Die NSDAP und ihre politischen Wegbereiter auf dem Weg zur Diktatur


Die Rolle der ökonomischen Eliten in den Schicksalsjahren 1932/33 aufzuzeigen, bedeutet, die Frage zu beantworten: Wie konnte es dazu kommen?
Der Kapitalismus muss nicht zum Faschismus führen, aber – um ein Wort von Primo Levi zum Holocaust leicht abzuwandeln – bei uns ist es geschehen, und es kann wieder geschehen.

Ulrich Sander: Rüstungsindustrie setzt wieder auf Krieg, in: Ossietzky 10/2022

Machtergreifung – Machtübernahme – Machtübergabe

Detlef Endeward

In der bis heute gültigen sog. „Lehrmeinung“ in Deutschland wird, vor allem gestützt auf die Veröffentlichungen von Henry A. Turner aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Vorstellung zurückgewiesen, dass die Unterstützung durch die deutsche Großindustrie eine Schlüsselrolle im Prozess der faschistischen Machtübernahme gespielt hat. Behauptet wird vielmehr, dass diese erst nach der „Machtergreifung“ – gezwungenermaßen – der NSDAP Folge geleistetet habe. Wobei schon der Begriff „Machtergreifung“ nicht den Tatsachen entspricht, die Macht wurde der NSDAP viel mehr übergeben.

Formaldemokratisch fanden Entscheidungsprozesse in den – gewählten – demokratischen Gremien statt. Doch wie sieht es mit diesen zumindest teilweise offenen Prozessen aus, wenn faktische Machtungleichgewichte die formalen Grundlagen untergraben? Es wird wohl niemand widersprechen, dass in der Endphase der Weimarer Republik die Interessenvertreter der gesellschaftlichen Eliten aus Adel, Militär, Großgrundbesitz und (Groß)Industrie deutlich mehr Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen konnten als die Vertreter der Arbeiterorganisationen.

Das sind eigentlich banale Erkenntnisse, wenn durch die eigenen Wahrnehmungs- und Denkschemata die Augen davor nicht verschlossen würden. Diese Schemata führen dazu, die rechtskonservativen und nationalistischen Organisationen abzugrenzen von der NSDAP und nicht als das zu nehmen, was sie waren – ein demokratiefeindliches Netzwerk unter Einschluss der Faschisten. Und wenn dieser Sachverhalt aufgrund zahlreicher Belege kaum noch zu entkräften ist, hilft es, diese Grupperungen dann als weniger einflussreiche Minderheiten zu kennzeichnen.

Die folgenden Ausführungen müssen unbedingt im Kontext  mit den Materialien zum Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie am Ende der Weimarer Republik  gelesen werden. Nur vor diesem strukturellen Hintergrund kann das Handeln der Personen historisch bedeutsam eingordnet werden.

Auswahl, Zusammenstellung und Einordnung der Materialien: Detlef Endeward (2021ff)

Die Ausführungen in diesem Bereich stützen sich vor allem auf die Arbeiten von Martin Broszat, Jürgen W. Falter, Kurt Gossweiler, George W. F. Hallgarten, Peter Heller, Ulrich Herbert, Eike Henning, Niels Kadritzke, Reinhard Kühnl, Reinhard Neebe, Kurt Pätzold, Dietmar Petzina, Karl-Heinz Roth, Karsten Heinz Schönbach, Alfred Sohn-Rethel, Dirk Stegmann, Bernd Weisbrod und Klaus Wernecke. (Siehe Literaturangaben)

„Das Konzept des „Wegbereiters“ [hat sich] als fruchtbarer Ansatz erwiesen, da die Etablierung des NS-Regimes nur unter der Berücksichtigung all jener Akteure verstanden werden kann, die sich völkischem, nationalem und antisemitischem Gedankengut verschrieben, auch wenn sie selbst nicht Teil der NS-Bewegung waren.“


Aus:
Astrid Mohr, Tagungsbericht: Wegbereiter des Nationalsozialismus: Personen, Organisationen, Netzwerke des völkisch-antisemitischen Aktivismus 1919-1933, In: H-Soz-Kult, 12.04.2014, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-123928>.

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