Zur Interessenlage der verschiedenen Klassen

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen“
Karl Marx

Klassenbegriff (1)

Als „Klassen“ werden hier also Personenvielheiten bezeichnet, die durch den Besitz bzw. Nicht-Besitz an (Verfügungsmacht bzw. Nicht-Verfügungsmacht über) Kapital und daraus folgende gemeinsame bzw. entgegengesetzte Interessen definiert sind, die sich der Tendenz nach aufgrund dieser Merkmale als zusammengehörig bzw. einander entgegengesetzt begreifen und die sich – wieder der Tendenz nach – auf dieser Grundlage zu gemeinsamen bzw. entgegengesetzten Aktionen zusammenschließen und organisieren.

Aus: Lern- und Arbeitsbuch deutsche Arbeiterbewegung, Bd. 1.- Texte und Materialien, Bonn 19882, S. 18

Auf der Grundlage der jeweils vorhandenen ökonomischen Lage der verschiedenen Klassen können die daraus resultierende Interessen analysiert werden. Dabei ist zu beachten, dass diese Klassen nicht einheitlich und politisch mobilisiert sind und es „auch keine automatische Tendenz zur Vereinheitlichung sozialer Lagen, Bewusstseinsformen und Handlungs-perspektiven gibt.“ (2) Gerade die Bedingungen für die Durchsetzung der latenten spezifischen Interessen der sozialen Klassen machen erst eine Interpretation der Bedeutung der faschistischen Massen-bewegung innerhalb der sozioökonomischen Strukturen möglich. Als allgemeines Strukturmerkmal ist zu konstatieren, dass „man den interessenpolitischen Machtkampf auf die außerparlamentarische Ebene (verschob), wo nicht mehr die Zahl der Stimmen, sondern die Macht des Einflusses und der Querverbindungen maßgebend sein würde“. (3)

Dadurch wurde den Arbeiterorganisationen ein erheblicher Teil ihrer politischen Stärke genommen und befanden sich die politischen Spitzenverbände von Industrie, Landwirtschaft und Mittelklasse in einer für den Verlauf der Entwicklung bedeutsamen Position. In ihnen und zwischen ihnen verliefen die entscheidenen Konflikte um die Durchsetzung bestimmter Positionen und deren Umsetzung in staatliche Politik. (4) In der zunehmenden Wendung gegen
die Arbeiterorganisationen ging es schließlich um „mehr als eine Überbrückung der wirtschaftlichen Notlage; es bedeutete die Erweiterung des prinzipiellen Interessenkampfes um die Erhaltung des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu einem Angriff auf das demokratische ‚System‘ der Weimarer Republik.“ (5)

Und damit bekam die NSDAP in diesen Auseinandersetzungen eine gewichtige Bedeutung.


  1. Zur Begrifflichkeit siehe auch: Gerhard Kleining: Soziale Klassen, soziale Schichten, soziale Mobilität, in L. Roth (Hrsg.), Pädagogik: Handbuch für Studium und Praxis (S. 204-209). München: Ehrenwirth 1991 und
    Michael Vester, Ulf Kadritzke und Jakob Graf: Klassen – Fraktionen – Milieus. Beiträge zur Klassenanalyse (1). Manuskripte Neue Folge 22. Rosa Luxemburg Stiftung, Berlin 2019
  2. M. Vester: Von Marx bis Bourdieu. Klassentheorie als Theorie der Praxis, in: Klassen – Fraktionen – Milieus. Beiträge zur Klassenanalyse (1), S. 10
  3. K. D. Bracher; a.a.O., S. 271
  4. Es entwickelten sich z.T. enge Kooperationen zwischen der Ministerialbürokratie und den Interessenverbänden. Die Machtkärnpfe drückten sich auch in der Kumulierung von Ämtern und Posten in den Verbänden und den Behörden. Vgl. zur Rolle der Verbände in der Weimarer Republik: H. Mommsen u.a. (Hrsg.): Industrielles System, Bd 2, S. 611ff und J. Flemming u.a. (Hrsg.), Die Republik von Weimar, Bd. 1, S. 179ff und Bd. 2, S. 283ff und S. 349ff
  5. K.D. Bracher, a.a.O., S: 271

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