Systemkrise 1929–1933: Deutungen wichtiger Autoren
Die folgende Tabelle zeigt, wie sich marxistische, strukturalistische und wirtschaftshistorische Perspektiven gegenseitig ergänzen können – und wie unterschiedlich die Gewichtung von ökonomischen, sozialen und politischen Faktoren ausfällt.
Autor:in | Krisendeutung | Fokus der Analyse | Bezug zur Faschismusanalyse |
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Alfred Sohn-Rethel | Faschismus als autoritäre Krisenlösung im Interesse des Monopolkapitals | Klassenverhältnisse, Kapitalstruktur | NS als funktionale Reaktion auf kapitalistische Systemkrise |
Hans Mommsen | Kumulative Radikalisierung durch institutionelle Schwäche und Eliteversagen | Institutionen, politische Prozesse | Faschismus als konservative Machtstrategie zur Krisenbewältigung |
Dirk Stegmann | Soziale Desintegration durch Strukturwandel und Statusverlust | Mittelstand, Angestellte, Sozialstruktur | Autoritäre Lösung gesellschaftlicher Desintegration |
Niels Kadritzke | Krise der Akkumulation → autoritäre Absicherung kapitalistischer Macht | Innerkapitalistische Widersprüche | Faschismus als Reaktion auf Scheitern sozialer Integration |
George W. F. Hallgarten | Kollaps der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung durch Bündnis von Militär und Großindustrie | Elitenkritik, außenpolitische Interessen | Faschismus als Interessenprojekt industrieller Machtgruppen |
John K. Galbraith | Marktversagen und Spekulationsblase führen zur Systemerosion | Finanzsystem, Wirtschaftspolitik | Unzureichende Krisenpolitik begünstigt autoritäre Lösungen |
Harold James | Internationale Finanzkrise untergräbt Legitimität demokratischer Ordnungen | Globale Märkte, politische Instabilität | Faschismus als nationalistische Reaktion auf Marktversagen |
Eric Hobsbawm | Weltweite Umbruchphase des Kapitalismus → autoritäre Regime | Globale Krisen des Kapitalismus | Faschismus als systemische Reaktion auf Überproduktions- und Legitimationskrise |
Nicos Poulantzas | Krise des bürgerlichen Staates als Ausdruck verschärfter Klassenkämpfe | Staatstheorie, relative Autonomie, Hegemonie | Faschismus als autoritärer Etatismus zur Reorganisation der Klassenherrschaft |
Bernd Weisbrod | Krise als Legitimationskrise des liberalen Kapitalismus | Politische Kultur, Eliten, Öffentlichkeit | Faschismus als Folge fehlender demokratischer Verankerung |
Dietmar Petzina | Wirtschaftskrise als Folge struktureller Schwächen und politischer Fehlsteuerung | Wirtschaftspolitik, Arbeitslosigkeit, Staatsintervention | NS als Fortsetzung autoritärer Krisenpolitik der Vorgängerregierungen |
Karl D. Bracher | Krise der parlamentarischen Demokratie durch ideologische Polarisierung und Elitenversagen | Ideengeschichte, politische Kultur | Faschismus als ideologisch motivierter Angriff auf die Demokratie |
Eike Henning | Systemkrise durch Überakkumulation, Marktversagen und politische Lähmung | Wirtschaftsstruktur, Staatsversagen | Faschismus als autoritäre Krisenlösung im Kontext globaler Kapitalverflechtung |
Dietrich Eichholtz | Krise als Ausdruck des staatsmonopolistischen Kapitalismus | Kriegswirtschaft, Industriepolitik, DDR-Marxismus | Faschismus als Herrschaftsform des Monopolkapitals zur Kriegsvorbereitung |
Jürgen Kuczynski | Krise als Folge zyklischer Überproduktionskrisen und Klassenherrschaft | Marxistische Wirtschaftsgeschichte, Klassenanalyse | Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals gegen Arbeiterbewegung |
Karsten H. Schönbach | Krise als Bündniskrise zwischen Großindustrie und autoritärem Staat | Kapitalinteressen, politische Einflussnahme | Faschismus als bewusst unterstütztes Projekt der Industrie zur Zerschlagung der Demokratie |