Und über uns der Himmel (1947)

Inhalt

Der ehemalige Kranführer Hans Richter kehrt nach dem Zweiten Weltkrieg unversehrt ins zerstörte Berlin heim. In dem beschädigten Haus, in dem er vor dem Krieg gewohnt hat, trifft er neben einigen alten Nachbarn auch Edith Schröder, Kriegerwitwe eines Studienrates, und deren kleine Tochter Helga.

Hans Richter beginnt optimistisch mit der Wiederherstellung seiner Wohnung, hilft Edith und deren Tochter. Die Heimkehr seines Sohnes Werner erwartend, versucht er durch verschiedene Geschäfte einen gewissen Wohlstand zu erwerben. Dabei kommt Hans mit dem Schwarzmarkt in Berührung und wird selbst zum Schieber.

Werner kommt schließlich zurück, ist jedoch aufgrund einer Kriegsverletzung vorübergehend erblindet. Nachdem er seine Sehkraft zurückerlangt hat, sieht und beurteilt er seine Umwelt – Trümmer, Kriegsversehrte, mühsame Aufbauversuche und Elend auf der einen Seite, Überfluss, Dekadenz und Völlerei in den Schieberlokalen auf der anderen Seite. Er überwirft sich mit seinem Vater, will diesem beweisen, dass es auch ehrlich geht und nimmt die Arbeit als Kranführer auf. Hans Richter wird durch die moralischen Vorstellungen seines Sohnes verunsichert, bricht aber zunächst noch nicht völlig mit der Schiebergesellschaft. Als er jedoch aufgrund eines Missverständnisses meint, sein Sohn Werner würde ebenfalls „abrutschen“, besinnt sich Hans: Er überwältigt die Schieberclique, die anschließend von der Polizei verhaftet wird.

Nachdem Hans vom Irrweg der Schwarzmarktgeschäfte zu seiner Arbeit als Kranführer zurückgefunden hat, kann er mit Werner, Edith und deren Tochter einer harmonischen Zukunft entgegensehen.

Autoren/Innen

Filmanalyse: Autorengruppe Nachkriegsspielfilme (1993)
Zusammenstellung und Bearbeitung der Materialien: Autorengruppe Nachkriegsspielfilme (1993); aktualisiert: Detlef Endeward (2022)

Film im Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1950

Filmansicht im Medienportal Merlin


Der Film steht auf dem Portal Merlin für die Bildungsarbeit in Niedersachsen zur Verfügung

Produktion: Objectiv-Film GmbH, Berlin (Amerikan. Lizenz)
Produktionsleitung: Richard König
Erstverleih: Schorcht-Filmgesellschaft mbH (West-Berlin, München, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Hamburg)
Buch: Gerhard Grindel
Regie: Josef von Baky
Regieassistenz und Schnitt: Wolfgang Becker
Kamera: Werner Krien
Bauten: Emil Hasler, Walter Kutz
Ton: Gustav Bellers
Musik: Theo Mackeben
Länge: 104 Minuten (2810 Meter)
Uraufführung: 9. 12. 1947, „Neue Scala“ West-Berlin
Zensurdatum: November 1947 (Alliierte Militärzensur)

Darsteller:  
Hans Albers Hans Richter
Lotte Koch Edith Schröder
Paul Edwin Roth Werner Richter
Annemarie Haase Frau Burghardt
Heidi Scharf Mizzi Burghardt
Herbert Staskiewicz Walter
Ralph Lothar Fritz
Otto Gebühr Studienrat Heise
Elsa Wagner Frau Heise
Ursula Barlen Frau Roland
Ludwig Linkmann Georg
Hellmuth Helsig Harry
in weiteren Rollen:
Reinhold Bernt
Erwin Biegel
Erich Dunskus
Karl Hannemann
Marianne Lutz
Alfred Maack
Richard Miersch
Gustav Püttjer
Walter Strasen
u. a.
 
Nr.
Inhalt
Länge
Zeit im Film

0

Vorspann, Credits

1.52

0.00 – 1.52

1

Der ehemalige Kranführer Hans Richter kehrt mit Fritz, einem Kriegskameraden, in seine zerstörte Wohnung in einem ebensolchen Berliner Mietshaus zurück. Er trifft hier auf die Kriegswitwe Edith Schröder und deren Tochter Helga. Hans erfährt, dass sein Sohn Werner noch lebt und bald nach Hause kommen wird.

5.59

1.53 – 7.52

2

In der zerstörten Wohnung: Hans Richter blättert in alten Fotoalben, erinnert sich an schöne Momente, die er mit seinem kleinen Sohn im Vorkriegs-Berlin erlebte (Rückblenden).

2.57

7.53 – 10.50

3

Die Gegenwart reißt Hans Richter aus seinen Träumen: Durch die Trümmerwände des Mietshauses beobachtet er die heranwachsende Mizzi Burghardt und ihren Freund Walter sowie das alte Ehepaar Heise.

3.31

10.51 – 14.22

4

Hans geht zu seinem alten heruntergekommenen Kran, der in einem Binnenhafen steht. Hoffnungsvoll pflückt er ein Gänseblümchen, steckt es sich ans Revers.

1.19

14.23 – 15.42

5

Hans schaut unternehmungslustig bei Edith Schröder herein, verspricht einen Treibriemen für die Nähmaschine und ein Kaffeesieb zu organisieren. Er trifft den alten Studienrat Heise, der ihn auf den schwarzen Markt in der „Alleestraße“ hinweist.

1.35

15.43 – 17.18

6

In der Wohnung der Burghardts: Frau Burghardt schimpft mit ihrer Tochter Mizzi, die bei der Kartoffelernte helfen soll. Hans Richter kommt herein, redet Mizzi gut zu; Edith Schröder gibt er den versprochenen Treibriemen (den Gürtel von Fritz) und ein Sieb, dazu noch Butter, Wurst und ein Huhn.

4.15

17.19 – 21.34

7

Vor dem Haus: Hans unterhält sich mit Walter, der keine „Papiere“ hat und pessimistisch in die Zukunft sieht.

0.23

21.35 – 21.58

8

Schwarzmarkt vor der Haitibar in der „Alleestraße“: Der alte Heise möchte etwas verkaufen, wird aber bei einer Razzia verhaftet. In der Bar sitzen einige Schieber, Hans‘ Kriegskamerad Fritz findet zu ihnen.

1.25

21.59 – 23.24

9

Hans besucht Bekannte in einer Gartenlaube, die ihre alten Arbeitsmöglichkeiten verloren haben.

1.34

23.25 – 24.59

10

In einer zerstörten Wohnung: Walter und Mizzi unterhalten sich: Während sie von einem schönen, luxuriösen Leben träumt, wird er seine Kriegserinnerungen nicht los.

1.54

25.00 – 26.54

11

In der Wohnung der Burghardts: Frau Burghardt legt Spielkarten, die ihr den Glauben an die Rückkehr ihres Mannes erhalten.

0.44

26.55 – 27.39

12

In der Wohnung der Heises: Der alte Heise kommt aus dem Gefängnis zurück.

0.44

27.40 – 28.24

13

Hans trifft in seiner Wohnung Mizzi, die auf eine Einladung von ihm wartet. Er gibt ihr etwas Wurst zu essen. Als sie ihren Egoismus provozierend darlegt, küßt er sie und schmeißt sie anschließend hinaus.

1.16

28.25 – 29.41

14

Vor Hans‘ Wohnung: Der inzwischen fein gekleidete Fritz lädt Mizzi in die Haitibar in der Alleestraße ein.

0.40

29.42 – 30.22

15

Hans Richter renoviert seine Wohnung mit Materialien, die er gegen mitgebrachte Lebensmittel eingetauscht hat (Überblendungstrick: Die verschiedenen Lebensmittel verwandeln sich in Baustoffe).

1.10

30.23 – 31.33

16

Mizzi kommt in die „Alleestraße“.

1.14

31.34 – 32.48

17

Hans zeigt Edith seine renovierte Wohnung. Die angetrunkene Mizzi kommt dazu, gibt Hans eine Nachricht von Fritz, der ihn für eine „Landpartie“ gewinnen will. Hans sagt zu.

2.03

32.49 – 34.52

18

Hans ist mit einer Pferdekutsche unterwegs nach Bernau.

1.07

34.53 – 36.00

19

Verschiedene Schauplätze: Von der „Alleestraße“ ausgehend werden Zigaretten im Kreislauf des Schwarzmarktes immer teurer.

0.55

36.01 – 36.56

20

Walter versucht vergebens in einer Amtsstube eine Anmeldebescheinigung zu bekommen.

0.51

36.57 – 37.48

21

Auf der Landstraße: Selbstsicher schmuggelt Hans verschiedene Waren mit seiner Kutsche durch eine Kontrolle der Polizei.

1.29

37.49 – 39.17

22

Auf der Straße: Ein Arbeiter ersteht auf dem Schwarzmarkt eine Zigarette für 8 Mark. (Durch die Einblendung seines Lohnzettels erfährt der Zuschauer dessen Wochenverdienst: 35,10 Mark.)

0.18

39.18 – 39.36

23

Hans kommt mit Kisten beladen in die Haitibar zu seinen Auftraggebern, die ihn geschnappt und die Ware verloren glaubten. Nachdem er sich großzügig hat auszahlen lassen und nun zu ihrem Kreis gehört, feiert er ausgelassen.

4.35

39.37 – 44.12

24

Werner kehrt, von einem Kriegskamerad gestützt, zurück und betritt das Haus, in dem sein Vater wohnt.

0.56

44.13 – 45.09

25

Hans Richter verlässt angetrunken die „Alleestraße“. Vor der Tür trifft er Walter, der auf Mizzi wartet.

3.13

45.10 – 48.23

26

In Ediths Wohnung: Edith berichtet Werner Gutes über seinen Vater. Hans kommt dazu, erkennt, dass sein Sohn seine Sehkraft verloren hat. Werner macht ihm Hoffnung auf Heilung.

3.09

48.24 – 51.33

27

Hans, Edith und Werner fahren mit einem Auto durch das zerstörte Berlin zu einem Krankenhaus. Als Werner erfährt, dass sie in der Potsdamerstraße sind, tauchen vor seinem geistigen Auge schöne Bilder des unzerstörten Berlins auf. (Rückblenden)

3.26

51.34 – 55.00

28

Mizzi, schick gekleidet, bringt Lebensmittel in die Wohnung ihrer Mutter. Gegenüber Walter verteidigt sie ihren Lebenswandel.

1.32

55.01 – 56.33

29

In der Wohnung der Heises: Der alte Heise und seine Frau bereiten notgedrungen Gegenstände, die ihnen lieb sind, für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt vor.

0.23

56.34 – 56.57

30

Edith und Helga besuchen Werner im Krankenhaus. Seine Genesung macht Fortschritte. Werner äußert Vorbehalte gegenüber dem Verhalten seines Vaters, der es immer sehr eilig habe, in die „Alleestraße“ zu kommen.

0.53

56.58 – 57.51

31

Auf einem „Tauschmarkt“: Der alte Heise versucht, verschiedene Gegenstände auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.

1.35

57.52 – 59.27

32

Schwarzmarktgeschäfte in einem vornehmen Restaurant. Hans Richter „schiebt“ mit, wenn auch etwas distanziert.

1.55

59.28 – 1.01.23

33

Wieder genesen verlässt Werner Richter die Klinik. Auf dem Weg nach Hause sieht er Kriegsversehrte, in den Trümmern arbeitende Menschen (Dokumentaraufnahmen!), Elend, aber auch Luxus und Überfluss in der „Alleestraße“.

3.21

1.01.24 – 1.04.45

34

In Hans‘ Wohnung: Beim Essen mit Hans, Edith und Helga empört sich Werner über die Ungerechtigkeiten, bei denen sein Vater mitwirkt. Werner will beweisen, dass es auch anders geht und verlässt die Wohnung. Auch Edith distanziert sich von Hans, der wütend, aber auch nachdenklich wird.

4.23

1.04.46 – 1.09.09

35

Fein gekleidet besucht Hans ehemalige Bekannte in der Gartenlaube und bei ihren neuen Arbeitsstellen; er spaziert an Arbeitern und Trümmerfrauen vorbei, die harte Aufbauarbeit leisten und hört im Vorbeigehen, wie der alte Lehrer Heise mit einer Schulklasse das „Vater unser“ spricht. In seine Wohnung zurückgekehrt, fragt er sich verunsichert, was denn nun eigentlich nicht mehr stimme.

6.00

1.09.10 – 1.15.10

36

Hans besucht Werner auf dem Kran. Es kommt zu keiner Verständigung, Werner hält ihm seine schmutzigen Geschäfte vor, preist seine eigene ehrliche, glücklichmachende Arbeit. Vater und Sohn scheiden im Unfrieden.

4.04

1.15.11 – 1.19.15

37

Im Führerhaus des Krans: Werner lehnt das Angebot eines Kollegen ab, mit dem Kran eine Last etwas „abseitig“ zu plazieren.

1.14

1.19.16 – 1.20.30

38

Walter, der in der „Alleestraße“ einen gestohlenen Ring verkaufen möchte, wird dort von einem Kommissar verhaftet.

2.25

1.20.31 – 1.22.56

39

Hans, wieder in der „Alleestraße“, will aussteigen, aber er kann sich gegenüber seinen Partnern nicht durchsetzen.

0.50

1.22.57 – 1.23.47

40

In einer Baubude am Hafen: Werner übernimmt von einem Kollegen – scheinbar aus reiner Gefälligkeit – den Auftrag, ein Paket in die „Alleestraße“ zu bringen. Der darin enthaltene Schlüssel soll aber, wie er ahnt, für eine Verschiebeaktion mit dem Kran benutzt werden.

0.38

1.23.48 – 1.24.26

41

In der „Alleestraße“ trifft man Vorbereitungen für eine größere Transaktion.

0.37

1.24.27 – 1.25.04

42

In Ediths Wohnung: Werner spricht mit Edith über die Angelegenheit. Derweil erhält Frau Burghardt die Nachricht vom Tode ihres Mannes. Werner entschließt sich, seinen Vater nicht an die Polizei zu verraten.

1.57

1.25.05 – 1.27.02

43

Der Kommissar, der Walter in der „Alleestraße“ verhaftet hat, erzählt Mizzi, dass Walter sich umgebracht habe. Mizzi ist erschüttert, gibt dem Kommissar den Ring, den Walter seinerzeit gestohlen hatte. Der Kommissar nimmt Mizzi mit.

2.45

1.27.03 – 1.29.48

44

Werner besucht Hans Richter in der „Alleestraße“ und gibt ihm – scheinbar als mitmachender Kurier – den Schlüssel. Plötzlich empört über den Seitenwechsel seines Sohnes ohrfeigt Hans ihn. Nun will Hans beweisen, dass es auch anders geht: Er erklärt seinen Partnern, dass Schluss sei. Eine Prügelei bricht los. Hans erkennt, dass sein Sohn doch ehrlich bleiben wollte. Die Polizei trifft ein, verhaftet einige Schieber, Hans bahnt sich einen Weg ins Freie.

3.10

1.29.49 – 1.32.59

45

Am Hafen versucht Fritz zu entkommen: Er springt auf ein fahrendes Schiff. Aber Hans Richter fischt ihn mit seinem Kran von Bord, taucht ihn ins Wasser und übergibt ihn der Polizei.

2.22

1.33.00 – 1.35.22

46

Zurück in der Wohnung zieht Hans wieder seine alten Sachen an, Edith kocht Kaffee und Werner spielt auf eine bevorstehende Feierlichkeit an, zu der man den schwarzen Frack noch brauche.

Einblendung: „Ende“ auf schwenkenden Kran

1.23

1.35.23 – 1.36.46

Es weht der Wind von Norden,
er weht uns hin und her.
Was ist aus uns geworden?
Ein bißchen Sand am Meer.

Der Sturm jagt das Sandkorn weiter,
dem unser Leben gleicht,
er fegt uns von der Leiter,
wir sind wie Staub, so leicht.

Was soll denn werden?
Es muß doch weitergehn.
Noch bleibt ja Hoffnung
Für uns genug bestehn.

Wir fangen alle von vorne an (mehrfach wiederholt)
Es weht der Wind von Norden,
na laß den Wind doch wehn.
Denn über uns der Himmel
läßt uns nicht untergehn.

 

Eine Gesellschaft in Bewegung?
Formen der Wahrnehmung, der Realitätsverarbeitung und des Handelns

Die Gegenwartsbilder der untersuchten Filme zeigten sich durch ein spezifisches Empfinden bestimmt: durch das Gefühl, in einem mitunter unwirklich anmutenden Zwischenreich zu existieren, in dem traditionell und historisch gelernte Sichtweisen und Orientierungen außer Kraft sind und die Realität dem einzelnen undurchschaubar und zumeist feindlich entgegentritt. Die Aufmerksamkeit in diesem Kapitel gilt nun der inneren Dynamik in diesem „Zwischenreich“.

Bereits in der genauen Analyse des häufigen Figurentypus des Heimkehrers zeigte sich: Menschen, die von außen in die Nachkriegsrealität versetzt werden, läßt dieses Erleben selten unverändert. Zwischen dem Gestern und dem Morgen liegen Prozesse der Wahrnehmung, Analyse, Bewertung, liegt eine Orientierung, Entscheidung, wenn auch nur selten eine personale Wandlung.

In diesem Kapitel interessieren mich zunächst typische Verläufe, Strukturen und Resultate dieser in den Filmen spezifisch gezeichneten Prozesse. Wie vollzieht sich der Schritt aus Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft bei den Protagonisten der Filme? Welche Verarbeitungsweisen der Gegenwart werden vorgeführt, welche propagiert? Welche konkreten Haltungen gegenüber Dingen und Menschen, welche Verhaltensweisen werden positiv bewertet?

Ein Gesamt-„Kaleidoskop“ der Nachkriegsdeutschen gestaltete Josef von Baky in UND ÜBER UNS DER HIMMEL. Die exemplarische Analyse dieses ersten unter amerikanischer Aufsicht uraufgeführten Spielfilmes erscheint deshalb als Problemaufriß für dieses Kapitel besonders geeignet.


Orientierungsversuche im Kollektiv

Josef von Bakys 1) erster Nachkriegsfilm, im Dezember L947 uraufgeführt, kreist fast ausschließlich um solche Orientierungsprozesse. 2) Im Zentrum steht ein Schauspieler, der im Dritten Reich vor allem starke und ungebrochene Männerfiguren verkörperte: Hans Albers. Wir sehen ihn als Kranführer Richter, wie er – mit einem großen Sack „requirierter“ Lebensmittel unter dem Arm – unrasiert, aber in bekannter Munterkeit, nach Berlin zurückkehrt. Seine alte Wohnung findet er sehr stark beschädigt vor. In einer relativ langen Sequenz zeigt der Film Hans Richter nach seiner Heimkehr bei dem ersten Versuch, die Nachkriegswirklichkeit zu begreifen und Schlüsse aus dieser Wahrnehmung für das eigene Tun zu ziehen 3):

  1. Der Blick wendet sich in die Vergangenheit: Die Bilder, die hier, ausgelöst durch einige alte Fotos, vor den Augen von Hans stehen, sind bestimmt durch das nostalgische Gefühl des Verlustes. Die Rolle des Protagonisten im Alltag des Dritten Reiches und im Krieg bleibt ausgespart.
  2. Der Heimgekehrte sieht aus dem Fenster und – wie mit einem Scheinwerfer einzeln beleuchtet – das Leiden der Deutschen nach Kriegsende. Wie in einem Kaleidoskop werden verschiedene gesellschaftliche Schichten und die Facetten des Elends vorgeführt: Ein chancenloser junger Mann, eine lebenshungrige junge Frau, ein älteres Lehrerehepaar, Frauen, die ihre Männer im Krieg verloren haben, ein schreiendes Baby, ein überfülltes Quartier in einem Keller die Bilder zeigen die Deutschen als Opfer, die Dialoge zeigen sie voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. 4)
  3. In Großaufnahme sehen wir Hans Albers‘ nachdenkliches Gesicht am Ende dieser Sequenz. Noch sucht er einen sogenannten „rechten“ Weg. Er geht zu seinem alten Arbeitsplatz, dem Kran. Unterstützt durch die gefühlsverstärkende Musik Theo Mackebens wirkt die Szenerie trostlos, ohne Zukunft. Die Blume, die sich Hans ins Knopfloch steckt, signalisiert, daß er nicht in die Depression seiner Mitbürger fallen wird.
  4. Seine Anpassung an die Verhältnisse oder, wie es qualvoll in vielen Filmen heißt, an die „Zeit“ – ist ein lustvolles Trotz alledem: Leben! Dem kräftigen Protagonisten Hans gelingt im ersten Anlauf noch keine „glückliche“ 5) Orientierung.

Zunächst gerät Richter auf den Irrweg einer Schieberkarriere. Doch diese Art der Anpassung an die Verhältnisse hat, so lehrt uns der Film im Weiteren, ihren Preis: den Verlust der Zukunft. Hans Richters Orientierung verbleibt im Hier und Jetzt der Gegenwart, ist damit herausgelöst aus dem Netz der Moral, der Rechtsvorstellungen, der Tradition.

Für Hans Richter hat in diesem Prozeß aber durchaus noch das Kollektiv der anderen Deutschen eine Bedeutung. Er erlebt es in seiner materiellen Not und in der Unfähigkeit, den Wiederaufbau zu beginnen. 6) Dieses Erleben führt ihn zunächst reinen Gewissens auf den Schwarzmarkt.

Auf diesen Irrweg gelangt der von Anfang an durch Aufbauwillen und zupackenden Optimismus gekennzeichnete Hans Richter/Albers auch nicht durch eigenen Antrieb: Ein alter Bekannter macht ihm ein Angebot, er bewährt sich in einer kritischen Situation, indem er durch Wahrhaftigkeit und nicht durch Lüge und Verstellung entkommt 7), und schon ist Richter Schwarzmarkthändler. Er bleibt trotz seiner immer tieferen Verwicklung durchgängig einer der ganz besonderen Art: einer, der die skrupellosen Schieber neckt, übervorteilt, kritisiert. Auch tätigt er seine Geschäfte primär aus dem Motiv heraus, seinen Sohn und Edith, eine Kriegswitwe, nebst Tochter zu versorgen. Hans will auch ein bißchen Spaß im Leben haben, ist ein eigentlich guter Kerl, den die Umstände vom ‚rechten Weg‘ abbringen

Tradierte Werte und Normen scheinen für Hans Richter und viele andere außer Kraft gesetzt – neue (noch) nicht am Horizont. Doch gerade die Menschen, die unserem Helden am nächsten stehen, erweisen sich am deutlichsten als Bewahrer positiv gezeichneter moralischer Grundsätze: „Frau Studienrat“ Edith (Lotte Koch) und sein Sohn Werner. Beide Figuren setzt die Filmdramaturgie in eine zeitweise und partielle Distanz zum Nachkriegsalltag: Edith wird fast durchgängig im beschützten Raum ihrer Wohnung, nie bei der Beschaffung von Lebensmitteln gezeigt, die ihr zunehmend auch Hans Richter abnimmt.

Die interessantere – weil für die spätere Läuterung entscheidendere – Figur ist der vorübergehend erblindete Sohn Richters, Werner (Paul Edwin Roth). Werner bleibt lange Zeit im Schonraum Krankenhaus und ist die einzige Person, die vor den Bildern der neuen Realität bewahrt bleibt. Der junge Mann kann sich ohne Wehmut die Vergangenheit im Film durch eine eindrucksvolle Montage von historischen Dokumentaraufnahmen des Berlins der 20er Jahre gezeigt vor sein geistiges Auge zurückrufen. Durch eine Augenoperation plötzlich wieder „sehend“ – eines der dramaturgisch wichtigsten der vielen metaphorischen Momente des Films – wird er zum entrüsteten Ankläger seines Vaters und macht durch seinen von abstrakten Prinzipien geleiteten Bruch mit ihm auch Edith Mut, sich gleichfalls auf bislang verständnisvoll zurückgestellte ethische Grundsätze zu besinnen. Als Ankläger erscheinen somit einzig Figuren, die dem „Sturm“ der Zeit nicht andauernd und schutzlos ausgesetzt sind, die, wie es auch Hans Richter zunächst empfindet, „gut reden haben“.

So können diese Anwürfe auch noch nicht die Wende auslösen und unseren patenten Helden wieder auf den ‚rechten Weg‘ bringen. Diese Angriffe sind aber Anstoß und Voraussetzung dafür, daß Hans nachdenklich und selbstzweiflerisch wird. Die Sequenz, in der die Katharsis des Helden augenfällig beginnt, folgt unmittelbar auf die mißglückte Feier der Genesung Werners, bei der sich Hans plötzlich der harschen Kritik der von ihm geliebten Menschen gegenüber sieht. Tonfall und Mimik seiner Reaktionen, sein Gesicht in der Großaufnahme am Ende der Sequenz zeigen Enttäuschung, Unverständnis und Ratlosigkeit. Diese Empfindungen bestimmen auch Hans‘ Selbsterklärung gegenüber Edith:

„Ja, damals (nach der Rückkehr aus dem Krieg, d.A.), da hab‘ ich auch geglaubt, wenn man nach Hause kommt, und man krempelt die Ärmel hoch, dann schafft man’s. Bis man sieht, daß das alles…. Dann zieht man sich eben Manschetten an nicht? Dann geht’s leichter. Warum tu‘ ich denn das alles? Doch nicht allein für mich, das tu‘ ich doch schließlich auch (Richter streichelt Ediths Tochter über den Kopf).“ 8)

Hans‘ Reaktionen zeigen, daß er „das Gute“ wollte, nämlich alles für die geliebten Menschen tun. Dies erkennt auch Edith einmal im Gespräch mit Werner an. Daß man zur Erreichung dieses Zieles „auch ganz gern mal Dreck“ anfassen muß, ist seine Erfahrung: „Die Zeiten sind nun mal so verrückt…“.

Tatsächlich hat auch der Filmzuschauer die Nachkriegsrealität bislang als hoffnungsarme, triste, aussichtslose und eben „verrückte“ Situation vorgeführt bekommen, in der Skrupellosigkeit und Unmoral honoriert werden. Er kann Hans Richters Weg auf den Schwarzmarkt vor dem Hintergrund dieser filmisch vermittelten Perspektive nachvollziehen. Die abgelöst von eigener Erfahrung formulierte Moral Werners bleibt dagegen zunächst abstrakte These, von der sich unser Protagonist gleichwohl betroffen zeigt: überdeutlich metaphorisch mit zwei Spiegelszenen eingerahmt, inszeniert der Film einen Erfahrungsprozeß, der die spätere Läuterung von Hans mit vorbereitet. In der nachfolgenden kurzen Filmsequenz begegnet Hans erstmals einer neuen lichten Nachkriegswelt. 9) Es ist die der harten, aber „ehrlichen“ Aufbauarbeit. Diesen neuen Weg, so erzählt und beschwört der Film, haben die Berliner aIs Kollektiv gefunden, noch bevor Richter sich und die mit ihm in der Nachkriegszeit vorgegangenen moralischen Veränderungen recht begriffen hat. Die Frage des Titelliedes von UND UBER UNS DER HIMMEL 10) „Was soll nun werden?“ scheint beantwortet:

„Noch bleibt ja Hoffnung für uns genug bestehn.
Wir fangen alle von vorne an,
weil dieses Dasein auch schön sein kann!“

So inhaltsleer das Bild der Zukunft in diesen Worten immer noch erscheint, die Filmbilder beschreiben den Weg in diese Zukunft: Wir sehen Trümmerfrauen und Straßenarbeitern beim Wiederaufbau zu.

Letzter Anstoß für diese Neu- oder genauer Reorientierung war jedoch nicht das kollektive Vorbild. Die Filmbilder zeigen einen Helden, der sich in Anzug, Hut und weißem Mantel deutlich außerhalb dieser Gesellschaft bewegt. Als „feiner Pinkel“ ist er selbst zu seinen alten Freunden in Distanz geraten. Deren Äußerungen geben zugleich Hinweise auf die Ursachen der nun sichtbaren Verhaltensänderungen. Nicht nur die Bedingungen des Lebens und Arbeitens haben sich gewandelt, sondern vor allem auch die Einstellung der einzelnen Menschen zu ihnen.11) Besonders in der sinfonischen Montage einer Folge von elf kurzen Einstellungen (jeweils 1-3 Sekunden) wird die gezeigte Arbeit schwungvoll und dramatisch-mitreißend ins Bild gesetzt: Trümmerfrauen bearbeiten Steine und Schutt, Maurer ziehen Wände hoch. Schwer arbeitende Menschen, vor allem Frauen, werden überwiegend in Untersicht und in nahen bis halbnahen Einstellungen heroisch inszeniert, durch Orchester und Chor mit schrittweiser Steigerung hymnisch begleitet. Die in dieser schnellen Folge von Nahaufnahmen entfaltete Intensität wird anschließend in die Gesamtszenerie übernommen, wenn Hans in einer langen Einstellung (46 Sek. ) durch eben diese Trümmer- und Aufbaulandschaft geht. Wenngleich der bildlich-musikalische Höhepunkt mit der langen Einstellung überschritten wird, findet doch keine wirkliche Entspannung statt: die Musik bleibt weiterhin eindringlich und klingt allmählich mit dem Ende der ganzen Sequenz ab.

In weiteren, relativ kurzen Einstellungen (4-5 Sek.) werden hierbei die Aufgaben der Zeit nochmals dargelegt: Die Kamera zeigt in Untersicht Trümmerfrauen, die eine Lore mit der Aufschrift „no time for love“ emporschieben; eine Blumenverkäuferin kann ihre Ware nicht loswerden. Für die schönen Seiten des Lebens ist jetzt eben keine Zeit. Zwei längere Einstellungen kurz vor Ende der Sequenz zeigen etwas, was dem Helden selbst nur ans Ohr dringt, aber dem Filmzuschauer im Bild sichtbar gemacht wird: Der bislang ausschließlich in seiner Verzweiflung gezeigte Lehrer, der nun mit seinen Schülern das Vaterunser einübt. Gezeigt wird hiermit zugleich ein weiteres Lebensbewältigungsmodel1, das bereits im Titellied angeklungen ist: der Glaube an Gott als Lebenssinn und moralische Orientierungshilfe.

Doch alle diese Hans und dem Zuschauer vorgeführten Modelle eines „es geht auch anders“ können noch nicht soweit überzeugen, daß die definitive Wende eintritt. Auf dem Höhepunkt der Sequenz, nach der sinfonischen Montage, scheint ein Umschlag bevorzustehen, findet jedoch nicht statt. Hans läßt sich nicht mitreißen, bleibt distanziert, verzieht keine Miene.

Unberührt läßt ihn das, was er wahrnimmt, indes auch nicht dies zeigt sich deutlich in der Spiegelszene, die diese Sequenz beschließt. Der „Boden“ der Selbst- und Situationseinschätzung ist schwankend geworden. Ein neuer, von dem aus ein ‚richtiges‘ Verhalten abzuleiten wäre, ist aber noch nicht gefunden.

Auch Richters Verhältnis zu den Schieberkreisen ist noch nicht neu bestimmt: Will er zunächst nicht mehr mitmachen, erweist sich sein innerer Widerstand doch noch als zu schwach und unsicher, zu unentschlossen. Um sich mit ganzer Überzeugung der einen oder anderen Seite zu verschreiben, bedarf es eines weiteren, tieferen Anstoßes. In der zweiten Spiegelszene nimmt Hans das Bild seines Sohnes Werner vom Rahmen des Spiegels – eine vorankündigende Geste. Hans, durch das Verhalten seines Sohnes sichtlich verunsichert, besinnt sich endgültig erst aus Angst, daß Werner selbst zum Handlanger der Schieberbande werden könnte. Um der Moral der Nachkommen willen darf die eigene nicht außer acht gelassen werden. Die Liebe und das private Familienglück werden als Motive gezeigt, die den Helden auf den ‚rechten Weg‘ zurückführen.

In UND ÜBER UNS DER HIMMEL wird die höchst aktuelle und brisante Frage des „Wo steh’n wir – wohin geh’n wir?“ auf besondere offenbar leicht annehmbare, weil entlastende Weise gestellt und beantwortet: Die Irrungen des Protagonisten werden so inszeniert, daß man sie voller Verständnis und Sympathie betrachten kann. Dem eigentlich guten, großen und tüchtigen blonden Hans sieht man seine Verfehlungen gern nach. Er eignet sich hervorragend als Identifikationsfigur, erscheint er doch mehr als Opfer der Zeit denn als Täter. Als „Täter“ erscheinen in diesem Film allein die finster gezeichneten Schwarzmarktbosse, die der Held schließlich ihrer gerechten Strafe zuführt. Kein Wort und kein Bild beschäftigen sich mit den realen historischen Ursachen der ansonsten so anschaulich gezeichneten Alltagsprobleme der Bevölkerung. Das Thema der anstehenden Neuorientierung in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird gänzlich auf die Perspektive der individuellen, privaten Existenz reduziert.

Aus diesem Blickwinkel entfaltet von Baky vor uns ein Kaleidoskop der Nachkriegsgesellschaft, wie sie sich 1947 wohl zu sehen wünschte: Seine Figuren, die er unter den im Studio aufgebauten Trümmerdächern eint, werden in Lied und Fabel zunächst zum Kollektiv – nicht lange vorher nannte man es „Volksgemeinschaft“ – zusammengeschlossen: Kleinbürgerliche Familien, verarmter Lehrer und Kranführer sie „fangen alle von vorne an“. Standesunterschiede scheinen verwischt. Das Wiederfinden moralischer Grundsätze und einer Zukunftsperspektive in der individuellen Sorge um die geliebten Menschen wird gleichsam als kollektive Lösung exemplarisch in der von Hans Albers verkörperten Identifikationsfigur vorgeführt. Seine Art und Weise, die Nachkriegsrealität zu sehen, auf sie zu reagieren, wird – die massenhafte Rezeption berechtigt zu dieser Vermutung – kaum den typischen Wahrnehmungsweisen, sondern eher einem Wunschbild für die Verarbeitung und Reaktion auf äußere Realität entsprochen haben.12)

Die metaphorische Fassung dieses Außen als Schicksal, Sturm, über der Macht der Menschen stehende Kraft und deren bildliche Inszenierung entsprechen in UND UBER UNS DER HIMMEL den typischen Tendenzen in den Filmen der ersten Produktionsjahre. In diesen Bildern bricht sich das Empfinden des ohnmächtigen Gefangenseins in einer dunklen und bedrohlichen Umwelt, die durch ihre „verrückte“ und undurchschaubare Dynamik alle bisherigen Sicherheiten und positiven ethischen Orientierungsmöglichkeiten außer Kraft gesetzt hat. Eine Verantwortung des einzelnen für sein Handeln dementiert dieser Film ebenso, wie er verbal und handlungslogisch wenig überzeugend ein „Und es geht auch anders“ 13) einklagt. Daß der Film einerseits über die eigene Demoralisierung und das Außerhalb-der-Gesetze-Agieren beruhigt, andererseits abstrakt eine Hoffnung auf Zukunft beschwört, dürfte ein Grund für seinen Publikumserfolg an der Jahreswende 1947/1948 gewesen sein. Attraktiv wirkte sicherlich auch die Aussicht auf eine harmonisch-abgesicherte kleinbürgerliche Existenz, die die Figur des Hans Richter im Happy-End eröffnet. Vor allem aber dürfte der nachgezeichnete Prozeß der Rückkehr auf den alten Weg (der Arbeit als Kranführer) einer Wunschvorstellung vieler Menschen im Nachkriegsdeutschland entsprochen haben, zu der gelernten (beruflichen) und ethischen Identität und Orientierung zurückkehren zu können, sich selbst wiederzufinden.

Doch bereits der heiter-kraftvolle Eigensinn dieser von Hans Albers gespielten semiproletarischen Existenz stieß sich vielfach an der realen Selbstsicht der Zeitgenossen. Die filmkritische Rezeption betont immer wieder die mangelnde Authentizität dieser ungewöhnlich kraftvollen Heimkehrerfigur. Schon 1948 wurde in den untersuchten Spielfilmen die hier noch attraktiv ins Bild gesetzte, materiell gut versorgte Existenz des Schiebers immer eindeutiger in die Schattenreiche verwiesen. 14) Die Unklarheit, die der Film zum Teil in der Handlungsbegründung des Protagonisten enthält, weist ihn als Film und „Hans Richter“ als Figur einer Übergangszeit aus.

Dem in Lied und Fabel des Films beschworenen kollektiven Neubeginn geht sichtbar keine eigenständige Wahrnehmung, Erfahrungsproduktion und Handlungsorientierung voraus. Zwar ist Hans Richters Wahrnehmung der Wirklichkeit noch umfassend und tabulos, doch ist es gerade diese Wahrnehmung, ist es die Erfahrung des „Außen“, die ihn vom „rechten Weg“, der kollektiv-ethischen Orientierung abgehen läßt. Diese Sicht der Dinge erfolgt in der für viele Spielfilme typischen Perspektive, aus dem geordneten „Innen“ seines kleinbürgerlich wiederhergerichteten Haushalts. Nur in den Figuren des Werner und der Edith, denen die Wahrnehmung oder zumindest der Umgang mit der Wirklichkeit weitgehend erspart bleiben, finden sich Moral und Zukunft aus vergangenen Zeiten unbeschädigt überliefert. Im Happy-End schließt sich für Hans Richter nur ein Kreis: Er: ist wieder auf dem Kran, wieder Ehemann, wieder Vater. Er hat eine Identität gefunden‘ wenn auch keine neue.


Anmerkungen

  1. Von Baky führte Regie; das Buch stammte von Gerhard Grindel
  2. Vgl, hierzu auch die Betrachtung zum Titelsong dieses Films
  3. Alle Zitate und Beschreibungen dieses Films aus eigenen Filmprotokoll
  4. Diese Sichtweise fand in der amerikanischen Filmkontrolle eine sehr skeptische Beurteilung und hat ev. auch zu Eingriffen in den fertigen Film geführt. Vgl. hierzu Abschnitt 4,3,9
  5. Als glückhaft und zugleich positiv-moralisch erscheint in den Filmen (wie auch in UND ÜBER UNS DER HIMMEL) in aller Regel eine Belohnung durch „rechtschaffene“ Arbeit und Liebe,
  6. Beide Faktoren Werden in den Filmen zumeist in einen eindeutigen Zusammenhang gebracht,
  7. In einer kleinen Szene wird Richter gezeigt, wie er mit einer Kutsche voller Lebensmittel, die er in Auftrag der Schieberbande transportiert, bei einer Polizeikontrolle wahrheitsgemäß, wenn auch in heiterem Tonfall, zugibt, das er auf seinem Wagen hat. Die Beamten halten diese Angaben für einen Scherz und lassen ihn weiterfahren.
  8. Eigenes Filmprotokoll, a.a.0.
  9. Diese tritt auch dem Kinozuschauer erstmals in diesem Film vor Augen. Alle vorherigen Szenen sind deutlich düster, die Äußerungen der Hans‘ umgebenden Menschen durch Hoffnungslosigkeit und Depression bestimmt.
  10. hierzu riederum Abschnitt 5,2
  11. Chor im Hintergrund: „Wir fangen alle von vorne an, es muß doch weitergehn“
  12. hierzu Abschnitt 5.2.1.
  13. Zitat einer Schlüsseläußerung von Richters Sohn Werner
  14. hierzu Abschnitt 5.2.2.5

Auszug aus: Bettina Greffrath: Verzweifelte Blicke, ratlose Suche, erstarrte Gefühle, Bewegungen im Kreis. Spielfilme als Quellen für kollektive Selbst- und Gesellschaftsbilder in Deutschland 1945-1949. Diss. Universität Hannover 1993, S. 428-436

 

Dramaturgie und filmästhetische Gestaltung

Die Geschichte des Heimkehrers Hans Richter wird linear, mit nur wenigen Nebenhandlungen erzählt. Diese dienen vor allem zur Skizzierung des Umfeldes, in dem sich Hans bewegt. Es gibt nur zwei kurze Rückblenden – Erinnerungen von Hans und Werner -, die den Erzählfluß jedoch nicht unterbrechen. (Sie sind auch filmische Erinnerungen an den „schönen alten UFA-Film“.) Die gesamte Handlung des Films ist auf die Entwicklung des Helden konzentriert, auch episodische Nebenstränge haben für sie Bedeutung. Entsprechend finden wir in „Und über uns der Himmel“ eine Handlungsstruktur, die der des antiken Fünfakters ähnelt: „Das fünfaktige aristotelische Drama begünstigt die Entwicklung einer Figur im Sinne idealistisch-individualistischer Ethik. Die fünf Akte sind Prüfsituationen des Helden, der sich gegen die Welt stellt und sich bewährt.“[1]

Im Film kehrt Hans Richter ins zerstörte Berlin heim (Exposition), beginnt mit dem Wiederaufbau seiner beschädigten Wohnung, wobei er der eigentlich gute Kerl, ins Schwarzmarktmilieu abrutscht (Aufbau des Konflikt;). Hans‘ Sohn Werner kehrt heim ‚und lernt „sehen“ (Durchführung und Zuspitzung des Konflikts); Werner und Edith brechen mit Hans (retardierendes Moment, Wende), Hans besinnt sich, wendet sich gemeinsam mit Werner gegen die (anderen) Schieber, Happy-End (Lösung des Konflikts). Wie für viele nach diesem klassischen Schema aufgebaute Filme ist eine Entscheidung zentrales Moment, eine Bewährungsprobe, die den Helden zu sich selbst und zu den ethisch positiv bewerteten Kräften zurückführt.

Kaleidoskop der Nachkriegsgesellschaft 

Josef von Bakys „Und über uns der Himmel“, im Dezember 1947 als erster in der amerikanischen Zone produzierter Film uraufgeführt, war ein Publikumserfolg. Der erste und einer der wenigen, die der deutschen Nachkriegsproduktion beschieden waren. Das mag gerade bei diesem Film erstaunen, in dem so gut wie alle Probleme, die das Alltagsleben des einzelnen Deutschen belasteten, vor dem Hintergrund des zerbombten Berlin thematisiert sind (Kriegsheimkehrer, zerrissene Familien, Versorgungsprobleme, Schwarzmarkt, Wiederaufbau usw.). So hatte der Spiegel in seiner ersten Ausgabe von 1947 in einem Artikel über den deutschen Nachkriegsfilm unter der Überschrift „Man mag keine Ruinen“ zusammengefaßt: „Es zeigte sich, dass ein großer Teil des ‚normalen‘ Kinopublikums den Gegenwartsgehalt, die ‚Lebenswahrheit‘ des neuen Films ablehnt.“[1]

Die bei Baky gezeichneten Bilder der Gegenwart, die spezifischen Sicht- und Handlungsweisen der gezeigten Personen haben also offenbar mehr den Wünschen des Publikums entsprochen als die anderen Trümmerfilme. Folgt man dem Filmtheoretiker Siegfried Kracauer, der von populären Motiven der Leinwand annimmt, „dass sie die herrschenden Massenbedürfnisse befriedigen“[2], so erhalten wir also durch die Untersuchung dieser Bilder eine mittelbare Einsicht in das Selbstbild des begeisterten Publikums. 

Der Film „Und über uns der Himmel“ ist Star-Kino. Mittelpunkt und Hauptmotiv der im Film behandelten Thematik stellt die Figur des Hans Richter dar. Hans Albers spielt den forschen Kriegsheimkehrer, der sich in den Trümmern ein neues Heim errichtet, in der „verrückten“ Nachkriegszeit vom (Arbeits-)Pfad der Tugend abkommt und, in erster Linie der Harmonie und dem Glück in der Kleinfamilie wegen, geläutert auf den Weg der ehrlichen Arbeit zurückkehrt. Die Zeitprobleme werden dabei kaleidoskopartig ausgebreitet, sind bloße Kulisse. Der Film knüpft so bruchlos an die Tradition des UFA-Unterhaltungsfilms an: Die Trümmerwohnung, die Haitibar – Studioausstattung wie einst zur Blütezeit des seit 1942 verstaatlichten Filmkonzerns. Und auch die Musik von Theo Mackeben knüpft an diese Traditionen an: Sie hat untermalenden Charakter, ist gefühlsbetont und – bis auf das als Leitmotiv fungierende Lied – ohne eigenständige Aussagekraft.

Dieses Hauptgeschehen ist in eine Rolle von Nebenmotiven eingebettet, in denen ebenfalls Gegebenheiten und Probleme der Nachkriegszeit angesprochen werden. Die Kriegerwitwe Burghardt, die vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes wartet; deren Tochter Mizzi, ein junges lebenshungriges Mädchen, das in Schieberkreise gerät; ihr Freund Walter, ein junger Mann ohne Beruf und Papiere, der stiehlt, um dem Mädchen imponieren zu können, gefaßt wird und schließlich Selbstmord begeht; und der verarmet alte Studienrat Heise, der sich mit seiner Frau durch Notverkäufe auf dem Schwarzmarkt am Leben hält. So ergibt sich vor dem Hintergrund des zerstörten Berlin das Bild einer in den Grundfesten erschütterten Gesellschaft, die vom allmächtigen Schicksal überschattet ist. 

Für alle eingeführten Personen steht die Sorge um die materielle Lebenssicherung im Vordergrund des Agierens. Die Hauptfigur, an der mögliche gesellschaftliche Entwicklungslinien festgemacht werden, ist männlichen Geschlechts. Das heißt aber nicht, dass die Frauenrollen schwach gezeichnet wären. Dazu gehört Edith Schröder als Angehörige der Muttergeneration, deren Wirkungskreis Wohnung bzw. Haus freilich nicht überschreitet. Mizzi, Repräsentantin der jungen Generation, wird als relativ starker Charakter dargestellt, weicht aber von dieser traditionellen, d. h. nicht handlungsbestimmenden Rolle ab: Sie will sich ihr Auskommen nicht mühsam erarbeiten, sondern das Leben genießen und verschreibt sich einem egoistischen Hedonismus. Der Preis, den sie für ihr als verantwortungslos dargestelltes Verhalten bezahlen muß, ist hoch: Sie sieht ihre Mitschuld am Vergehen Walters letztlich selbst ein und überantwortet sich der Polizei. Das Scheitern ihres Lebensentwurfes ist aber nicht so vollständig wie dasjenige von Walter. Der junge Mann ist psychisch so erledigt, dass er Selbstmord begeht, ihm fehlt auch die Kraft, trotz begangener Fehler am Leben festzuhalten. Bemerkenswert ist auch, dass gerade Mizzi als Angehörige der jungen Generation als einzige Ansprüche formuliert, die über die bloße Existenzsicherung hinausgehen – mal richtig zu leben, zu tanzen, sich zu amüsieren. Doch ihr weiteres Schicksal läßt keinen Zweifel daran, dass es eben diese Genußsucht ist, die sie vom rechten Weg abkommen läßt. 

Trotz stark gezeichneter Frauenrollen: Die Hauptakteure sind Männer, wobei sich zwischen den Generationen eine spezifische Konfliktlinie zeigt. Vater und Sohn sind uneins über den richtigen Lebensweg, wobei Hans Richter zum Schluß (etwas gewollt) auf den richtigen Weg des Sohnes gebracht wird. Der Vater-Sohn-Konflikt im Film ist allerdings mehr als nur ein normaler Generationskonflikt: Er steht für die Probleme, die sich aus der Frage des richtigen Wirtschaftens, der materiellen Lebenssicherung ergeben. Und in diesem Zusammenhang taucht im Film der sogenannte „schwarze Markt“ auf. Er bildet einen wesentlichen Teil des Lebens „draußen“, außerhalb der Wohnung, und spielt auch in diese hinein. 

Auf der einen Seite steht das individuell lebensnotwendige und gerechtfertigte Schwarzmarktgeschäft. Dabei wird der einfache Tausch von Lebensmitteln gegen Baumaterialien, den Hans Richter für die Instandsetzung seiner Wohnung tätigt, und derjenige des alten Ehepaars Heise, das Wertgegenstände gegen Lebensmittel tauscht, ebenso akzeptiert wie die Aktion Hans Richters, als er seinem ehemaligen Kriegskameraden Fritz dessen Hosenriemen entwendet, um die Nähmaschine von Edith Schröder wieder in Gang zu setzen. Auf dieser Ebene sanktioniert der Film das „Organisieren“. 

Auf der anderen Seite wird das Geschäftemachen durch Verschiebung lebensnotwendiger Waren und der damit verbundenen Profite als kriminell gebrandmarkt. Bezeichnenderweise wird es im Kneipenmilieu angesiedelt. Dass die edle Atmosphäre der Haiti-Bar eine kriminelle Basis hat, wird dezidiert durch Hand Richter in Erinnerung gebracht: Als Hans zum Besitzer des Lokals eine ironische Bemerkung über die hohen Verzehrpreise macht, fragt dieser, was er glaube, was die „Ausstattung solcher Clubräume“ denn koste. Richter daraufhin: „Na, das kommt so fünf bis zehn Jahre Zuchthaus!“ Dass er die Dinge derartig beim Namen nennt, zeigt sein Unrechtsbewußtsein, mit dem Hans hier noch witzig-ironisch umgeht, das aber später zum Katalysator seiner Läuterung wird. 

Freilich ist es nicht so, dass die Grenzen vom kleinen Organisieren zum großen Schieben klar markiert wären. Hans Richter überschreitet die Grenze, ohne dass es ihm zu Bewußtsein kommt. Zum Schluß erkennt er seinen Fehler und wendet sich von der Schieberclique ab. Doch die Akzeptanz des „schwarzen Marktes“ im kleinen Stil des Selbstversorgens bleibt bestehen. Dies macht deutlich, dass hier tradierte moralische und rechtliche Wertvorstellungen weitgehend außer Kraft gesetzt sind. Die Eigentumsgrenzen, Recht und Unrecht in bezug auf die Aneignung bestimmter Gebrauchswerte sind nicht mehr klar definiert, sondern regeln sich nach den jeweiligen Verhältnissen von Macht, Geschicklichkeit usw. 

Der Film zeigt also, dass die Ökonomie des „schwarzen Marktes“ in der dargestellten Gegenwart in gewisser Weise notwendig zum Überleben ist, er zeigt aber auch, dass dies keine Perspektive ist und dass es anders werden muß. Eine wichtige Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der „ehrlichen Arbeit“ zu. 

Hier ist es die individuelle Leistung, die körperliche Anstrengung des einzelnen, wie sie in einigen Szenen des Films gezeigt wird (vgl. Sequenz 35). Werner Richter bringt dies auf den Punkt, als er auf dem Kran zu seinem Vater sagt: „Ich bin glücklich, wenn ich morgens hier stehe. Und wenn ich den Hebel in der Hand halte, dann ist das gar kein kaltes Eisen mehr. Wenn die Sonne darauf scheint, dann schimmert es so.“ Der Arbeit(skraft) wird hier – wie überhaupt im ganzen Film – kein gesellschaftliches Ziel zugemessen, vielmehr bekommt diese einen verselbstständigten, mystischen, individuell sinnstiftenden, ja mitunter therapeutischen Charakter. Die auf diese Weise geradezu fetischisierte Arbeit tritt zudem als wichtige Voraussetzung und Garant des individuellen Glücks auf. 

Für die Neuordnung der eigenen Welt ist aber nicht nur die Aufbauarbeit von großer Bedeutung, sondern auch die Kleinfamilie. In dem scheinrealistischen Baky-Film übertrifft die Bedeutung der Familie letztlich diejenige der ehrlichen Aufbauarbeit. War es schon die Sorgen um seinen zunächst blinden Sohn Werner sowie um Edith Schröder und deren Tochter, die wesentlich dazu beitrug, dass Hans unlautere Schwarzmarktgeschäfte trieb, so sind es schließlich familiäre Sorgen und Hoffnungen, die den Ausschlag für die moralische Wende geben. Nachdem schon Werners Vorwürfe zu einer ersten Verunsicherung von Hans geführt haben, so besinnt dieser sich endgültig erst aus Angst, dass Werner selbst zum Handlanger der Schieberbande werden könnte: Um der Moral der Nachkommen willen darf die eigene nicht außer acht gelassen werden. Liebe und das privater Familienglück sind die ausschlaggebenden Gründe, die den Helden auf den rechten Weg zurückführen. Und auch Werner stellt die Familie obenan: Er verrät seinen Vater nicht an die Polizei, obwohl Recht und Gesetz dies verlangen und er dies auch vorhatte. Aber die Familienbande sind eben doch stärker. Die Solidarbeziehungen gehen allerdings über die Kleinfamilie in spe nicht hinaus – die Schicksale der anderen Personen werden von Hans, Werner und Edith nur am Rande wahrgenommen, zum Schluß verliert man sich aus den Augen, Und das happy end zeigt schließlich den hoffnungsvollen Neuanfang in der kleinfamiliären Harmonie und den Rückzug ins Private. Dass dabei der Kranführer Hans Richter und die Studienratswitwe Edith Schröder relativ problemlos zusammenfinden, zeigt im übrigen auch, dass die Barrieren, die die gesellschaftlichen Klassen bzw. Schichten voneinander trennen, niedriger geworden sind. „Heute paßt vieles zusammen, was früher keine Garnitur gegeben hätte“, so Hans Richter in einer Anspielung gegenüber Edith. 

In dem Starfilm „Und über uns der Himmel“, der an die Tradition des typischen „unpolitischen“ Unterhaltungsfilms der UFA im Nationalsozialismus anknüpft, ist die Schicksalhaftigkeit des Geschehens zentral, die einzelnen sind nur Opfer einer letztlich unergründlichen Macht. Die Schicksalhaftigkeit der Ereignisse wird am deutlichsten in dem mehrfach vorgetragenen, die Handlung an entscheidenden Stellen begleitenden Lied, das als ein Leitmotiv des Films gelten kann. Es erscheint in diesem Zusammenhang als Selbstbespiegelung und Frage zugleich: 

„Es weht der Wind von Norden,
er weht uns hin und her.
Was ist aus uns geworden?
Ein Häufchen Sand am Meer.
[…]
Was soll denn werden?
Es muß doch weitergehen!
Noch bleibt ja Hoffnung
Für uns genug bestehen.“
 

Dieses Lied ist mehr als nur kommentierende Begleitung, es entspricht der Fabel der um Hans Albers kreisenden Ereignisse. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich sein Charakter als Suche nach einem Selbstbild, nach Identität – „was ist aus uns geworden?“ Nicht zufällig erfolgt dieser Prozeß nicht allein verbal – die Worte werden hier (zusammen mit der markigen Stimme von Hans Albers) eher zum Vehikel für die Zeichnung von Bildern, einer Vorstellung, eines Paradigmas: Die Angst vor dem Untergang und das Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins an die Macht des (nicht mit Worten bezeichneten!) „Schicksals“ seien, wenn schon nicht aufzulösen, so doch wenigstens – mit Hilfe des „Himmels“ – zu überwinden und zu überdecken. Das Lied fokussiert trotz der „Wir“-Frage bereits den einzelnen. Auf seinen individuellen Umgang mit der Situation, seine moralisch-ethischen Entscheidungen wird es ankommen – „der Wind weht das Sandkorn weiter“. 

In „Und über uns der Himmel“ werden die höchst aktuellen und brisanten Fragen nach dem eigenen Standpunkt und dem einzuschlagenden Weg auf besondere, d. h. leicht annehmbare, weil entlastende Weise gestellt und beantwortet. Die Irrungen des Protagonisten werden so inszeniert, dass man sie voller Verständnis und Sympathie betrachten kann. Dem im Grunde guten und tüchtigen Hans sieht man seine Verfehlungen gern nach – woran der Schauspieler Albers, der seine Rollengeschichte als sympathischer und unwiderstehlicher Draufgänger in den Film mit einbringt, entscheidenden Anteil hat. Er eignet sich hervorragend als Identifikationsfigur, erscheint er doch mehr als Opfer seiner Zeit denn als Täter. Als Täter erscheinen in diesem Film ohnehin allein die finster gezeichneten Schwarzmarktbosse, die der Held schließlich ihrer gerechten Strafe zukommen läßt. 

Überhaupt bleiben im Film bei der Behandlung der Frage, wie es nach dem politischen und moralischen Zusammenbruch, den das Ende des Krieges brachte, weitergehen soll, die sozio-politischen Zusammenhänge der Katastrophe, namentlich die nationalsozialistische Herrschaft von 1933 bis 1945, vollkommen ausgespart. Die realen historischen Ursachen der ansonsten so anschaulich gezeichneten Alltagsprobleme der Bevölkerung werden an keiner Stelle des Films weder im Wort noch im Bild erwähnt. Der Krieg erscheint auf diese Weise als Schicksalsmacht, die alle Deutschen zu Opfern werden ließ. Die Jahre vor dem Krieg tauchen nur als Erinnerung an eine heile Welt auf. Wenn zweimal in die Vergangenheit zurückgeblendet wird, so geschieht dies mit einem explizit unpolitischen, der guten alten Zeit nachtrauernden Blick. So zeigt der Film Hans‘ Rückblick auf die Sonntagsausflüge mit seiner Frau und seinem damals noch kleinen Sohn, und vor den Augen des blinden Werner erscheint das glänzende, pulsierende Berlin der Vorkriegszeit. 

Aber nicht nur der Komplex des Nationalsozialismus bzw. der Entnazifizierung fällt unter den Tisch. Auch das Thema der real anstehenden Neuorientierung in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird nicht angeschnitten, oder besser gesagt: es wird gänzlich auf die Perspektive der individuellen, privaten Existenz reduziert. Aus diesem Blickwinkel entfaltet Baky vor uns ein Kaleidoskop der Nachkriegsgesellschaft, wie sie sich selbst zu sehen wünscht: Seine Figuren, die er unter den – im Studio nachgebauten – Trümmerdächern eint, werden in Lied und Fabel zunächst als Kollektiv (nicht lange zuvor nannte man es „Volksgemeinschaft“) zusammengeschlossen: kleinbürgerliche Familien, verarmter Lehrer, Studienratswitwe und Kranführer – sie bilden eine Schicksalsgemeinschaft und „fangen alle von vorne an“. Infolge der Zerstörungen der einzelnen Wohnungen sind die Privatsphären der Menschen zunächst kaum voneinander getrennt. Standesunterschiede scheinen ebenso ungültig wie, wenn auch nur vorübergehend, tradierte Wertvorstellungen (Ordnung, Fleiß, Anstand usw.), die als absolute Werte ins Wanken geraten sind. Dies zeigt der Film besonders in der Zeichnung seines positiven Helden. Fabel und Bilder sind jedoch dazu geeignet, sich selbst als Opfer zu sehen, das eigene Elend zu beklagen, aber zugleich Trost zu spenden und Auswege anzubieten. 

Das Wiederfinden moralischer Grundsätze und einer Zukunftsperspektive in der individuellen Sorge um den geliebten Menschen wird gleichsam als kollektive Lösung exemplarisch in der von Hans Albers verkörperten Identifikationsfigur vorgeführt. Seine Art und Weise, die Nachkriegsrealität zu sehen und auf sie zu reagieren – die massenhafte Rezeption des Films gibt Anlaß zu dieser Vermutung – wird kaum der Alltagswahrnehmung [3], sondern eher einem Wunschbild für die Verarbeitung der Nachkriegswirklichkeit innerhalb der Mehrheit der Bevölkerung entsprochen haben.

Autorengruppe Nachkriegsspielfilme (1993)


[1] N. N., in: Der Spiegel v. 4.1.1947, S. 20. 

[2] Kracauer, Siegfried: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, Franfurt am Main 1984, S. 11. 

[3] In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass die Heimkehrerfiguren in den anderen Filmen jener Zeit in der Regel als verzweifelt und schockiert dargestellt werden und sich in der neuen Realität zumindest zeitweise nicht zurechtfinden. Vgl. z. B. „Liebe 47″, „Berliner Ballade“; vgl. auch Pleyer, Peter: Deutscher Nachkriegsfilm 1946-1948, Münster 1965, S. 103.

Die zeitgenössische Kritk, geht zumeist „behutsam“ mit dem Film um, sieht den Film aber eher als den Aufgaben der Zeit nicht gewachsen an.

G. Groll kritisiert, dass mit dem Film „echtes Zeit-Thema wiederum vertan“ wird. Auch für K. Worig kam nur ein „unbefriedigender Unterhaltungsfilm“ heraus, für H. Axtmann handelt es sich mit UND ÜBER UNS DER HIMMEL „um einen Zeitfilm unvergeßlicher Dokumentation“. Im Tagesspiegel wir der Film als ein „Heimkehrerfilm“ gesehen, dem es „um den geschickten Umgang mit den neuen Gegebenheiten“ geht. Für C. Rotzoll ist das ärgerlichste am Film „wie hier einer leserlichen Moral zuliebe ganz auf den Durchschnitt, den Kompromiss unseres Lebens, verzichtet wird“.

K 1: In der Schauburg: „Und über uns der Himmel“

Durch das Berlin dieser Tage fahren zwei Heimkehrer. Der eine ist blind. „Potsdamer Straße“, sagt jemand. Da steigt vor dem inneren Auge des Blinden das alte, unversehrte Berlin auf, ganz so, wie es in seiner Erinnerung lebt. Daneben aber sitzt der Sehende – und die Kamera, hinüberwechselnd zu dessen Gesicht, sieht nun mit scharfen, nüchternen Augen: jetzt ist es das wirkliche, das heutige, das zertrümmerte Berlin.

Das ist eine der besten Stellen dieses Films. Der optische Einfall, der einerseits zwei Menschen charakterisiert und andererseits Vergangenheit und Gegenwart einer Stadt, sinnbildlich und real zugleich, ist ein typisches Beispiel für guten, filmischen Instinkt. Am Ende hingegen findet sich ein ebenso typisches Gegenbeispiel für filmische Instinktlosigkeit: da schließt der realistisch angelegte und ernst gemeinte Film mit den Schwankpointen hemmungslosen Klamauks. Das eine ist filmisch empfunden, das andere filmisch konstruiert, das eine strebt, unter zeitweiliger Preisgabe der Handlung, nach Echtheit, das andere, unter Preisgabe der Echtheit, nach dem reinen Handlungseffekt.

So zeigt sich hier allenthalben eine stilistische Unsicherheit, die sich bereits dadurch kundtut, dass man Hans Albers einen Heimkehrer zwischen Trümmern spielen lässt. Albers, der populärste deutsche Schauspieler, ist zweifellos mehr als der Hans Dampf in allen Gassen und sieghafte Kraftmeier, als den wir ihn so häufig sahen: er war ein wunderbarer Liliom und wäre ein wunderbarer Mackie Messer. Märchenheld, Prolet und Münchhausen: er ist eine prächtige Mischung aus hemdsärmeliger Realistik und wunschtraumhafter Romantik, aus Vitalität und Gemüt, aus Kolportage und Humor, ein Darsteller, der einen echten Stil geprägt hat. Aber er ist der Star par excellence. Trümmerfilme sollten keine Starfilme sein. Man glaubt Albers zur Not den nicht ganz ernsthaften Schleichhändler und dunklen Ehrenmann, der er im ersten Teil, nicht aber den wackeren Arbeiter und Normalverbraucher, zu dem er sich später entwickeln soll. Wie denn überhaupt der Film seine Reize hat, so lange er auf betont krasse Weise das Negative der Nachkriegswelt schildert (was er mit deutscher Gründlichkeit besorgt), aber sofort unglaubhaft wird, wenn er es mit dem Positiven versucht und alsbald in angestrengtes Moralisieren verfällt. Seine Typik kennt zwischen den ganz besonders schwarzen Schwarzhändlern und den himmelblauen Werktätigen kaum jene Nuancierungen, aus denen die heutige Wirklichkeit besteht. Sekt oder Malzkaffee – was zwischen diesen beiden Polen liegt, ist für die Filmleute offenbar zu uninteressant. Aber die moralisch scheinbar nicht wertende Zustandsschilderung, die indirekt, ja anklägerisch genug wäre, würde stärker wirken als dieses Moralisieren mit falschem Brustton und anklagendem Biedermannspathos. So wird dann ein echtes Zeit-Thema wiederum vertan oder doch verwischt und verwässert – und wenn das im deutschen Film so weitergehen sollte, dann wäre es uns angenehmer, man verzichtete ganz auf die mit Kolportage verbrämten und insofern verlogenen Trümmer und wendete sich lieber gleich der reinen Kolportage und ihrer sozusagen ehrlichen Verlogenheit zu. Greift man aber die Zeitprobleme an, dann tue man es kompromisslos und vergesse sämtliche Branchenregeln der Routine. Nun, wir geben auch angesichts dieses Films die Hoffnung nicht auf: wir haben, immerhin, ein paar Regisseure und Autoren – Käutner ist wahrscheinlich der profilierteste von ihnen -, von denen wir beharrlich (ob Zeitfilm oder nicht) eine Erneuerung des deutschen Films erwarten.

Die an sich sehr gekonnte Regie dieses Films führt Josef v. Baky, das Drehbuch schrieb Gerhard Grindel und neben Hans Albers, Hans Dampf in allen Trümmern, der im übrigen auch sehr menschliche Töne hat, agiert rührend der abgemagerte und gänzlich unfriderizianische Otto Gebühr sowie, nicht ganz so rührend, eine stattliche Versammlung gut angelegter Nebenrollen, darunter Lotte Koch, Annemarie Haase, und Elsa Wagner. Unter den neuen Gesichtern fällt Paul Edwin Roth und insbesondere die junge Heidi Scharf auf. Mackeben schrieb einen Trümmerschlager, der uns dringend gefehlt hat…

Gunter Groll (SZ, 13.1.1948)

„Und über uns der Himmel“

An diesen ersten nach dem Kriege in Berlin-Tempelhof gedrehten Film knüpften sich durch die Regie von Bakys besondere Erwartungen. Sie haben sich nicht erfüllt. Es sollte ein bedeutsamer Zeitfilm werden., es kam ein unbefriedigender Unterhaltungsfilm heraus mit einem faden Nachgeschmack. Wer diesen Film sah, wurde nicht im Glauben an den neuen deutschen Film bestärkt, sondern im Gegenteil erschüttert. Vielleicht liegt es nicht nur am problematischen Drehbuch, sondern noch mehr an der Besetzung. Albers als Heimkehrer: Wer soll das glauben? Es ist psychologisch allzu gewagt, uns den „Hans Dampf in allen Gassen“, den „Draufgänger“ und „Sieger“, nun seiner prächtigen Phantasie-Uniformen und Frack-Anzüge entkleidet, im schäbigen Habit eines unbedeutenden und namenlosen Heimkehrers vorzuführen. Diesen diametralen Gegensatz von hyperexzentrischer Persönlichkeit zur letzten Anonymität in der Masse der verelendeten Millionen glaubt Hans Albers kein Mensch. Da liegt …[??] . Der mimische Kredit ist überzogen! Dieser generelle Eindruck wird durch die sattsam bekannten Filmmätzchen aus Dutzenden Albers-Filmen nur noch verstärkt. Die Zeit ist über dieses Filmgenre unerbittlich weitergerollt. Das hätten sich die Filmleute an den Zehen [??] abzählen können: „… und über uns der Himmel“ erweist sich so als ein Zwitter von konstruierten, konfektionierten Zeitfilm-Ingredienzien ohne innere Gestaltungs- und Überzeugungskraft, die man mit bewährten Albers-Zutaten vermengt hat. Es ist schade um die investierten Mühen und Kosten. Allein die lächerliche Szene, in der Albers mit einem Hafenkran einen Schwarzhändler in das nasse Element befördert, spricht für die Albernheit und den mangelnden Ernst, die diesen Film charakterisieren. Nein, so geht es nicht! Der unwahrscheinliche Aufbau-Chor, der über die Szene bleiert – eine fragwürdige Reminiszenz an Harlan-Filme -, nimmt es an Unglaubwürdigkeit mit der unwahren Schlussszene des Films „Irgendwo in Berlin“ auf, in der ein Rudel Jugendlicher Reichsarbeitsdienst-Exerzitien vorführt. Nein, das wollen wir nicht mehr sehen, niemals wieder! Der Filmbesucher fühlt sich düpiert: Die Reklame kündigte einen ernst zu nehmenden Film an und bot einen sentimentalen, inkonsequenten Reißer. Kann da Verärgerung ausbleiben? Hätte man den Mut zur Konsequenz gehabt und einen waschechten Albers-Reißer gemacht: Albers als Schwarzhändlerkönig von Vierzonien mit allem Drum und Dran! Jede Kritik wäre im Keim erstickt. Wir verlangen heute unbedingt Markenware. Das gilt auch für den Film von 1948! Dieser Bildstreifen aber war Mischmasch. Nur eine Szene war gut: Wenn der zunächst noch kriegsblinde Sohn im Auto durch das Ruinenmeer von Berlin fährt und sein geistiges Auge noch das Gesicht der einstigen Metropole sieht – Gegensätze, die gut montiert und in ihrer fesselnden Gegensätzlichkeit überzeugend abgestimmt sind -, wird der Betrachter versöhnt. Aber das ist nur ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein der Enttäuschung. Schade!

Dr. Kurt Worig (Filmpost-Archiv ??)

„Und über uns der Himmel“
Uraufführung in Berlin und München

Ein Publikumserfolg, wie man sich in unseren Tagen kaum durchschlagender vorstellen kann. Zweifellos war dies eine der Hauptabsichten des amerikanisch lizenzierten Objectiv-Filmgesellschaft. Die Handlung ist zwar mehr als unwahrscheinlich und man glaubt es selbst Albers nicht, dass ein Schieber derart ausgeprägten Formates innerhalb kürzester Frist den Weg in ein sauberes Leben zurückfindet, um so weniger in einem Milieu, wie es das heutige Berlin darstellt. Doch davon abgesehen handelt es sich hier um einen Zeitfilm unvergeßlicher Dokumentation, dem man aus naheliegenden Gründen vor allem einen möglichst geebneten Weg in das Ausland wünscht, weil seine Ausblicke und insbesondere die vom Anfang weg systematisch eingestreuten, hundertprozentig naturalistischen Bildmontagen eine für jeden Beschauer sicherlich gleichermaßen erschütternde Sprache sprechen. Der Regisseur dieses Streifens, Josef von Baky, hat stellenweise etwas übertrieben, offensichtlich aber mit voller Absicht und wenn man seine Arbeit im Großen überblickt, dann muss man ihm recht geben. Werner Krien an der Kamera hatte Mut und zuweilen bestechende Einfälle. Er photographierte in äußerst beweglicher Kameraführung mitten auf der Straße des Elends. Deutlich lassen einige seiner stärksten Bilder die behutsam führende und kompromisslose Hand Bakys erkennen, dem es zu allem anderen auch zu danken ist, dass der Held des Films Hans Albers, ganz entgegen seiner sonstigen, zum Begriff gewordenen Art, wesentlich unaufdringlicher erscheint. Eine Tatsache, die uns den mit Recht so beliebten Darsteller in diesem Bildstreifen ganz besonders sympathisch macht. (Keine Angst, die Albers-Fanatiker kommen mit einer handfesten Box- und Ringszene und einigen anderen typischen Albersiaden auch in diesem Film und in jener [jeder?] Hinsicht auf ihre Rechnung!) Sieghaft, männlich und voll der guten Laune bezwingt Albers das Thema dieses Trümmerfilms. Theo Mackeben schrieb die ausgezeichnete Musik des Films.

Von den übrigen Darstellern fällt besonders Ralph Lothar auf, der der Gestalt eines Großschiebers meisterhafte Züge verleiht. Lotte Koch in der Rolle einer jungen Kriegerswitwe ist echt und überzeugend. Der junge Paul Edwin Roth, im Film der von der Erblindung wiedergeheilte Sohn, ist eine Entdeckung des bekannten Spielleiters Karlheinz Stroux. Sein Debut auf der Leinwand ist ohne Zweifel hoffnungsvoll. Erfreulich das Wiedersehen mit dem stark gealterten Otto Gebühr, der diesmal einen Studienrat zeitgemäßer Verarmung gibt, und Heidi Scharf, einer Nachwuchsdarstellerin, fällt die Aufgabe zu, ein mit unbezwingbarer Sehnsucht nach dem freudvollen Leben lechzendes und schließlich darin untergehendes junges Mädchen darzustellen, und sie erfüllt ihren Part mit viel Elastizität, wenn auch zuweilen ohne besondere optische Ausdruckskraft.

Horst Axtmann (Neue Filmwoche, 27.1.1948)

„Und über uns der Himmel“
Ein Hans-Albers-Film in der Neuen Scala

Heimkehrer sind keine Helden. Unter der Voraussetzung, dass sie ordensgeschmückt nach gewonnener Schlacht in das siegjubelnde Städtchen zurückkehren, verfallen sie, wenn sie nicht sehr klug und bescheiden sind und nicht den rechten Augenblick ergreifen, bald der Lächerlichkeit. Niemand will mehr dem Schwadroneur zuhören, und nun ist er eine tragikomische Figur, die nicht mehr aus der Kriegsanekdote heimfindet in die Realität des neuen Lebens nach dem Kriege. Nach verlorener Bataille aber ist der Heimkehrer schlechthin ein bejammenswerter Mann, dem hier Mitleid, dort Gleichgültigkeit begegnet, der im Grunde das in Lumpen wandelnde, abgezehrte und unrasierte schlechte Gewissen der Nation darstellt. Es gehört schon die menschliche Einsicht eines Dichters dazu, aus der Figur des Heimkehrers, des blumengeschmückten, umjubelten, sowie aus der Jammergestalt des Besiegten einen tragischen Helden zu machen, der in einem völlig veränderten Leben unter völlig veränderten Voraussetzungen von der Erkenntnis bedrängt und verfolgt wird, dass er die besten Jahre seines Lebens versäumt hat und dass er zu dieser neuen Welt, in die er jetzt eintritt, keinerlei Beziehungen mehr hat. Der deutsche Nachkriegsfilm hat den Heimkehrer bisher nur im Sinne einer politisch tendenziösen Programmatik dargestellt. Dabei ist meistens das verzeichnete, weil konstruierte Bild eines Typs entstanden, dem schlechte politische Literatur in den Mund gelegt wurde.

Dem neuen Heimkehrerfilm, den jetzt die Objectiv-Filmgesellschaft herausbringt, geht es nicht um die wahre Heimkehrerproblematik, sondern um den geschickten Umgang mit den neuen Gegebenheiten. Die Lebensphilosophie, die sich daraus ergibt, ist volkstümlich. Der große, breitschultrige Mann, der mit seinem Seesack auf dem Rücken plötzlich den in langen Jahren erträumten Augenblick, da er vor seinem Hause stehen wird, erlebt, ist weder kompliziert noch von irgendwelchen Skrupeln belastet. Er ist ein Dutzendkerl mit einem guten Herzen, der kleinen Mädchen Schokolade schenkt, der sich einige Sentimentalitäten in der Erinnerung an vergangene schöne Tage gestattet, dieses gefährliche Terrain aber im rechten Augenblick verlässt und mit Hammer, Kelle und Pinsel aus der zerstörten Pracht eine bourgeoise Notlösung schafft. Aber das genügt ihm nicht, und so kommen bald die schmiedeeiserne Spiegelgarnitur, der Fünfröhrenapparat und das Büfett aus Kaukasisch-Nußbaum dazu – Herrlichkeiten, die er sich nur mit den kleinen Schiebereien am Anfang und mit den großen am Ende leisten kann. Da zu dem Bilde eines solchen volkstümlichen Helden die Unmoral auf die Dauer schlecht paßt, muss die Umkehr irgendwann stattfinden. Just in diesem Augenblick aber bringt das Schicksal den erblindeten Sohn ins Spiel. Das sündige Geld erlaubt eine kostspielige Augenoperation, und dem sehend gewordenen Sohn gehen nun erst recht die Augen über. Es beginnt ein rührender Vater-Sohn-Konflikt, bei dem das Vaterherz hinter der schmucken grauen Pikeeweste hervorbricht, als der Sohn, vor die Wahrheit gestellt, den Vater anzuzeigen oder mitzumachen, sich für die letzte Möglichkeit entscheidet. Die dunklen Kollegen, mit denen man noch Stunden vorher Handel und Wandel trieb, werden vor den Kopf und unter das Kinn gestoßen, der Alte zieht die ölige Lederweste wieder an, turnt auf seinen alten Lastkran, und alles ist wieder im Lot.

Man sieht also, welcher Art die Mentalität dieses ganz auf die breite Publikumswirkung gestellten Films ist. Hier wird nichts ausgelassen, weder der Druck auf die Tränendrüse noch der liebevolle, nicht wehtuende Appell an das Gewissen und an das gute Berliner Herz. An keiner Stelle geht der Film in die Tiefe oder in die menschliche Problematik. Man weicht ihr im Gegenteil sehr geschickt aus und meint, schon sehr viel getan zu haben, wenn man die nächtlichen Orgien der dunklen Ehrenmänner mit dem Nachkriegselend kontrastiert. Die Umkehr des auf Abwege geratenen Heimkehrers ist in keiner Weise psychologisch vorbereitet. Sie ergibt sich nicht aus der Wandlung eines Charakters. Die Wirkung ist dadurch im Grunde amoralischer, als wenn dieser Dutzendkerl seinen schlüpfrigen Weg weitergegangen wäre. Josef von Baky hat diesen Film mit Routine gedreht. Es gelingen ihm dabei einige gute filmische Momente. In den Szenen, die unter den Schwarzhändlern spielen, wird sogar zuweilen das Gewebe dichter, und man hat das Gefühl, dass sich hier die böse, hintergründige Szenerie unserer Tage auftut, in deren Widersinn sich auch der gute ehrliche Mensch verirren kann. Der Regisseur verschafft Hans Albers alle Möglichkeiten, sich bis in die naturalistischen Details auszuspielen. Dadurch steht der Star hier sehr souverän dem Regisseur, der eher dessen Intentionen folgt als umgekehrt. In der Herausarbeitung der Nebenrollen erscheint die Regie sorgfältiger und selbständiger. So haben Otto Gebühr, Elsa Wagner, Annemarie Hase [sic] einige starke Auftritte. Lotte Koch als Studienratswitwe, die ihr vaterloses Töchterchen mit dem mutterlosen Sohn Werner zu einem neuen Familienglück zusammentut, bleibt blass und gehemmt. Paul Edwin Roth als Werner ist in der Resignation intensiver als in den Augenblicken des Ausbruchs. Ein neues Gesicht Heidi Scharf, sehr echt als lebenshungriges Mädchen, künstlerisch aber zu sehr schon auf den Typ festgelegt. Das Drehbuch hat Gerhard Grindel, die einprägsame Melodie des Liedes Theo Mackeben geschrieben. Es gab einen Premierenabend mit viel Blumen und Applaus.

(Der Tagesspiegel, 11.12. 1947)

„Und über uns der Himmel“
Film-Uraufführung mit Hans Albers

Was an diesem Film für das Publikum erfreulich war: Hans Albers erschien wieder auf der Leinwand, seine Zugkraft auf das Parkett bewährend wie eh und je. Breit, goldenherzig, hurtig, auch noch in den Schattenseiten des Charakters, den er hier darzustellen hatte, sympathisch und verständlich. Als der Film „Und über uns der Himmel“ zwei Tage vor seiner offiziellen Uraufführung überraschend in einem Großkino des Südwestens gezeigt wurde, badete sich das Publikum in den populären Wirkungen seines Lieblingsstars, als der Regisseur Josef von Baky den gleichen Film der Objectiv-Film GmbH dem Premierenpublikum der „Neuen Skala“ zeigte, war die Wirkung wesentlich schwächer. Zu viele Bedenken saßen im Parkett. Neben der Freude, die Filmkunst, die so lange geruht hatte, so technisch sauber und liebevoll geführt, wieder anlaufen zu sehen, wohnte auch der Zweifel: ob man einen so optimistischen Schauspieler, einen des lustvoll aufgekrempelten Hemdsärmels, einen Star also, behängt mit Erinnerungen an unzählige frühere Filme, in einen Zeit- und Trümmerfilm hineinstellen dürfe, ohne einen Bruch im Bewußtsein des Zuschauers zu riskieren. […]

Es ist überzeugend und anrührend, wenn beispielsweise in einer radikalen Montage ein erschütterndes Kolossalbild heutigen Elends gegeben wird. Der Film ist geschickt, wenn er in die Zeit des unzertrümmerten Berlins zurückblendet und einigen ironischen Spaß mit tieferer Bedeutung an solcher Kontrastierung hat. Der Film ist oft richtig, wenn junge Menschen die Trostlosigkeit und die Versuchungen ihrer Position zu zeigen haben. Unrichtig und nicht taktfest im Ton wird er immer, wenn er das Positive zu dokumentieren hat, und sein Fehler ist, dass er mit dem Beweis, es geh auch auf gute und anständige Weise vorwärts, sich zu gründlich und zu lange aufhält. Das Ausklingen in ein Fragezeichen wäre unbedingt von überzeugenderer und ehrlicherer Wirkung gewesen. Das Berliner Nachkriegsmilieu aber ist im ganzen nicht unbedingt getroffen. Es ist nicht ganz echtes Berlin. Es ist Berlin etwa so, wie man es sich von Frankfurt her vorstellen mag.

Ein Anfang in allem, gemacht von bewährten Filmhänden mit bewährten Mitteln, mit einem bewährten Filmstar. Seine große Wirkung auf das Publikum ist außer Zweifel, zumal neben Albers Otto Gebühr, Elsa Wagner, Lotte Koch, Annemarie Haase, Ludwig Linkmann und unter begabter Jugend Paul Edwin Roth, Heidi Scharf und Ralph Lothar zu sehen sind. Die Musik von Theo Mackeben gibt Albers einen durchschlagenden und zündenden Gegenwartsschlager und dem Film eine geschickte und vorwärtstreibende Untermalung. Ein gepflegt gemachter, ein ehrlicher Film mit Fingerspitzengefühl und Routine. Ein Publikumserfolg, ohne Zweifel.

Aber die Filmfanatiker im Parkett hätten sich gewünscht, nicht die Routine hätte diesmal den Anfang gemacht, sondern das Neue, das Revolutionäre. Dies ist Hans Albers zur Abwechslung einmal in Trümmern. Man hätte sich gewünscht: ein Dokument der Zeit, ein Wagnis, einen Versuch in Neuland.

Friedrich Luft (Neue Zeitung Berlin, 12.12.1947)

„Heute paßt vieles zusammen…“

Es muss wohl noch verboten sein, im Film ein deutsches Mädchen mit dem alliierten Freund zu zeigen. Denn sonst hätte Gerhard Grindel das kaum unterschlagen, als er alle Nachkriegsbilder und -probleme in das gleiche Drehbuch stopfte. Wenigstens fehlt aber nicht das junge, leichtfertige Ding, das „abrutscht“, weil es auch mal tanzen, auch mal Schokolade essen wollte. Es ist eine Hollywood-Schönheit von unserem Kurfürstendamm, die blonde, doch talentvolle Heidi Scharf.

Weiterhin sind zu sehen, zu hören: Trümmerfrauen, Kriegerwitwen, Schieber; blinde oder seelisch kranke Heimkehrer; die Vorwürfe einer verratenen Jugend und der bürgerliche Ausverkauf; Geschäfte mit Brillanten, Razzia auf dem Schwarzen Markt; Bäume voller Zettel und die Reste der Gedächtniskirche.

Doch obgleich er vor Aktualität birst, scheint uns dieser „Objectiv-Film“ beinahe unwirklich. Nicht bloß, weil einige etwas gewaltsam ausgedachte Fakten stören. (Zum Beispiel wird ein junger Mann, der immerhin noch seinen Wehrpaß hat, trotz aller Mühen nirgends eingewiesen, bekommt keine Lebensmittelkarten und muss notgedrungen stehlen.)

Es sind auch nicht allein die dicken Bündel von Symbolen, die den Film bedenklich machen, diese Blümchen, die der Held vom Schutt bricht oder auch das Stück der Zimmerdecke, das mahnend herabpoltert, sobald er den vergangenen und besseren Tagen nachsinnt.

Am ärgerlichsten ist vielmehr, wie hier einer leserlichen Moral zuliebe ganz auf den Durchschnitt, den Kompromiss unseres Lebens, verzichtet wird. Luxuslokale oder Baustellen, Specknacken oder Hungergeschwür, Elendsgesicht oder Gaunermiene, dazwischen gibt es nur selten etwas.

Doch, einen gibt es dazwischen: Hans Albers! Er kommt erst staubig und gerührt aus dem Krieg zurück und macht seine angeschlagene Wohnung zurecht, dann schiebt er großartig, dann wird er wieder sehr korrekt, doch immer bleibt er obenauf: „Und über uns der Himmel“ lässt uns nicht untergehen.

„Heute paßt vieles zusammen, das früher keine Garnitur gegeben hätte“, sagt Hans, der gelernte Kranführer, zu der Witwe des Studienrats, die er liebt. Nach diesem Wahlspruch kam auch der Film zustande. Er ist zugleich ein Trümmer- und ein Starfilm. Der „Sieger“ ist ein bißchen pädagogischer geworden (aber prügeln kann er immer noch!), während „die Zeit“ vor seinem Blauauge an Grimm verliert. Das Drehbuch steckt voller Ovationen für den Großen, und das Publikum stimmt dankbar ein. Wenn er kurz ein Mädchen in die Arme reißt und dann gleich wieder wegschickt: „Dass ich mir das immer noch nicht abgewöhnen kann…“, dann freuen sich alle. Und was für eine Pracht, wenn er durch seinen puren Blick den Spießgesellen, die ihn prellen wollen, die Bezahlung aus der Tasche zwingt! Und wenn Hans nachdenklich so durch die Straßen zieht, dann spielt ein blinder, sicherlich kriegsblinder Bettler: „Komm auf die Schaukel, Luise [aus dem Bühnenstück ,Liliom‘, einer Paraderolle von Albers; F. E.]!“

Wichtig sind das – verzeichnete – Zeitbild und der immer noch funkelnde Star. Was die Handlung dann immer noch Aufrichtendes bietet, bleibt nur durch Albers erträglich. Der Sohn des Helden (nett, doch blass: Paul Edwin Roth) will nichts Erschobenes essen (nur die Augenoperation durfte sein Vater bezahlen) und führt leuchtend vor Berufsstolz und vor Sauberkeit bald wieder einen Kran. Während Hans, sein Vater, als er durch ein Missverständnis glaubt, der Junge wolle doch noch an „Geschäften“ teilnehmen, plötzlich umkehrt und – was auch nicht fein und fair zu nennen ist – mit sieghafter Gebärde seine alten Schieberfreunde für die Polizei einfängt. Aber die allzu reinigende Tendenz des Films kann selbst hier nicht den persönlichen Effekt von Albers schmälern.

Und wie will nun Hans, der wieder Ehrliche, zurechtkommen? Das Schlussbild zeigt ihn, ein Ei in der Hand. Einige Freunde von ihm ziehen Kaninchen groß. Die Kleintierhaltung, das ist es, was der innenpolitische Leitartikler Grindel als Hilfe aus unserem Dilemma rät.

Die übrigen Schauspieler mussten sich bescheiden. Da konnte ihnen auch Josef von Baky […] nicht helfen. Lotte Koch ist sehr geduldig, sehr vernünftig, eine etwas langweilige Madonna. Ausgezeichnet, trotz der sentimentalen Texte, das alte, von der Not bedrängte und redliche Ehepaar: Otto Gebühr und Elsa Wagner; kräftig in Chargen auch Annemarie Hase [sic] und Ralph Lothar.

Theo Mackebens Schlager, der dem Film den Titel gibt, wird sicher bald populär. Man wird sich freuen, wie der Hans es wieder allen gibt, doch wird man kaum das ökonomische Verhalten ändern. Selbst die Künstler ähnelten bei der Premiere in der „Neuen Scala“ mehr den Schiebern als den Braven ihres Films. Sie hatten gut geschnittene Anzüge und hübsche, teure Kleider an. Waggons von Zucker werden sie doch nicht verschoben haben?

Christa Rotzoll (Der Kurier v. 10. 12. 1947)

Für J. Hembus zählt der Film zu den „Vorläufern“ des Heimatfilms, für P. Pleyer will der Film „im Zuschauer Lebensmut und Wiederaufbauwillen hervorrufen“, W. Becker/N. Schöll sehen das Anliegen nicht nur dieses Films, sondern der Trümmerfillme“ generell darin, die „Resozialisierung der Bevölkerung mittels Arbeit“ voranzutreiben.

Es hat damals sehr am Humor beim Genießen deutscher Filmkunst gefehlt. Aber im Titelschlager des Films von Filmbühne Nr. 56 singt dann Hans Albers bereits „Denn über uns der Himmel lässt uns nicht untergehen!“, der rückwärts gewandte Euphemismus verbindet sich mit einem vorwärts gewandten Optimismus, und schon sind die Trümmer des sogenannten Trümmerfilms nicht mehr ein Stück unbewältigter Vergangenheit, sondern Bausteine eines bewältigten Wirtschaftswunders und der heilen Welt des Heimatfilms […].

Hembus, Joe: Die Illustrierte Film-Bühne als Wachsfigurenkabinett des deutschen Nachkriegsfilms, in: Illustrierte Filmbühne. 50 deutsche Nachkriegsfilme von 1946-1960, Bd. 2, München 1977, S. 7

Autor und Regisseur versuchen, in Haupt und Nebengeschehen des Films eine Vielzahl von Gegebenheiten und Problemen der Nachkriegszeit darzustellen und anzusprechen. Dennoch erscheint der Film nur bei der optischen Registrierung von einigen damals alltäglichen Einzelheiten als überzeugendes Bild der Wirklichkeit. Das liegt daran, dass das Zeitbild weitgehend der publizistischen Absicht der Filmhersteller entsprechend konstruiert wird: Es geht ihnen nicht um eine Beschreibung der Zeit und ihrer Probleme, bei der die Aufzeichnung von Fakten dem Zuschauer kritische Erkenntnisse vermittelt, sondern um ein über weite Strecken einseitiges Arrangement der Wirklichkeit, mit dem der Betrachter im Sinne einer optimistischen Lebenssicht beeinflusst werden soll. […] Das primäre Ziel, im Zuschauer Lebensmut und Wiederaufbauwillen hervorzurufen, zeigt sich in zahlreichen Details des Geschehens, in den Dialogen und besonders in der Zeichnung der Hauptfigur. […]

Als Hans zu Beginn des Films nach Hause zurückkehrt, ist er angesichts der Verhältnisse, die er vorfindet, nicht im geringsten verzweifelt. Mit Eifer und Elan macht er sich sofort daran, die Wohnung zu renovieren. […] Die optimistische Grundhaltung realisieren die Filmhersteller auch im Schicksal Werners: Er kehrt als Blinder aus der Gefangenschaft heim, wird aber sofort durch eine Operation geheilt. […] Es liegt auf der Hand, dass diese zwar mit Pathos vorgetragenen, im Grunde aber unrealistischen Hinweise den Betrachter nur zu zukunftsfreudigem Gefühl [Hervorhebung im Original; F. E.] überreden können, ihn aber von der Berechtigung dieses Gefühls in keiner Hinsicht überzeugen, da die Filmschöpfer keine der Realität entsprechenden Argumente anführen können.  

Pleyer, Peter:Deutscher Nachkriegsfilm 1946-1948, Münster 1965, S. 103

(…) Zum größten deutschen Kassenerfolg wurde J. von Bakys „…Und über uns der Himmel“ 1947 mit dem UFA-Star Hans Albers und der Musik von Theo Mackeben. Der Film spielt im zerstörten Berlin nach Kriegsende und enthält in zwei Rückblenden Erinnerungen an die schöne Vorkriegszeit der 30er Jahre. (…)

Interessant ist der Film vor allem, weil seine Interpretationen von Nach­kriegsgegenwart und Zukunftsperspektive offenbar den Bedürfnissen und Wünschen der Zeitgenossen entsprachen: Das gilt für die augenzwinkernde Zustimmung zu kleinen Kungeleien, die moralische Ablehnung des großen Schiebers, die Selbstdarstellung als energische Aufbauer – symbolisiert in Hans Albers als dem im Kern guten Kerl, der nur vorübergehend den richti­gen Weg verfehlt hat. Allerdings war dessen moralische Umkehr selbst für die Zeitgenossen schön, aber unglaubwürdig. Ganz wichtig an dieser akzeptierten Selbstdarstellung der Nachkriegsdeutschen ist, daß die miserable Situation der Gegenwart keine Vorgeschichte hat – außer eben einem Krieg. Die Ver­gangenheit taucht nur als Erinnerung an das heile Berlin der Vorkriegszeit auf. Hans erinnert sich anhand von Fotos (1. Rückblende: Sequenz 2): Sohn Werner sieht in Gedanken – noch blind – während der Fahrt durch Trümmer die heile Potsdamer Straße (2. Rückblende: Sequenz 27). Die Vergangenheit ist nur positive heile Gegenwelt, der Rückblick kann – anders als im Mörder-Film – nichts erklären. Folgerichtig ist auch die Vorstellung darüber, wie sich historische Verände­rungen vollziehen, irrational: Es ist das Schicksal, das waltet und wie der Wind Sandkörner bewegt. Angesichts nicht begriffener Vergangenheit, kann Sinn für Gegenwart und Zukunft nur gestiftet werden: durch Arbeit und Neu­anfang. Der Liedtext zum musikalischen Leitmotiv des Films enthält die Bot­schaft des Films. Die letzte ausgewählte Sequenz des Films zeigt deshalb Hans bei einem Gang durch die Trümmer zu den Tönen des Leitthemas. Diese letzte Szene ist eine Schlüsselszene des Films: Hans Richter hebt sich durch seine unangemessen feine Kleidung von der rastlos arbeitenden Trümmergesellschaft ab. In der Filmhandlung ist der Punkt erreicht, an dem sich Hans der Distanzierung seiner Freunde bewußt wird. Filmästhetisch wird die Spannung durch schnelle Schnitte und sich steigernde Intensität der Mu­sik realisiert. Der Liedtext – die Botschaft des Films – lautet:

Es weht der Wind von Norden,
er weht uns hin und her.
Was ist aus uns geworden?
Ein bißchen Sand am Meer.

Der Sturm jagt das Sandkorn weiter,
dem unser Leben gleicht,
er fegt uns von der Leiter,
wir sind wie Staub, so leicht.

Was soll denn werden?
Es muß doch weitergehn.
Noch bleibt ja Hoffnung
Für uns genug bestehn.

Wir fangen alle von vorne an (mehrfach wiederholt)
Es weht der Wind von Norden,
na laß den Wind doch wehn.
Denn über uns der Himmel
läßt uns nicht untergehn.

Der Text ist eindeutig: Ein vom Wind bewegtes Sandkorn ist für nichts ver­antwortlich, es hat keine Geschichte und keine Zukunft, existiert in der Ge­genwart, aber es wird irgendwie weitergehn durch eine Kraft von außen -„über uns der Himmel“. Aus dieser Beschwörung ohne konkrete Perspektive speist sich die Energie zum Neuanfang durch Arbeit. Aus der Leugnung eines Zusammenhangs von Vergangenem und Gegenwart, in der sich auch noch die Moral durchsetzt, entsteht das klassische Verdrängungsmuster. Es entspricht den Wünschen der Zeitgenossen. Aber der freudige Neuanfang wird in den Massenbildern ungewollt dementiert: die gar nicht freudigen Gesichter machen eher den Eindruck von rastlosem Getriebensein. Tatsächlich ist der Film Ausdruck für die „Unfähigkeit zu trauern“ (Mitscherlich).


aus: Irmgard Wilharm: Geschichtsbewußtsein im deutschen Nachkriegsspielfilm. In: Gerhard Schneider (hg.): Geschichtsbewußtsein und historisch-politisches Lernen. Pfaffebweiler 1988, S: 92-94

 

Zum einen – und hier kann der Film „Und über uns der Himmel“ als die repräsentative Strömung gelten – zeigt sich ein schicksalhaftes Verständnis von Faschismus, Krieg und Nachkriegsnot, das mit einer Verdrängung gesellschaftspolitischer Fragestellungen einhergeht, ein Verständnis, das unpolitisch an schöne Vergangenheiten anknüpfen möchte – dies zeigt sich auch in der formalen Gestaltung des Films, die an die UFA-Tradition der 30er und frühen 40er Jahre anschließt – und in dem die Menschen sich ausschließlich als Opfer der Zeit verstehen. […] Bei aller Unterschiedlichkeit [zum DEFA-Spielfilm „Unser täglich Brot“ (1949, Regie Slatan Dudow); Ergänzung von F. E.] findet sich doch auch auf der Ebene der intendierten Aussagen eine Gemeinsamkeit: beide Filme zeigen eher „wie es sein soll“ als „wie es ist“. Hans Richter und Karl Webers [aus „Unser täglich Brot“; F. E.], die im Mittelpunkt stehenden Figuren, machen eine Entwicklung durch und entscheiden sich schließlich wunschgemäß „richtig“. […] Dies Bedürfnis zu zeigen „wie es sein soll“ kann als Beleg dafür verstanden werden, dass es kaum den Wunsch gab, sich mit der gesellschaftlichen Realität der Nachkriegszeit ungeschminkt auseinanderzusetzen, vielmehr aber das starke Bedürfnis, Perspektiven und Zukunftswege aufzuzeigen bzw. aufgezeigt zu bekommen. Dies muss als ein Hinweis auf das Wechselverhältnis von verbreiteter Unsicherheit einerseits und autoritären Fixierungen andererseits verstanden werden.

Stettner, Peter/Endeward, Detlef: Das Brot und der Himmel. Zwei deutsche Nachkriegsfilme als historische Quellen der frühen Nachkriegszeit, in: Geschichte in Bildern. Von der Miniatur bis zum Film als historische Quelle (hg. v. Irmgard Wilharm), Pfaffenweiler 1995, S. 219ff.

Die metaphorische Fassung dieses Außen [der äußeren Realität; F. E.] als Schicksal, Sturm, über der Macht der Menschen stehende Kraft und deren bildliche Inszenierung entsprechen in „Und über uns der Himmel“ den typischen Tendenzen in den Filmen der ersten Produktionsjahre. In diesen Bildern bricht das Empfinden des ohnmächtigen Gefangenseins in einer dunklen und bedrohlichen Umwelt, die durch ihre „verrückte“ und undurchschaubare Dynamik alle bisherigen Sicherheiten und positiven ethischen Orientierungsmöglichkeiten außer Kraft gesetzt hat. Eine Verantwortung des einzelnen für sein Handeln dementiert dieser Film ebenso, wie er verbal und handlungslogisch wenig überzeugend ein „Und es geht auch anders“ einklagt. Dass der Film einerseits über die eigene Demoralisierung und das Außerhalb-der-Gesetze-Agieren beruhigt, andererseits abstrakt eine Hoffnung auf Zukunft beschwört, dürfte ein Grund für seinen Publikumserfolg an der Jahreswende 1947/1948 gewesen sein. Attraktiv wirkte sicherlich auch die Aussicht auf eine harmonisch-abgesicherte kleinbürgerliche Existenz, die die Figur des Hans Richter im happy end eröffnet. Vor allem aber dürfte der nachgezeichnete Prozeß der Rückkehr auf den alten Weg (zur Arbeit als Kranführer) einer Wunschvorstellung vieler Menschen im Nachkriegsdeutschland entsprochen haben, zu der gelernten (beruflichen) und ethischen Identität und Orientierung zurückkehren zu können, sich selbst wiederzufinden.

Doch bereits der heitere Eigensinn dieser von Hans Albers gespielten semiproletarischen Existenz stieß sich vielfach an der realen Selbstsicht der Zeitgenossen. Die filmkritische Rezeption betont immer wieder die mangelnde Authentizität dieser ungewöhnlich kraftvollen Heimkehrerfigur. […]

Zwar ist Hans Richters Wahrnehmung der Wirklichkeit noch umfassend und tabulos, doch ist es gerade diese Wahrnehmung, ist es die Erfahrung des „Außen“, die ihn vom „rechten Weg“, der kollektiv-ethischen Orientierung abgehen lässt. […]

Im happy end schließt sich für Hans Richter nun ein Kreis: er ist wieder auf dem Kran, wieder Ehemann, wieder Vater. Er hat eine Identität gefunden, wenn auch keine neue [sämtliche Hervorhebungen im Original; F. E.].

Greffrath, Bettina: Gesellschaftsbilder der Nachkriegszeit. Deutsche Spielfilme 1945-1949, Pfaffenweiler 1995, S. 281f.

Die Verurteilung von Apathie oder materialistischem Zu-etwas-kommen-Wollen bei den vom Krieg geschädigten Deutschen gehörte zu den dringlichen Anliegen der westdeutschen Trümmerfilme; die Resozialisierung der Bevölkerung mittels Arbeit führten sie mit den von ihnen erzählten, bebilderten Geschichten den Zuschauern beispielhaft vor Augen. Am radikalsten verfolgte dieses Interesse der Film „Und über uns der Himmel“ […], indem er als Zweck, als Belohnung einzig das Zurückfinden in eine Ordnung, in ein geregeltes und abhängiges Leben verhieß – dargestellt anhand der erfolgreichen ,Bekehrung‘ des erfolgreichen Schiebers zum Arbeiter. Mit einem Schwenk, der stilliegende Produktionsanlagen zeigt, und mit Aufnahmen von ausgemergelten und niedergedrückten Menschen im zerstörten Berlin gibt der Film seinen Ausgangspunkt gleich als Forderung an: Die Ressourcen einer Volkswirtschaft (Produktionsmittel und Menschen) liegen brach; sie wieder zusammen zu bringen, ist die am Ende des Films bewältigte Aufgabe. Dabei werden Inhalt und Zweck der Arbeit, zu der der von Hans Albers (dem Sympathieträger aus ideologisch harmlosen, aber auch weniger harmlosen Filmen der Jahre vor 1945) dargestellte Schieber nach seinen Abwegen zurückgefunden hat, ausdrücklich nicht als in einem materiellen Nutzen für ihn bestehend bezeichnet, sondern in einem ideellen, in geordneter Regelmäßigkeit. Er arbeitet (wieder) in Wechselschicht, weiß am Ende freudestrahlend der Sohn zu vermelden, der Vater ist ein ,normaler‘, ein ordentlicher Mensch geworden [sämtliche Hervorhebungen im Original; F. E.].

Becker, Wolfgang/Schöll, Norbert: In jenen Tagen… Wie der deutsche Nachkriegsfilm die Vergangenheit bewältigte, Opladen 1995, S. 68.

‚Alternder Casanova‘ – Antiquiertes Männlichkeitsideal

(…)

In jener ‚Läuterungssequenz‘ wird das veränderte Geschlechterverhältnis mittels fi lmspezifi scher Mittel der Montage verdeutlicht: Jeder Einstellung einer mühsam arbeitenden Trümmerfrau antwortet die Kamera mit einem Gegenschuss, der den beobachtenden Heimkehrer und Trümmerfrauen – stereotype Geschlechterrollen
Protagonisten zeigt.70 Dem Bild der Solidarität und Stärke wird das des Individualisten gegenübergestellt – es wird zur Allegorie der männlichen Schwäche. Der derart visualisierte, das patriarchale Selbstverständnis in Frage stellende Geschlechterrollentausch zwingt zur Reflexion. Hans betrachtet sich erneut im Spiegel: „Damals war ich so – heute bin ich so. Ich kann nichts dafür. Alles andere stimmt eben nicht mehr. Ja was stimmt nicht eigentlich nicht mehr, du lieber Himmel?“ Hans Richter macht die äußeren Umstände, den Trümmeralltag für seine Veränderung, für seinen Opportunismus verantwortlich. Er wird, indem er die Schieberbande auffliegen lässt und sich zu ehrlicher Wiederaufbauarbeit bekennt,
Edith und Sohn Werner beweisen, dass er den eingeschlagenen moralischen Irrweg
verlässt und seine Integrität wiedererlangt. Das kann gelingen, weil Hans (im Gegensatz zu Walter) ‚erwartet‘ wird. Diese Funktion ist den Strukturen des klassischen Kinos gemäß der Frau vorbehalten, die dadurch innerhalb der Narration fest verfugt wird:

Auch die weibliche Figur hält sich im Handlungsraum auf. Sie hat dort einen festen Platz auf dem sie wartet. Sie gibt den Ort an, den der Held durchschreitet bzw. auf den er hin schreiten wird.71

Indem Edith die „Erfüllung des Erzählversprechens garantiert, ordnet [sie sich] dem
männlichen Blick unter [und] festigt den Rang des mythischen Subjekts.“72 Sie versprichtBeruhigung, den glücklichen Ausgang der kurzzeitigen Identitätsverunsicherung, die Hans durchlebte. Die Verkörperung des ‚ganzen Kerls‘, in früheren Albers-Filmen auch Kompensation für das Nichtfunktionieren einer Liebesbeziehung, wird nun wieder mit erfüllter Liebe belohnt. Das Männlichkeitsideal wird, wie schon in Große Freiheit Nr. 7, durch melodramatische Elemente unterwandert, die männliche Souveränität drohte an den Moralvorstellungen der Nachfolgegeneration zu scheitern und fährt dennoch den Sieg davon. Doch paart sie sich nun mit der Aussicht auf kleinfamiliäres Glück. Die trotzig besungene Freiheit verwandelt sich in eine eskapistische Sehnsucht nach Beständigkeit, Hoffnung und Sicherheit. Mit der neuen Rolle als Vater ist der Verlust des alten Männlichkeitsideals, des unabhängigen Draufgängers, einhergegangen. (…)

  1. Vgl. SHANDLEY, Robert: Rubble Films: German cinema in the shadow of the Third Reich. Philadelphia 2001, S. 165.
  2. GOTTGETREU, Sabine: Der bewegliche Blick. Zum Paradigmenwechsel in der feministischen Filmtheorie. Frankfurt/Main 1992, S. 44f.
  3. Ebd.

Auszug aus: Anja Horbrügger: Aufbruch zur Kontinuität – Kontinuität im Aufbruch:
Geschlechterkonstruktionen im west- und ostdeutschen Nachkriegsfilm von 1945 bis 1952. Marburg 2007, S. 81-90 (Aufblende. Schriften zum Film13). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/14356

 

Selbst in Trümmern noch ein Allerweltskerl

Wer möchte nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen bei diesen Bildern aus dem zerbombten Berlin! 1947 – kein Stein ist mehr auf dem anderen, kein Schornstein raucht mehr, keine Fassade steht – eine Stadt in totaler Agonie. > weiter


„Der Film wirkt streckenweise wirklichkeitsfern und zeigt einen schwülstigen Wiederaufbau-Optimismus. Eindrucksvoll sind die Bilder vom zerstörten Berlin. Nicht zuletzt trifft Albers‘ Lied „Über uns der Himmel“ das Zeitgefühl der Menschen in den Trümmern der deutschen Städte der Nachkriegszeit.“ So urteilt das Filmmuseum Potsdam angesichts einer Wiederaufführung des Films im Oktober 2015. Noch härter fällt das Urteil bei prisma. de aus. „Josef von Bakys „… und über uns der Himmel“ ist eine schwache Schnulze und allenfalls als zeitgeschichtliches Dokument tauglich“, meint der Rezensent.

„… und über uns der Himmel“, an Originalschauplätzen gedreht, ist der erste mit amerikanischer Lizenz gedrehte deutsche Spielfilm. Die im authentischen Schwarzmarktmilieu angesiedelte dramatische Geschichte um Moral, Bereicherung und Egoismus in einer Zeit der Not ist ein klassisches Beispiel für das Genre des Trümmerfilms, in dem die realistische Schilderung des schwierigen Alltags im zerbombten Deutschland mit moralischen Appellen an die Solidarität und dem Glauben an eine bessere Zukunft verknüpft wurde. Hans Albers, der strahlende Held mit dem unwiderstehlichen „Hoppla-jetzt-komm-ich“-Image der Dreißiger- und Vierzigerjahre, spielte hier zum ersten Mal einen diffizileren Charakter, einen Menschen, der resignierend und ohne Zukunftsglauben abrutscht und dadurch alles zu verlieren droht. Neben ihm spielt das zerbombte Berlin jener Jahre mit seinen Trümmerfrauen, der Not und dem Hunger, dem Schwarzmarkt und der Arbeitslosigkeit beeindruckend mit und macht den Film zu einem wichtigen Zeitdokument. (mdr Presse)


Filmvergleich „Und über uns der Himmel“ und „Unser täglich Brot“

Die folgenden Überlegungen, die in einer in einer Unterrichtsskizze münden, die einen Umfang von 14 bis 18 Unterrichtsstunden hat, stammen aus dem Jahre 1999, also einer Zeit, in der die heute durch die Digitalisierung gegebenen Möglichkeiten der Arbeit mit Filmen noch nicht existierten.


Eine vergleichende Filmanalyse ist unter den Bedingungen schulischen Lernens vor allem im Sekundarbereich II möglich und sinnvoll. (…)  Das Erkenntnisinteresse in der Unterrichtseinheit richtet sich auf das menschliche Verhalten: Wie haben die Menschen  auf den sog. „Zusammenbruch“ reagiert? Eng verknüpft ist damit die Frage nach der Akzeptanz der Demokratie. 

Die Schülerinnen und Schüler sollen die Filme nutzen, um den Selbst- und Gesellschaftsbildern, den Weltdeutungen, Werten, Vergangenheits- und Zukunftsvorstellungen der Menschen nachzugehen. In diesem Zusammenhang soll nochmals betont werden:  Die Mentalitäten von Menschen – ihre Vorstellungen, Wünsche, Tagträume – lassen sich herausarbeiten, indem die Geschehens- und Handlungsmotive der Filme gegeneinandergestellt und verglichen werden. Gemeinsamkeiten deuten dann auf manifeste Dispositionen hin, da davon auszugehen ist, dass diese Gemeinsamkeiten nicht zufällig sind. Es geht also bei der quellenkritischen Arbeit nicht in erster Linie um die Überprüfung der Filminhalte auf „korrekte“ oder „falsche“ Darstellung historischer Sachverhalte oder gar Ereignisse, sondern um die Sichtweisen und Handlungen der Menschen, um ihren Umgang mit den Problemen der Zeit:

  • In welcher Weise reflektieren sie dabei die unmittelbare Vergangenheit?
  • Wie meistern sie die Probleme der Gegenwart?
  • Wie gehen die Menschen miteinander um, welche Werthaltungen liegen ihrem Handeln zugrunde?
  • Welche Perspektiven für die Zukunft entwerfen sie?

Die für den Geschichtsunterricht konstitutive Arbeit mit Quellen wird also in dieser Unterrichtseinheit über den Printbereich hinaus auf Filme erweitert. Damit verknüpft ist die Notwendigkeit, dieser Quellengattung adäquate Auswertungsmethoden zu erlernen. Über diese quellenkritische Auswertung der Filme erweitert sich zugleich der Blick der Schülerinnen und Schüler: Die technisch vermittelte Kommunikation, die in der modernen Gesellschaft wesentliche Bedeutung  gewonnen hat, wird inhaltlich und methodisch zum Gegenstand des Geschichtsunterrichts, ohne dass dies explizit zum Thema gemacht wird. Der Geschichts-unterricht liefert so einen Beitrag zur Vermittlung von Medienkompetenz.

Für die praktische Auseinandersetzung mit den Filmen muss eine klare Schwerpunktsetzung erfolgen: diese soll hier in der  Untersuchung und dem Vergleich der inhaltlichen  Merkmale der Filme  (Produktanalyse bzw. Analyse der Filmrealität) liegen.

Folgende Untersuchungsfelder sollen von den Schülerinnen und Schülern dabei selbständig bearbeitet werden:

  1. Raum-Zeit-Bezug der Filme
  2. Personenkonstellation in den Filmen
  3. Geschehens- bzw. Handlungsmotive

Die Bedingungs- bzw. Wirkungsrealität kann nur insofern Gegenstand des Unterrichts sein, als sie für die Problemstellung notwendig ist. Informationen über die politischen und wirtschaftlichen  Bedingungen der Filmproduktion in den Nachkriegsjahren , die Intentionen der Produzenten (die bewussten, vielleicht auch politisch motivierten Absichten) – soweit sie bekannt sind – und die zeitgenössische Filmrezeption sollte exemplarisch in die Schlussauswertung einbezogen werden.

Die für eine Analyse notwendige umfassendere Untersuchung des Produktionskontextes und der Publikumsresonanz wäre eher im Rahmen eines kultur- oder filmgeschichtlichen Kurses, der die Filmproduktion der Nachkriegsjahre umfassend behandeln möchte, sinnvoll.

Über grundsätzliche formale Gestaltungsmerkmale der Filme müsste ebenfalls im Zusammenhang mit der abschließenden vergleichenden Zusammenfassung nachgedacht werden..


Das Brot oder der Himmel?
Unterrichtseinheit (18 Stunden)

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