Entwicklung der hannoverschen Kinolandschaft ab 1949

Peter Struck (2023)

Ab 1949 ist die Lizenzvergabe für Lichtspieltheater Angelegenheit der zivilen Verwaltung. Erst jetzt wird die Genehmigung von neuen Kinos spürbar erleichtert, weil lediglich die Bauvorschriften der kommunalen Behörden zu beachten sind. So steigt die Zahl der Filmtheater jetzt sprunghaft an – von 16 Häusern 1948 auf 25 Kinos 1949! Zu dieser Zeit beginnt der Aufstieg Hannovers zu einer der führenden deutschen Filmpremierenstädte der fünfziger Jahre. Geprägt wird das Bild der Stadt als »Kino-Hochburg« hauptsächlich von den großen Uraufführungskinos. Als erstes eröffnet im Februar 1948 das Palast-Theater in der Bahnhofstraße, im März 1949 folgen die Weltspiele in der Georgstraße. Erst vier Jahre später, im März 1953, wird schließlich das größte Haus eingeweiht: das Theater am Aegi, das allerdings von Beginn an nicht nur als Kino, sondern auch für Varieté, Konzert und Schauspiel genutzt wird. Diese drei Filmpaläste sind die Flaggschiffe in der Flut einer Kinowelle, die Hannover mit einem Dutzend großer Häuser und dreimal so vielen »Puschen-Kinos« bis Mitte der fünfziger Jahre regelrecht überschwemmt.

Gibt es 1950 mit 31 Kinos fast wieder so viele Lichtspielhäuser wie vor dem Krieg, so sind es 1953 bereits 40. 1958 ist schließlich der Höhepunkt des Booms erreicht: Hannover verfügt damals über 52 Kinos mit fast 30.000 Plätzen! Die höchste Besucherzahl – mit 25 verkauften Karten pro Einwohner im Jahr – liegt da allerdings bereits zwei Jahre zurück: Das erfolgreichste Kinojahr der Bundesrepublik ist 1956 mit über 800 Millionen Besuchern. Bereits 1957 ist der quantitative Zenit des deutschen Kinos überschritten: Zum ersten Mal ist die Zahl der Kinobesuche in der gesamten Republik rückläufig, um 1960 endet die ökonomische Blütezeit des deutschen Nachkriegsfilms.

Bereits Anfang der fünfziger Jahre mehren sich die Stimmen, die vor einer Übersättigung der Kinolandschaft warnen. Durch die Flut an Neubauten steigen die Sitzplatzkapazitäten 1956/57 weit über den Bedarf, und so entstehen nach 1958 für etwa zwei Jahrzehnte keine Kinobauten mehr. Der Boom wird zur Blase, die zu Beginn der sechziger Jahre zerplatzt. Gleichzeitig tritt das neue Medium Fernsehen seinen Siegeszug an. Spätestens mit dem Sendebeginn des Zweiten Deutschen Fernsehens 1963 ist ein massiver Besucherrückgang verbunden.

Die Aktualitätenkinos sind die ersten, die durch die tagesaktuellen Nachrichten im Fernsehen ihre Berechtigung verlieren, dann folgen die »Puschenkinos« in den Vororten. Durch das langsam schwindende Publikumsinteresse rentieren sich schließlich auch die meisten großen Häuser nicht mehr und sind bald ebenfalls in ihrer Existenz bedroht. Gibt es 1958 in Hannover 52 Kinos, so spielen zehn Jahre später nicht einmal mehr die Hälfte: Bis 1969 machen 30 Häuser dicht, Supermärkte und Diskotheken ziehen in die Säle ein, andere fristen ihr Dasein als Lager auf Hinterhöfen. Die verbleibenden Kinos werden in kleinere Abspielstätten geteilt, zeigen meistens Sex and Crime.

Den Rest besorgt 1991 das CinemaxX, das mit innovativer Technik und nie dagewesenem Komfort die große Zeit des Kinos reanimieren möchte. Wieder erfindet sich das Kino neu, doch schon nach wenigen Jahren ist die Mode der »Multiplexe« vorbei. Den letzten großen Traditionshäusern versetzt das CinemaxX dabei den Todesstoß. Von den »Zelluloidburgen«, den Filmpalästen der fünfziger Jahre, überlebt kein einziger: 1993 schließt das Theater am Kröpcke, 1994 werden die Weltspiele abgerissen, das Theater am Thielenplatz hält noch bis 2001 durch, Schlusslicht ist das mittlerweile arg heruntergekommene Palast-Theater 2003. Lediglich das Capitol existiert noch, dient heute aber als Veranstaltungsraum für Konzerte.

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