Wege im Zwielicht (1948)

Inhalt

Drei heimatlose Jugendliche geratenim kriegszerstörten Hannover in den Verdacht, am Tod eines Schwarzmarktschiebers schuld zu sein. Lukas, kommissarischer Bürgermeister in einem Heidedorf, ist zufällig Zeuge des tragischen Ereignisses und erkennt die Unschutd der Jugendlichen. Er gibt den Jungen Leuten die Chance auf einen Neuanfang in seinem Dorf und muss dabei selbst Opfer bringen.

Arbeitstitel: SOLANGE DAS HERZ SCHLÄGT; EIN BESSERES LEBEN

Regie: Gustav Fröhlich
Buch: Robert A. Stemmle
Regieassistenz: Walter Fredersdorf
Kamera: Franz Weihmayr
Kameraassistenz: Heinz Pehlke, Walter Schenk
Bauten: Erich Grave
Maskenbildner: Herbert Griesner
Schnitt: Walter Fredersdorf
Ton: Werner Kobold
Musik: Wemer Eisbrenner

DarstellerInnen:
Gustav Fröhlich (Otto Lukas)
Johanna Lepski (Edith Siems)
Sonja Ziemann (Lissy Stenzel)
Benno Sterzenbach (Stefan Korb)
Gert Schäfer (Peter Wille)
sowie AIfred Lauflrütte, Axel Scholz, Hubert Endlein, Peter A. Horn

Produktion: Junge Film-Union, Rolf Meyer, Hamburg
Erstverleih: Schorcht-Filmgesellschaft mbH. (West-Berlin/Wiesbaden/München/Frankfurt/Düsseldorf/Hamburg)- Sovexport- Film GmbH. (Ost-Berlin/ Ostdeutschland)
Produktionsleitung: Willi Wiesner
Aufnahmeleitturg: Adolf Essek, Georg Mohr
Drehzeit: August – Oktober 1947
Außenaufnahmen: Hannover, Umgebung von Celle
Länge: 2450m (Westall. Militärzensur): 90 Min.
2418m (Sowjet. Militiirzensur): 89 Min.
Zensurdatum : März 1948 (Westalliierte Militärzensur), 24.10.19 48 (Sowjet. Militärzensur)
Uraufführung: 9.4.1948, Hannover, Palast-Theater; Berlin-West 27.08.1948/Berlin-Ost 9.5.1948
Austauschfilm der Defa: DIE SELTSAMEN ABENTEUER DES FRIDOLIN B.

Verletzungen, Verluste, Erfahrungen: Generationen im Konflikt

Bettina Greffrath (1993)

Das Bild zeigt einen Mann mittleren Alters von vorn (sozusagen dem Betrachter gegenüber). Er trägt einen Anzug und einen Hut, unter dem man eine (zur Hälfte blinde) Brille ahnt. Ihm gegenüber‘, von hinten gezeichnet, steht ein jüngerer Mann mit langem lockerem Haar, in formlosem Hemd und Hose. Das Bild vermittelt das Gefühl, hier handelt es sich um eine Konfrontation, um ein Duell zwischen zwei sehr ungleichen Kontrahenten.

Mit diesem gezeichneten Bild warb der Verleih 1948 für den Film WEGE IM ZWIELICHT 1) (britische Lizenz; Regie: Gustav Fröhlich; Uraufführung: 9.4. 1948). Durch eine Überblendung von den Titelbildern führt der Film den älteren der beiden Männer ein. Zu sehen ist er in einer düsteren Umgebung, auf dem Bahnhof von Hannover: Otto Lukas, gespielt von Gustav Fröhlich, Frauenheld-Typ des deutschen Unterhaltungsfilmes, tupft sich eine für den Kinozuschauer zunächst unsichtbare – noch nicht verheilte (!) – Wunde mit einem Tuch. Die Inhaltsangabe des Schorchtfilm-Verleihs kennzeichnet Lukas als Person in seinem Verhältnis zu den jungen Leuten, die er kurze Zeit später in den Ort holen wird, in dem er Bürgermeister ist:

„Auch er war im Krieger. Er ist schwer gezeichnet wiedergekehrt und versteht die Jungens in ihrer Not und ihrem Trotz. Und er gibt ihnen eine Chance allen Forderungen des Gesetzes zum Trotz.“ 2)

Bürgermeister Lucas will den Jungen, die („unschuldig“) von der Polizei verfolgt werden, helfen. Er versucht, ihnen auch die Erfahrung sinnhafter Arbeit zu vermitteln. Sie sollen eine zerstörte Brücke wieder aufbauen. Doch zunächst kommt es zwischen Stefan (Benno Sterzenbach), dem ältesten und intellektuell wirkenden unter den Jungen (er wollte Bauingenieur werden) und Otto Lukas zum verbalen show-down.

Bereits ein zeitgenössischer Kritiker empfand „die Dialoge konstruiert, die Anklage der jungen Leute papiern“ 3) Auf mich wirken sie tatsächlich – zumindest was den Part des Stefan anbelangt – wie auswendiggelernt. Die Reaktionen des Bürgermeisters werden in ihrer geradezu sinnentleerten Abstraktheit von einem der Jugendlichen, Peter (Gert Schäfer), am Ende des im Folgenden wiedergegebenen Dialogs m.E. zutreffend kommentiert:

(Stefan, aggressiv) Ich meine, haben Sie sonst einen praktischen Rat zur Hand, so wie in Euren Zeitungen?
(Lukas) Was heißt denn das „Ihr“ und „Eure“?
(Stefan) „Ihr“, das seid Ihr, die Älteren. Ihr solltet lieber schweigen und zurückdenken und nachdenken.
(Lukas) Über was?
(Stefan) Sehen Sie mal, uns beide! Sie sind älter, ich weiß nicht, wie alt Sie sind, aber Sie gehören mit zu denen, die sehenden Auges den Karren in den Dreck gefahren haben. Wir konnten das damals ja nicht wissen, wir waren ja kleine Jungs! Und was ist nun? Sie sitzen schon wieder in Ihrem Amt. Bürgermeister! Passen auf Ordnung auf. Und ich, wir?! Wir können verfaulen, kein Start, kein Ziel, Ausschuß! Gleich zu Anfang verbraucht.
(Lukas) Sie sehen das alles viel zu primitiv.
(Stefan) Aber deutlich.
(Lukas) Stefan Kolb, Irrtümer werden gebüßt.
(Stefan) So!? Irrtümer, die ich nicht begangen habe?
(Lukas) Was hat das für’n Zweck? Jetzt rade zu brechen? Auszuknobeln, wer die eigentliche Schuld hat?! Wir müssen neu anfangen. Alle! Wer nicht anfängt, wird nicht fertig, Kolb!
(Peter) Achtung: Jetzt kommt’s! Die Kalenderverse kenn ich: irgendetwas tun ob man nichts gelernt hätte – Arme gebrauchen – – mit Schippe und Spaten – – usw. Frisch zugepackt, fanget an rätätätäääää! „4)

Der weitere Handlungsverlauf setzt jedoch Peter und damit zugleich seine Kritik deutlich ins Unrecht. Peter erscheint haltlos und leicht amoralisch, nicht ohne „guten Kern“, aber doch leichtsinnig und -lebig. Er wird sich als einziger am Ende des Films seiner Verhaftung entziehen (weil er so einiges „auf dem Kerbholz“ hat).

Stefan, der aggressive Ankläger dieser Szene, entscheidet sich bereits Minuten später dafür, die Brücke zu bauen. Er bestätigt damit indirekt Lukas‘ Position: Der Neuanfang scheint drängender, notwendiger als das Nachdenken über Verantwortung und Schuld für die Ereignisse und Taten im Dritten Reich. Lukas wehrt sich nicht nur, in irgendein Kollektiv („Ihr“) eingeschlossen zu werden. Er formuliert es absolut: In dieser Situation sei die Suche nach den „eigentlich“ Schuldigen sinnlos.

Indirekt und auf doppelbödige Weise bestätigt wird diese Haltung, die Abwehr von Vergangenheit und der Versuch eines quasi voraussetzungslosen Neubeginns, auch durch den weiteren Verlauf der Handlung. Sarkastisch kommentiert der oben zitierte Kritiker diese Wendung:

„Bis zu diesem Punkt hat der Zuschauer noch Hoffnung auf eine erträgliche Story, (…). Nun aber tritt ‚das Weib‘ ins Bild… um das einer der jungen Burschen und der kriegsversehrte Bürgermeister rivalisieren. “ 5)

Die Inhaltsangabe des Schorchtfilm-Verleihs formuliert dagegen milde-rücksichtsvoll:

„Der junge Bürgermeister riskiert alles, als er die Jungens schützt. Seine Position, sein Ansehen bei den Leuten. Aber dieses Wagnis verlangt noch mehr von ihm, er muß auch opfern. Er hat einen guten Kameraden, ein Mädchen, das wie er in dieses Dorf verschlagen wurde und als Assistentin bei dem Dorfarzt arbeitet. Um dieses Mädchen wirbt der Mann in scheuer Behutsamkeit, wobei ihm seine Kriegsverletzungen noch größere Zurückhaltung zu gebieten scheinen. Und er kann es nicht verhindern, daß zwischen dem Mädchen und dem Ältesten der Jungens eine große leidenschaftliche Liebe ersteht, die noch von seiner eigenen Lauterkeit, die die jungen Menschen nicht kränken wo11en, überschattet wird.“ 6)

Sieht man den Film, so kann mindestens auf der Seite des jungen Mannes von dieser angeblichen Rücksichtnahme kaum die Rede sein. Stefan scheut sich nicht, mit allen möglichen Tricks, ein Rendezvous von Edith zu ertrotzen. Als sich Edith Siems (Johanna Lepski), die Frau, um die es geht, offenbar für den kriegsversehrten Lukas entschieden hat, sagt Stefan Lukas (der ihm immerhin gerade ein Stipendium für die Bauhochschule vermittelt hat) mit aller Brutalität seine Meinung:

(Stefan) (…) Das Mädel hat sie gewählt, aber nicht freiwillig!
(Lukas) So? Niemand und nichts zwingt sie dazu.
(Stefan) Doch, etwas zwingt sie dazu.
(Lukas) Das wäre?
(Stefan) Mitleid, Herr Lucas. Ja, Mitleid, nichts anderes als Mitleid. Sie hat vielleicht Recht, Sie verdienen sie vielleicht viel mehr als ich. Wer bin ich denn schon? Aber trotzdem, wenn ich wollte und wenn ich auf der Stelle hinginge und sagte: Edith, belüg Dich nicht selber!
(Lukas) Was gibt Ihnen das Recht, so zu reden?
(Stefan) Als Verlierer nehm ich mir das Recht, Herr Lukas. Wenn ich sagen würde: Komm mit Mädel, es wird verdammt schwer werden, bis ich Boden unter den Füßen habe, aber ich hab Dich lieb – sie würde kommen, ganz bestimmt würde sie. Sie wartet ja bloß darauf, das weiß ich, das fühl ich.
(Lukas) Schweigen Sie!
(Stefan) Ja, es ist hart, aber es ist die Wahrheit. Als Sie neulich nachts dazukamen, im Garten drüben, da hatte ich ihr alles gesagt. Da hatte ich sie gerade geküßt. Und sie hat sich nicht gewehrt. “ 7)

Otto Lukas schlägt Stefan nieder, dabei fällt seine Brille herunter. Das Bild zeigt Stefans entsetztes Gesicht beim Anblick von Lucas zerstörtem Auge. Später wird Otto Lukas verzichten. Bei einem letzten Zusammentreffen mit Edith Siems beruhigt er ihr schlechtes Gewissen mit einer Lüge: Man habe die Adresse seiner verschollenen – in Wahrheit toten – Frau ermittelt. „Selbstverständlich“ will dieser Mann kein Mitleid.

Otto Lukas gehört zur kleineren Gruppe der Männer mittleren Alters in den untersuchten Filmen (der Darsteller Gustav Fröhlich war zur Zeit der Produktion 45 Jahre alt). Es dominieren Kinder und Jugendliche unter den männlichen Figuren, die Generation bis etwa 30 Jahre.

Interessanterweise konnte man sich in der Inhaltsangabe des Verleihs nicht zu einer eindeutigen Kennzeichung dieser Figur durchringen. Diese bezeichnet ihn einmal als „ein Älterer“ und einmal als „der junge Bürgermeister“. In seiner eindeutigen Liebeserklärung an Edith Siems kennzeichnet Lucas sich im Film so:

„Ich sehe Sie doch seit Monaten genau so solo hier herumkrebsen, wie ich das tue. Ja, Fräulein Siems, allzu viel hab ich nicht zu bieten. Das ist vielleicht zeitgemäß. Ein Mannsbild in den besten Jahren, allerdings etwas beschädigt, dafür ein großes Vermögen an Optimismus und vielleicht in der Zukunft eine kleine eigene Wohnung. Ja, und das Wichtigste: ich hab Sie wirklich sehr, sehr gern, Fräulein Siems! Bitte, Sie brauchen nicht gleich zu antworten. “ 8)

Edith antwortet zwar etwas steif, aber durchaus nicht ohne Gefühl, wenn auch (wie es in der Inhaltangabe heißt) als „guter Kamerad“: „Ich hab Dich auch sehr gern.“

Diese Szene Iiegt unmittelbar vor dem ersten Zusammentreffen von Lukas und der Gruppe um Stefan. Was zieht Edith später jedoch an dem noch sehr jungenhaften und zugleich aggressiv verbitterten Stefan an? Zwei kurze Ausschnitte aus einem Gespräch zwischen Stefan und Edith bauen hier die innere Begründung der sehr plötzlich und dann mit Rücksicht auf Lucas noch einmal verzögert eintretenden Hinwendung zu Stefan auf:

(1. Ausschnitt – das Gespräch findet nachts im Garten um Ediths Haus statt. )
(Stefan) (…) Wir sind keine Verbrecher, unser Pech ist bloß, daß wir am Leben geblieben sind.
(Edith) Mein Gott, wie alt sind Sie eigentlich?
(Stefan) 27 und nichts für die Unsterblichkeit getan!
(Edith) Ja, warum tun Sie denn dann jetzt nichts? Sie können doch nicht immer so weiterleben und warten, was kommt oder nicht kommt, bis es zu spät ist. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Lukas! Wenn Sie denken, wie’s dem reingehagelt hat! Aber tut der nicht sein Teil, unermüdlich?
(Stefan) Der hat ja auch jemand, der ist nicht allein!
(Edith) Sind Sie ein Mann oder sind Sie ein Kind?
(Stefan) Kind mit Stoppelbart!“ 8)

Dazwischen geschnitten ist eine Sequenz, die Lucas beim Arzt zeigt, der seine Gesichtsverletzung behandelt. Der Arzt sagt: „In 10 Tagen bietest Du wieder einen erträglichen Anblick für Frauenzimmer, wenigstens im Gesicht. “ Über die Schwere von Lucas sonstigen Verletzungen wird der Zuschauer nicht informiert, sein schleppender Gang und diese Andeutung lassen jedoch Ahnungen und Phantasien zu.

 2. Ausschnitt:
(Stefan) Ich habe oft darüber nachgedacht, so’n Leben (im Dialogprotokoll ausgelassen: ‚bloß mit Männern und so‘) das kann bestimmt schön werden, aber was ich seit der Schule hinter mir habe, das war ein Bunkerleben, seelisch und körperlich und dann kam das große Nachhausegehen (ausgelassen! ‚Und da war das wirkliche Leben – kein schönes, aber doch…‘ Undeutlich, etwa. ‚Man läuft drin ‚rum (deutlich:) wie ein Fremder. Man spricht die Sprache nicht.) – Man könnte heulen, wenn man sieht, was man verloren hat!
(Stefan ist während dieser Worte aufgestanden und hat sich damit von der einzigen Lichtquelle dieser Szene, einer Tischlampe entfernt. Er läuft in Halbdunkel hin und her.)
(Edith) Wenn alle so denken wie Sie, dann werden wir ewig im Unglück bleiben.
(Stefan) Sie könnten mir helfen.
(Edith, steht auf und geht zu Stefan. Sie faßt ihn an den Armen, später auf die Schultern.) Was kann ich tun, wenn Sie mutlos und verzweifelt sind? (Die beiden stehen sich jetzt ganz nah gegenüber, die Kamera erfaßt sie in einer halbnahen bis nahen- für Liebesszenen typischen – Einstellung, die Musik steigert sich, gefühlsschwere Streicher)
(Stefan) Ich brauche einen Menschen, verstehen Sie nicht? Dann habe ich wieder Kraft. Ich brauche Sie. Ich weiß, daß alles gut werden kann, wenn Sie bei mir bleiben. Seit dem ersten Tag weiß ich das.
(Edith) Sie sind wirklich noch ein großer Junge, Stefan Kolb!
(Stefan reißt Edith an sich und küßt sie heftig.- Großaufnahme – Edith erwidert den Kuß. Lucas kommt hinzu.)“ 9)

Kurz nach dieser Sequenz sehen wir, wie Edith, erregt auf Lucas schleppenden Gang lauschend, ihre Koffer packt. Lucas erklärt ihr, er wolle sie mitnehmen10), auch wenn er noch nicht wisse, ob seine Frau wiederkomme, er liebe sie, alles andere sei „Vergangenheit, unvergessene Vergangenheit“. Daraufhin bleibt Edith

Später trifft die Dreiergruppe noch einmal zusammen (Stefan; Edith und Lucas Arm in Arm, sie wollen ausgehen). Auf Ediths Bitte an Stefan, er solle sie doch nicht mehr nachts aufsuchen, das habe keinen Zweck, und die Leute redeten schon, reagiert Stefan verbittert. Das hätte er sich ja denken können, daß sie einen solchen „gesetzten Herren“ so einem schwarzen Schaf, wie er es sei, vorziehe. Stefans Haltung, seine zittrige Stinrme, seine ruhelosen Bewegungen bei diesen Sätzen, vermitteln zusammen mit der Aufgeregtheit und seiner rücksichtslosen Härte in der oben beschriebenen Auseinandersetzung mit Lucas das Gefühl: Hier verliert einer den berühmten „letzten Strohhalm“, an den er sein Leben gehängt hat.

Bei Edith haben gerade diese Signale gewirkt. Ihre Entscheidung für einen dieser Männer, wie sie auch fällt, ist in jedem Fall eine für einen Bedürftigen. Doch wählt sie nicht den Tüchtigen, Tatkräftigen, der ihr sagt: ‚Ich liebe dich.‘

Edith hängt an dem, der sagt: ‚Hilf mir, ich bin krank, ich brauche dich.‘ Sie hängt an dem, der ihr mit Worten, Gesten, Handlungen zeigt – wenn du mir hilfst, kann dieses Leiden heilen, ich kann wieder stark und gesund werden, mich entwickeln und wachsen. Von der in der Inhaltsangabe beschworenen „leidenschaftlichen Liebe“ ist im Film, sehen wir von der einen Kußszene ab, nichts zu sehen und zu spüren. Hier geht es für die Frau um die Entscheidung für den, der mehr ihrer mütterlichen Liebe bedarf, und für die Männer darum, einen Lebenssinn und eine Stütze zu gewinnen.

Die junge Frau ist eine Krankenschwester 11). Mehrmals sehen wir sie Lucas‘ Wunde abtupfen. Sie entscheidet sich bewußt für den Unreifen, der sein Leben in der Nachkriegszeit allein nicht zu bewältigen vermag. Edith stellt ihre Stärke und Souveränität in den Dienst des seelisch Verletzten. 12)


Anmerkungen

  1. Titelseite des Werbeprospekts der Schorchtfilm, DIF
  2. Materialsammlung DIF
  3. Die Neue Zeitung, zitiert aus einer Zusammenstellung verschiedener Kritikenausschnitte in TD, 10.9.1948/DIF
  4. DialogprotokolI der Produktionsfirma Jung Film-Union. Aus: Nachlass der Junge Film-Union, a.a.O., S. 13 (3. Akt, Nr. 32-42). Dialognummern hier weggelassen, Anpassungen der 0rthographie von mir
  5. TD, 10.9.1948
  6. DIF, Orthographie wie im Original
  7. DialogprotokolI, a.a.O., S. 30 (5. Akt, Nr. 15-23). 0rthographie wie im Original
  8. DialogprotokolI, a.a.O., S. 21 (3. Akt, Nr. 222-228).
  9. DialogprotokolI, a.a.O., Ergänzungen nach eigenem Filmprotokoll in Klammern
  10. … in die Stadt, in der er seinen Verlag wiedereröffnen wolle…
  11. … in diesem Film auch beruflich
  12. … wie am Anfang unserer Untersuchungsperiode Susanne Wallner in DIEMÖRDER SIND UNTER UNS. Erst 1949 in DIE NACHTWACHE sehen wir in der von Luise Ulrich gespielten Cornelie eine starke Frauenfigur, der dieser ‚Dienst am bedürftigen, hilflosen Mann‘ verweigert wird: Pastor Heger findet selbst seinenbFrieden in seiner Beziehung zu Gott und in seinem eigenen pflegenden und heilenden Dienst am Menschen.

Auszug aus: Bettina Greffrath: Verzweifelte Blicke, ratlose Suche, erstarrte Gefühle, Bewegungen im Kreis. Spielfilme als Quellen für kollektive Selbst- und Gesellschaftsbilder in Deutschland 1945-1949. Diss. Universität Hannover 1993, S.

 

Ende des Zweiten Weltkrieges und der Naziherrschaft sowie die damit verbundene Machtübernahme der Alliierten in Deutschland dar. In filmpolitischer und filmökonomischer Hinsicht war es tatsächlich eine Stunde Null. Das Filmvermögen des NS-Staates (im sog. UFI-Staats-Konzern war praktisch das gesamte Filmwesen zusammengeschlossen), dieses Filmvermögen war komplett beschlagnahmt und stand zumindest in den Westzonen Deutschlands für einen Neuanfang bis zu Beginn der 50er Jahre nicht zur Verfügung. Hier musste buchstäblich von vorn angefangen werden. Dabei erfolgte der Neuaufbau der deutschen Filmwirtschaft getrennt in den jeweiligen Besatzungszonen. Im Folgenden werde ich mich auf die britische Zone bzw. die Bi-Zone beschränken.

Wenn über die ersten Jahre nach 1945 im Bereich des deutschen Filmwesens gesprochen wird, dann fällt in der Regel der Begriff „Lizenzzeit„. Diese dauerte formal bis zum Sommer 1949: Solange benötigte man für alle Tätigkeiten auf dem Gebiet der Filmproduktion, des Filmverleihs und der Filmvorführung eine alliierte Lizenz. Alle Beteiligten vom Beleuchter bis zum Nebendarsteller brauchten zumindest eine Bescheinigung, dass sie politisch unbelastet waren. Ab 1947, als die westdeutsche Filmproduktion merklich in Gang kam, war die Lizensierungspraxis allerdings nicht mehr besonders streng.

Von Bedeutung war, dass Lizenzen für die Filmproduktion, ähnlich für Filmverleih und Theaterbetriebe, in den Westzonen nur an einzelne Personen vergeben wurden, nicht an Gesellschaften, Konzerne usw. Die Alliierten wollten damit verhindern, dass sich im Filmbereich neue Machtzusammenballungen ergaben, wie sie die UFA bzw. der UFI-Konzern im NS-Staat gewesen waren. Die Folge dieser Filmpolitik war eine Zersplitterung der westdeutschen Filmproduktion: Es entstanden viele kleine, in der Regel kapitalschwache Filmfirmen, von denen die meisten nicht einmal den ersten Film fertigstellen konnten. Als Produzenten firmierten oft die Filmschaffenden selbst, die von kaufmännischen Dingen kaum etwas verstanden.

Hinsichtlich der Themen und Stoffe der „neuen“ deutschen Filme machten die Westalliierten lediglich die Vorgabe, dass keine nazistischen, militaristischen usw. Filme gedreht werden dürften sowie solche, die die Besatzungsmächte kritisierten oder gegeneinander aufbringen könnten. Letzteres ist auch der Grund dafür, dass in deutschen Nachkriegsfilmen – anders als etwa in den amerikanischen Filmen, die auf deutschem Boden spielen, – erst gar keine Besatzungssoldaten auftauchen.

Um Verstöße gegen die alliierten Verordnungen auszuschließen, gab es eine Vorzensur auf Basis eines Drehskriptes bzw. Drehbuchs und eine Endzensur des fertiggestellten Films. Die Vorzensur wurde auch damit begründet, dass man das ohnehin knappe Rohfilmmaterial – mit dem die alliierten Dienststellen die deutschen Produzenten wenigstens teilweise versorgten – nicht für Projekte verschwenden dürfte, die dann später nicht genehmigt wurden. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass die angloamerikanischen Kontrolloffiziere bei ihrer Auswahl zeitnahe Stoffe bevorzugten gegenüber historischen oder sogenannten eskapistischen Stoffen.

Eine der ersten Produktionslizenzen zur Filmherstellung in der Britischen Zone erhielt der Drehbuchautor Rolf Meyer. Er gründete am 1. April 1947 die „Junge Film-Union“ in Hamburg mit einer Nebenstelle in Bendestorf in der Nordheide, wohin der Hauptsitz bald verlegt wurde. Diese Firma realisierte im Sommer/Herbst 1947 „Wege im Zwielicht“ als ihren zweiten Spielfilm. Insgesamt stellte die Firma bis zu ihrem Konkurs im Jahre 1952 19 Spielfilme her, darunter den Skandal-Film „Die Sünderin“ aus dem Jahre 1951.

Die Fertigstellung eines Spielfilms im Jahre 1947, das hieß nicht nur die politischen Hürden überwinden (Lizenz, Vorzensur, Endzensur), sondern auch die schwierigen materiellen Bedingungen meistern. Filmateliers standen zu dieser Zeit nicht zur Verfügung, jedenfalls nicht in der britischen Zone. So wich man für die Innenaufnahmen beispielsweise in den Tanzsaal einer Dorfgaststätte aus (wie im ersten Spielfilm der JFU) oder drehte im Fall von WEGE IM ZWIELICHT im Bahnhofsbunker in Hannover und im Kloster Wienhausen bei Celle. Es gab häufige Stromunterbrechungen und zum Filmdrehen braucht man viel Licht – damals noch mehr als heute. Gedreht werden konnte daher, wegen der besseren Stromversorgung, oft nur nachts. Filmausrüstungen und Rohfilmmaterial waren äußerst knapp und mussten wenigstens zum Teil „organisiert“ werden, wie es hieß, genauso wie beispielsweise die für den Bau von Dekorationen und Kulissen dringend benötigten Nägel, die nicht selten aus Weidezäunen entwendet wurden. Demgegenüber spielten die notwendigen Geldmittel zur Filmproduktion in der Vorwährungsreformzeit nur eine untergeordnete Rolle, da die Reichsmark weitgehend wertlos geworden war.

Bis zur Währungsreform waren Angebot und Nachfrage auf dem Filmmarkt für neue deutsche Filme kein großes Problem. Zwar dominierten von Anfang an die ausländischen Filme, zunächst oft zweitklassige Streifen, und  – vor allem in der ersten Zeit – die deutschen Reprisen (Wiederaufführungen alter deutscher Filme, die von den Alliierten zugelassen worden waren). Aber das Gesamtangebot an Filmen war nicht so groß, als dass die neuen deutschen Filme nicht auch ihr Publikum gefunden hätten, das durchaus neugierig auf Neuproduktionen war. Es gab meist lange Schlangen vor den Kinos, da das Publikum dem tristen Trümmeralltag entfliehen wollte. Dies lag auch daran, dass die Eintrittskarten im Verhältnis zu anderen Dingen des täglichen Lebens unverhältnismäßig billig waren. Eine Kinokarte kostete ca. 1 RM, das war weniger, als man für eine einzige Zigarette zahlen musste. Für ein Pfund Butter waren ca. 250 RM zu zahlen. Nach der Währungsreform änderten sich diese Relationen rasch. Die Kinos erlitten nun zum Teil drastische Besucherrückgänge. Auch für die Auswertung von WEGE IM ZWIELICHT war dies zu spüren. Der Film war zum Zeitpunkt der Währungsreform ca. zwei Monate im Einsatz. Für eine durchschnittliche Filmauswertung rechnete man damals etwa 18 Monate.

Nach der Währungsreform im Juni 1948 änderten sich diese Produktionsbedingungen grundlegend. Entscheidend war nun das Geld. 

Trotz dieser schwierigen Bedingungen entstanden von 1946 bis zur Währungsreform im Juni 1948 vierzig deutsche Spielfilme in Ost und West. Es waren überwiegend, etwa zu 75%, sogenannte Zeitfilme, vom Publikum schnell als Trümmerfilme bezeichnet. Auch WEGE IM ZWIELICHT ist ein Zeitfilm, in dem sich eine ganze Reihe von charakteristischen Zeiterscheinungen spiegelt. 

Von den oben genannten Filmen unterscheidet er sich allerdings dadurch, dass das ländliche Leben als Handlungsort hervorgehoben und positiv besetzt wird. Hier finden sich neben dokumentarischen Aufnahmen auch romantische Motive, die einige Jahre später – im deutschen Heimatfilm der 50er Jahre – zur künstlichen Idylle stilisiert werden.

Das Bemühen, den ländlichen Raum positiv hervorzuheben, war in den frühen Filmen der „Junge Film-Union“ nach eigenen Aussagen Programm, genauso wie der Wunsch, neben bewährten Stars auch „neue Gesichter“ zu zeigen. In WEGE IM ZWIELICHT sind es Johanna Lepski, Sonja Ziemann, Benno Sterzenbach und Gert Schäfer. Das Bemühen, zur Erneuerung des deutschen Films nach 1945 beizutragen, ist unverkennbar und spiegelt sich auch im Namen der Produktionsfirma „Junge Film-Union“. In einer Selbstdarstellung der Filmfirma wurde WEGE IM ZWIELICHT 1948 bezeichnet als der Versuch, einen Zeitfilm zu machen, der kein Trümmerfilm sei, der aber zur Besinnung aufrufe, wobei man vor allem die jüngere Generation im Auge hatte. Auch die zeitgenössische Werbung für „Wege im Zwielicht“ spricht von einem Film für „unserer Jugend“.

Peter Stettner (2023)

Filmaufnahmen in Hannover

Die Anfangsszenen des ohne Atetiers gedrehten Films spielen im Bahnhofsbunker Hannover sowie in der zerstörten Marktkirche,

Filmaufnahmen im Umland von Celle

Den Älteren aus Schwachhausen, Offensen, Wienhausen und Oppershausen ist „Wege im Zwielicht“ sicherlich noch ein Begriff. Ein Teil der Aufnahmen stammt direkt aus Oppershausen. Andere lassen deutlich das Kloster Wienhausen (Innenhof, Kreuzgang) erkennen. Im Vordergrund steht jedoch bei einem Großteil der Außenaufnahmen die Brücke. Bei dieser handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Allerbrücke zwischen Wienhausen und Oppershausen. Da es kein Dokumentarfilm ist, ist es manchmal etwas schwierig zwischen Kulisse und Wirklichkeit zu unterscheiden. So kann man nicht sagen, ob die Trümmerteile der alten Brücke wirklich noch so dort vorhanden waren, oder ob es sich um „Requisiten“ handelt.

Heimatforschung Celle

Dreharbeiten WEGE IM ZWIELICHT (Foto: Filminstitut Hannover)
(Filminstitut Hannover)

Das Filmdrama beginnt ats Trümmerfilm und endet mit Heimatfitm-Etementen. Nicht zutetzt geht es um Fragen nach Schuld, Verantwortung und Sühne nach I945.

Insgesamt brachte der Film ein mittelmäßiges Einspielergebnisse – die Produktionskosten wurden wieder eingespielt, ein nennenswerter Gewinn aber nicht gemacht. Es wurde bekannt (Spiegel), dass einige Tage nach Uraufführung des Films im Palast-Theater in Hannover, Jugendliche den Film ausbuhten, weil ihnen die auf das „wirkliche Leben“ zielende Darstellung an einigen Stellen zu romantisiert erschien.

Die zeitgenössische Presse urteilte ambivalent: Zum einen meinte man die „schonungslose Realität“ zu sehen, zum anderen eine „romantisierte Wirklichkeit“ und „überdeutliche Dialoge“. Unstrittig waren „gute schauspielerische Leistungen“ sowie eine „gute Kameraarbeit“.

Auffällig ist auch hier, dass die deutsche Opferperspektive in der Presse nicht problematisiert wird. Deutet auf kollektives Selbstverständnis ….

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