Der Heimatfilm: Sehnsucht nach Geborgenheit

Das erfolgreichste Genre bis in die 60er Jahre hinein – am Publikums- und Kassenerfolg gemessen – war der Heimatfilm mit 24% der westdeutschen Gesamtproduktion zwischen 1949 und 1964. (1) Prototyp für das Genre war Grün ist die Heide (Hans Deppe, 1951).

Der charakteristische Unterschied zu Vorformen des Heimatfilms (…) besteht in der Einführung des Flüchtlingsmotivs. Mit dem immer ähnlichen Muster der Flüchtlingsintegration wurde im Film die zeitgenössische Geschichte uminterpretiert: die »Ostflüchtlinge«, die ihre Heimat verloren haben, sind Opfer, die nicht näher bekannten Täter konnte jeder assoziieren, zumal wenn in den Filmen die Flüchtlinge in heimischer Tracht und mit den Symbolen Schlesiens oder Pommerns auftraten. Die Einheimischen in einem Bergdorf, im Schwarzwald oder in der Lüneburger Heide haben im Film das Verdienst, die Heimatlosen nach Verwicklungen mit meist kriminellen Fremden bei sich aufzunehmen. Diese Interpretation hat mit der extrem schwierigen tatsächlichen Aufnahme der Flüchtlinge, die von den Einheimischen häufig als »Polacken« beschimpft wurden, nichts zu tun. Der Zusammenhang zwischen der historischen Situation und den Bildern besteht darin, daß das Opferbewußtsein der Flüchtlinge übernommen werden konnte und zugleich die Täter mit der Unterdrückungsmacht im Osten assoziiert wurden, während die Einheimischen das Verdienst der selbstlosen Hilfe hatten. So gesehen war der Heimatfilm für die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre funktional im Sinn von Stabilisierung.

(1) Martin Osterland: Gesellschaftsbilder in Filmen. Eine soziologische Untersuchung des Filmangebots der Jahre 1949-1964, Stuttgart 1970


Aus: Irmgard Wilharm: Die verdeckten Spuren des Kalten Krieges im deutschen Unterhaltungsfilm. In: Deutsches Historisches Magazin, Heft 5, 2. Jg. 1992,  S. 14/15

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