Die NSDAP und ihre politischen Wegbereiter auf dem Weg zur Diktatur

- Die deutschen Faschisten bilden am 30.1.1933 ihr erstes Kabinett unter Adolf Hitler. Vlnr, sitzend: Hermann Göring, Reichskommissar für Luftfahrt und das preussische Innenministerium, Adolf Hitler, Reichskanzler, Franz von Papen, Vizekanzler stehend: Franz Seldte, Arbeitsminister, Dr. Dr. Günther Gereke, Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Reichsfinanzminister, Wilhelm Frick, Reichsinnenminister, Werner von Blomberg, Reichswehrminister, Alfred Hugenberg, Wirtschafts- und Ernährungsminister 3633-33
(Bundesarchiv, Bild 183-H28422 / CC-BY-SA 3.0)
Die Rolle der ökonomischen Eliten in den Schicksalsjahren 1932/33 aufzuzeigen, bedeutet, die Frage zu beantworten: Wie konnte es dazu kommen?
Der Kapitalismus muss nicht zum Faschismus führen, aber – um ein Wort von Primo Levi zum Holocaust leicht abzuwandeln – bei uns ist es geschehen, und es kann wieder geschehen.
Ulrich Sander: Rüstungsindustrie setzt wieder auf Krieg, in: Ossietzky 10/2022
Machtergreifung – Machtübernahme – Machtübergabe
Detlef Endeward
In der bis heute gültigen sog. „Lehrmeinung“ in Deutschland wird, vor allem gestützt auf die Veröffentlichungen von Henry A. Turner aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Vorstellung zurückgewiesen, dass die Unterstützung durch die deutsche Großindustrie eine Schlüsselrolle im Prozess der faschistischen Machtübernahme gespielt hat. Behauptet wird vielmehr, dass diese erst nach der „Machtergreifung“ – gezwungenermaßen – der NSDAP Folge geleistetet habe. Wobei schon der Begriff „Machtergreifung“ nicht den Tatsachen entspricht, die Macht wurde der NSDAP viel mehr übergeben.
Formaldemokratisch fanden Entscheidungsprozesse in den – gewählten – demokratischen Gremien statt. Doch wie sieht es mit diesen zumindest teilweise offenen Prozessen aus, wenn faktische Machtungleichgewichte die formalen Grundlagen untergraben? Es wird wohl niemand widersprechen, dass in der Endphase der Weimarer Republik die Interessenvertreter der gesellschaftlichen Eliten aus Adel, Militär, Großgrundbesitz und (Groß)Industrie deutlich mehr Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen konnten als die Vertreter der Arbeiterorganisationen.
Das sind eigentlich banale Erkenntnisse, wenn durch die eigenen Wahrnehmungs- und Denkschemata die Augen davor nicht verschlossen würden. Diese Schemata führen dazu, die rechtskonservativen und nationalistischen Organisationen abzugrenzen von der NSDAP und nicht als das zu nehmen, was sie waren – ein demokratiefeindliches Netzwerk unter Einschluss der Faschisten. Und wenn dieser Sachverhalt aufgrund zahlreicher Belege kaum noch zu entkräften ist, hilft es, diese Grupperungen dann als weniger einflussreiche Minderheiten zu kennzeichnen.
Die folgenden Ausführungen müssen unbedingt im Kontext mit den Materialien zum Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie am Ende der Weimarer Republik gelesen werden. Nur vor diesem strukturellen Hintergrund kann das Handeln der Personen historisch bedeutsam eingordnet werden.
Auswahl, Zusammenstellung und Einordnung der Materialien: Detlef Endeward (2021ff)
Die Ausführungen in diesem Bereich stützen sich vor allem auf die Arbeiten von Martin Broszat, Jürgen W. Falter, Kurt Gossweiler, George W. F. Hallgarten, Peter Heller, Ulrich Herbert, Eike Henning, Niels Kadritzke, Reinhard Kühnl, Reinhard Neebe, Kurt Pätzold, Dietmar Petzina, Karl-Heinz Roth, Karsten Heinz Schönbach, Alfred Sohn-Rethel, Dirk Stegmann, Bernd Weisbrod und Klaus Wernecke. (Siehe Literaturangaben)
Die NSDAP und die faschistische Bewegung
- Zur Entwicklung der NSDAP bis 1933
- Die Organisationen der faschistischen Bewegung
- Zur Finanzierung der NSDAP
- Zur Ideologie des Faschismus als Bewegung
- Mitgliederstruktur der Partei vor 1933
- Wähler der Partei und Massenbasis des Faschismus
- Zur Frage der Finanzierung der faschistischen Bewegung
Konservativ-nationalistische Netzwerkstrukturen
- Die konservativen und völkischen Parteien
- Die Rolle des Militärs
- Politische Justiz in der Weimarer Republik
- Netzwerk aus konservativen – nationalistischen – völkischen – faschistischen (Interessen)-Verbänden
- Harzburger Front – Im Gleichschritt zur Diktatur
- Interessenverbände der Wirtschaft und die NSDAP
- Hitlers Kontakte zur Großindustrie
Zur gesellschaftlichen Funktion der faschistischen Massenbewegung
Literatur
Schlüsseldokumente zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert
- Die Hauptresolution der Harzburger Tagung [Harzburger Front], 11. Oktober 1931
- Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen sowie Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-Berlin und Provinz Brandenburg [„Preußenschlag“], 20. Juli 1932
- Adolf Hitler, Rede vor den Spitzen der Reichswehr, 3. Februar 1933
Dokumente im NS-Archiv
-
Treffen zwischen Hitler und von Papen am 4.2.2933 im Haus des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder in Köln (Auszug)
Erklärung unter Eid von Kurt Freiherr von Schroeder -
Hitlers und Görings Ansprachen vor Industriellen im Berliner Reichstagspräsidentenpalais am 20.02.1933
[Auszüge aus einer Mitschrift]
„Das Konzept des „Wegbereiters“ [hat sich] als fruchtbarer Ansatz erwiesen, da die Etablierung des NS-Regimes nur unter der Berücksichtigung all jener Akteure verstanden werden kann, die sich völkischem, nationalem und antisemitischem Gedankengut verschrieben, auch wenn sie selbst nicht Teil der NS-Bewegung waren.“
Aus:
Astrid Mohr, Tagungsbericht: Wegbereiter des Nationalsozialismus: Personen, Organisationen, Netzwerke des völkisch-antisemitischen Aktivismus 1919-1933, In: H-Soz-Kult, 12.04.2014, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-123928>.