Widersprüche und Dynamik der Klassenverhältnisse
Die Klassengesellschaft des Kaiserreichs war von strukturellen Widersprüchen geprägt:
- Industrialisierung vs. Feudalismus – die hochentwickelte Industrie stieß auf einen Staat, der von feudalen Traditionen dominiert blieb.
- Bourgeoisie vs. Proletariat – der grundlegende Antagonismus der kapitalistischen Produktionsweise verschärfte sich durch die soziale Not der Arbeiterklasse.
- Demokratisches Wahlrecht vs. obrigkeitsstaatliche Verfassung – die politische Form verhinderte eine tatsächliche demokratische Machtübernahme durch die Mehrheit.
Diese Widersprüche erzeugten Spannungen, die sich in sozialen Konflikten, Streiks, politischen Krisen und letztlich im Ersten Weltkrieg entluden.
Die Klassengesellschaft des Kaiserreichs lässt sich aus marxistischer Perspektive als hybride Formation begreifen: Einerseits hochentwickelter Kapitalismus, andererseits feudale Rückständigkeit. Diese Kombination führte zu einer spezifischen politischen Konstellation, in der die Bourgeoisie ökonomisch dominierte, aber politisch im Bündnis mit dem Junkertum agierte.
Die zentrale Dynamik war der wachsende Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Trotz Repression und Integration gelang es der Arbeiterbewegung, zu einer mächtigen Kraft zu werden. Der Staat diente als Instrument zur Stabilisierung der herrschenden Klassen, konnte die strukturellen Widersprüche jedoch nicht dauerhaft auflösen.
Die ökonomische Expansion, die kulturelle Hegemonie, der Militarismus und der Imperialismus waren Versuche, diese Widersprüche hinauszuschieben – sie führten jedoch letztlich in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs und zur revolutionären Krise 1918/19.