Filmstudio am Thielenplatz / Theater am Thielenplatz

Thielenplatz 2
Betreiber: UFA-Theater AG Düsseldorf; Heinz Riech
Architekt: Dieter Oesterlen
Eröffnet am 15.10.1953 mit VOM WINDE VERWEHT
Sitzplätze: 560
Geschlossen 2001, Abbruch des Kinosaals 2005, heute Restaurant im ehemaligen Foyer

Das intime Filmstudio am Thielenplatz wird von der Presse einhellig als »Schmuckkästchen«, »Juwel« und »Perle« unter den hannoverschen Kinos gehandelt.

1951 bis 1953 entsteht nach Plänen von Dieter Oesterlen der Neubau eines Hotels, in dessen Untergeschoss das Filmstudio am Thielenplatz eingerichtet wird. „Platznot und Bauvorschriften zwangen, das Theater 2,75 m unter das Straßenniveau zu legen. Ergebnis frappierend« (Die Filmwoche 44/1953). Um den Eindruck zu vermeiden, dass die Besucher in den Keller hinabsteigen müssen, konzipiert Oesterlen das Foyer über zwei Ebenen und stellt das ganze Haus auf das Spiel mit dem Licht ein, »indem er ganz eindeutig einen Lichtspielraum im wörtlichen und wahrsten Sinn dieses Begriffs baute; denn eines der wesentlichsten Gestaltungsmittel ist hier – das Licht selbst, das Licht an sich! […] Das Reizvolle dieser Aufgabe lag also in der Schwierigkeit, schon dem Eingang des Kinos einladende, ja verlockende Akzente zu geben« (Henninger, S. 213).

Das gläserne Foyer sorgt für größtmögliche Transparenz, eine raffinierte Lichtregie nötigt den neugierigen Blick der Passanten schon von weitem: »Eyecatcher« und suggestives Hauptelement der Lichtdramaturgie ist eine frei im Raum schwebende Lichtschlange aus Neon, »deren kühn geschwungenes Spiel, von der Decke ausgehend, der kreisförmigen Biegung der Treppe ins Untergeschoß folgt. Als raumschmückendes und blickfangendes Element entspringt diese Neonschlange gleichsam dem großen ›F‹ des Wortes ›Film-Studio‹ an der Außenfront, so daß es bis zum Bahnhofsvorplatz hin sichtbar ist« (Henninger, S. 213). Drei Leuchtbänder führen an der Fassade herab, knicken unter dem vorkragenden ersten Stockwerk im rechten Winkel ab und führen unter den Arkaden entlang in das Gebäudeinnere hinein. Dort leitet die organische Leuchtschlange den Besucher weiter zur weitschwingenden, durch Glaswände hinterleuchteten Treppe bis »hinab in den Wandelgang des Kinos, aus dem eine Mosaiksäule aufsteigt, um welche die Treppe kreist. Im Wandelgang angelangt, der in schöner Kurve den Lichtspielraum umfaßt, dürfte sich kaum jemand in die ›Unterwelt‹ versetzt fühlen« (Henninger, S. 214).

Im Souterrain folgt dann die nächste Überraschung: Der Zuschauerraum »besteht aus zwei Räumen, einem niedrigen mit seitlichen Umgängen, und dem hellen höheren Raum, der eine Breite von nur 14 m und eine Länge von nur 17 m aufweist«

(Henninger, S. 214). Doch der geschickte Einsatz des Lichts erzielt hier eine geradezu erstaunliche Ausweitung des Zuschauerraumes. Diese Wirkung ist weniger »›Beleuchtungskörpern als raumschmückenden und stimmungserzeugenden Hilfsmitteln‹ zu verdanken« (Henninger, S. 214), als vielmehr dem subtilen Einsatz von indirekter Beleuchtung hinter palisadenartigen Holzstäben, die geschickt die Begrenzungen des Raumes kaschiert, ihn eigentümlich verwandelt und für »Weite, Geschlossenheit und eine verhaltene Feierlichkeit« sorgt (Henninger, S. 214).

Raumbestimmendes Element ist eine doppelschichtige Wandgestaltung, gegliedert in »eine offene, silbrig glänzende ›Lamellenwand‹, deren einzelne Teile mit Stoff überzogen sind, und eine dahinter liegende verputzte Wand, die von unten indirekt angestrahlt wird und im Zusammenwirken mit der ›Lamellenwand‹ eine entmaterialisierende Wirkung hat. Derart werden die verschiedenen Beleuchtungsarten überall gleichsam zum Mitspieler: die indirekte Beleuchtung von der Decken-Voute, welche die Decke anstrahlt und auflöst – die Streiflichtaufhellung der Seitenwände hinter den im Gegenlicht erscheinenden, mit Stoff bespannten Holzlamellen – die von oben mit Streiflicht beleuchteten Glasmosaiksäulen vor der schwarzen Sperrholzwand der niedrigen seitlichen Umgänge – der herumlaufende Kranz der kleinen, mit Plexiglas versehenen Wandlampen« (Henninger, S. 215). Die Wandleuchten ergänzen lediglich die beherrschenden indirekten Beleuchtungseffekte und fügen sich mit ihrem Rhythmus in den Grundton der vertikalen Wandverkleidung ein.

Das eigenwilligste Attribut des Filmstudios am Thielenplatz ist jedoch die Kinoleinwand selbst, deren Klappflügel mit filigranen Linien aus Leichtmetalldraht geschmückt sind. Dieter Oesterlen verzichtet hier konsequent auf die obligatorischen Theaterattribute wie Vorhang, Bühne und Podium, und so scheint die aufgehängte Panorama-Bildwand mit den beiden Klappflügeln frei im Raum zu schweben. Die originelle Konstruktion erinnert an einen geschlossenen Altar, dessen Flügel an besonderen Festtagen geöffnet werden, um die eigentliche lithurgische Botschaft zu präsentieren. Nichts anderes geschieht bei der Zeremonie im Filmstudio am Thielenplatz, wenn sich die Flügel des »Filmaltars« mit einem Fanfarenstoß für die Filmmesse öffnen.

Ab 1964 nennt sich das Kino Theater am Thielenplatz, 1978 wird es in vier kleine Kinos geteilt: Filmstudio, alpha, beta, gamma. Ab 1980 kommt noch das delta hinzu. Bei umfangreichen Umbauarbeiten wird 1980 auch die Klappleinwand entfernt. Geschlossen wird das Kino 2001 und dient anschließend als Partyraum, 2005 wird der Kinosaal abgebrochen, heute befindet sich ein Restaurant im ehemaligen Kinofoyer. Die zentrale Treppe mit ihrem Belag aus Marmorsplitt, die Säule mit ihrem Besatz aus gelben Mosaiksteinen und die Wände aus gebrochenen, schichtweise verlegten Juraplatten im einstigen Foyer sind heute die letzten Überbleibsel der ehemaligen Ausstattung, von der subtilen Dramaturgie der Wegeführung und der raffinierten Lichtinszenierung hat sich dagegen nichts erhalten.


Pläne:

Literatur:

Bauvorhaben in Hannover, in: Der neue Film 19/1953

Eifrige Bautätigkeit in Niedersachsen: Hannover (Filmtheater am Thielenplatz, Luna-Lichtspiele, Theater am Kröpcke), in: Der neue Film 51/1953

Hannovers Filmstudio am Thielenplatz, in: Der neue Film 85/1953

Die Filmwoche 44/1953

Film-Echo 43/1953; 44/1953

Herbert Wolf: Kino unter der Erde. Film-Studio im Buhmann-Hause am Thielenplatz eröffnet, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16.10.1953

Filmstudio am Thielenplatz, Architekt Dieter Oesterlen, in: Baukunst und Werkform, Monatsschrift für alle Gebiete der Gestaltung, 1/1955, S. 487/488

M. Henninger: Architekt Professor Dieter Oesterlen, Hannover-Braunschweig, in: Architektur & Wohnform, Juni 1955, S. 210–217

Paul Bode: Kinos. Filmtheater und Filmvorführräume. Grundlagen, Vorschriften, Beispiele, Werkzeichnungen, München 1957

Ufa macht am Thielenplatz doch weiter, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29.6.1996

Conrad von Meding: Kinosäle werden abgerissen. Thielenplatz: Gebäude im Hof muss Sprachschule weichen, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 31.3.2005

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