamt bleibt der Film aber in humorig-komischen Lustspieldetails stecken.
Regie, Buch: Rolf Thiele
Kamera: Oskar Schnirch
Bauten: Walter Haag
Schnitt: Caspar van den Berg
Ton: Werner Schlagge
Musik: Norbert Schultze
Gesang: die Schöneberger Sängerknaben.
Darsteller:
Paul Dahlke (Bürgermeister)
Käte Haack (seine Frau)
Lisabeth Müller (Thea)
Joachim Brennecke (Hermann)
Adelheid Seeck (Frau Heidrich)
Heinrich Troxbömker (Oberst von Hanffstaengl)
Elisabeth Flickenschildt (Frau Plitzka)
Beate Koepnick (Margot)
Walter Giller (Schurisch)
Arthur Mentz (Schwanke)
Hugo Lindinger (Pedell Ahlborn)
Wolfgang Lukschy (Kultur-Dezernent Dr. Leiden)
Susi Nicoletti (Frl. Kluge)
Ursula Herking (Frl. Dr. Schreyvogel)
Günther Lüders (Weber)
Elisabeth Goebel (Frl Weidlich)
Gert Fröbe (Rundfunkreporter)
Adalbert Gausche (Pfarrer)
Hans Stiebner (Bäckermeister Zingel)
Else Reval (seine Frau Amalie)
Ilse Künkele (Frl. Windhose)
Margit Ensinger (Marie)
Susanne Uhlendorff (Gertrud)
Tilo von Berlepsch, Kurt Zips, Christian Schultze, Fritz Brand, Eugen Bergen, Erhard Pankatz.
Produktion: Filmaufbau GmbH, Göttingen
Produzent: Hans Abich, Rolf Thiele
Produktionsleitung: Hans Abich
Aufnahmeleitung: Frank Roell, Ulrich Preuss
Drehort : Atelier Göttingen
Außenaufnahmen: Göttingen und Umgebung.
Länge: 96 min, 2646 m.
Format: 35 mm, s/w, l:1.33.
Uraufführung: 27 11.1952, Hannover (Weltspiele)
Der Film erzählt zugleich frech und liebenswürdig eine amüsante Provinzposse ‚von großen Schwächen und kleinen Sünden‘.
Die Situation auf dem deutschen Filmmarkt zu Anfang der 1950er Jahre stellte sich für die Filmproduktionsforma wie folgt dar:
- Kapitalknappheit
- Publikumszurückhaltung
- Starke Konkurrenz ausländischer Filme
- Bürgschaftssystem von Land und Bund, Begutachtung durch Bürgschaftsausschuss für Filmkredite; gewisse Eigenmittel aber trotzdem notwendig
Laut dem Produzenten Hans Abich sollte es ein sogenannter Publikumsfilm werden, das heißt ein erfolgreicher Unterhaltungsfilm, der allerdings nicht auf einer bekannten Welle reiten sollte und durchaus Niveau haben sollte. Mit Abichs Worten: wir sind „nicht in die Heide gefahren“, sondern wollten etwas nach eigenem Kopf machen.
Anlass/Idee für den Film:
Regisseur und Drehbuchautor Thiele ließ sich zu dieser Geschichte von einem Besuch des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss inspirieren, den dieser im Spätherbst 1951 der Universitätsstadt Göttingen abgestattet hatte.
Verschiedene Titel des Films wurden seitens der Filmfirma und im Bürgschaftsausschuss diskutiert:
„Man muss die Feste feiern“, „Ein hohes Tier kommt in die Stadt“, „Der Präsident kommt“.
Der ursprünglich von der FAB favorisierte Titel „Der Präsident kommt“ wurde schließlich durch den unverfänglichen Titel „Der Tag vor der Hochzeit“ ersetzt, da der reale Bundespräsident mit dem Titel nicht einverstanden gewesen sein soll bzw. der Bürgschaftsausschuss ihn unpassend fand.
Auffällig sind die zahlreichen politischen Anspielungen im Film, wobei Vertreter aller Parteien und Richtungen ihr Fett wegbekommen. Interessant ist auch eine Szene, in der der Schauspieler Gert Fröbe einen Rundfunkreporter mimt, der aus luftiger Höhe ein vermeintlich turbulentes Ereignis kommentiert und dabei eine grandiose Originalstimmung vorgaukelt. Die Szene gerät zur Goebbels-Parodie und wirft dabei auch ein Licht auf Kontinuitäten im Tonfall der Rundfunk- und Wochenschauberichterstattung.
Der Verleih des Films wollte augenscheinlich das Licht auf andere Aspekte werfen. Zur Vermarktung des Films warb er zwar auch damit, dass es der frechste Film des Jahres sei. Hatte dabei aber anderes im Blick: Zum Einsatz hatte der Verleih wie üblich Werberatschläge (Druckmatern) für die Kinobesitzer geliefert (…)
Zitat:
„Haben Sie keine Hemmungen, die Mater Nr. 6 (Mädchen im Hemd) aus unserem Ratschlag in Ihren Inseraten zu zeigen unter Benutzung der witzigen Liedzeile „Es kommt der Präsident, und Du, Du stehst im Hemd“.