Wirtschaftliche Entwicklung in den Nachkriegsjahren

Wenig hoffnungsvoll…

Chef der Provinzialmilitärregierung, Brigadier Lingham, im November zur wirtschaftlichen Situation in Niedersachsen

“Es herrscht ein derartiger Mangel an allen lebenswichtigen Gütern, daß der Schatten einer Katastrophe sich drohend am Horizont abzeichnet. (…) Es wird keine Kohle für den privaten Haushaltsverbrauch geben und nur sehr beschränkte Mengen für öffentliche Dienste und lebenswichtige Betriebe. (…) Das bedeutet ferner, daß der Stromverbrauch in Privathäusern auf das Äußerste eingeschränkt wird. (…) Was Treibstoff anbetrifft, so hoffen wir, bei größter Sparsamkeit genügende Mengen zur Verfügung zu haben, um den dringendsten Bedarf zu decken. (…) Auf dem Gebiete der Ernährung werden wir uns glücklich schätzen können, wenn es uns gelingen sollte, die gegenwärtig schon unzureichenden Lebensmittelrationen beizubehalten. (…) Die Wiederherstellung beschädigter Häuser muß unermüdlich betrieben werden. Wir können in dieser Beziehung niemals genug tun.“

Aus: HSIA Hannover, Hann.80 Lbg. III XXIX 516. Zitiert nach:

Zur Situation der niedersächsischen Wirtschaft nach dem Krieg

Eine Nachkriegsbilanz der niedersächsischen Wirtschaft… kann noch nicht gegeben werden, weil eine Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Werte Niedersachsens bei dem außerordentlich starken Fluß der Entwicklung noch nicht möglich war, und weil die Höhe der aus dem Krieg herrührenden Lasten noch nicht abzusehen ist. Allgemein kann nur festgestellt werden, daß die durch den Krieg verursachte Vernichtung wirtschaftlicher Werte in Gestalt von industriellen Anlagen, Werkstätten, Wohn- und Betriebsräumen, Warenvorräten und Verkehrseinrichtungen innerhalb des nach dem Krieg neu geschaffenen ,,Landes Niedersachsen“ nicht so groß ist, wie unmittelbar nach Kriegsschluß auch im Anblick unserer ausgebombten Städte… angenommen werden mußte. In den Trümmern dieser Bombenstädte – auf den Kopf der Bevölkerung entfallen in Hildesheim: 20,8, in Braunschweig: 15,3, in Hannover: 14,9 cbm Trümmer – schien zunächst jedes Leben erstorben und kaum noch ein Ansatzpunkt für eine sinnvolle wirtschaftliche Tätigkeit gegeben zu sein. (…)

Neben den Zentren der Vernichtung, an denen noch künftige Generationen die Wucht eines „totalen“ Krieges ablesen können, ist das Gros der niedersächsischen mittleren und kleinen Städte, der Dörfer und Flecken von der unmittelbaren Wirkung des Zweitet Weltkrieges verschont geblieben. Städte wie Oldenburg, Stade, Lüneburg, Verden, Göttingen, um nur die wichtigsten zu nennen, sind entweder heil durch den Krieg gekommen oder wurden – ähnlich wie vereinzelte Dörfer – nur unwesentlich durch Bomben und Artilleriebeschuß in Mitleidenschaft gezogen. Sie bilden, nicht zuletzt von der gewerblichen Wirtschaft aus gesehen, wertvollste Ansatzpunkte für den weiteren Ausbau einer breitgestreuten Industrie, die in ihrer Mannigfaltigkeit schon immer neben einer hochentwickelten Landwirtschaft das Rückgrat der niedersächsischen Wirtschaft bildete und durch den Zuzug aus den östlichen Gebieten Deutschlands eine für die Zukunft nicht unwesentliche Bereicherung erfahren hat.

Angegriffene Substanz. Wenn der Zweite Weltkrieg nicht so verheerend über die niedersächsische Wirtschaft hinweggegangen ist, wie die ersten Erhebungen nach dem Abschluß der Feindseligkeiten befürchten ließen, so muß doch hervorgehoben werden, daß in der wirtschaftlichen Gesamtsubstanz unseres Landes mit schweren Einbußen zu rechnen ist. Die industriellen und handwerklichen Betriebe wurden durch die Überbeanspruchung des Krieges samt und sonders einem weit stärkeren Verschleiß unterworfen als bei einer normalen Ausnutzung. Notwendige Reparaturen und Neuanschaffungen mußten aus Mangel an Material, Arbeitskräften und Bezugsmöglichkeiten unterbleiben. Die technischen Einrichtungen zahlreicher Betriebe sind deshalb weitgehend überaltert und bedürfen einer gründlichen Überholung und Erneuerung. Die von den Siegermächten geforderte Demontage hat weitere Substanzverluste im Gefolge. . . .

 

Aus: Firmenhandbuch Niedersachsen und Land Bremen, Hannover 1948 (Auszüge)

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