Zur Interessenlage der (groß)agrarischen Produzenten

Forderungen nach umfassender Staatshilfe

Detlef Endeward

Agrarier bezeichnet die Vertreter wirtschaftspolitischer Interessen v.a. der  Großgrundbesitzer. Diese hatten sich im Deutschen Reich mit Unterstützung Otto von Bismarcks organisierten. Ihr politischer Einfluss erreichte seinen Höhepunkt 1893 mit der Gründung des Bundes der Landwirte und in der Weimarer Republik im Reichslandbund von 1921. Politisch wirkten die Agrarier auf der äußeren Rechten, gestützt auf die ostelbischen Junker und die preußischen Konservativen.

Alle agrarischen Produzenten hatten zum Ende der 20er Jahre vor allem unter dem Preisverfall zu leiden: (1) die Preise sanken in der Krise um 40 % und trotz des Versuchs, durch Mehrproduktion einen Ausgleich zu schaffen, reduzierten sich Bruttoerträge um fast 30 %. Hohe fixe Pachtzinsen und Hypothekenlasten ließen viele Agrarier ins Defizit geraten, die Zwangsmaßnahmen der Gläubiger führten zu einem Wertsturz für Grundstücke und landwirtschaftliche Geräte.

Insgesamt war das Kernproblem der agrarischen Produzenten weniger der Mengenabsatz, als vielmehr die untragbaren finanziellen Erträge. Diese bedrohliche Lage hatte sich schon in der kurzen Phase des Preisverfalls für Fleisch 1927/28 offenbart und dann zunehmend verschärft.

In der Folgezeit konnten sich die agrarischen Produzenten trotz z.T. unterschiedlicher Produktionsbedingungen – vor allem zwischen überwiegend kleinbetrieblich organisierter Veredelungswirtschaft und der großbetrieblichen Getreidewirtschaft – auf eine einheitliche Linie der Sicherung der Rendite über die Preise einigen. (2) Ihren Ausdruck fand diese Einheit auch in der Zusammenfassung aller agrarischen Spitzenverbände im Jahre 1929. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen lassen sich zusammenfassen in der „Forderung nach umfassender Staatshilfe zugunsten der Landwirtschaft“. (3)

Ihr Interessenverband kämpften sie für Schutzzölle, hohe Agrarpreise und Subventionen für verschuldeten Großgrundbesitz. Wichtige einzelne Elemente waren:

  • Reduzierung des Imports ausländischer Nahrungsmittel;
  • Regulierung der Getreidepreise durch Errichtung eines staatlichen Getreidemonopols ;
  • Senkung landwirtschaftlicher Steuern ;
  • Ausweitung staatlicher Kredite zugunsten der Landwirtschaft .

Mit der Verschärfung der agrarischen Krise entwickelten die landwirtschaftlichen Interessenvertreter eine „nationalwirtschaftliche Krisenstrategie, die durch Förderung der Landwirtschaft der Verringerung des Exports dank Steigerung der Binnennachfrage
begegnen wollte“. (3) Durch die unbedingte Betonung des inneren Marktes als Hauptmoment der Krisenüberwindung verschärften sie zugleich den Widerspruch zwischen Agrarprotektionismus und exportorientierter Handelspolitik. (4)


Anmerkungen

  1. Vgl. E. Varga: Die Krise des Kapitalismus und ihre politischen Folgen, Frankfurt/M.. 1974, S, 291ff und C. Bettelheim: Die deutsche Wirtschaft unter dem Nationalsozialismus, München 1974, S. 2ff
    Die Klein- und Mittelbauern waren – abgesehen von den Landarbeitern – in dieser Situation am ärgsten betroffen. Die Belastungen waren  für sie relativ zu ihren Einkommen und Produktionsmöglichkeiten erheblich höher  als bei den Großbauern und Großgrundbesitzern, zumal die staatlichen Hilfen – billige Kredite, Schuldsanierungen und Subventionen – in weit überwiegendem Ausmaß nur den Letzteren zu Gute kamen. Die Folge war, dass der Prozess der Differenzierung – wenige Bauern „steigen auf“, sehr viele verlieren ihre bäuerliche Existenz – voranschritt. Infolge dessen erhöhte sich zugleich die Bodenkonzentration in den Händen weniger Großgrundbesitzer.
  2. Siehe hierzu besonders: D. Geßner: Industrie und Landwirtschaft 1928-1930, in: H. Mommsen u.a.: Industrielles System, Bd. 2, S. 762ff
  3. D. Geßner: a.a.O., S. 766f
  4. D. Geßner: a.a.O., S. 778
  5. Vg1. hierzu: T.P. Koops: Zielkonflikte der Agrar- und Wirtschaftspolitik in der Ära Brüning, in: H. Mommsen u.a.: a.a.O., Bd. 2, S. 852ff

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