Kleingärten und Laubenkolonien

Die Villenkolonien der Proletarier

Schrebergärten waren in den 20er Jahren eine beliebte und häufig genutzte Alternative zu den beengten Wohnverhältnissen vieler Großstadtfamilien. Besonders in den wirtschaftlichen Krisenzeiten schuf die Selbstversorgung mit frischem Obst und Gemüse eine gewisse Sicherheit. Im Schrebergarten vermischten sich Spiel und Arbeit, Notwendiges und Selbstbestimmtes, Anstrengung und Erholung, Zurückgezogenheit und Kommunikation zu einer „Einrichtung“ mit hohem alltagskulturellen Wert – und zwar für alt und jung, für
Männer und Frauen.

Am Rande der Mietsquartiere suchten Arbeiterfamilien auf späterem Bauland ihre Nahrungsversorgung aufzubessern. Tagsüber kamen die Frauen mit ihren Kindern zum Pflanzen und Jäten und um in der Natur und in der Gemeinschaft Erholung zu finden; die Männer erschienen nach Feierabend. Zwei Drittel aller Gartenfreunde waren ArbeiterInnen, und so lagen denn auch die ersten Kolonien bei Linden, Hainholz und Buchholz.

Die Schrebergartenbewegung nahm in den 1920er Jahren einen großen Aufschwung. Im Reichsverband der Kleingärtner Deutschlands waren 420.000 Mitglieder organisiert. In Berlin war etwa jede 9. bis 10. Familie im Besitz eines Kleingartens, in Bremen sogar jede 2. bis 3. Die Zahl der Kleingärten in Hannover stieg von ca. 6.000 im Jahre 1918 auf etwa 11.400 im Jahre 1927 und erreichte gegen Ende der Weimarer Republik ca. 20.000 einen Höchststand. Die Gärten am Lindener Berg waren schon im Jahre 1900 auf Egestorff’schen Gelände angelegt worden, doch
erst nach dem Kleingartengesetz von 1919 gründeten die Gartenfreunde den Verein „Lindener Alpen“. Als die Stadt Hannover 1926 die Gärten übernahm, konnte endlich mit dem 4.000 Mark-Darlehen eines Bierverlegers das 5 x 9 m große Kolonieheim errichtet werden. Die erste Wasserleitung wurde bis ins Heim geführt, wo für wenig Geld heißes Wasser zum Kaffee kochen und sonntags auch Kuchen abgegeben wurde. Nach der Inflation, ab 1924,, wurden die Gärten auch mit manchmal phantasievollen Lauben weiter ausgebaut, Feste, Umzüge stärkten das Gemeinschaftsleben, dessen Zentrum das Kolonieheim war, wo es Flaschenbier, heißes Wasser zum Kochen und sonntags auch Kuchen gab.

Während der Großen Wirtschaftskrise veränderte sich die Funktion der Schrebergärten: Wohnungslos gewordene Leute bauten Gartenhäuser zu Wohnlauben um – eine regelrechte „wilde Siedelei“ entstand, die den Behörden Kopfzerbrechen machte. Nach der Machtübernahme durch die Faschisten dienten Schrebergärten auch als Fluchtorte und Verstecke.

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