Flucht und Vertreibung im deutschen Spiel- und Dokumentarfilm

Die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten des damaligen Deutschen Reiches sowie deutscher Minderheiten in Ost- und Mitteleuropa war eine der Folgen faschistischer Poltik und bildet eines der Schlusskapitel des Zweiten Weltkrieges. Gleichzeitig war es das Resultat der zwischen den alliierten Siegermächten ausgehandelten territorialen Nachkriegsordnung. Schätzungen gehen von zwölf bis 14 Millionen Deutschen aus, die durch Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung ihre Heimat verloren und in die deutschen bzw. österreichischen Nachkriegsgesellschaften integriert werden mussten. Diese Integration stellte eine der besonderen Herausforderungen für Poltik und Gesellschaft bis in die 60er Jahre hinein dar. Bis heute ist die politische Bewertung der Vertreibung Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Von der Flucht und Vertreibung selbst existieren kaum Filmdokumente. Es gibt jedoch eine Reihe bemerkenswerter Nachkriegsfilme, die Schicksal und Lebenssituation der Flüchtlinge und Vertriebenen anschaulich machen oder erzählerisch aufbereiten. Dazu zählen auch  die zeitgenössischen Wochenschauen, die sich regelmäßig mit dieser Problematik befassen.

In den „Trümmerfilmen“ der ersten Nachkriegsjahre wurden Flucht und Vertreibung gelegentlich behandelt, allerdings meist am Rande. Die siebte und letzte Erzählung von Helmut Käutners Episodenfilm In jenen Tagen (1947) berichtet von der Begegnung eines Kradmelders der Wehrmacht mit einem Flüchtlingsmädchen und deren Tochter. Auch in Liebe 47 (1949) wird die gemeinsame Flucht einer Frau mit ihrer Tochter gezeigt, die Tochter kommt hierbei ums Leben. Ein älteres Flüchtlingsehepaar, das der verlorenen Heimat nachtrauert, wird in einer Nebenhandlung von Film ohne Titel (1948) der jungen Helene gegenübergestellt, die sich durch Mithilfe auf einem Bauernhof und letztlich Heirat mit dem Jungbauern in die Nachkriegsgesellschaft integriert. In UNSER TÄGLICH BROT steht die Trümmerfrau Ilse, von allen Familiemitgliedern geschnitten, modellhaft die Situation geflüchteter Menschen dar.

Es gibt allerdings zwei Filme aus der frühen DDR, die sich ausdrücklich mit der Problematik auseinandersetzen. Der Film FREIES LAND thematisiert die Intergation von Flüchtlingen im Kontext mit der Bodenreform in der SBZ. Im Film DIE BRÜCKE (1949) geht es um Probleme von Umsiedlern, in ihrer neuen „Heimat“ ankommen zu können. 

Die Filme der Nachkriegsjahre bis Ende der 50er Jahre konnten das Thema noch vor dem Hintergrund der der unmittelbaren individuellen Erfahrungen vieler Zuschauerinnen und Zuschauer aufgreifen. Mit zunehmendem Abstand von den unmittelbaren (anch)Kriegserfahrungen änderten sich die Darstellungen.

In der BRD wurde der Heimatfilm zu einem zentralen Genre, in dem auch die Flüchtlingsthematik verortet wurde.  GRÜN IST DIE HEIDE steht dabei stellvertretend für die spezifische Darstellung in den bundesdeutschen Heimatfilmen, in der viel von Verlust und schließlich von gelungener Integration erzählt wird. Im Kontrast dazu erzählt der Film MAMITSCHKA in Forme einer satirschen Geschichte von einer letztlich misslungen Integration erzählt.

 

Deutschland nach 1945

Flucht und Vertreibung im deutschen Spiel- und Dokumentarfilm

  • Flüchtlingsbilder im Dokumentarfilm
  • Literatur

 


In sieben Episoden wird die Zeit des Nationalsozialismus dargestellt. Eine Rahmenhandlung hält die Episoden zusammen: Am Beginn und am Ende des Films schlachten auf einem Rummelplatz der Nachkriegszeit zwei Männer ein altes Auto aus und unterhalten sich darüber, ob es „in jenen Tagen“ Menschen und Menschlichkeit gegeben habe. Das Auto mischt sich, nur für den Kinozuschauer hörbar, in das Gespräch und erzählt die folgenden sieben Episoden aus seiner „Lebenserfahrung“ in Form von Rückblenden, um die fragliche Menschlichkeit zu bezeugen.

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In ländlicher Idylle diskutieren ein Filmregisseur, ein Drehbuchautor und ein Schauspieler den gemeinsamen Film, der entstehen soll. Sie können sich nicht einigen, was für ein Film es werden soll, sind sich aber einig, dass es kein Trümmerfilm, kein Heimatfilm, kein Anti-Nazi-Film und kein Fraternisierungsfilm werden soll. > weiter

Nach Wolfgang Borcherts ursprünglich als Hörspiel konzipiertem Drama „Draußen vor der Tür“ entstandener Spielfilm von Wolfgang Liebeneiner. Am Elbufer begegnen sich zwischen den Nachkriegstrümmern zwei Menschen, die mit dem Leben Schluss machen wollen: Unteroffizier Beckmann und Anna Gehrke.Aber dann beginnen sie miteinander zu reden, beschließen, ihren Tod gleichsam aufzuschieben. > weiter

In den schweren Nachkriegsjahren müssen die Webers um das tägliche Brot kämpfen. Während sich Sohn Ernst auf das „Abenteuer“ Sozialismus einlässt und am Aufbau eines volkseigenen Betriebes mitarbeitet, lassen sich die anderen Familienmitglieder in ihrer Kleinbürgerlichkeit nicht darauf ein. > weiter


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Eine Familie – Vater, Mutter, Sohn – flüchten am Ende des 2. Weltkrieges durch eine Waldlandschaft. Da der Junge vor Erschöpfung zu verhungern droht, versucht der Vater etwas zu essen zu organisieren. Nach langem Suchen findet er in einem verlassenen Bauernhaus ein Laib Brot. Auf dem Rückweg wird er von einem Platzregen überrascht, der das Brot zunehmend aufweicht. Nach einem Moment des Zögerns isst der Mann das Brot auf. Nach der Rückkehr zu seiner Frau teilt er ihr mit, dass er nichts gefunden habe. Als er nach einem kurzen Schlaf wieder aufwacht, ist sein Sohn gestorben.

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Nicht die anrückende Rote Armee macht Evchen Angst, sondern die Vorstellung, die geliebte Kuckucksuhr könnte in der verlorenen Heimat zurückbleiben. Nur Oma ist auf Evchens Seite.



Beiträge

Zur Lage der Flüchtlinge

Literatur
  • Ast, Michaela S.: Flucht und Vertreibung im bundesdeutschen Spielfilm der 1950er-Jahre, bpb 2012
  • Feistauer, Verena: Eine neue Heimat im Kino. Die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen im Heimatfilm der Nachkriegszeit. Essen  2017
  • Stettner, Peter : „Sind Sie denn überhaupt Deutsche?“ Stereotype, Sehnsüchte und Ängste im Flüchtlingsbild des deutschen Nachkriegsfilms. In: Zwischen Heimat und Zuhause. Deutsche Flüchtlinge und Vertriebene in (West-)Deutschland 1945-2000, hg. von Rainer Schulze zusammen mit Reinhard Rohde und Rainer Voss, Osnabrück 2001, S. 156-170
  • Tiews, Alina Laura: Fluchtpunkt Film. Integrationen von Flüchtlingen und Vertriebenen durch den deutschen Nachkriegsfilm 1945–1990. Berlin  2017

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