Die Sünderin (1951)
- Filmszene mit Hildegard Knef und Gustav Fröhlich (Filminstitut Hannover)
Inhalt
Die „Sünderin“ Marina wächst in einer zerrütteten Familie im nationalsozialistischen Deutschland auf. Ihr Stiefvater ist durch seine Distanz zum NS-Regime ohne Arbeit, die Mutter lässt sich von fremden Männern aushalten. Als ihr Stiefbruder versucht, Marina zu verführen, geht sie darauf ein und lässt sich für ihr „Entgegenkommen“ fortan beschenken. Als der Stiefvater hinter das Verhältnis der beiden kommt, verprügelt er seinen Sohn und wirft Marina aus dem Haus. Sie hält sich mit Herrenbekanntschaften über Wasser und erlebt das Ende des Krieges in München, wo sie es zu einer Wohnung und etwas Wohlstand gebracht hat. Hier trifft sie eines Tages in ihrer Stammbar auf den Maler Alexander. Sie nimmt den Mann, der trinkt und von seiner Frau verleugnet wird, mit in ihre Wohnung, wo er ihr am nächsten Morgen erzählt, dass er einen Gehirntumor und nur noch wenige Wochen zu leben habe. Er ist entschlossen, seinem Leben mit Schlaftabletten ein Ende zu setzen, wenn er sein Augenlicht und damit seine Arbeitsgrundlage verlieren sollte. Marina respektiert diese Entscheidung, versteckt jedoch seine Schlaftabletten vor ihm. Mit Marinas Erspartem reisen sie nach Italien, Alexander beginnt wieder zu malen. Sie verbringen eine glückliche Zeit, bis Alexander von seiner Krankheit eingeholt wird. Nach der Rückkehr nach München versucht Marina, den Arzt zu finden, der eine Operartion Alexanders für möglich gehalten hatte. Das für den Eingriff nötige Geld will Marina beschaffen, indem sie sich erneut in einer Bar anbietet. Doch ihr gelingt es nicht, einen „Kavalier“ für sich zu gewinnen. Am Rande der Verzweiflung erkennt sie in einem Besucher der Bar den Gesuchten. Sie geht mit ihm in ein Hotel. Dort erkennt der Arzt in Marina Alexanders „Frau“ und veranlasst sofort die Operation. Während des Eingriffs betet Marina voller Inbrunst zu Maria und Jesus und bittet sie um Fürsprache bei Gott, an den sie sich wegen ihrer Vergangenheit glaubt nicht direkt wenden zu dürfen. Nach dem Eingriff scheint Alexander genesen und die beiden ziehen nach Wien, wo Alexander wieder zu malen beginnt, vor allen Akte Marinas. Die Bilder sind gefragt, Alexander wird als neues Talent gefeiert. Als er das Bild „Die Sünderin“ nach einem Akt Marinas beendet hat, erblindet Alexander plötzlich. Marina, die ihm für diesen Fall versprochen hatte, ihn von seinem Leiden zu erlösen, gibt ihm eine Überdosis Schlaftabletten und begeht Selbstmord.
Originaltitel | Die Sünderin |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1951 |
Länge | 87 Minuten |
Stab | |
Regie | Willi Forst |
Drehbuch | Willi Forst Georg Marischka Gerhard Menzel |
Produktion | Rolf Meyer Helmuth Volmer |
Musik | Theo Mackeben |
Kamera | Václav Vich |
Schnitt | Max Brenner |
Besetzung | |
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Uraufführung: 18. Januar 1951 in Frankfurt, Turm-Palast |
Neues über Film und Funk
Willi Forst über seine „Sünderin“
Die Kritiker halten einmal wieder den Atem an. Mit Willi Forsts erstem Nachkriegsfilm „Die Sünderin“ (Gemeinschaftsproduktion Deutsche Styria und Junge Film-Union im Herzog-Verleih) tritt abermals ein Film an die Öffentlichkeit, von dem man auf Grund der Namen Gerhard Menzel und Willi Forst einiges erwarten darf und von dem jeder im stillen hofft, er werde der deutschen Filmproduktion zur künstlerischen Ehre gereichen. Die Premiere wird beweisen, ob der in diesen interessanten Stoff gesetzte Optimismus begründet war oder nicht. Vorbehaltlich einer Rezension dieses Films nach seiner Uraufführung lassen wir heute einmal Willi Forst selbst zu Worte kommen.
Ich bin in den vergangenen Jahren oft gefragt worden: Warum machen Sie nichts? Wann machen Sie etwas? Was machen Sie denn nun?, daß ich selbst ein wenig erstaunt war, als wir endlich mit der „Sünderin“ begannen. Aber erst bei der Arbeit spürte ich, wie gut eine so lange Filmpause, eine so gründliche Vorbereitung tut. Ich glaube, dies Gefühl der gründlichen Arbeit, des Durch-und-durch-Gedachten und des Durch-und-durch-Gestalteten wird sich auch auf den völlig unvoreingenommenen Zuschauer übertragen.
Verstehen Sie mich nicht falsch! Der Film, hier also die „Sünderin“, darf deshalb nicht schwer und mühsam wirken. Im Gegenteil, diese in jeder einzelnen Szene delikate, ja gewagte Handlung, diese bis ins kleinste ausgewogene filmische Schilderung einer „großen Liebe“, die es im Leben doch häufiger gibt, als wir anzunehmen bereit sind, muß bis ins letzte hinein frei und gelöst wirken.
Seit Wochen erschienen Artikel über mich. die „Willi Forst auf neuen Wegen“ oder so ähnlich betitelt waren. Das sind bestimmt verlockende Überschriften, aber sie zielen doch ein wenig am Kern der Sache vorbei. Ich glaube nicht, daß ein Regisseur so einfach mir nichts dir nichts seinen alten Weg verlassen und einen neuen einschlagen kann. Ich möchte vielmehr behaupten, daß jeder – und man lege bitte in diese Worte kein falsches Pathos -, daß jeder seinen eigenen Weg finden und ihn dann gehen muß. Das hat nichts mit irgendeinem übertriebenen Schicksalsglauben zu tun. Im Gegenteil. Darin bestätigt sich nur eine gewisse Einsicht, daß man genau weiß, was man sich selbst wann zumuten darf. Und in diesem Zusammenhang möchte ich auch für mich in Anspruch nehmen, daß zwischen der „Sünderin“ und meinen früheren Filmen ein sehr gerader Zusammenhäng besteht. Worin er liegt, werden gewitzte Kritiker sicher herausfinden. Ich möchte Ihnen da nicht vorgreifen.
Nur in einem Punkt gebe ich den Journalisten, die mehr von mir zu wissen scheinen als ich selbst, gern recht: Je schärfer die Filmkonkurrenz wird, je schwerer sich die wirtschaftlichen Verhältnisse gerade für den deutschsprachigen Film gestalten – und ich gehöre nicht zu den Optimisten, die annehmen, der Druck des Auslandes und vor allem Amerikas werde über Nacht nachlassen -, je mehr kommt es darauf an, profilierte Filme zu schaffen – also Werke, die sich irgendwie aus dem grauen Durchschnitt herausheben, die etwas Besonderes zu sagen haben, ganz gleichgültig, wie sie es sagen.
„Die Sünderin“ war doch ein Wagnis, ein größeres als ich je annahm. Ich habe mich ehrlich mit ihr herumgeplagt. Und solange man sich plagt, spricht man nicht gern.
Aus: Westfälische Rundschau 12.1.1951
- Erster Drehtag in Bendestorf. Es prosten sich zu: Rolf Meyer, Gustav Fröhlich, Hildegard Knef, Franz Schroedter und Willi Forst (v.l.) (Filminstitut Hannover)


Filmbeschreibung aus der Illustrierten Film-Bühne Nr. 1030
Der Inhalt des Films ist die Liebesgeschichte der jungen Marina, eines Mädchens aus unseren Tagen. Außergewöhnlich schön und verführerisch scheint Marina zur Sünde geboren zu sein, bis sie den vom Tode gezeichneten Maler Alexander kennenlernt. Von diesem Augenblick an vollzieht sich in ihr die große Wandlung und Läuterung: gestern noch eine berechnende Dirne, erhebt sie sich opferbereit und in selbstloser Hingabe an einen hilfsbedürftigen Menschen aus den Niederungen ihres unsteten Lebens zum Höhenflug reiner und wahrer Liebe. Wenn ihr Vorleben an uns vorüberzieht, werden wir uns bewußt , daß wir, unabhängig von der Frage der Schuld oder Unschuld, diese Marina lieben müssen. Ihr sündhaftes Leben erscheint uns in einem anderen Licht, wenn wir erfahren, daß Elternhaus und schlechte Gesellschaft sie zu dem gemacht haben, was siw wurde: eine Gestrandete. Wir lernen sie lieben, weil sie liebt, wie im Grunde jeder Mensch geliebt werden möchte. Sie liebt den von seiner Frau verlassenen unverstandenen Alexander mit einer Inbrunst, die uns diese „Sünderin“ edel, wertvoll, reich und keusch erscheinen läßt. Wir beginnen ihre Vergangenheit zu vergessen, um ihr Leben zu bangen und ihren Weg zu verstehen. Das Schicksal Marina umfaßt den weitgespannten Bogen von den tiefsten Tiefen eines Frauenlebens bis zu seinen höchsten Höhen. Es appelliert an das Herz, das immer früher spricht als der Verstand und kündet von der allesüberstrahlenden Kraft der LIebe und ihrer Reinheit und Schönheit. Das ist der Sinn dieses Films: Urteilt nicht zur asch über Menschen. Seht genauer hin, und ihr werdet bei jedem Menschen eine liebenswerte Seite entdecken. Horcht auf, und ihr werdet das Herz des anderen schlagen hören. Bedenkt, daß es im Leben der Menschen nicht immer so ist, wie es die meisten gern wahrhaben möchten, und daß sie der Nachsicht und Güte ihrer Mitmenschen bedürfen. – Wenn Marina ihrem Geliebtendie letzten Qualen seines Lebens erspart und ihm dann in den Tod folgt, dann ist dieser Entschluß keine Flucht aus einer Ausweglosigkeit. Ohne den geliebten gibt es kein Leben mehr für sie – es ist Erfüllung geworden. „… und wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“
Fotografien in der Galerie: Filminstitut Hannover
„Auch das noch!“ – „Die Sünderin“ im Bundesarchiv
Zum 90. Geburtstag von Hildegard Knef (28.12.1925 – 1.2.2002) stellt das Bundesarchiv Dokumente zum Film „Die Sünderin“ vor.
- Es war eigentlich nicht die Nacktszene Hildegard Knefs, gegen die sich der Protest richtete.
- Die „berüchtigte“ Freitodszene. Dieses Mal ist Veronal imSekt. Im Hintergrund das Bild „Die Sünderin“
Hintergrund zu den Protesten gegen den Film
Kein Film der fünfziger Jahre hat die Gemüter so erregt, wie „Die Sünderin“. Bei dieser Kooperation von JFU und der Deutschen Styria-Filmgesellschaft mbH übernahm die JFU die technische Durchführung. Für die Regie wurde Willi Forst verpflichtet, der auch die Idee für das Drehbuch geliefert hatte.
Im Hinblick auf die späteren Proteste ist es interessant, dass bereits in der Vorbereitungsphase die Brisanz des Stoffes erkannt und daher eine Einbeziehung der FSK, ebenso wie von Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche in die Enstehung des Filmes beschlossen wurde. Ende November 1950 wurde die Rohschnittfassung dann Vertretern der beiden Kirchen vorgeführt, die sich zwar nicht begeistert von Ethik und Stoff zeigten, aber auch keine absolute Ablehnung erkennen liessen. Die FSK gab den Film ohne Auflagen, lediglich mit der Empfehlung zweier Schnitte frei und verbot nur die Aufführung vor Jugendlichen unter 16 Jahren und an stillen Feiertagen. Die empfohlenen Schnitte wurden nicht vorgenommen, der Film wie geplant am 18.1.1951 uraufgeführt.
Wenige Tage nach der Uraufführung kündigten die Vertreter der Kirche ihre Mitarbeit in der FSK auf, da sie ihre Interessen nicht mehr vertreten sahen. Im Folgenden wurden die Proteste der Kirchen und kirchennaher Kreise so massiv, dass der Film in einigen Städten sogar polizeilich verboten wurde. Trotzdem oder gerade deswegen sahen ca. fünf Millionen Menschen den Film in den ersten vier Monaten. Die höchsten Besucherzahlen verzeichnete er Anfang März auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen; mit dem Abebben der Skandaldiskussion im Frühsommer gingen auch die Besucherzahlen zurück. „Die Sünderin“ war also dank der Proteste und Boykottaufrufe der Kirchen ein Publikumserfolg geworden, zu dem er sich ohne diese ungewollte „Promotion“ durch seine Gegner wohl in diesem Maße nicht entwickelt hätte.
Hildegard Knef zu den Protesten
„Als ich (…) München verließ, war aus dem Erfolg Verfolgung geworden, hatte ich Namen verloren, war er mit ‚Sünderin‘ ersetzt, waren Drohbriefe, Morddrohungen, im Detail aufgeführte Anliegen zahlloser Sexualverrückter tägliche Lektüre. Von Kanzeln angegriffen und von Pfarrern zerpflückt, von Tränengas und Stinkbomben verfolgt, von Protestkundgebungen und Umzügen begleitet, war der Film dennoch oder deswegen in seinen ersten drei Wochen von zwei Millionen Deutschen gesehen worden.“
(Der geschenkte Gaul).