Wir Wunderkinder
100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen
Die Ausstellung Wir Wunderkinder wurde 1994/95 von Susanne Höbermann und Pamela Müller im Auftrag der Gesellschaft für Filmstudien erarbeitet und war vom 15. Oktober 1995 bis 14. Januar 1996 im Historischen Museum in Hannover zu sehen. Anschließend wanderte sie durch verschiedene niedersächsische Städte.
Neben zahlreichen Exponaten und Begleitveranstaltungen bestand sie aus insgesamt 63 Ausstellungstafeln im Format 96,5 x 138,5 cm (Breite x Höhe), die heute noch in dieser Form existieren und für Ausstellungszwecke zur Verfügung stehen.
Ein Großteil der inhaltlichen Ausführunge aus dieser Austellung und dem Begleit-Katalog sind in die Lernwerkstatt eingearbeitet worden. Sie haben auf den Seiten zur Ausstellung die Möglichkeit, sich einen ersten optischen Eindruck von den Ausstellungstafeln zu verschaffen.
Themen | Anzahl | |
Die Pioniere | 4 | |
Frühe Filmproduktion | 5 | |
Filmaufbau GmbH Göttingen | 8 | |
Filmatelier Göttingen | 10 | |
Junge Film-Union Bendestorf | 8 | |
Atelierbetriebe Bendestorf | 8 | |
Schauplatz Niedersachen | 11 | |
Perspektiven | 9 | |
Gesamte Ausstellung | 63 |
WIR WUNDERKINDER, das ist zunächst einmal ein außergewöhnlicher Film, den die Filmaufbau Göttingen 1958 produzierte. ,,WIR WUNDERKINDER“, so heißt auch unsere Ausstellung und der in diesem Zusammenhang entstandene Katalog zum Thema ,,100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen“. ,,WIR WUNDERKINDER“ deshalb, weil es in Niedersachsens Filmgeschichte viel zu entdecken gibt. Das 100jährige Jubiläum des Kinofilms in diesem Jahr gab uns dazu den Anlaß.
Bei der Ausstellungsvorbereitung wurden wir häufig verwundert gefragt, ob Niedersachsen denn tatsächlich auf hundert Jahre Filmgeschichte zurückblicken kann. Diese Frage lag nicht etwa darin begründet, daß das Bundesland erst knapp ein halbes Jahrhundert alt ist, sondern in der Tatsache, daß es heute keine Filmmetropole wie München oder Berlin vorzuweisen hat.
In den letzten hundert Jahren galt Niedersachsen nur etwa zehn bis fünfzehn Jahre als eine bedeutende und produktive ,,Hochburg“ des deutschen Films. Dafür sorgten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Produktionen der Filmaufbau Göttingen, die großen Ateliers dort und die Junge Film-Union in Bendestorf. Die wissenschaftliche Forschung hat ihre Geschichte weitgehend aufgearbeitet. Doch das, was sich auf dem Gebiet der niedersächsischen Filmproduktion im letzten Jahrhundert insgesamt getan hat, wurde bisher nur punktuell untersucht.
Vor uns lag folglich eine intensive Recherchearbeit, die sehr viel Interessantes zutage förderte. So war etwa über einen Wegbereiter des Films in Niedersachsen, den Chronophotographen Ernst Kohlrausch, bisher nur wenig bekannt. Seine Vita lag völlig im Dunkeln. Deac Rossell widmete sich für uns intensiv diesem Thema und fand nach langer, aufwendiger Suche das fehlende Bindeglied zwischen seinen chronophotographischen Erfindungen und seinem, der Filmforschung bis dahin unbekannten Wirken als Lehrer am ,,Kaiser-Wilhelm-Gymnasium“ in Hannover. Erst jetzt können wir uns ein genaueres Bild von seinem Leben und Werk machen.
lm Verlauf unserer Recherche haben wir Unmengen von Informationen zu niedersächsischen Filmproduktionsfirmen sammeln können. Es waren fast zu viele, denn leider ließ sich nur ein BruchteiI davon tatsächlich in der Ausstellung und im Katalog umsetzen. Um die Geschichte einer Filmproduktionsfirma nachzeichnen zu können, bedarf es mehr als dem ,,nackten“ Datenmaterial, das wir auf unseren Archivreisen allen wesentlichen Nachschlagewerken, Handbüchern und Zensurkarten entnahmen. Erst die Kenntnis der von ihr produzierten Filme, ihres Schrift- und Bildmaterials, und die Berichte von Zeitzeugen machen sie lebendig.
Bei der von 1919 bis 1934 in Hannover ansässigen ,,Döring-Film“ hatten wir z.B. über sechzig Kultur- und Werbefilmtitel recherchiert, doch zunächst war außer einem Porträt des Firmeninhabers kein weiteres Bildmaterial zu finden. Für die Präsentation in einer Ausstellung war dies eindeutig zu wenig. Erst der akribischen Forschungsarbeit von Irmgard Wilharm, die für ihren Katalogbeitrag auch Kontakt zu den Töchtern eines Teilhabers und Regisseurs der Firma aufnehmen konnte, ist es zu verdanken, daß wir nun in der Lage sind, Fotos, Plakate und sogar zwei noch erhaltene Filme der ,,Döring“ in der Ausstellung zu präsentieren.
Katalog und Ausstellung können und sollen keine chronologisch und geographisch vollständige Erhebung der Filmproduktion in Niedersachsen wiedergeben. Sie möchten das Thema qualitativ erschließen und in wechselseitiger Ergänzung einzelne Aspekte vertiefen.
Neben der Geschichte der in Niedersachsen ansässigen Filmproduktion interessierte uns auch der ,,Filmschauplatz“ Niedersachsen. Welche Städte und landschaftlichen Regionen dienten als Filmkulisse? Auch hier mußten wir aufgrund der Vielzahl der Filme eine Auswahl treffen und haben uns deshalb in der Ausstellung auf einige Spielfilme, im Katalog auf die ,,abendfüllenden“ Spiel- und Dokumentarfilme beschränkt.
Da in Niedersachsen, abgesehen von der Gesellschaft für Filmstudien, kein filmwissenschaftliches Archiv existiert, konnte vieles nicht ,,vor 0rt“, sondern nur in Frankfurt/Main und Berlin recherchiert werden. Ohne die Unterstützung des Deutschen Instituts für Filmkunde, Frankfurt, des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt, des Bundesarchiv-Filmarchivs, Berlin, und besonders der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin wären 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen nicht dokumentierbar.
,,WlR WUNDERKINDER“ ist das zweite große Ausstellungsprojekt der Gesellschaft für Filmstudien. 1991 bereitete Pamela Müller die Ausstellung ,,LICHTSPIELTRAUME. Kino in Hannover t896-1991″ vor, die sich in erster Linie mit der hannoverschen Kinogeschichte beschäftigte. ,,LICHTSPIELTRAUME“ ist im Anschluß noch in fünf weiteren niedersächsischen Städten präsentiert und um die jeweilige lokale Kinogeschichte ergänzt worden. Auch ,,WIR WUNDERKINDER“ soll im nächsten Jahr in Niedersachsen auf Wanderschaft gehen.
Ausstellung und Katalog konnten nur unter erheblichem Arbeitsaufwand, einschließlich monatelanger Wochenend- und Nachtarbeit, entstehen. Allen, die uns dabei geholfen haben, sei hier herzlich gedankt.
100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen- an ihr läßt sich nicht nur ein Stück deutscher Filmgeschichte ablesen, sondern auch wichtige Aspekte unserer Sozialgeschichte. Wir laden Sie dazu ein.
Susanne Höbermann, Pamela Müller