Schwierigkeiten bei der Lizenzvergabe

Peter Struck (2023)

Robert Billerbeck (hier 1953 mit Germaine Damar) erhielt als einer der ersten Kinobetreiber nach 1945 die Lizenz

In den ersten Nachkriegsjahren werden einige der zerstörten Filmtheater wieder aufgebaut oder notdürftig hergerichtet, meist jedoch ehemalige Wirtshaussäle zu provisorischen Spielstätten umgerüstet. Aber auch erste Neubauten werden in Angriff genommen und warten auf ihre Lizenz. Bereits im September 1945 gründet die britische Militärregierung den »Wirtschaftsverband der Filmtheater Britische Zone«, der als Pflichtorganisation für alle Kinobesitzer die Abwicklung der Genehmigungsverfahren übernimmt. Da ein Überangebot an Spielstätten verhindert werden soll, ist der örtliche Bedarf an Kinos ausschlaggebend für die Zulassung eines Lichtspielbetriebes. Weil die Wohnraumerstellung als weit dringlicher erachtet wird, muss der Antragsteller die wirtschaftliche Berechtigung des Bauvorhabens nachweisen. Schließlich muss er sich das Baumaterial selbst beschaffen und die Bauarbeiten in Eigenregie durchführen. Nach Erteilung einer Lizenz durch die letzte Instanz der britischen »Film section« in Hamburg wird das Baugesuch der zuständigen Baupolizei zur Genehmigung vorgelegt.

Werden die Lichtspieltheaterlizenzen anfangs von der britischen »Film section« erteilt oder abgelehnt, so entscheidet ab September 1948 ein beratender Filmausschuss für die britische Zone, ebenfalls mit Sitz in Hamburg. Beide Instanzen stützen sich bei ihrer Entscheidung auf die Stellungnahme des »Wirtschaftsverbandes der Filmtheater«, der die Interessen seiner Mitglieder, also der Betreiber bereits aktiver Lichtspieltheater, vertritt. Um zu verhindern, dass weitere Mitbewerber auf den Markt drängen, werden Lizenzanträge für diverse hannoversche Kinos in den ersten Nachkriegsjahren nicht erteilt oder über lange Zeit verschleppt. Zwischen Antrag und Baubeginn vergehen daher meist etliche Monate, manchmal sogar Jahre. Spielfertig ausgestattete Lichtspieltheater wie die Lister Lichtspiele an der Podbielskistraße oder das Schloss-Theater in Herrenhausen stehen deshalb lange Zeit leer und manche der Neu- oder Umbauprojekte werden nie realisiert. Lizenzanträge für Kinos im Innenstadtgebiet werden im Mai 1948 vom Ausschuss für Kunst und Wissenschaft mit der Argumentation abgelehnt, dass »der Stadtkern zum großen Teil infolge Zerstörungen als Wohngebiet ausfällt und die Einrichtung von Lichtspielhäusern in den dichtbesiedelten Vorortstadtteilen dringender wäre.« Auch für die Wiedererrichtung der Weltspiele sieht der hannoversche Stadtrat deshalb noch im Mai 1948 keine Notwendigkeit.

Doch obwohl die spielfertig ausgestatteten Lister Lichtspiele mit 370 Plätzen oder das Schloss-Theater mit 500 Plätzen in dicht besiedelten Vierteln liegen, wird auch ihnen die Spielerlaubnis mit der Begründung verweigert, dass der Bedarf an weiteren Kinoplätzen im Stadtteil durch bestehende oder im Bau befindliche Kinos bereits gedeckt sei: Den Antrag für ein Kino im Kepa-Haus in der Celler Straße kann der Ausschuss »nicht befürworten«, weil bereits die Universum-Lichtspiele »mit 900 Sitzplätzen im Bau sind« und somit »das Bedürfnis für ein weiteres Lichtspieltheater in unmittelbarer Nähe sehr zweifelhaft« ist. So berichtet die Niedersächsische Volksstimme in ihrem Artikel »Zehn Kinos warten auf eine Lizenz« noch im August 1948: »Mehrere Kinos sind spielbereit (Troca-Lichtspiele unter dem ›Mellini‹, das Schloßtheater in Herrenhausen, die Lister-Lichtspiele) und warten ›nur‹ noch auf die Lizenz. Andere Lichtspielhäuser sind in Angriff genommen worden und stehen zum Teil kurz vor der Vollendung: Landwehrschänke, zwei Kinos in Ricklingen (Beekestraße und Konrad-Haenisch-Str.), die Vahrenwalder Lichtspiele, das – in städtischer Regie – zu errichtende Kino am Pferdeturm und schließlich das drittgrößte Kino Hannovers, an dem zur Zeit kräftig gearbeitet wird, in der ehemaligen Kegelbahn an den Vier Grenzen.«

Bereits auf der Sitzung des Ausschusses für Kunst und Wissenschaft im Mai 1948 hatte Oberstadtdirektor Bratke erklärt, dem besonderen Bedarf an Lichtspielhäusern in Kleefeld und Vahrenwald durch die Errichtung je eines Hauses mit 750 Plätzen Rechnung tragen zu wollen. Dafür auserkoren werden ein Areal auf dem Gelände des Pferdeturms und ein städtisches Grundstück zwischen Dragoner- und Pappelstraße in Vahrenwald. Die Errichtung der beiden großen Kino-Neubauten scheitert im Mai 1949 an fehlenden Finanzen, aber von beiden Projekten haben sich im Stadtarchiv mehrere Entwürfe erhalten. Mit dem Projekt des Titania-Palasts entwickelt Adolf Springer 1949 – 1952 alternative Standorte für ein Kino in Kleefeld und in Vahrenwald. Kleefeld erhält seinen Kino-Neubau mit den Kleefelder Lichtspielen erst im Juli 1951, Vahrenwald muss auf seine Camera-Lichtspiele sogar bis zum Januar 1955 warten.

»Die völlig unzureichende Zahl der Lichtspieltheater ist aber besonders dann zu erkennen, wenn man ihre Verteilung im Stadtgebiet überprüft«, moniert das Statistische Amt der Landeshauptstadt Hannover im September 1948: »Allein 7 sind wegen ihrer ungünstigen Lage und der verhältnismäßig kleinen Sitzplatzzahlen als Vorstadtkinos anzusprechen und kommen deshalb für den Besuch größerer Bevölkerungskreise nicht in Frage. Es befinden sich 3 Kinos mit 2 064 Plätzen im Zentrum, 2 mit 1 328 Plätzen in Alt-Linden, 2 mit 627 Plätzen in Limmer, 2 mit 1 253 Plätzen in Döhren, 2 mit 688 Plätzen in Leinhausen-Stöcken und 1 mit 500 Plätzen an der Podbielskistr. und 1 in Badenstedt (506). Überhaupt keine Lichtspieltheater gibt es dagegen in folgenden Stadtteilen: Hainholz-Vahrenwald (24 000 Einw.), Kleefeld-Kirchrode (29 000 Einw.) und Ricklingen (26 000 Einw.). Auch das Kino an der Podbielskistr. ist für die nordöstlichen Stadtteile Buchholz-Liststadt-Spannhagengarten (39 000 Einw.) natürlich völlig unzureichend. Die Bevölkerung dieser Stadtteile ist also fast ausschließlich auf die zentral gelegenen Theater angewiesen, wenn – und dies wird der häufigere Fall sein – infolge der weiten Entfernungen der Besuch nicht überhaupt unterbleibt

Schließlich spricht sich der Stadtrat für die Aufnahme des Kinobetriebes in den seit langem spielbereiten Lichtspielhäusern aus: In der abschließenden Besprechung über die »Filmtheaterlage in der Landeshauptstadt« fasst der Ausschuss für Kunst und Wissenschaft in Abstimmung mit Vertretern des Beratenden Filmausschusses und des Wirtschaftsverbandes der Filmtheaterbesitzer im November 1948 folgenden Beschluss: »Nach eingehender Erörterung aller vorliegenden Anträge und Projektabsichten wurde Übereinstimmung dahingehend erzielt, daß die Zulassung von weiteren 15 Filmtheatern mit ca. 10 000 Sitzplätzen (einschl. der Außenbezirke) empfohlen wird. Davon werden etwa fünf Theater mit rd. 4 000 Sitzplätzen bereits in den nächsten Monaten spielfertig zur Verfügung stehen.« Nach langem Hin und Her dürfen die Schloss-Lichtspiele in Herrenhausen, die Lister Lichtspiele an der Podbielskistraße, die Scala in der Landwehrschänke in Ricklingen, die Schauburg Ricklingen in der Beekestraße und die Weltspiele an den Start gehen.

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