Reality-TV

Kommt das Ende des seriösen Journalismus?

Zusammenfassung eines Referats von Prof. Dr. Jo Groebel, Utrecht (1993)

Auf den Bauch gezielt

In der Medienlandschaft, so Groebels einleitende These, finde zur Zeit eine Umwälzung statt. Bisher sei der Journalismus des (öffentlich-rechtlichen) Fernsehens durch zwei Pole gekennzeichnet: Auf der einen Seite stehe der Recherche-Journalismus, der investigativ arbeite und darauf ziele, Hintergründe darzustellen, um so der Wahrheit nahezukommen. Auf der anderen Seite gebe es den Botschaften-Journalismus, der mit seiner Berichterstattung eine gesellschaftliche Aufgabe erfülle und auch die Frage nach der politischen Opportunität stelle.
Nun sei ein dritter Pol entstanden: Reality-TV, ein Journalismus, der den Markterfolg als oberstes Kriterium begreif. Auch im Informationsbereich laute die Frage nun weder: „Was ist wichtig?“ noch „Was hat wichtig zu sein?“. Die neue Frage heißt: „Was kommt am besten an?“ Dieser Journalismus appelliert nicht mehr an den Kopf, sondern an den Bauch des Zuschauers.

Die Form bestimmt den Inhalt

Bei seinem Definitionsversuch erläuterte Groebel einige Kriterien, die für diese Form des Journalismus kennzeichnend seien: Reality-TV sei erlebnisorientiert. Typisch seien dabei nachgespielte Szenen, also fiktive Elemente, die dort eingefügt werden, wo Realbilder nicht zur Verfügung stehen. Häufig genutzt würden auch Amateurvideoaufnahmen, um den Eindruck der Authentizität zu erwecken. Die bevorzugten Berichtsgegenstände reichten von Katastrophen über Unfälle, bis zum Ablauf von Hilfs- und Rettungsmaßnahmen, die unter dem Deckmantel der belehrenden Darstellung und Anleitung zum richtigen Verhalten in Notsituationen präsentiert würden. Typisch für alle unterschiedlichen Formen und Inhalte sei stets: Die Form bestimmt den Inhalt. Nicht Relevanz sondern die Dramatik und Eignung zur emotionalisierenden Darstellung entscheide.

In einer gemeinsamen öffentlichen Veranstaltung der IAK mit dem ORF im Landesstudio Steiermark präsentierte der Medienforscher Prof. Dr. Jo Gröbel Analysen und Thesen zum Phänomen des sogenannten Wirklichkeitsfernsehens. Der vorliegende Text ist eine Zusammenfassung seiner Ausführungen im IAK-Kurier 1993/2

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