Entnazifizierung

Die Entnazifizierung sollte nach den Vorstellungen aller Siegermächte Deutschland vom Nationalsozialismus und Militarismus befreien.

Drei Aufgaben waren dabei zu erfüllen:

  1. Die Auflösung aller NS-Organisationen,
  2. die Ausschaltung aller nationalsozialistischen Elemente aus dem deutschen Rechtssystem;
  3. die Säuberung aller gesellschaftlichen Bereiche von nationalsozialistischen Einflüssen, besonders in personeller Hinsicht.

Die erste Aufgabe war relativ schnell und weitgehend erfolgreich abzuschließen.

Die Erfüllung der letzten Aufgabe war der gesellschaftspolitisch bedeutsamste Aspekt der Entnazifizierung.

In Deutschland selbst wurde die Beseitigung nationalsozialistischer Einflüsse von den politisch aktiven Menschen zunächst als unbestritten notwendige Maßnahme gesehen. Allerdings gab es von Anfang an unterschiedliche Vorstellungen über die Umsetzung.

Die linken Parteien und Gewerkschalten sahen darin einen wichtigen Schritt, um die gesellschaftlichen Grundlagen des Nationalsozialismus erschlagen. Die konservativen Gesellschaftsgruppen strebten an, die gesellschaftlichen Strukturen möglichst unangetastet zu lassen und sich auf die Bestrafung der schuldig Gewordenen zu beschränken.

Grundsätzlich war die Entnazifizierung zunächst eine Maßnahme, die den Besatzungsmächten vorbehalten war. In der britischen Zone setzten sofort mit der Übernahme der Regierungsgewalt in den einzelnen Orten erste Säuberungen der Verwaltungen und öffentlichen Institutionen ein, ohne dass dafür allgemein verbindliche Richtlinien vorlagen. Dementsprechend unterschiedlich waren auch die Ergebnisse in den verschiedenen Gebieten der britischen Zone und bei den verschiedenen Behörden. Insgesamt wurden aber doch zahlreiche Personen zunächst aus ihren Ämtern entfernt.

Eine allgemeine Grundlage wurde erst durch eine Verordnung des Kontrollrates vom 12.01. 1946 geschaffen. Auch danach sahen die Besatzungsmächte die Entnazifizierung noch als ihre Aufgabe an. Deutsche Entnazifizierungsstellen hatten nur Ermittlungs- und Begutachtungsfunktionen und ein Vorschlagsrecht zur Eingliederung in die verschiedenen Belastungskategorien: Vom Kriegsverbrecher (Kat. l) bis zum Entlasteten (Kat. V).

Im Verlaufe des Jahres 1947 wurde dann die Verantwortung an deutsche Behörden übergeben, in der britischen Zone zum 1. Oktober 1947. Die deutschen Regierungen erhielten jetzt auch die Ermächtigung, die zur weiteren Durchführung der Entnazifizierung erforderlichen Gesetze selbst zu erlassen.

Die deutsche Bevölkerung musste Fragebögen ausfüllen, und der zu entnazifizierende Personenkreis wurde derart ausgeweitet, dass die Durchführung der stark bürokratisierten und justizähnlichen Verfahren große Schwierigkeiten bereitete. Außerdem kam es ,,zu nicht zu übersehenden Ungerechtigkeiten, zumal die mit Deutschen besetzten Spruchkammern immer stärker dazu neigten, die meisten Belasteten als Mitläufer auf Grund von zweifelhalten Leumundszeugnissen einzuordnen. Mit der Zuspitzung des Ost-West-Gegensatzes verlief die groß angelegte Entnazifizierungskampagne im Sande, was unter anderem dazu beitrug, dass sich ehemals hochgestellte Mitglieder der NSDAP dem Verfahren entziehen konnten.“ (Berger/Müller S. 1 15)

In Widerspruchsverfahren klagten sich außerdem viele anfangs entlassene Beamte und Angestellte wieder in ihre Ämter ein.

„So hat die Entnazifizierung eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Faschismus und seinen Ursachen (…) eher verhindert als gefördert; und zwar gerade dadurch, dass sie diesen Vorgang simulierte. Obwohl die Öffentlichkeit über Jahre damit beschäftigt und Millionen von Bürgern dem Prozess unterworfen waren, hat das Verfahren durch Überdehnung und Bürokratisierung nur eine Welle von Verbitterung ausgelöst; vor allem bei den kleinen Leuten, die die Sache auszubaden hatten.“ (Lehmann)

Die gesellschaftlichen Konsequenzen sind ebenso ersichtlich: sehr schnell konnten ehemalige Nazis oder Persönlichkeiten, die gegenüber dem NS-System eine positive Einstellung eingenommen haben, wieder entscheidend über die zukünftige Entwicklung in Deutschland mitreden. Sehr bald war die ‚Entnazifizierung‘ diskreditiert und die Bereitschaft zu einer politischen „Bewältigung der Vergangenheit“ erheblich gemindert.

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