Das Baugebiet rund um die Kreuzkirche

Bereits im Juni 1945 wurden die  Architekten Jäckel, Seewald und Töllner mit einem Planungsentwurf zur Neugestaltung des zerstörten Gebiets ‚rund um die Kreuzkirche‘ beauftragt. Vor der Zerstörung war dieses Gebiet „ein stiller und enger mittelalterlicher Raum mit Fachwerkbauten“1), deren Bebauung bis an die Kreuzkirche heranreichte. Die Kirche wurde durch diese Bauweise von der betriebsamen Knochenhauer- und Burgstraße völlig abgeschottet, lediglich schmale Verbindungsgassen ‚Am Tiefental‘ und die Kreuzstraße führten den Kirchgänger zum Gottesdienst. „In dieser Abgeschlossenheit vom Verkehr lag der anmutige Reiz der Kirche und ihrer Umgebung.“ 2) In den Neubebauungsplänen sollte für die wiederherstellbare Kirche ein adäquater Raum geschaffen werden, in dem die frühere Intimität Berücksichtigung finden sollte.

Im neuen Viertel wurden zur Verwirklichung der Ziele des neuen Wohnungsbaus abwechslungsreiche Wohnungstypen und Bauweisen entworfen, in denen die verschiedenen sozialen Verhältnisse und Bedürfnisse der künftigen Bewohner berücksichtigt wurden. In der Mitte des Baugebietes ‚rund um die Kreuzkirche‘ waren zweigeschossige Reihenhäuser geplant, die von drei- bis fünfgeschossigen Mietsbauten in angemessenem Abstand umgeben werden (siehe Foto). „Wie ein schützender Wall legt sich die höhere Bebauung um die in der Mitte geplanten zweigeschossigen Reihenhäuser mit ihren ruhigen Hausgärten, während die im Kern der Anlage bestehende Kreuzkirche durch die benachbarte niedrige Innenblockbebauung in ihrem Maßstab nicht gemindert, sondern vielmehr noch gesteigert wird.“ 3) Mit diesem Bebauungsplan war nicht nur der Wunsch nach einer lebendigen Bebauung, sondern auch der Wunsch nach früherer ‚Intimität‘ eingelöst worden. Der Verkehr sollte auch künftig um dieses Wohngebiet herumgeführt werden. Im Inneren dieses neuen Viertels gibt es nur kleine Straßen. Die Straßen ‚Am Tiefental‘ und ‚Scholvinstraße‘ führen heute als schmale Wohnwege von der Burg- und Marstallstraße zur Kreuzkirche. Die zerstörten Baublöcke zwischen Schillerstraße und Marstallstraße wurden nicht wieder aufgebaut, diese Fläche diente bis zur jüngsten Umgestaltung seit 2014 als Autoparkplatz.


Anmerkungen

1) Stadtmitte Hannover, a.a.O., S. 26
2) ebd.
3) ebd, S. 27

Ausgangslage: Die zerstörte Stadt

Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg

Zukunftsorientiertes Verkehrskonzept

Neues Regierungsviertel

Umgang mit historischer Bausubstanz

Neugestaltung des City-Bereichs

Innerstädtischer Wohnungsbau

Wohnquartiere in den Stadtteilen

Krankenhäuser und Gebäude der Gesundheitsfürsorge

Schulen, Kultureinrichtungen und Sportanlagen

Denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude und Geschäftshäuser

Hannover Messe

Bundesgartenschau 1951

Visionen

Architekten des Wieder-/Neuaufbaus

Stimmen zur Stadtentwicklung

Der Neuaufbau im Spiegel zeitgenössischer Dokumentarfilme

Literatur

Ausgangssituation nach Kriegsende

Die Voraussetzungen zur Realisierung des Bauprojektes ‚rund um die Kreuzkirche‘ waren einerseits sehr günstig, da ein Großteil des Baulandes sich in öffentlicher Hand befand und die Stadtgemeinde auch privatwirtschaftlich interessiert war. Andererseits aber erforderte die Neubebauung eine völlige Neuparzellierung von Grund und Boden, die eine Zustimmung der privaten Eigentümer voraussetzte. Zwar erlaubte „das niedersächsische Wiederaufbaugesetz die Möglichkeit zur Enteignung, doch der Stadtbaurat war von Anfang an bestrebt, seine Pläne möglichst ohne derartige Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, um langwierige Streitereien zu vermeiden.“ 4) Folglich setzte der Stadtbaurat Hannovers in erster Linie auf die Bildung von Selbsthilfeorganisationen der Bürger, denen Gemeinde und Länder helfend zur Seite stehen sollten.

Die erste Selbsthilfeorganisation, die Aufbaugemeinschaft Hannover e.V., ließ bereits ein halbes Jahr nach ihrer Gründung von einigen ihrer ehrenamtlich tätigen Architekten Vorentwürfe für eine Bebauung des Viertels ‚rund um die Kreuzkirche‘ erstellen. Parallel zu diesen Arbeiten wurden von einem ehrenamtlichen Juristen in mühseliger Arbeit die Grundstückseigentümer ermittelt. Nach diesen Vorarbeiten konnte im August 1949 die 1. Versammlung der Grundstückseigentümer einberufen werden. Zuvor waren erste Finanzierungsmöglichkeiten von der Stadtschaft für Niedersachsen –Wohnkreditanstalt – und dem Wohnwirtschaftsamt der Landeshauptstadt Hannover, die sich für die Bereitstellung von Ländermitteln einsetzen wollten, abgeklärt worden.“ In der Versammlung trugen Vertreter der Aufbaugemeinschaft, des Stadtbauamtes und der Stadtschaft für Niedersachsen-Wohnungskreditanstalt- die Baupläne vor und stellten im Einzelnen die Rentabilität der künftigen Wohnungen dar grundsätzlich angenommen und die Gründung.“ 5) Die Vorschläge wurden grundsätzlich angenommen und die Gründung einer Aufbaugemeinschaft geplant. Nach der Erarbeitung einer entsprechenden Satzung konnte am 19. Januar 1950 die Aufbaugemeinschaft ‚rund um die Kreuzkirche‘ e.G.m.b.H. ins Leben gerufen werden, in der die Aufbaugemeinschaft, die Stadtschaft Niedersachsen, die Stadtgemeinde, ein Jurist und einige private Eigentümer vertreten waren. Dem Grundgedanken der Satzung zufolge wurden sämtliche Grundstücke, die im Wiederaufbaugebiet lagen, mit sämtlichen Belastungen an die Genossenschaft übertragen. Die Genossenschaft beabsichtigte, „den übernommenen Grundbesitz unter Ablösung der Lasten nach modernen Gesichtspunkten neu auf(zuteilen) und (zu bebauen), die neuen Häuser nach einem festgelegten Verfahren an die früheren Grundstückseigentümer, belastet mit den Bauhypotheken, zurück(zu)geben oder ihnen bei Nichtübernahme eines Grundstücks eine angemessene Entschädigung (zu zahlen).“ 6) Mit diesem Verfahren konnte die Neuparzellierung von Grund und Boden schnell und problemlos durchgeführt werden, so dass am 30. Juni 1950 die Grundsteinlegung zum Häuserbau erfolgen konnte. Für die Durchführung des Bauprojektes wurden die Architekten Prof. Zinsser, Städtischer Baurat Zenker, die Architekten Jäckel, Töllner, Siebrecht und Konstanty Gutschow sowie ein Gartenarchitekt beauftragt.

Am 30.06.1950 erfolgte die Grundsteinlegung für das auf die Erstellung von 234 citynahen Wohnungen
projektierte Kreuzkirchenviertel.

Diese Aufnahme dokumentiert einen Ausschnitt des fertiggestellten ersten modernen Wohnungsbauprojekts. Entsprechend der geplanten abwechslungsreichen Bauweise zeigt das Foto einige von Gärten begrenzten zweigeschossige Eigenheime, die in angemessenem Abstand von dreigeschossigen Mietwohnungen mit Balkonen umgeben werden.

Bei dieser Wohngestaltung wurde darauf geachtet, dass die Häuserfronten klein gegliedert sind. In ihrer Formgebung besannen sich die Architekten auf frühere Detaildurchbildungen, die zeitlos und ihrem Zweck dienlich waren. „Hierzu gehören u.a. vor allem die von außen angeschlagenen bündig sitzenden Fenster, die nach außen aufgehen. Sie haben eine niedrige Brüstung, um die Verbindung mit dem Grün der Gärten möglichst eng zu gestalten. Durch diese Anordnung der Fenster wird die äußere Ruhe der Fronten und durch die hier durch entstehenden tiefen Fassadeneinleibungen die innere Weiträumigkeit erhöht, die heute von besonderer Bedeutung ist, da wir gezwungen sind, die Wohnräume auf ein Mindestmaß zu beschränken. „7)

Die Fenstergestaltung ist von einer durchgängigen Reihung bestimmt, die auch von sogenannten ’springenden‘ Treppenhausfenstern oder vertikalen Fensterbändern nicht unterbrochen wird, da ein möglichst geräumiges Treppenhaus geschaffen wurde.

Die Außenhaut der Fassade wird von einem glatten Putz mit Farbanstrich bestimmt, der sich eindeutig von den weißen Fenstern abhebt. Die Haustüren der Gebäude liegen in tiefen Leibungen und wirken als einladender Anziehungspunkt.

Obwohl ein künftiger Dachausbau bei den Wohngebäuden nicht vorgesehen war, wurde das Dach mit einer Neigung von 33o als geschlossenes Satteldach mit Giebeln an den Blockenden ausgebaut.

Bei diesem Wohnbauprojekt war Hillebrecht darauf bedacht, „die hannöverschen Eigenarten etwa die Biederheit der Bürger und ihren Hang zum Althergebrachten “ 8) zu berücksichtigen. Hillebrecht selbst stand allerdings dem modernen Wohnungsbau durchaus offen gegenüber, und er bemerkte später: „Wenn wir z.B. die Häuser an der Kreuzkirche mit Flachdächern konzipiert hätten, so hätten wir das Projekt wohl nicht durchbekommen.“ 9)

Bei diesem Wohnbauprojekt stand für Hillebrecht nicht die architektonische Formgebung im Vordergrund, sondern vielmehr eine städtebauliche Lösung.

Bei der Wohnungsplanung der Wohnbauten ‚rund um die Kreuzkirche‘ stand der Mensch und seine Bedürfnisse nach Licht, Sonne und Luft, ‚innerer und äußerer Ruhe‘, sowie sein Wunsch nach ‚Leben im Grünen‘ im Vordergrund. Die bauliche Einlösung dieser Ansprüche spiegelt sich u.a. in der Grundrissgestaltung der einzelnen Wohnungen, d.h. in der Lage der Räume zueinander und ihrer Orientierung zu den Himmelsrichtungen, wieder.

Bei der Planung und Durchführung der Grundrisse wurde vor allem Wert auf die Balkonausführung der Mietwohnungen gelegt, deren Größe eine adäquate Nutzung gewährleisten sollte. Die Balkonausrichtung erfolgte nach Süden oder Westen, mit einem Blick auf die Gärten. Sämtliche Wohnungen wurden den damaligen hygienischen Maßstäben entsprechend eingerichtet. Jede Wohnung verfügt über Etagenheizung mit Warmwasserzubereitung für Küche und Bad. Die geplante Ausstattung der kleinen Küchen mit zweckmäßigen flachen Einbauschränken scheiterte allerdings aus finanziellen Gründen. Allerdings konnten die Küchenarbeiten in den fünfgeschossigen Mietwohnungen mit dem Einbau eines Müllschluckers und eines Handaufzugs für schwere Lasten im Treppenhaus erleichtert werden.

Die abgebildete Aufnahme zeigt einen Grundriss aus der dreigeschossigen Häuserzeile an der Knochenhauerstraße, die von Prof. Zinsser entworfen wurde. Im Erdgeschoß befinden sich Läden, in den Obergeschossen Zweispännerwohnungen mit je 51,34 qm Wohnfläche. Zur ruhigen Westseite hin liegen das Wohn- und Schlafzimmer, dem eine Loggia vorgelagert ist.“ Durch den schrägen Zuschnitt der ausgekragten Deckenplatte ist eine schöne Geräumigkeit an der am längsten im Sonnenlicht liegenden Seite der Loggia erreicht. „10) Kinderzimmer, Küche und Bad wurden nach Osten, d.h. zur Straßenseite ausgerichtet. Die Nutzung der kleinen Küche als Essraum ist ohne entsprechendes Mobiliar – flache Schränke oder Regale – kaum möglich. Die Beheizung dieser Räume erfolgte wie bei allen anderen Bauten auch durch eine von der Küche zu bedienende Etagenheizung.

Dieser Wohnungsgrundriss erlaubte „die Unterbringung bis zu höchstens fünf Personen.“ 11) Mit diesem Wohnungsbauprojekt ist in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums ein Wohnviertel entstanden, „in dem Wohnungen und Natur in nahe Verbindung gebracht werden.“ 12)

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