Die Defa-Austauschfilme vor dem politischen Hintergrund in Westdeutschland 1949/50

Peter Stettner (1992)

Wenn die Auswertungsbedingungen für neue westdeutsche Spielfilme ab 1949/50 schwieriger wurden, so gilt dies in noch stärkerer Weise für die Defa-Austauschfilme, die die JFU bzw. die von ihr ermächtigten Verleihe in der britischen Zone und dem britischen Sektor von Berlin auswerten konnten. Insgesamt waren es sechs Austauschfilmne, deren Einspielergebnisse die JFU im Wesentlichen für sich verbuchen konnte: Die Filme RAZZIA, AFFÄRE BLUM, und DIE SELTSAMEN ABENTEUER DES FRIDOLIN B. waren noch von der britischen Militärzensur freigegeben worden. Die folgenden Defa-Filme DIE KUCKUCKS, DER BIBERPELZ und DER KAHN DER FRÖHLICHEN LEUTE gelangten 1949 bzw. Anfang 1950 in die Bundesrepublik.

Nachdem die alliierte Kontrolle über den Filmaustausch weggefallen war, regelten die JFU und die Defa ihre Geschäftsbeziehungen in diesem Bereich neu. War ihnen vorher eine Gewinnbeteiligung bzw. -Verrechnung untersagt worden, so sollte nun eine anteilsmäßige Beteiligung für die Defa festgestellt werden.169 Der Hintergrund war der, daß die Defa die JFU-Filme F5-F7, für die sie ihrerseits schon drei Filme geliefert hatte, nicht mehr einsetzten wollte. Die JFU konnte so ca. 60 Kopien ihrer Filme (20 je Film) sparen und leistete dafür als Ausgleichszahlung an die Defa eine Gewinnbeteilung von 25%-30% je in der britischen Zone ausgewertetem Defa-Film.170 Abgesehen von AFFÄRE BLUM – der Film RAZZIA fiel nicht unter diese Regelung – stellte sich diese Gewinnbeteiligung aber als bedeutungslos heraus: Während die ersten Defa-Austauschfilme, namentlich RAZZIA und AFFÄRE BLUM, die bereits im Verleihjahr 1948/49 eingesetzt werden konnten, recht gute Publikumserfolge waren, so „versagten“ alle weiteren Austauschfilme auf dem westdeutschen Markt – keiner dieser Filme spielte mehr als 15.000 DM für die JFU ein! Die Gründe für die schlechten Einspielergebnisse im Westen lagen – neben den allgemein schwierigen Auswertungsbedingungen im Zusammenhang des vermehrten Angebots an Spielfilmen -in dem politischen Klima begründet, wie es sich ab 1949/50 deutlich abzeichnete. Dies läßt sich anhand des Defa-Spielfilms DER BIBERPELZ veranschaulichen.

Zum besseren Verständnis folgt zunächst eine kurze Inhaltsskizze des Films, der eine Satire auf das wilhelminische Deutschland ist

„Mutter Wolfen arbeitet hart als Waschfrau, weil sie es mit ihren Töchtern zu etwas bringen will Sie glaubt aber, ihr Ziel mit Arbeit allem nicht erreichen zu können und unternimmt kleinere Diebereien, bei denen sie sogar von der einfältigen Justiz ungewollt unterstützt wird, die, anstatt sich um gemeldete Diebstahlsangelegenheiten zu kümmern, nach ‚reichs- und königsfeindlichen Elementen‘ fahndet. Mutter Wolfen findet so ihre Lebensweisheit bewahrheitet: ‚man muß sehen, wie man durchkommt und darf sich nur nicht erwischen lassen‘ „171

Zunächst war vorgesehen, daß der Schorcht-Verleih den Film auswertete. Nach einer ersten Besichtigung des Films lehnte Schorcht laut Meyer die Auswertung des Films jedoch kategorisch ab, vor allem da er das Filmende als unbefriedigend ansah. Schorcht befürchtete bei dem Film auch Widerstände der Theaterbesitzer und versprach sich letztlich keinen nennenswerten Gewinn. 172) Auch Meyer meinte, daß es sehr schwer sei, „solche Filme mit sozial-problematischem Inhalt bei den Kinobesitzern unterzubringen“173 Der JFU-Chef bemühte sich dann um einen anderen Verleih, um das Beste aus dem nun schon getauschten Film herauszuholen Schließlich übernahm der National-Filmverleih, mit dem Meyer ab Ende 1949 zusammenarbeitete, die Auswertung. Meyer versuchte aber weiterhin, die Defa dazu zu bewegen, den Film vor allem in der Schlußszene zu entschärfen. Die Defa erklärte sich hierzu auch bereit, und der Regisseur Erich Engel arbeitete den Schluß des Films um. 174 Wegen der Umarbeitung stoppte der National-Filmverleih derweil die Verhandlungen mit den Theaterbesitzern

Im Juni 1950 wurde der Film schließlich in der britischen Zone aufgeführt, konnte aber kaum Zuschauer gewinnen Dies lag aber auch nicht nur an dem Film selbst, sondern schlicht daran, daß es ein Film der ostdeutschen Defa war. In einem Auswertungsbericht der JFU hieß es „(…) im Übrigen sind nach den Erfahrungen der letzten Monate Defa-Filme kaum zu terminieren, da bereits das Publikum gegen die Aufführung derartiger Filme Stellung nimmt und den Theaterbesitzern, was früher nie geschehen, Briefe zugehen läßt.“175 Der National-Filmverleih versuchte dieser Stimmung in der Bevölkerung insofern nachzugeben, als er den Hinweis, daß es sich um einen Defa-Film handelte, teilweise wegließ, wogegen nun wieder die Defa nicht ganz zu Unrecht protestierte.

Diese ab 1950 deutlich zutage tretende Aversion gegen Defa-Filme ist vor dem politischen Hintergrund des verschärften Ost-West-Konfliktes – 1950 begann der Koreakrieg – zu sehen, der auch die westdeutsche Öffentlichkeit erfaßte. Dabei wirkte die Ablehnung der in der SBZ/DDR produzierten Filme in Form einer sich gegenseitig verstärkenden Kettenreaktion: Teile des Publikums und der Presse, die Theaterbesitzer und schließlich die Verleihgesellschaften nahmen von diesen Filmen Abstand. Dem Ost-West-Filmaustausch, der 1947/48 von der britischen Film Section erklärtermaßen zur Stärkung der neuen deutschen Produzenten in der britischen Zone gefördert worden war, wurde somit – beeinflußt durch das politische Klima in Westdeutschland – die ökonomische Basis entzogen.


Anmerkungen

169 Vgl. Aktennotiz vom 16.3.1950, in: JFU 537
170 Vgl. Schreiben der Defa an die JFU vom 16.3.1950, in: JFU 537.
171 Alfred Bauer, Deutscher Spielfilmalmanach Band 2, 1946-1955, hg von Christoph Winterberg, München 1981, S 42
172 Schreiben der JFU an die Defa vom 7 11 1949, m JFU 63
173 Schreiben der JFU an die Defa vom 11 9 1949, m JFU 63
174 Schreiben der Defa an die JFU vom 28 3 1950, in JFU 43 Worm die Veränderung des Schlusses im Einzelnen bestand, geht aus den zur Verfügung stehenden Quellen nicht hervor Meyer regte im Übrigen noch weitere Veränderungen an dem Film an, die aber vermutlich nicht mehr durchgeführt worden sind
175 Bericht eines JFU-Mitarbeiters vom 30 9 1950 an Rolf Meyer nach einer Besprechung mit dem Schorcht-Verleih, in JFU 88


Auszüge aus: Peter Stettner: Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik, S. 54-61 und S. 83-85

Das könnte dich auch interessieren …