Zeitgenössische Presseartikel und Fotografien, Zensurkarte und Verbotsentscheid

„Göttinger Tageblatt“ 26. August, 1924
Die Aasgeier der Haarmannaffäre

Die Sache Haarmann wird jetzt in Berlin von allen möglichen mehr oder weniger sauberen Geschäften zum Zwecke des Geldverdienens ausgenützt. Eine Anzahl von Druckschriften ist in Berlin bereits erschienen, in denen der Fall Haarmann mit völliger Sachkenntnis auseinandergesetzt wird. Nun ist auch in einer Berliner Filmzeitung ein Inserat erschienen, das
wiedergegeben zu werden verdient. Es lautet: „Das beste Geschäft ist der Film des Massenmörders Haarmanns. Haarmann; das Verkehrslokal Haarmanns; seine letzten Opfer und seine Angehörigen; seine Wohnung; seine Wirtin; Absuchen der Leine nach Knochenresten. Länge 440 Meter.“ Mann kann jetzt also in Berlin Hand in Hand mit seiner Freundin im schummernden Dunkel sitzen und auf der Leinwand wird die Leine nach Knochen abgesucht, freundlich lächelnd wird der Massenmörder Haarmann vorgeführt. Verstümmelte Leichen werden gezeigt und ähnliches mehr. So wird der Massenmörder zu einem Massengeschäft von „440 Meter Länge“.


„Hannoverscher Kurier“ 4. September, 1924
Anfrage der Deutschnationalen Reichstagsfraktion.
Der Film des Massenmörders.

Durch die Presse läuft die Nachricht, zurzeit sei „das beste Kassengeschäft der Film des Massenmörders Haarmann”, 440 Meter; dieser bringe u. a. “sein letztes Opfer und seine
Angehörigen“, Abfischen der Leine nach Knochenresten und dergleichen. Dieser offenkundig verrohende Film sei von der zuständigen Reichsbehörde freigegeben. Ist das wahr?
Und wenn es wahr ist, ist der Reichsminister des Innern bereit, wirksam einzuschreiten, damit künftig derartig offenkundige Fehlurteile unmöglich gemacht werden?
Gez. Mumm und andere.


Der Haarmann-Film verboten

Den Haarmann-Film hatte die Film-Oberprüfstelle in Berlin zugelassen. Der Minister des Innern hatte aber sämtliche Polizeibehörden angewiesen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein ortspolizeiliches Verbot vorliegen. Jede Werbung für den Streifen an Geschäftsräumen, öffentlichen Anschlagstellen und durch Verteilen von Druckschriften ohne Genehmigung war an sich verboten. Jetzt hat auch die Oberprüfstelle selbst die Zulassung verboten.


Abschrift der ursprünglichen Zensurkarte vom 26.07.1924

Zulassungskarten für Bildstreifen sind öffentl. Urkunden im Sinne des § 267 Reichs-Strafbesetzbuchs. Ohne amtlichen Stempel sind sie ungültig. Änderungen dürfen nur von der Film-Prüfstelle vorgenommen werden.
(…)
Der Bildstreifen wird zur öffentlichen Vorführung im Deutschen Reiche, auch vor Jugendlichen, zugelassen.

Berlin, den 26. Juli 1924
Film-Prüfstelle Berlin

> zum Text derZensurkarte

Auszug aus der Verbotsentscheidung aus dem Jahr 1924

(…) Zur Verhandlung über den Antrag der Preussischen Regierung auf Widerruf der Zulassung des Bildstreifens

„Der Kriminalfall in Hannover „

(…)
Es wurde folgende Entscheidung verkündet:

I. Die durch Entscheidung der Filmprüfstelle Berlin vom 26. Juli 1924 – Nr. 8750 ausgesprochene Zulassung des Bildstreifens „Der Kriminalfall in Hannover“ wird widerufen. Die öffentliche Vorführung dieses Bildstreifens im Deutschen Reich ist verboten.

> Zum Text des Verbotsentscheids


Zu dem kommenden Riesenprozeß gegen den Massenmörder Haarmann , welcher 27 Morde in Hannover vollbrachte. Zu dem Prozeß sind über 190 Zeugen geladen und ist mit einer Prozeßdauer von 14 Tagen zu rechnen. Der Massenmörder Haarmann in Ketten gehalten durch Kriminalbeamte, wird gefilmt.

Die ersten autentischen Aufnahmen von dem Massenmörder Haarmann, aus Hannover, welcher 22 Morde auf dem Gewissen hat. (einzigste Aufnahmen unsers Sonderbildberichterstatters) Der Wohnraum des Massenmörder Haarmanns, in welchem er seine Opfer umbrachte.

Zu dem großen Prozess den siebenundzwanzigfachen Mörder Haarmann in Hannover, wozu hundertundneunzig Zeugen geladen sind. Die Mansardenstube, die Wohnung Haarmanns in welcher er seine Opfer umbrachte.

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