Gemeinsame Vorgaben für das Filmwesen in der britischen und amerikanischen Zone

Briten und Amerikaner einigten sich vor Kriegsende auf einige gemeinsame Vorgaben, was die politisch/gesellschaftliche Ausrichtung des Filmwesens betraf:

  • der Erziehungsaspekt (Reeducation) sollte bei Neuproduktionen zwar im Vordergrund stehen, aber subtil (illustrierend, unterhaltend) vermittelt werden
  • die Film-Protagonisten sollten folgende Eigenschaften besitzen:
    • starke, selbstbewusste Invidualität
    • kämpferische Orientierung am Gemeinwohl
    • Kritik- und Konfliktfähigkeit
    • Zivilcourage
    • heldenhafter Einsatz für Menschenrechte, gegen Ignoranz, Reaktion
    • Anstand
    • Fähigkeit zur Selbstdistanzierung, Humor

Diese Vorgaben wurden allerdings nach Kriegsende allmählich aufgeweicht. Schon bald setzten sich diejenigen Kräfte durch, die den Film primär als kommerzielle Ware mit unterhaltender bzw. zerstreuender Funktion betrachteten. Weiterhin wurde jedoch großer Wert auf die demokratische Gesinnung der Filmschaffenden gelegt, was zu aufwändigen Lizenzierungsverfahren führte und den Aufbau der Fimproduktion verlangsamte.

Im Januar 1947 trafen Briten und Amerikaner das Doppelzonenabkommen. Erteilte Filmlizenzen erhielten jetzt in beiden Zonen Gültigkeit. Was den Inhalt der Filme betraf, begnügte man sich schließlich mit dem Verbot jeglicher faschistischer Tendenzen, übte aber keinen speziellen politischen Einfluss aus.

Briten und Amerikaner legten von Beginn an auf eine föderale Struktur des Filmwesens Wert. Die Lizenzpolitik sollte neben ihrer politischen Funktion auch Monopolisierungstendenzen vorbeugen. So entstanden zahlreiche Produktions- und Verleihfirmen, die überwiegend nicht überlebensfähig waren, weil

  • ihnen die finanzielle Basis fehlte.
  • sie zu wenig Filme produzieren konnten und damit ein unzureichender Risikoausgleich stattfand.
  • das potenzielle Aufführungsgebiet aufgrund der Zoneneinteilung zu klein war.

Nach einem verlangsamten Start wurden dann 1948 in den Westzonen erstmals mehr Filme produziert wurden als im Osten durch die DEFA. Von 26 bis Ende 1948 im Westen produzierten Spielfilmen liefen im Zuge des Interzonenabkommens 13 in der sowjetisch besetzten Zone.

Die Briten galten im Vergleich zu den Amerikanern als großzügig bei Lizenzvergabe und Zensur. Man baute auf die Erneuerungsfähigkeit des deutschen Kulturbetriebs und legte schon bald mehr Wert auf wirtschaftliche Förderung als auf politische Beeinflussung.

Die ideellen Absichten der britischen Filmpolitik wurden 1947 in einem Grundsatzpapier formuliert:

Der Neuaufbau der deutschen Filmindustrie ist aus psychologischen Gründen besonders wichtig. Denn wenn Deutschland wieder Selbstbestimmung erlangen will, muss es eine eigene Ausdrucksweise finden. […] Ohne eine eigene Ausdrucksweise und die Kraft, die neuen Ideale, die jetzt so schmerzlich erlernt werden, für sich zu artikulieren, kann eine Erneuerung des Landes nicht stattfinden. […] Soll Deutschland wieder ein produktives Land werden, muss den deutschen Arbeitern Hoffnung und Zuversicht vermittelt werden. Nur Filme aus heimischer Produktion können das bewirken.

So verließ man sich schon früh auf die Urteile der zur Filmbewertung eingerichteten deutschen Spruchkammern und förderte die Einrichtung von Filmproduktionsstätten in der Britischen Zone, wie z. B. in Göttingen und Hamburg.

Um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, mussten die Filmschaffenden zunächst einen Fragebogen mit persönlichen Angaben und Details zum geplanten Filmprojekt beantworten. Dieser Lizenzierungsbogen ging nun seinen Weg durch die Instanzen, wobei hier seit dem Sommer 1947 auch deutsche Stellen wie der Beratende Filmausschuss für die Britische Zone und die Kultusministerien der Länder beteiligt waren. Das letzte Wort und somit ein Vetorecht hatte aber die Militärregierung.

Eine wirtschaftliche Vorabprüfung des Projekts fand nicht statt – der gesamte Prozess der Filmherstellung lag in der Verantwortung des jeweiligen Lizenzträgers (des Produzenten). Die insgesamt sehr liberale Haltung der Briten bei der Erteilung einer „working permit“ führte bei der Einrichtung einer gemeinsamen Film Production Control zu Streitigkeiten mit den Amerikanern.

Die inhaltliche Zensur der Filme bestand aus einer Vorprüfung und einem Genehmigungsverfahren für den fertiggestellten Film.
Für die Vorzensur waren zwei Exemplare des Drehbuchs bei der Film Section einzureichen. Hatte diese Änderungswünsche, mussten diese berücksichtigt und das Skript erneut eingereicht werden.

Für Regisseure und Produzenten erwies sich ein enger, vertrauensvoller Kontakt zu den zuständigen Filmoffizieren als hilfreich, wenn es um die Genehmigung von Drehbüchern sowie materielle Unterstützung während der Dreharbeiten ging. Die Bestimmungen zur Genehmigung von Filmen wurden seit Anfang 1947 schrittweise liberalisiert, im Oktober 1948 wurde die Vorzensur abgeschafft. Wenn die Briten jetzt noch einen Einfluss auf die Filmproduktion ausübten, dann war es die bevorzugte Unterstützung von zeitnahen, problembezogenen gegenüber eskapistischen Inhalten.

Amerikanischen Zone

Frühphase (1945/46)
Die amerikanischen Besatzungsbehörden zeichneten sich in der frühen Nachkriegszeit (bis Mitte 1946) durch sehr kleinliche Lizenzierungs- und Genehmigungsverfahren aus. Innerhalb der Militärregierung gab es in Bezug auf die Entnazifizierungspolitik Vertreter zweier Positionen: die einen setzten auf Reeducation, also die von außen erfolgende Umerziehung und Belehrung der Bevölkerung, die anderen auf Reorientation, die subtilere Variante, die die Leitung des Prozesses in deutsche Hände legen sollte.

Den Film hielt man als Umerziehungmedium für weniger wirksam als Presse und Rundfunk. Und so stellte man sich bald die Frage, ob er neben seiner aufklärerischen Funktion das Publikum auch unterhalten durfte.

Zuerst führte man Dokumentarfilme auf, die z. B. die Bilder der befreiten Konzentrationslager zeigten und die Deutschen über die in ihrem Namen begangenen Verbrechen aufklären sollten. Später, nachdem das Scheitern dieser direkten Aufklärung akzeptiert worden war, etablierte sich die Kombination Wochenschau/Dokumentation/reiner Unterhaltungsfilm, was immerhin zu einer Steigerung der Besucherzahlen führte. Der Hollywood-Regisseur Billy Wilder, vorübergehend Leiter der Filmabteilung der Psychological Warfare Division der US Army, bezweifelte den Nutzen dieser Praxis für die politische Umerziehung:

… wir werden sie wahrscheinlich apathisch durch diese Dokumentarfilme und erzieherischen Wochenschauen dösen sehen – dann wach und bereit für Rita Hayworth in ‚Cover Girl‘. ‚Cover Girl‘ ist gewiss ein guter Film. Er hat eine Liebesgeschichte, er hat Musik und ist in Technicolor. Für unser Programm zur Umerziehung der deutschen Bevölkerung nutzt er allerdings nicht viel.

Wilder setzte dagegen auf Unterhaltungsfilme, die auf subtile Art beeinflussen sollten, „raffiniert gemacht, um ein bisschen Ideologie an den Mann bringen zu helfen.“

Das Misstrauen der Amerikaner gegenüber den deutschen Filmschaffenden zeigte sich im langwierigen Lizenzierungsverfahren für Produzenten: zunächst mussten die Antragsteller sich beim zuständigen Büro der Information Control Division (ICD) registrieren lassen, um überhaupt eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Die Grundlage bildeten hier verschiedene Fragebogen zum geplanten Filmprojekt sowie zur eigenen Person, wobei sowohl die berufliche Qualifikation als auch die politische Rolle im Dritten Reich eine Rolle spielte. Zudem mussten Zeugen genannt werden, die die im geschäftlichen, politischen und privaten Bereich gemachten Angaben im Bedarfsfall bestätigen konnten.

Bei der Klassifizierung der Filmschaffenden waren verschiedene Stellen der Besatzungsverwaltung involviert, was zu inhaltlichen Widersprüchen führte. Die Counter Intelligence führte ihre „white, grey and black list for Information Control Purposes“, in der die Personen allein nach ihrer politischen Zuverlässigkeit beurteilt wurden. Andere Stellen der ICD berücksichtigten auch berufliche Qualifikationen. Aspiranten für höhere Positionen im kulturellen Bereich wurden in einem speziellen Screening Center in Bad Homburg auf ihre politische und persönliche Eignung getestet.

Während anfangs noch alle im Filmgeschäft tätigen Personen diesen Prüfungen unterzogen wurden, verloren sie seit März 1946 zunehmend an Bedeutung und wurden zuletzt nur noch auf Produzenten, Regisseure, Drehbuchautoren, Dramaturgen, Geschäftsführer und Filmverleiher angewendet, nicht aber auf Schauspieler und techisches Personal. Ohnehin empfahl es sich, bei den Behörden nur bereits „entnazifizierte“ Mitarbeiter anzugeben.


Wende in der US-Filmpolitik (seit Sommer 1946)

Im Sommer 1946 wurde der Filmproduzent Erich Pommer, 1933 von Deutschland in die USA emigriert, ranghöchster amerikanischer Filmoffizier. Pommer befreite die amerikanische Filmpolitik von ihrem ideologischen Ballast, setzte sich für die Förderung privatwirtschaftlicher Initiativen ein und vertraute bei der Kontrolle der Filmschaffenden auf vorhandene gesetzliche Regelungen.

Hatten die Behörden bisher eine eher restriktive Haltung gegenüber den deutschen Filmschaffenden eigenommen, so stand jetzt die finanzielle und beratende Unterstützung bei Filmprojekten im Vordergrund. Pommer sorgte auch dafür, dass die Filmstudios in München-Geiselgasteig und Berlin-Tempelhof seit dem Frühjahr 1947 wieder für deutsche Produktionen offen standen.

Das Genehmigungsverfahren für Filmprojekte umfasste jetzt, ähnlich wie in der Britischen Zone, die detaillierte Prüfung der materiellen Voraussetzungen, der Person des Produzenten und seines Personals und des eingereichten Drehbuchs oder Exposés. Die zunehmende Liberalität führte auch dazu, dass immer mehr Schauspieler und Regisseure, die schon während der NS-Zeit im Filmgeschäft tätig gewesen waren, in Neuproduktionen Beschäftigung fanden.

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