Filmaufbau GmbH

 

Phönix aus der Asche

Nach Kriegsende, im Sommer 1945, fassen Hans Abich und Rolf Thiele, beide bisher filmisch völlig unvorbelastet, den Entschluss „etwas zusammen zu machen“. Sie sind überzeugt davon, im Massenmedium Film etwas gefunden zu haben, „womit man ein hungerndes Volk, das mit anderen Völkern und sich selbst Schindluder getrieben hat, kulturell breit ‚ernähren‘ kann.“ Vor allem aus persönlichen Gründen wählen die angehenden Filmproduzenten als zukünftigen Firmensitz die Universitätsstadt Göttingen. Am 12. Oktober 1946 wird die Filmaufbau GmbH von der Information Control der britischen Militärregierung lizensiert.

Wer trägt die Verantwortung?

LIEBE 47 nach Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ ist das erste Projekt. Regie führt Wolfgang Liebeneiner, von 1942 bis 1945 Produktionschef der Ufa. Die Wahl Liebeneiners zeigt das Problem, mit dem Abich und Thiele sich konfrontiert sehen: Die Filmneulinge müssen bei der Realisierung von neuen und aktuellen Stoffen zunächst auf die „alten Hasen“ zurückgreifen.

Mit dem ersten Dreh von LIEBE 47 werden die zu diesem Zeitpunkt modernsten Ateliers Deutschlands am 21. August 1948 eröffnet. Der Film über den völlig desillusionierten Kriegsheimkehrer Beckmann erweist sich als finanzieller Totalverlust: Schwierigkeiten mit der Aufnahmetechnik führen zu Etatüberschreitungen. Dazu kommt, daß LIEBE 47 „zwar viel besprochen, aber wenig besucht“ wird (Hans Abich). Abich vermutet später, „dass das Publikum die Trümmer und auch die Schuldabtragungsfrage zu dieser Zeit nicht mehr wollte“.

Am 8. März 1949 wird die Produktionsfirma aus der Ateliergesellschaft herausgelöst. Es entstehen zwei eigenständige Firmen, die „Filmatelier Göttingen GmbH“ und die „Filmaufbau GmbH Göttingen“.

Autorin:

Die Seiten in diesem Themenfeld sind erstellt worden nach den Ausführungen auf den Ausstellungstafeln von „Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen“ und dem Beitrag von Susanne Fuhrmann „Filmaufbau Göttingen GmbH“. Reihe: Film-Materialien. Hamburg/Berlin/Hannover 1993, S. 5-10.
Ausführlicher siehe: Susanne Fuhrmann: Zur Geschichte der Filmaufbau GmbH Göttingen. In: Katalog zur Ausstellung „Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen“ Hannover 1995, S. 49-64


Von den Absichten einer Göttinger Filmproduktion

Dem Versuch, in der britischen Besatzungszone eine deutsche Spielfilmproduktion ins Leben zu rufen, lag die geistige Fragestellung zu Grunde, welche kulturpolitischen Wirkungsmittel dem dringenden Thema der Zeit in der Situation nach 1945 und künftig in Deutschland gerecht werden könnten und in welcher Weise und zu welchem Ziel derartige Wirksamkeiten anzusetzen seien.

 

Zeigen, wie es sein soll – ein Gespräch mit Hans Abich

Auch wir gehörten damals zu den Leuten, die zeigen wollten, wie etwas eigentlich sein soll. Ob wir allerdings überhaupt fähig gewesen wären, zu zeigen, wie es war, weiß ich nicht. Wir hätten möglicherweise dafür noch keinen Ausdruck gewußt. Wir waren nicht ganz sicher, wie es ist. Wir hätten ein Nazi-Reich mit geringen „Verwandlungskoeffizienten“ zeigen müssen. So früh hat man noch nicht gewußt, welche demokratischen Fähigkeiten wir Deutsche überhaupt entwickeln würden.

Filmproduktionen der Filmaufbau GmbH

Von 1948 bis 1975 hat die Filmaufbau GmbH insgesamt 27 Spielfilme, 6 TV-Filme und  21 Dokumentarfilme produziert oder war an deren Produktion beteiligt.

Die erste Filmproduktion – ein „Totalverlust“

Als erste Filmaufbau-Produktion inszeniert Wolfgang Liebeneiner im August 1948 LIEBE 47 nach Wolfgang Borcherts Theaterstück „Draußen vor der Tür“. Schwierigkeiten mit der Aufnahmetechnik, daraus resultierende Drehzeit- und Etatüberschreitungen, die nach der Währungsreform herrschende Kapitalknappheit und der Rückgang der Zuschauerzahlen: Auch diese Probleme tragen dazu bei, daß LIEBE 47 zu einem „Totalverlust“ für die neugegründete Filmaufbau GmbH wird.

Erste Erfolge

Der zweite Film der Filmaufbau entsteht in Koproduktion mit der Neuen Deutschen Film GmbH, München, und wird ein überwältigender Erfolg: Nachtwache (1949, Regie: Harald Braun) trifft ein Zeitgefühl.

Verbürgte Skandälchen

Der erste verbürgte Film Primanerinnen (1951) nach der Novelle „Ursula“ von Klaus Erich Boerner ist zugleich das Debüt Rolf Thieles als Drehbuchautor und Regisseur. Der „Film der jungen Herzen“, wie er vom Verleih angekündigt wird, sorgt speziell beim jugendlichen Publikum für Diskussionsstoff.

Literaturverfilmungen nach Thomas Mann

Der Initiative Hans Abichs ist es zu verdanken, dass sich die Filmaufbau an Stoffe von Thomas Mann heranwagt. 1953 entsteht unter der Regie von Harald Braun der Farbfilm Königliche Hoheit.

Außergewöhnliche Projekte

Einzigartig in der Geschichte des bundesdeutschen Films der fünfziger Jahre ist ein Experiment, das Hans Abich 1954 wagt: Er gibt dem erst 24jährigen Herbert Vesely die Chance den „ersten deutschen avantgardistischen Spielfilm“ („Der Spiegel“) Nicht mehr fliehen zu realisieren.

Ambitionierte Projekte

Mit dern Auslaufen der Bundesbürgschaftsaktionen verliert die Filmaufbau zum Jahresende 1955 das finanzielle Rückgrat ihrer bisherigen Produktionstätigkeit. Trotzdem bleiben „ambitionierte Produktionen“ auch in der zweiten Hälfte der 50er Jahre kennzeichnend für die Arbeit der Fihnaufbau.

1958/59 – eines der aktivsten Prouktionsjahre

Das Produktionsjahr 1958/59 ist eines der aktivsten der Firmengeschichte. Vier große Filmproduktionen entstehen in ieser Zeit: WIR WUNDERKINDER, UNRUHIGE NACHT, DER MANN, DER SICH VERKAUFTE und DIE BUDDENBROOKS

Die 60er Jahre – Umzug nach München und Konzept der „Zweigleisigkeit“

Mit Beginn der 60er Jahre bekommt die Filmaufbau, die sich in der vorangegangenen Zeit trotz einiger Erfolge kein großes „finanzielles Polster“ zulegen konnte, die sinkenden Zuschauerzahlen in den Kinos zu spüren. Im Oktober 1960 verlegt die Filmaufbau ihr Büro von Göttingen nach München. Die Filmaufbau bemüht sich in dieser Zeit um ein Konzept der „Zweigleisigkeit“: neben der risikoarmen Auftrags- und Coproduktion von Spielfilmen versucht sie als Produzent von Fernsehspielen Fuß zu fassen.


Siehe auch:

 

 
 

Göttingen ist Filmstadt geworden

hp Göttingen. In Anwesenheit von Vertretern aller maßgebenden Stellen wurden in einer Feierstunde die modernsten Filmateliers Deutschlands, der Filmaufbau-Gesellschaft Göttingen, verbunden mit dem gleichzeitigen Produktionsbeginn und Anlaufen des ersten Spielfilms, eröffnet.

Hans Abich von der Filmaufbau-Gesellschaft sprach Worte der Begrüßung und des Dankes. Für die Stadt sprach Kulturdezernent Dr. Pfauter. Zunächst habe die Stadt den Filmplänen abwartend gegenüber gestanden, denn man habe eingehend geprüft, ob zwei so verschiedene Welten, wie der Film und die Wissenschaften es seien, zueinander passen würden. Bald aber sei an die Stelle der prüfenden Zurückhaltung Begeisterung und Freundschaft getreten.

Die Grüße und Glückwünsche der Niedersächsischen Staatsregierung überbrachte Kultusminister Adolf Grimme. “Ich habe mich immer wieder gefragt, ob sich die alte Stadt der ernsten Forschung und der klaren Wissenschaft mit dem Film vertragen wird. Hier ist eine bewundernswerte Leistung aus eigener Kraft vollbracht. Was von vielen Fachleuten für unmöglich und verfehlt gehalten wurde, ist in hartnäckiger Arbeit ganz in der Stille Wirklichkeit geworden: Göttingen ist Filmstadt, ob die Stadt nun will oder nicht“, erklärte der Minister.

Dann tönte Wolfgang Liebeneiners Stimme, Regisseur und Drehbuchautor des neuen Films ,,Liebe 1947“, durch das Megaphon und gab das Startzeichen für die Hochzeitsszene des Films, die in Anwesenheit der Gaste aufgenommen wurde. Der Film wird nach Motiven von Wolfgang Borchert gedreht. In den Hauptrollen: Hilde Krahl, Karl John, Grete Weiser, Erich Ponto, Albert Florath, Hedwig Wangel, Hubert Meyerinck und andere. An der Kamera: Franz Weihmayr, Musik von Hans-Martin Majewski.

Während sich München, Hamburg, Baden-Baden und andere Städte bemühen, den Ruf Berlins als Filmstadt streitig zu machen, hat Göttingen jetzt die besten Voraussetzungen dafür: eigene Aufnahmeateliers mit einer Gesamtflache von über 1500 Quadratmetern. Drei große Ateliers mit modernsten Schnürboden, ein umfangreicher Fundus, eigene Tischlerei-, Schlosserei-, Maler-, Dekorations- und Stukkateurwerkstätten, Schauspielergarderoben und Schminkraume sowie ein für die Produktionsstabe sind praktisch aus dem Nichts geschaffen worden.

Wolfgang Liebeneiner erklärte: ,,Göttingen hat alle Möglichkeiten, ein wirkliches Filmzentrum und eine große Produktionsstätte zu werden. Komparserie steht in einer Weise zur Verfügung, daß ich erstaunt bin. Es sind ganz neue und echte Gesichter. Das Gelände ist geradezu ideal. Ich erhoffe von Göttingen sehr viel und arbeite hier sehr gern. Eines aber möchte ich betonen: Wer so viel in den letzten Jahren der Not fertiggebracht hat wie diese junge Filmgesellschaft, der läßt noch weit mehr erhoffen “

Aus: Hannoversche Presse, 26. 8. I948

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