Politischer Neubeginn nach 1945

Den Menschen in Deutschland sind  ersten Nachkriegsjahre sind bis heute als „Trümmerjahre“ in Erinnerung geblieben, überlagert  durch die Erinnerung an die Wiederaufbauleistungen und in der Folge das sog. Wirtschaftswunder der 50er Jahre. Aber das Jahr 1945 war nicht die „Stunde Null“, gleichwohl war es eine Zäsur. Die Befreiung verband sich mit der Besatzung. „Der deutsche Faschismus  war besiegt. Die Deutschen, die ihn gestützt oder erduldet hatten, waren politisch entmündigt. Für die überlebende Bevölkerung und die zurückkehrenden Soldaten war das besiegte und zertrümmerte Deutschland ein politisches und wirtschaftliches Chaos, in dem jeder nach Überlebenschancen suchte.“[1]

Der „Zusammenbruch“ war aber keineswegs so total, wie es zunächst schien – weder politisch noch ökonomisch.

Politik war für die meisten Menschen „eine Sache der Siegermächte.“ Für viele, die sich politisch engagierten in Gewerkschaften und Parteien war ihr Engagement getragen von der Hoffnung, dass mit dem Faschismus auch der Kapitalismus besiegt sei. „Gewerkschaften und Parteien hatten ihre Vorstellungen einer gesellschaftlichen und politischen Neuordnung schon im Widerstand und Exil in Umrissen formuliert. Inmitten der Desorientierung der Zusammenbruchgesellschaft besaßen sie somit Konzepte, wie es weitergehen sollte. Diese Konzepte in konkrete Strategien umzusetzen, wurde ihnen jedoch durch die alliierten Auflagen zunächst erheblich erschwert.“ [2]

Unmittelbar nach Kriegsende waren nach den Erfahrungen mit dem Faschismus, zunächst sozialistische Ideen der Wirtschaftsplanung und -lenkung – bis in die bürgerlichen Parteien hinein – bedeutsam. Der politische Neuanfang wurde aber mit Zuspitzung des Kalten Krieges schnell von kräftigen Tendenzen der Restauration, d. h. der Wiederherstellung alter Strukturen, der Wiedereinsetzung alten Personals und der Entstehung alter und noch verschärfter Konflikte, überlagert.[3] 

„Statt von einem >Primat< der Wirtschaft spräche man oft besser chronologisch von einer >Priorität<: dadurch, daß die Wirtschaft kontinuierlich arbeitet, hat sie eine Fähigkeit, der Politik zuvorzukommen, politische Entscheidungsprozesse vorzustrukturieren und vollendete Tatsachen zu schaffen. Sie hat eine >Ursprungs<Qualität, die die Politik mit ihrer Ad-hoc-Arbeitsweise nicht besitzt.“ [4]

Im Laufe des Jahre 1947  konnten so  zunehmend neoliberale Vorstellungen bestimmend werden und sich schließlich unter der gängigen Parole „soziale Marktwirtschaft“ durchsetzen.

Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit der veränderten amerikanischen Politik. Anfang 1947 hatten sich in den USA die Ziele und Methoden der Eindämmungspolitik endgültig durchgesetzt. Deindustrialisierungs- und Bestrafungsvorstellungen (zunächst gemeinsame alliierte Position) wurden abgelöst von Vorstellungen zur kapitalistischen Reorganisation der Wirtschaft und Einbindung  der Westzonen in das westliche Bündnissystem – entsprechend mit anderen Vorzeichen auch auf Seiten der Sowjetunion. Dem Kalten Krieg um Einflusszonen fiel in Europa nationale Souveränität zum Opfer.


Anmerkungen

[1] Huster u.a.(1972), S. 69
[2] Kleßmann (1985), S. 207.
[3] Vgl auch Huster u.a. (1972), S. 120ff
[4] Hallgarten/Radkau (1981): a.a.O., S. 437


Literatur

  • Hallgarten, Georg. W.F./Radkau, Joachim (1981): Deutsche Industrie und Politik von Bismarck bis in die Gegenwart, Reinbek bei Hamburg 1981
  • Huster, Ernst-Ulrich/Kraiker, Gerhard/Scherer, Burkhard/Schlotmann, Friedrich Karl/Welteke, Marianne (1972): Determinanten der westdeutschen Restauration 1945 . 1949, Frankfurt/M. 1972
  • Kleßmann, Christoph (1982): Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955 (= Bundeszentrale für Politische Bildung. Schriftenreihe 193). Vandenhoeck & Ruprecht u. a., Göttingen u. a. 1982, (5., überarbeitete und erweiterte Auflage. ebenda 1991)
  • Kleßmann, Kleßmann (1985): Deutschland nach 1945: Befreiung – Zusammenbruch – Neuaufbau – Restauration [abgerufen: 05.08.2018]

 

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