Wirtschaftspolitik der Regierung Brüning
Sowohl in der Wirtschaft als auch im Staatsapparat hatte sich die Meinung durchgesetzt, dass dieser Krise nicht mit ausschließlich ökonomischen Mitteln begegnet werden konnte. Aus diesem Grunde wurden unterschiedliche Lösungsstrategien vertreten: (…)
Am wichtigsten war in diesem Zusammenhang die Ära Brünings, der als Reichskanzler zwischen dem 30. März 1930 und dem 30. Mai 1932 zwei Kabinette leitete und damit die deutsche Krisenpolitik während des weitaus größten Zeitraums in der Weltwirtschaftskrise gestaltete.
Die Wirtschaftspolitik Brünings wurde vor allem durch drei ineinander verschränkte Zielvorstellungen bestimmt:
- die Sanierung der Reichsfinanzen
- die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt
- die endgültige Lösung der Reparationsfrage.
Letztere sollte den am 20. Januar 1930 unterzeichneten Young-Plan revidieren. Der Young-Plan hatte den Dawes-Plan, der politisch und finanziell nicht mehr haltbar war, abgelöst. Angestrebtes Ziel war aber die Einstellung aller Reparationszahlungen. Die Abschaffung der Reparationen sollte dadurch erreicht werden, dass über eine loyale Erfüllung der Young-Plan-Verpflichtungen die objektive Unmöglichkeit für Deutschland aufgezeigt werden sollte, die auferlegten Zahlungen leisten zu können. Da eine Aktivierung der Handelsbilanz unter den Bedingungen der Weltwirtschaftskrise die einzige Möglichkeit war, um den Transfer der Reparationszahlungen zu realisieren, wurde eine Exportforcierung und Importdrosselung nach außen sowie eine Senkung des Lohn- und Preisniveaus im Inland für notwendig erachtet. Diese setzte Brüning im Rahmen mehrerer Notverordnungen durch, die auf diktatorischem Wege erlassen wurden, wobei jedoch – teilweise auf Druck der Industrie – das Ausmaß der Lohnsenkungen die Preisreduzierungen bei weitem übertraf. Die Politik der Lohn- und Preissenkungen hatten im Rahmen der Wirtschaftspolitik noch eine wichtige außerwirtschaftliche Funktion, nämlich die, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt zu erhalten.
lm Zusammenhang der Reparationsfrage stellte sich die Exportforcierung als eine Kampfposition dar, da mit den Reparationsforderungen die notwendige Expansion Deutschlands auf den ausländischen Märkten legitimiert wurde, ohne dass die ausländischen Gläubiger dagegen etwas einwenden konnten. Diese sollten so von der Schädlichkeit des Weiterbestehens der deutschen Reparationszahlungen überzeugt werden. Am aggressivsten formulierte Brüning seine diesbezüglichen Vorstellungen am 6. Oktober 1930 in einer Unterredung mit Hitler, in der er sagte, dass die Reparationen ,,ausschließlich durch unsern Ausfuhrüberschuss“ bezahlt werden ,,und dadurch das Gefüge des gesamten Weltmarktes auseinanderbrechen“ sollte ().
Über die Reparationszahlungen hinaus war die Expansion auf den Außenmärkten – besonders auch in der Sicht der exportorientierten chemischen und elektrotechnischen Industrie – ein Mittel zur Verminderung der Krisenlasten. In diesem Sinne forderte und bekam die exportorientierte Industrie massive Exportsubventionen. Industrie, Handel und Schifffahrt erhielten in den Jahren l930 bis 1932 zusammen rd.5 bis 6 Mrd. RM an Subventionen, wobei sogar die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung l0 Millionen RM pro Jahr für Exportsubventionen aufbringen musste (38).
Andererseits wurden mit dem sogenannten Osthilfe-Programm die ostelbischen Großagrarier umfassend finanziell unterstützt. Zugleich konnten diese ihre Forderungen nach protektionistischen Agrarzöllen im Bündnis mit der binnenmarktorientierten Schwerindustrie durchsetzen. (…)
aus: Weimarer Republik. Hrsg. v. Kulturamt Kreuzberg und dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Köln, Berlin/Hamburg 1977, S. 336
Der Charakter der Krise 1929 bis 1933: eine Systemkrise
- Merkmale der System- und Gesellschaftskrise
- Zum Verlauf der Wirtschaftskrise
- Modell zum wirtschaftlichen Krisenzyklus
- Bedingungen der Wirtschaftskrise in Deutschland
Zur wirtschaftlichen Interessenlage der verschiedenen Klassen
- Zur Interessenlage der (Groß-)Industrie
- Zur Interessenlage der (groß)agrarischen Produzenten
- Zur Interessenlage der Mittelklasse
- Zur Interessenlage der organiserten Arbeiterklasse
Politik und Ökonomie in der Endphase der Weimarer Republik
- Politik und Ökonomie in der Phase der Regierung Brüning
- Politik und Ökonomie in der Phase der Regierung v. Papen
- Wirtschaftspolitik der Regierung
- Das Verhältnis der Klassen zueinander