Filmzensur in der Weimarer Republik

Im Artikel 118 der Weimarer Verfassung heißt es zwar: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Doch hatte man durch die Zusatzformulierung, – daß, für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden‘ können, die Möglichkeit geschaffen, für den Film eine gesetzliche Ausnahmeregelung zu treffen. Die Einfügung dieses Passus ist auf die eminente Bedeutung, die man dem Film als Instrument der Beeinflussung zumaß, zurückzuführen.

Auf der Grundlage des Artikels 118 und seiner ,Kann-Bestimmung‘, wurde dann am 12. Mai 1920 das Lichtspielgesetz verabschiedet. In Folge des Lichtspielgesetzes kam es zur Gründung zweier Prüfstellen sowie einer Oberprüfstelle in Berlin.. Da sich die wichtigsten Filmproduktionsstätten in Berlin und München befanden, wurde hier jeweils eine Prüfstelle eingerichtet.

Gegenstand der Prüfung waren der Film, sein Titel und das dazugehörige Werbematerial. Auch Filme, die bereits vor Inkrafttreten des Lichtspielgesetzes entstanden sind, mussten, wenn sie weiterhin im Kino gespielt werden sollten, der Filmprüfstelle vorgelegt werden. Dasselbe galt für ausländische Filme, die im Reichsgebiet öffentlich vorgeführt werden sollten.

Die Konstruktion dieser Prüfstellen – mit gerichtlichen Funktionen ausgestattete Verwaltungsbehörden – gab in den folgenden Jahren immer wieder Anlass zu Kritik. Denn diese Konstruktion ermöglichte es staatlichen Stellen, direkten Einfluss auf die Entscheidungen der Prüfstellen zu nehmen. Z. B. war der Ministerialrat Dr. Ernst Seeger während der Weimarer Zeit (und auch noch in der Zeit des Faschismus bis 1937) gleichzeitig ,Filmreferent des Reichsministeriums des Innern‘ und ,Vorsitzender der Film-Oberprüfstelle‘.

Da den Prüfstellen ausnahmslos jeder Film zwecks Freigabe zur öffentlichen Vorführung vorgelegt werden musste, waren die unzähligen Auseinandersetzungen, die sich an Verbotsentscheidungen der Prüfstellen entzündeten, gewissermaßen vorprogrammiert. Die ursprüngliche Absicht, mit dem Lichtspielgesetz eine Handhabe gegen die nach dem Kriege wie Pilze hervorschießenden ,Schmutz- und Schund-‚ und zweifelhaften ,Aufklärungs‘filme zu haben, geriet schnell in Vergessenheit. Mehr und mehr verschob sich der Schwerpunkt der Kontroversen auf das Gebiet des im weitesten Sinne sozial engagierten Films. Zensurkämpfen wurden so immer mehr auch politische Machtkämpfe.

Literatur:

  • Keitz, Ursula: Filme vor Gericht. Theorie und Praxis der Filmprüfung in Deutschland 1920 bis 1938, URL: http://www.difarchiv.deutsches-filminstitut.de/zensur.doc (abgerufen am 18.05.2022)
  • Kopf, Christine: Der Schein der Neutralität. Institutionelle Filmzensur in der Weimarer Republik
  • Werner Sudendorf: Zensurkämpfe sind Machtkämpfe. In: IM WESTEN NICHTS NEUES – Materialien für die BildungsarbeitReihe: Film und Literatur 1, hrsg. von Wolfgang Bartling, Detlef Endeward, Frank Hellberg, Walter Thiele  für die Landesmedienstelle Niedersachsen, Hannover 1994, S. 17-22

Heinrich Mann: Gegen die Zensur

„Das Ganze ist eine Machtfrage. Wer Macht will auf Grund von geistiger Unfreiheit, läßt es sich durch Gründe nicht ausreden, und er besteht auf der Zensur. Wer dagegen gerade in der geistigen Freiheit seinen Anteil an der Macht hat, darf sie sich nicht nehmen lassen. Er darf darüber gar nicht erst verhandeln. Der Fehler der Verbände, die jetzt zusammengehen, war, daß sie dies nicht schon beim Schmutz- und Schundgesetz getan haben.

Nachdem die Kulturreaktion die Jugend geschützt hat gegen die Verderbnis durch die Literatur, will man folgerichtig jetzt auch die Alten bewahren. Weder Alter noch Jugend haben darum gebeten. Viel lieber wäre ihnen, wenn es keine 2 1/2 Millionen Arbeitsloser gäbe. Aber das ist es. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Wohnungsnot und des entsittlichenden Elends würde die Herren Opfer kosten. Kostenlos für sie selbst können sie Bücher und Theaterstücke verbieten. Das ist erstens eine Ausrede und Ablenkung von dem, was wirklich stinkt. Und dann sichert es die Macht derer, die bei voller geistiger Freiheit für ihre Macht fürchten müssen. Bezeichnend ist die Große Anfrage im Landtag über die Angriffe gegen die Fürsorgeerziehung. Da fehlt sogar der beliebte Vorwand der ach so bedauerlichen Erotik. Da wird offen zugegeben, daß bestehende Zustände nicht durch Theaterstücke bekannt werden sollen.

Es ist die Höhe. Die Verbände der Geistesarbeiter können entdecken, wohin sie es haben kommen lassen. Endlich darf es keine Bedenken mehr geben, und der Kampf um die Macht muß klar geführt werden.

Ein Theater, dem drei Stücke verboten worden sind, soll künftig geschlossen werden. Das ist geplant. Da begreift man, daß den Direktoren die Vorzensur immer noch lieber wäre. Von einem Vertreter der Antragsteller, Geheimrat Fassbender heißt er, wird bestritten, daß die Vorzensur beabsichtigt ist. Wozu auch; ohne sie kommt es noch schlimmer. Man wird auch noch einen ganzen Verlag schließen, wenn drei Schriften mißliebig waren!

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