Hallo, Fräulein! (1949)
Inhalt
Die Musikstudentin Maria gründet kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine internationale Jazzkapelle, mit der sie über das Land tingelt. Unterstützt wird sie dabei vom musikliebenden amerikanischen Offizier Tom und vom deutschen Ingenieur Walter. Die beiden Männer machen Maria den Hof. Als Walter zu erkennen glaubt, dass er keine Chance gegen Tom hat, zieht er sich zurück. Wenig später steckt die Kapelle in Schwierigkeiten und Walter erweist sich als Retter in der Not, der daraufhin endlich Maria in seine Arme schließen darf.
Film im Nachkriegsdeutschland 1945 – 1950
Originaltitel | Hallo, Fräulein! |
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Produktionsland | Deutschland (ABZ) |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1949 |
Länge | 84 Minuten |
Stab | |
Regie | Rudolf Jugert |
Drehbuch | Margot Hielscher, Helmut Weiss |
Produktion | Camera-Film GmbH, Hamburg-München (Georg Richter) |
Musik | Friedrich Meyer |
Kamera | Georg Bruckbauer |
Schnitt | Luise Dreyer-Sachsenberg |
DarstellerInnen | |
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In HALLO, FRÄULEINI aus dem Jahr 1949 will Margot Hielscher als Sängerin Maria Neuhaus „die schwergeprüfte Menschheit mit einer Show beglücken“, wie es der gelernte Architekt Walter Reinhardt (Hans Söhnker) nennt, der von der amerikanischen Militärregierung für acht Tage auf Probe in einer kleinen Stadt in Süddeutschland als Bürgermeister eingesetzt worden ist. „Ich weiß sehr wohl, daß wir im Augenblick andere Sorgen haben, und gerade deswegen glauben wir, daß die Menschen etwas brauchen, worüber sie eben diese Sorgen für eine paar Stunden vergessen können“, entgegnet ihm die selbstbewußte Maria und kündigt ihren Job als Sekretärin im Rathaus. In Jugerts zweitem Film hat sich nicht viel verändert: Unterhaltung vor dem Hintergrund der düsteren Zeit.
Mit Hilfe des amerikanischen Besatzungsoffiziers Tom Keller, gespielt vom damaligen amerikanischen Film-Offizier Peter van Eyck, stellt Maria Neuhaus ein Orchester zusammen. Jazz-Musik wollen sie spielen, und da van Eyck gerade Urlaub hat, springt er als Dirigent ein. Ein Amerikaner weiß immerhin, was Jazz ist, die deutschen Musiker müssen ihn erst noch lernen. Walter Reinhardt. Wie Tom Keller in Maria verliebt, gibt seinen Bürgermeisterposten auf und wird Tournee-Manager. Die Männer machen hier, was eine Frau sagt. Bis jetzt, denn noch hat keiner der beiden Gewißheit, wen Maria (mehr) liebt.
Der Film verheißt eine neue Völkerfreundschaft, begründet durch die internationale Zusammensetzung des Orchesters. Musik verbindet. Das erkennt auch Walter, und nach dem ersten erfolgreichen Konzert hält er vor dem Abendessen eine kleine Rede:
„Als ich das Orchester spielen sah, und da saßen so friedlich nebeneinander der Franzose mit dem Deutschen, der Ungar mit dem Tschechen, der Amerikaner mit dem Deutschen und der Grieche mit dem Italiener, da, so spürte man plötzlich, wurde aus diesem Nebeneinander und Miteinander ein Füreinander. Und ich muß Ihnen gestehen, das war für mich die schönste Erfahrung an diesem erfolgreichen Abend. Diese Musik, die mir so nichtig erschien, erhielt plötzlich den größten Wert, erfüllte plötzlich das höchste Ziel, nämlich: Getrennte zu verbinden, aus Feinden Freunde zu machen. und aus einer Fülle unterschiedlicher Einzelstimmen eine Harmonie zu formen. Eine moderne Harmonie.“
Pathetische Worte eines Deutschen, der sich freut, daß alle sich wieder verstehen – und niemand mehr den Deutschen böse ist. Den Jazz hält Walter für grauenhaft, dabei sind es eher recht traditionelle Big-Band-Standards. Gegen Ende des Films gibt es eine Montage von Zeitungsausschnitten, deren Schlagzeilen davon berichten, daß Maria Neuhaus und ihr Orchester vom Publikum ausgebuht wurden: Die Deutschen wollten diese amerikanische Musik nicht hören, eine Artikelüberschrift lautet: „Hot-Jazz und amerikanische Songs unbeliebt beim deutschen Nachkriegspublikum“. „Schade, daß sie ausschließlich Jazz singt, sie könnte doch viel mehr“, bedauert Walter gegenüber Marias Mutter (Cläre Ruegg). „Wenn ich nur Einfluß auf sie hätte.“ „Sie haben“, antwortet die Mutter und weiß schon, daß er der Mann ihrer Tochter werden wird. In ihrem letzten Konzert singt Maria Neuhaus dann das, was auch Zarah Leander ein paar Jahre früher in Filmen gesungen hat, deutsche Schlager mit großer Orchesterbegleitung. Vom vermeintlich rebellischen Jazz ist nichts geblieben. Und die starke Frau, die sich um jeden Preis durchsetzen und „ihre“ Jazz-Musik machen wollte, die die Männer für ihre Arbeit und ihren Erfolg benutzt hat, diese Frau singt am Ende des Films (ihre Augen sind dabei auf Walter gerichtet): „Sie leben und sie sterben für die Liebe/Ihr Glück liegt stets in eines Mannes Hand/Und diesen Mann, den suchen sie/Mit Hilfe ihrer Phantasie.“ Wie in vielen anderen Nachkriegsfilmen gibt die Frau ihr emanzipatorisches Handeln, das sie notgedrungen im Krieg durch die Abwesenheit der Männererlernen mußte, wieder auf, sobald sie den Mann ihrer Träume gefunden hat.
HALLO, FRAULEIN! ist ein Wiederaufbaufilm. Der Ehrgeiz von Maria Neuhaus zeigt, was man erreichen kann. wenn man die Ärmel hochkrempelt und verbissen das selbstgesteckte Ziel verfolgt. Geschickt appelliert der Film daran, sich nicht vor den Herausforderungen der Zeit zu drücken. Als Reinhardt sich mit Maria streitet, weil er glaubt, daß er gegenüber dem Amerikaner das Nachsehen hat, sprudelt es aus ihm heraus:
„Sich einem Ami an den Hals zu werfen! Leider ist es wahr, daß sie auch nicht besser sind als all die anderen. Denn er ist ja der Sieger. Er hat ja nicht nur Zigaretten, Nylons und Schokolade zu bieten, sondern auch außerdem noch die Aussicht, an einem muskulösen Arm sie ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu entführen. Und damit all dem zu entgehen, was an Scheibenhonig in unserem Land noch vor uns liegt.“
Walter kündigt seinen Job bei Maria und wird wieder Architekt: Kein schlechter Beruf für den Wiederaufbau. Es folgt eine expressive Montage von der Musiktournee und mannigfachen Bauarbeiten, die der Architekt Reinhardt leitet, gezeigt in dynamischen Überblendungen, Doppel- und Mehrfachbelichtungen, geschnitten zu rhythmisch vorantreibender Musik. Am Ende kommt es zur Synthese von Aufbau und Ablenkung von den Strapazen dieser Arbeit: Walter stellt eine gerade im Bau befindliche Werkhalle als Konzertsaal für Maria Neuhaus zur Verfügung. Musiker und Bauarbeiter fassen gemeinsam an, um Sitzreihen aufzubauen und die kahlen Wände zu schmücken. Der Erfolg des Konzerts bestätigt alle Beteiligten in ihrem Einsatz, läßt die Mühen vergessen. Eine Gemeinschaft, in der ein jeder seinen (alten) Platz (wieder-)findet, braucht die größten Trümmerberge nicht zu fürchten.
Aus: Rolf Aurich/Heiner Behring: „Ein einstmals wohlrenommierter Regisseur“. Der Hannoveraner Rudolf Jugert und der deutsche Nachkriegsfilm. In. Lichspielträume. Kino in Hannover 1896 – 1991, a.a.O., S. 109
Gegen das Fremde: Deutsch Tugenden, Kultur und Moral
[Diese Analyse konzentriert sich] 1) auf den Aspekte des Hauptthemas von HALLO FRÄULEIN: Wie bestimmen die deutschen Protagonisten des Films sich gegenüber den gezeigten Ausländern? Sind Adaptionen von Haltungen, Bewertungen und Lebensstilen im Film erkennbar, die durch Begegnungen mit Menschen verschiedener Nationen in der Situation der Besetzung und durch Konfrontation mit den noch in Deutschland lebenden Displaced Persons und Besatzungssoldaten ausgelöst werden? Brechen sich in diesem Film Auseinandersetzungen mit ‚den Fremden‘? Werden Lernprozesse gezeigt?
Da HALLO FRÄULEIN (Regie: Rudolf Jugert; Urauff.: 13.5.1949) unter der Kontrolle und gleichzeitigen Mitwirkung von Mitgliedern der amerikanischen Besatzungsbehörden erfolgte, war anzunehmen, dass dieser Film ein positives oder zumindest offenes Verhältnis der Deutschen gegenüber den Ausländern zeichnet. Der ehemalige Filmoffizier Peter van Eyck spielt neben einigen amerikanischen Kleindarstellern die zweite männliche Hauptrolle des Films. 2)
Das Thema war eigentlich historisch längst überholt: das Problem der „Fraternisierung“ der in Deutschland lebenden Ausländer mit den besiegten Deutschen. Die Inhaltsangabe spricht bereits von einer „echten Fraternisierung“, die allerdings nicht durch die Deutschen, sondern durch den in HALLO FRÄULEIN zentral agierenden Amerikaner zustande gebracht wird. So schildert es jedenfalls der letzte Satz der Information der Produktionsfirma Camera:
„Maria und Walter finden endgültig zueinander, und Tom hat neben ihrer Freundschaft die Genugtuung, durch die völkerverbindende Musik und seine faire Haltung den Gedanken der echten Fraternisierung auf höchst positive Weise in die Tat umgesetzt zu haben. 3)
Nach der Analyse des Films muss dieses Fazit als eine feine Umschreibung dafür bezeichnet werden, dass am Ende der smarte, charmante und durch und durch wohlerzogen und anständig gezeichnete Deutsch-Amerikaner Tom Keller (Peter van Eyck) bei seinem Werben um die schöne Leiterin einer Künstlertruppe Maria Neuhaus (Margot Hielscher) „den kürzeren“ zieht. Schon der zeitgenössische Kritiker Gunter Groll bezweifelte, dass HALLO FRÄULEIN seinen, bereits durch den Titel nahegelegten thematischen Anspruch erfüllt:
„Bemerkenswert, daß in diesem Fräulein-Film kein einziges wirkliches ‚Fräulein‘ vorkommt: denn unter Fräulein verstehen wir ja nicht etwa ein Mädchen, das einen Mann in fremder Uniform liebt, sondern auf eines dementsprechend Uniformierten dementsprechenden Wink um der Vorteile willen, welche die siegreiche Uniform bot, eben das tat, was die Damen dieses Films nach flüchtigem Fraternisieren von sich weisen. “ 4)
Auch Grolls Einschätzung der zumindest vordergründigen ethischen Argumentation des Films lässt sich nach meiner genauen Aussage-Analyse im Großen und Ganzen bestätigen. Für GrolI ist HALLO FRÄULEIN eine neue Form des „KdF-Films“:
„Natürlich haben sie entsprechend umerzogene und umerziehende Tendenzen: das DP-Orchester, der Captain und die deutschen Mädchen das alles zusammen symbolisiert jetzt Demokratie und Völkerverständigung; es werden in diesem Film viele schöne beherzigenswerte und völlig umerzogene Worte darüber gesprochen. Deutliche Worte. Damit keine Verwechslungen passieren. Und weil der neue deutsche Film es ja nicht lassen kann, noch im Jazz- und Vergnügungsfilm exemplarisch zu belehren: da muß immer in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden (meist in Form einer Ansprache), welchen erhabenen Zwecken schließlich das Ganze dient. 5)
Der Film beginnt mit einer relativ langen Sequenz, in der wir den Bauingenieur Reinhardt (noch in Wehrmachtsuniform (Hans Söhnker) zusammen mit einem Italiener Cesare (Bobby Todd) 6) durch das von Amerikanern besetzte Deutschland ziehen sehen:
„Mensch, schau dir das an, was die für Material haben!“ ist der erste Satz aus Reinhardts Mund. Mit dem Blick in ein Stück schöne deutsche Landschaft folgt dann das Wort „Frieden! “ In einer langen Sequenz ist zu sehen, wie die beiden sich findig und in verschiedenen Verkleidungen 7) den Siegern entziehen. Kurz nachdem Reinhardt einer Truppe von Künstlerinnen Cesare als „treue Seele“ vorgestellt hat, steigt der Italiener auf einen LKW mit singenden, musizierenden und Chianti trinkenden Landsleuten und fährt, sich einen Moment zu spät auf seinen Freund Walter besinnend, davon. Ein Missverständnis führt schließlich zur „Festnahme“ Reinhardts: Er hat den Klarinettenkasten von Cesare noch bei sich und wird von einer MP-Streife für einen Musiker gehalten und mitgenommen, weil für die Band von Captain Tom Keller noch ein Klarinettist gesucht wird.
In einem ersten Gespräch mit Keller zeigt Reinhardt deutlich seine Abneigung gegenüber „den Nazis“ und wird von dem Amerikaner, mit dem ihn auch die Gemeinsamkeit eines Harvard-Studiums verbindet, zum Bürgermeister ernannt. Kurz darauf trifft auch die Protagonistin des Films, Maria, auf Tom Keller, der sofort für sie entflammt. In einer Schlüsselszene des Films wird eine Gruppe von Frauen überprüft und, wer von Keller als Künstlerin eingestuft wird, frei gelassen. Alle Frauen aus Maria Neuhaus‘ Gruppe haben Stücke amerikanischer Herkunft im Repertoire und finden Kellers Anerkennung. Maria muss sich dabei eine Lektion in Sachen Jazz gefallen lassen:
„Maria beginnt mit dem Refrain des Liedes ‚Swing! Swing! Swing!‘ in englischer Sprache) 8) Tom KeIler: Oh no. That’s jazz made in Germany.
Zusammen mit seinem Assistenten am Bass zeigt Keller am Klavier, wie er sich wirklichen Jazz vorstellt, ein wenig schräg, kontrapunktisch, flott. (…)Maria: Phantastisch. Das könnte ich nie.
Tom: Man kann alles können. Was man nicht kann, kann man lernen.(Zur Erklärung, warum Tom Keller bislang nur englisch gesprochen habe, wenn er doch so gut deutsch spreche, erklärt er dass er deutsch nur spreche, wenn er es wolle.)
Tom: Jazz ist gar nicht so sehr eine besondere Art von Musik, als der Ausdruck eines besonderen Lebensgefühls. Sie singen alles viel zu sentimental, nehmen es leicht zu wichtig.
Maria: Man nimmt alles, was man nicht kann, viel zu wichtig.
Tom: (. . . ) Wer nicht begriffen hat, was salopp ist, wird Amerika nie begreifen. 9)
Kurze Zeit später beweist sozusagen eine weitere Szene, dass wirklicher Jazz tatsächlich „im Blut“ stecken muss. Maria hat mit Unterstützung Tom Kellers ihre Mädchentruppe um ein Orchester mit DP-Musikern aus verschiedenen europäischen Nationen verstärkt. Für die musikalischen Probleme, die es bei den Proben gibt, ist jedoch, wie auch einer der Musiker, ein Franzose, deutlich sagt, weniger die schwierige sprachliche Verständigung zwischen der Orchesterleiterin Maria und den Musikern verantwortlich. Vielmehr sind es offenkundige Mentalitätsunterschiede zwischen dem Musikempfinden der Ausländer und dem der Deutschen. Tom Keller, der zum Spaß für ein paar Minuten die Leitung übernimmt, verwandelt die Kapelle im Handumdrehen in eine mitreißende, perfekt und begeistert spielende Jazz-Combo mit Bigband-Sound. Diesen Unterschied erkennt Maria auch verbal an und bittet Tom, die Maria-Neuhaus-Band auf der kurz bevorstehenden Tournee zu begleiten.
Walter Reinhardt, den Maria kurz darauf bittet, die Gruppe als Reiseleiter zu betreuen, lehnt zunächst ab. Er meint, dass es im Moment wirklich wichtigere Dinge für die deutsche Bevölkerung gebe als die Ablenkung durch Unterhaltungsmusik. Umgestimmt wird er schließlich durch eine Beobachtung: Als Maria nach Reinhardts Absage sein Büro verlässt und die Straße überquert, fährt eine MP-Streife vorbei, pfeift ihr nach und ruft „Hallo Fräulein“. Ohne dass dies im Film von Reinhardt selbst formuliert wird, ist sein Handlungsmotiv doch deutlich erkennbar: Maria wird von ihm verehrt. Sie soll beschützt werden vor der sinnlichen und ökonomischen Übermacht der Sieger, und vor den fremden kulturellen Einflüssen. Auf der von Reinhardt liebevoll und formvollendet ausgestatteten Premierenfeier hält er eine (z.T. von skeptischen Blicken und Kommentaren begleitete) Ansprache. In ihr macht Reinhardt indirekt noch einmal seine kritische Haltung gegenüber dem Jazz deutlich. Walter wird bei seiner Absprache aus einer halbnahen Position und aus einer leichten Untersicht erfasst, die eingeschnittenen Bilder der Zuhörer stehen nur Bruchteile von Sekunden:
Walter: Ich habe ja nie ein Hehl daraus gemacht, dass diese Musik für mich nichts bedeutet, obwohl ich ihre große Wirkung nicht bestreiten kann (…). Aber etwas (gedehnt:) anderes bedeutete heute Abend für mich etwas, bedeutete eigentlich sehr viel für mich. (…)
Als ich das Orchester spielen sah, und da saßen so friedlich nebeneinander, der Franzose (Bild: im Profil mit Zigarette schräg im Mundwinkel) mit dem Deutschen (GA von vorn), der Ungar (OS, Halbprofil) mit dem Tschechen (Profil), der Amerikaner (Ton Keller schaut an der Kamera vorbei) mit dem Deutschen (GA mit strahlender Miene von vorn), der Grieche (Halbprofil) mit dem Italiener (Cesare, schräg aus OS) und aus diesem Nebeneinander und Miteinander, ja, da spürte man plötzlich ein Füreinander. Und ich muss Ihnen gestehen, das war für mich der schönste Erfolg an diesem erfolgreichen Abend.
Diese Musik, die mir so nichtig erschien, erhielt plötzlich den größten Wert (während dieser Worte zeigt die Kamera Marias glücklich strahlendes Gesicht), erfüllte plötzlich das höchste Ziel, nämlich Getrennte zu verbinden, aus Feinden Freunde zu machen und aus einer Fülle unterschiedlicher Einzelstimmen eine Harmonie zu formen, (mit lächelndem Blick auf Maria:) eine moderne Harmonie zu formen.(Am Ende der Rede schauen alle mit indifferenten oder auch betretenen Gesichtern auf die Teller. Tom nickt anerkennend. Maria steht auf, geht zu Reinhard und gibt ihm die Hand.)
Maria.‘ Walter, ich danke Ihnen, das war für mich das Schönste heute Abend.
Wieder einmal offenbarte nur die genaue Aufzeichnung der Dialoge und in diesem Fall auch der Kameraführung und des Bildschnitts eine signifikante Schere zwischen der vordergründigen Lesart und der latent enthaltenen Sichtweise: Trotz der „völkerverbindenden“ Ansprache Walters, rücken lediglich die beiden deutschen Protagonisten Walter und Maria erkennbar zusammen. Die Zuhörer verschiedener Nationalitäten geben dagegen keinerlei Zustimmung zu erkennen. Während die deutschen Musiker mit einem strahlenden Lächeln und frontal von der Kamera erfasst werden und Maria ihrer Freude sogar verbal Ausdruck verleiht, halten die Filmbilder nicht nur während dieser Ansprache von den Ausländern auffällige Distanz. Abgesehen von Cesare tritt keiner der ausländischen Musiker als Individuum in Erscheinung. Verbindungen mit ihnen stellt lediglich die Xylophonspielerin her, eine flotte und respektlose Berlinerin.
Mentalitätsunterschiede zeigen Ausländer und Deutsche auch in vielen kleinen Szenen der Filmerzählung. Die ausländischen Musiker werden immer wieder ausgelassen und verspielt bei kleinen improvisierten Feiern gezeigt, auf denen halb ernst, halb persiflierend die musikalischen Stile der verschiedenen Nationen vorgeführt werden. Währenddessen kümmert sich Reinhardt um die Buchführung, Maria um ihre Frisur.
Gerade in den Gefühlsäußerungen und der Vorstellung von Liebe scheinen Unterschiede zwischen den Deutschen und den Ausländern zu bestehen. Charmant und offen begegnet Tom Maria. Der amerikanische Captain agiert locker, lässig, vergisst aber bei aller Sinnlichkeit seine ‚gute Erziehung‘ nie. Maria kann sich letztlich nicht für ihn entscheiden.
Folgende Szene zeigt einen der Versuche Toms, Marias Herz doch noch zu gewinnen:
(Nach behutsamen, aber deutlichen Annäherungsversuchen, die Maria ein wenig hölzern und fast gleichgültig wirkend ignoriert, erinnert Tom Maria an ihre Sehnsucht, aus Deutschland herauszukommen. Indirekt macht Tom Maria einen Heiratsantrag, in dem er sagt:)
Wissen Sie, dass es einen Weg gibt, wie Sie ganz leicht ‚rauskommen?
Maria: Nein.
Tom (sich enttäuscht abwendend).‘ Ach…(Im weiteren Gespräch, sagt Maria, daß Tom „leider“ als Mann auf sie wirke.)
Tom: Maria, Sie sind eine ganz große Törin. Ich weiß genau, was in Ihnen vorgeht. Sie sehen, wie soundso viele Mädchen sich den Amerikanern mehr oder weniger an den Hals schmeißen, und Sie sind zu Tode entschlossen, das nicht zu tun. Und Sie haben sich so in den Gedanken verrannt, dass Sie überhaupt nichts mehr beurteilen können (…), dass Sie sich mir gar nicht an den Hals schmeißen, sondern, dass wenn hier an den Hals geschmissen wird, ich es tue, bei Ihnen.
Maria: Ach, Tom, das ist doch gar nicht wahr.
Tom, heftig: Doch, das ist mir auch ganz gleich…“
Am selben Abend, wenige Minuten später, kommt es schließlich auch zu einem Gespräch zwischen Walter Reinhardt und Maria. Insbesondere in der Körpersprache zeigt die Szene deutlich Unterschiede: Während Tom immer wieder auf Maria zugegangen ist, nähert sich nun Maria mit kleinen Gesten der Zärtlichkeit Walter, der diese jedoch nicht beachtet, sich schließlich abwendet und sagt:
„Maria, warum tun Sie etwas so sehr wenig Schönes (…) Spielen einen Mann gegen den anderen aus.“
Auch wenn sich die beiden in dieser Szene am Ende küssen, so gibt es doch wenig später ein Zerwürfnis:
Walter Reinhardt will abreisen und in seinen alten Beruf zurückgehen. Er hat Maria und Tom bei einem Spaziergang im Mondschein beobachtet und glaubt, sie habe sich nun endgültig für den Amerikaner entschieden. Als Maria hereinkommt, packt er wütend andauernd weiter seinen Koffer.
(Walter, Maria ein zusammengerolltes Sacko in die Hand drückend:) Sagen Sie, können Sie eine Jacke so zusammenlegen, ohne dass sie dabei völlig zerknautscht?
(…)Walter: Es war ein herrlicher Anblick für uns alle, als sie sich ihrem Ami buchstäblich an den Hals warfen.
Maria: Das ist ja nicht wahr.
Walter: Leider ist es wahr, dass Sie auch nicht besser sind als all‘ die anderen. (…)
Maria: Wissen Sie überhaupt, warum ich diesen Mondscheinspaziergang gemacht habe, weil ich Tom oben auf der Ruine sagen wollte, dass ich niemals seine Frau werden kann und will. (… Sie sei nur von Cesares Autohupe – Walter war offenbar mit im Wagen – dabei gestört worden. )
Walter: Außerdem hätten Sie es ihm gar nicht gesagt. (… ) Weil Sie’s nicht fertigbringen, genauso wenig wie alle anderen auch nicht, denn er ist ja (betont:) der Sieger.
(Immer wütender:) Er hat ja nicht nur Zigaretten, Nylonstrümpfe und Schokolade zu bieten, sondern außerdem auch noch die Aussicht, an einem muskulösen Arm Sie in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu entführen, und damit all, dem zu entgehen, was an Scheibenhonig in unserem Land noch alles vor uns liegt.
Maria: (wütend, …) Sie sind der gemeinste und phantasieloseste Mensch, den ich kenne. (…) Mit Ihnen rede ich überhaupt nicht mehr Sie Oberlehrer .
(Maria wirft die Tür zu. In einer anschließenden collage kurz aneinandergeschnittener Konzertbilder und Zeitungsnotizen (u.a.: ‚Hot-Jazz und amerikanische Songs unbeliebt beim Publikum „Ausschreitungen‘, ‚Proteste… ) wird die Jazz-Musik immer hektischer und schräger, dazwischen geschnitten sind auch Bilder von Walter Reinhardts Aufbauarbeit als Bauingenieur.“
HALLO FRÄULEIN behauptet nicht nur die Andersartigkeit von Deutschen und Ausländern. Der Film zeichnet auch die „Gefahr“, die aus einer Adaption fremder kultureller Einflüsse erwächst: den Verlust an Ethik und kulturellem Niveau. Bereits am Beginn, in der Szene eines ersten Zusammentreffens mit Tom Keller, erscheint ihre Hinwendung zur Jazz-Musik als Marias Wesen nicht gemäße Gefährdung. Sie wird in der Inhaltsangabe des Verleihs als Musikstudentin gekennzeichnet, singt eigentlich deutsche klassische Musik. Selbst das Lied, das Maria in dieser ersten Szene singt, erzählt von der Fremdheit der neuen Musik:
(1.Strophe von „Swing! Swing! Swing!)
Dass die Welt sich ändert,
Ist der Welt Geschick.
Und es ändert mit ihr
Sich auch die Musik.
Was das Herz beschwingt,
Was man spielt und singt,
Wird bestimmt vom Rhythmus der Zeit.
Und es freut sich dran,
Nur wer mitgeh’n kann,
Und wer nicht, der tut mir sehr leid.“ 10)
Noch fasslicher wird diese Tendenz in einer Szene, in der Walter mit ihrer Mutter über Marias musikalische Entwicklung spricht. Walter sagt deutlich, wie sehr er es bedauere, dass Maria jetzt nur Jazz singe, wo sie doch „viel mehr“ könne. Bis zuletzt und ausdrücklich behält er seine Abneigung gegenüber dem Jazz.
In vielen Handlungsmomenten zeigt der Film die Distanz und gleichzeitige Überlegenheit der Deutschen gegenüber Ausländern. Das beginnt bereits mit einer gemeinsamen, ärmelaufkrempelnden Aufräumaktion von Walter und Maria, die dem mühelos wirkenden Management der Unterbringung von Flüchtlingen in der kleinen Stadt vorausgeht, in der Walter vorübergehend Bürgermeister ist.
Selbst das Zusammensein mit dem von Walter als „treue Seele“ vorgestellten Cesare wird getrübt, als dieser ihn bei einem Treffen mit seinen Landsleuten schlicht vergisst und stehen lässt. Als Cesare nach undurchsichtigen (Schwarzmarkt-)Geschäften gut gekleidet und mit einem schicken Automobil wieder in Walters Städtchen kommt, nennt er als Grund für seine Rückkehr lediglich: Er sei ein „musico fanatico“ und wolle bei Maria Neuhaus mitspielen.
Walter zeigt durch sein durchgängig unbeugsames und eigensinniges Verhalten deutlich sein positives Selbstbewusstsein als Deutscher:
Walter laut und überzeugt: Außerdem ist in meinen Augen nichts Lächerlicher, als die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Nation zu einem Wert oder Unwert zu machen. Es gibt in jedem Land erfreuliche und unerfreuliche Menschen. Ich kenne soundso viele grässliche Deutsche wie grässliche Amerikaner. Aber ich bin sehr froh, dass ich ein paar wunderbare Deutsche und ein paar wunderbare Amerikaner kenne. Nur diese Gattung Mensch zählt. (…)
Tom: Sie lassen mir also eine Chance?
Walter: Mehr als eine.
Tom: Sehr fair von Ihnen.
Walter: Bei Euch drüben gelernt .
Tom: Ein ausgesprochener Gegner der Fraternisierung sind sie aber nicht?
Walter: Im Gegenteil, ich finde, alle anständigen Menschen sollten fraternisieren, um ein Gegengewicht zu schaffen gegen die Fraternisierung der Unanständigen. (… er knipst die Nachtischlampe aus.)
Tom: (. . .) Das war ein guter Abgang. (…löscht auch das Licht)
Keller erkennt in diesem Dialog die Gleichwertigkeit des Deutschen an, seine moralische Integrität. Das amerikanische und das deutsche Volk werden in dieser Szene ausdrücklich als ethisch gleichwertig beschrieben.
Am Ende des Films tritt aus dieser Konkurrenz mit dem Amerikaner jedoch Walter als Sieger hervor. Dabei findet seine durchgängig ablehnende Haltung gegenüber der amerikanischen Unterhaltungsmusik eine Bestätigung. Die Inhaltsangabe der Produktionsfirma „camera“ bewertet- die Situation nach Walters Weggang von der Tournee eindeutig:
„Die Programme der Tournee (…) werden nun immer exzentrischer in ihren Darbietungen und immer unbefriedigender in ihren Erfolgen. 11)
Eine kurze Bilderfolge zeigt in Zeitungsüberschriften eine allgemeine Ablehnung der Jazz-Musik durch das deutsche Publikum. 12) Besonders im Vergleich zur deutschen klassischen Musik scheint die moderne Musik unterlegen: Ein im Rahmen der Stuttgarter Festwochen bereits angekündigtes Konzert muss abgesagt werden, weil sich Stimmen aus dem Publikum grundsätzlich gegen ein Jazz-Konzert in diesem ehrwürdigen Rahmen ausgesprochen haben. Maria steht buchstäblich vor dem Ruin. Nachdem Cesare Hilfe suchend zu Walter gekommen ist, gibt dieser großmütig die gewünschte Unterstützung und stellt einen Saal zu Verfügung. Walter gibt diese Hilfe nicht der Jazz-Combo, sondern der geliebten Maria.
In der Szene, in der die im Bau befindliche Fabrikhalle für das rettende Abschlusskonzert hergerichtet wird, darf Walter schließlich noch einmal seine Überlegenheit demonstrieren: Mit kräftigen Schritten und perfekten Gesten korrigiert er die ungelenken Versuche der ausländischen Musiker, die notwendigen Bänke zusammenzuzimmern.
Belohnt wird seine Hilfeleistung durch die Liebe Marias, die ihre Kritik an Walter („Oberlehrer“, „phantasielos“) revidiert. Walters fragloses Festhalten an seinen kulturellen und ethischen Verhaltensmaßstäben wird zudem mit einer „Rückkehr“ belohnt: Maria lässt sich für das abschließende Konzert die wilden Locken beim Friseur glätten und tritt am Abend mit einer Gretchenfrisur auf. Die Musik der Maria-Neuhaus-Band hat ihre schräg-jazzigen Elemente bei diesem Konzert fast vollständig eingebüßt, der Sound ähnelt nun eher der harmonisch-bombastischen Revue-Musik im NS-Unterhaltungsfilm. 13) Die Niederlage „des Siegers“ und seiner Kultur ist besiegelt. Das Ethos des ernsthaften, praktisch-aufbauenden Deutschen, der seinen kulturellen Ausdruck schließlich allein in der gutbürgerlichen Musikwelt des Sinfoniekonzerts oder der „gepflegten“ Unterhaltungsmusik finden kann, hat sich deutlich überlegen gezeigt. Allenfalls punktuell und durchgängig nur verbal hat Walter, der belohnte Protagonist, zu erkennen gegeben, dass er im Ausland etwas gelernt hat. In einer lebendigen Auseinandersetzung mit den ihm im Nachkriegsdeutschland begegnenden Menschen anderer Nationalitäten erleben wir ihn nicht. Walter bleibt sich allen möglichen Einflüssen von außen trotzend „treu“.
Bettina Greffrath (1993)
Anmerkungen
- Auf den Aspekt eines restituierten Frauenbildes auch in diesem Film ist B. Greffrath in dem Beitrag „‘Natürliche‘ Unterschiede – Eine Frau ist eine Frau, ein Mann ist ein Mann“ näher eingegangen. (D.E.)
- Der in Pommers Akten (OMGUS ISD 10/16-3/15, 1, fiche) aufgefundene Briefwechsel aus dem Mai/Juni 1948 bezieht sich jedoch allein auf die Beschäftigung des amerikanischen Staatsbürgers Peter van Eyck. Van Eyck war (offenbar bis zum 30. Juni 1948) Filmoffizier der amerikanischen Militärregierung. (Vgl. die Angaben im Brief der Camera Filmproduktion GmbH vom 25.5.1948, ebd. Der Brief nennt als Autoren noch Axel Eggebrecht und Rudolf Jugert und als Filmtitel „Männer, Mädchen und Musik“.) In der Stellungnahme der FTM vom 21. Juni 1948 heißt es, ohne mit einem Satz auf die inhaltliche Ausrichtung des Filmes einzugehen, dass es generelle Politik sei, es ehemaligen Angehörigen der amerikanischen Militärregierung in Deutschland zu ermöglichen, nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst geschäftlich in Deutschland tätig zu werden. (Ebd.)
- Vierseitiges Informationspapier, Inhaltsangabe in deutsch, französisch, englisch und spanisch (DIF)
- Süddeutsche Zeitung, 17.5.1949 (DIF)
- Hervorhebungen B.G.
- Über die Herkunft des Italieners erzählt der Film nichts außer, dass er eine Schwester in Hamburg hat.
- Eine ganze Zeit ziehen sie z.B. mit Trauerminen und gekauften Beerdigungskränzen durch die Gegend
- Maria hat vorab gesagt, sie singe eigentlich Brahms, Schubert, aber „ modern american music too“. Diese Musik kenne sie aus dem BBC („Schwarzhören, you kow“). Der deutsche Text ist folgender:
Ich geh‘ gern in die 0per,
Denn das finde ich schick,
Doch der Swing, Swing, Swing,
Ja, der Swing, Swing, Swing,
ist für mich die schönste Musik,
Zit. nach Programmblatt der Presseabteilung der camera-Filmproduktion G.m.b.H.) - Dieses Zitat und alle weiteren Zitate aus eigenem Protokoll (B.G.)
- Filmblatt, hrsg. von der Pressabteilung der camer-Filmproduktion GmbH, DIF (Text des Liedes: Hans Fritz Beckmann; Musik: Friedrich Meyer
- Vierseitiges Informationspapier, a.a.O.
- Siehe oben
- Ein ähnlicher Handlungsverlauf findet sich auch in Helmut Käutners Film WIE MACHEN MUSIK (1942)
Auszug aus: Bettina Greffrath: Verzweifelte Blicke, ratlose suche, erstarrende Gefühle, Bewegungen im Kreis. Spielfilme als Quellen für kollektive Selbst- und Gesellschaftsbilder in Deutschland 1945 – 1949. Diss. Universität Hannover 1993, S. 541-552
(Orthografie aktualisiert und Anmerkungen der Online-Veröffentlichung angepasst, D.E.)