Vorkriegssituation und Ausgangslage 1945
Peter Struck (2023)
Hannovers Kinogeschichte beginnt am 18. August 1896 im »Haus Basse« in der Georgstraße 54, als im Kinematograph Lumière erstmals »Photographie in vollster Lebensthätigkeit« geboten wird. Ein halbes Jahr später gibt es bereits drei »Theater lebender Bilder«, 1907 schon beachtliche 13 »Kinematographen- oder Biophontheater« wie das Panoptikum in der Bahnhofstraße oder das Alhambra in der Limburgstraße, das »vornehmste und einzige Theater lebendsprechender und singender Photografien«. Das Walhalla-Theater, der Vorläufer der späteren Goethehaus-Lichtspiele am Steintor, wirbt mit »Darbietungen lebender Riesen-Photographien in höchster Vollendung« und »sinngemäßer Begleitung der Bilder durch ein eigens dazu hergerichtetes Orchestrion«.
Die Vorliebe für das Medium Film ist in Hannover von Beginn an besonders ausgeprägt, und so liegt die »Kinodichte« der Stadt schon vor dem Zweiten Weltkrieg über dem Durchschnitt der deutschen Großstädte. Ende der dreißiger Jahre hat Hannover 32 Lichtspielhäuser mit über 18.000 Plätzen, darunter sieben Großkinos mit mehr als 1.000 Plätzen: die Capitol-Lichtspiele am Schwarzen Bären, die Kammer-Lichtspiele in der Goethestraße, die Palast-Lichtspiele in der Bahnhofstraße, die Schauburg-Lichtspiele in der Limmerstraße sowie die drei UFA-Theater UFA Oberstraße in der Nordstadt, UFA-Palast am Aegidientorplatz und Weltspiele in der Georgstraße.
Von den 32 Vorkriegskinos überstehen nur neun relativ unbeschadet den Krieg. Drei davon werden von den Briten beschlagnahmt: die beiden größten, die Capitol-Lichtspiele in Linden und der Europa-Palast in Döhren sowie das Viktoria-Theater hinter dem Hauptbahnhof. Sie zeigen ausschließlich Filme für Angehörige der Besatzungstruppen, die anderen Kinos bleiben für die Zivilbevölkerung vorerst geschlossen. Am 24. Juli 1945 dürfen zunächst fünf Filmtheater ihren Spielbetrieb für die Allgemeinheit wieder aufnehmen: die Adler-Lichtspiele an der Podbielskistraße, das Apollo an der Limmerstraße, die Capitol-Lichtspiele am Schwarzen Bären, die Herrenhäuser Lichtspiele an der Stöckener Straße und die Kronprinzen-Lichtspiele an der Wunstorfer Straße. Der Bevölkerung stehen damit anfangs lediglich ca. 2.000 Plätze in fünf Kinos zur Verfügung, die trotz ihrer vier Vorstellungen pro Tag den Bedarf kaum decken können. Vier von ihnen befinden sich zudem außerhalb der Innenstadt.
Am 11. September 1945 wird auch das Viktoria-Theater von der Besatzungsmacht freigegeben, vorerst beschlagnahmt bleiben die Capitol-Lichtspiele und der Europa-Palast. Auch nach der Freigabe der beiden großen Häuser bleiben die Abendvorstellungen noch lange Zeit den Briten vorbehalten. Am 18.1.1946 wird das Capitol wegen Einsturzgefahr sogar für etwa vier Wochen geschlossen und erst am 15.2.1946 nach erfolgter Renovierung wieder geöffnet. Am 16. Oktober 1945 eröffnet mit dem Gloria-Palast in den Räumen der ehemaligen Ärztehaus-Lichtspiele das erste hannoversche Erstaufführungskino, etwa zeitgleich werden auch fünf weitere Kinos wiedereröffnet: die Schauburg und der Europa-Palast in Döhren, die Kammer-Lichtspiele in Misburg, das Astoria-Theater in Ricklingen und die Turmlichtspiele in Laatzen. Als nächstes folgen die Stöckener Lichtspiele, die Walhalla-Lichtspiele in Vinnhorst, die Schwanenburg-Lichtspiele in Limmer und die Skala-Filmbühne in Kleefeld. Erst im Februar 1948 eröffnet mit dem Palast-Theater in der Bahnhofstraße wieder ein traditionelles Großkino und ein wichtiges Uraufführungstheater des kommenden Jahrzehnts. Damit nehmen bis zur Währungsreform im Juni 1948 insgesamt 16 Lichtspieltheater ihren Betrieb in Hannover wieder oder erstmals auf.