Kursverlauf und Kursmaterialien

Stunde 1: Kriegsbegeisterung

In der ersten Doppelstunde prägte die Auseinandersetzung mit der Filmexposition den Unterricht, wobei exemplarisch zentrale Aussagen des Films besprochen und in Ansätzen die filmischen Darstellungsmittel reflektiert wurden.

Die Frage der Kriegsbegeisterung stand im Mittelpunkt. Die Rede des Lehrers Kantorek wurde ausführlich besprochen und mit einem Text von Carl Zuckmayer verglichen. Absicht war es, der Frage nachzugehen, inwieweit diese Rede eine authentische Verdichtung der historischen Problematik darstellt. Die Schülerinnen und Schüler kamen zu dem Ergebnis, dass Kantoreks Rede wohl das Bewusstsein einer bestimmten sozialen Klasse im Kaiserreich, des Bürgertums, widerspiegele und mit den Aussagen Zuckmayers korrespondiere. Auch bildliche Quellen würden die hier vorgeführte Begeisterung ähnlich vermitteln, wobei die Repräsentativität solcher bildlichen Darstellungen kritisch hinterfragt wurde. In diesem Zusammenhang blieb die Frage, für welche gesellschaftlichen Gruppen die dargestellte Begeisterung zutrifft, offen. Relativierend dagegengesetzt wurde die Tatsache verbreiteter Demonstrationen gegen den Krieg, die auf grundsätzlichere Opposition verweisen würden.

Die Schülerinnen und Schüler hoben am Film besonders hervor, dass sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt sei, wie die Schüler von der „Woge der Begeisterung“ mitgerissen werden: Die Kamera fährt vom Vorbeimarsch der Soldaten durch das Fenster in eine Totale des Klassenraums, um dann (in Nahaufnahmen von Kantorek und einzelnen Jungen) eine Verbindung zwischen den Worten des Lehrers und den Phantasien der Jungen herzustellen und schließlich, die begeisterten Schüler im Blick behaltend, auf die Straße zu den vorbeiziehenden Soldaten zurückzukehren. ( Filmsequenz 2)


Stunde 2 und 3

Stunde 2: Militär im Kaiserreich

In der zweiten Stunde wurde, angeregt durch die Auseinandersetzung mit der Ausbildung der Jungen durch den ehemaligen Postboten Himmelstoß über die Bedeutung des Militärs im Kaiserreich und über militärische Werte und Prinzipien gesprochen.1 Dabei wurde auch auf schriftliche Quellen zurück- gegriffen, in denen diese Aspekte beschrieben und interpretiert werden.2

Die Schülerinnen und Schüler stellten fest: Der Film vermittele eine Art „Rollentausch“ bzw. eine partielle Umkehrung der zivilen Hierarchie: Der in der gesellschaftlichen Hierarchie unter den Gymnasialschülern stehende einfache Postbote bekommt über seine militärische Funktion „Autorität“ und vor allem Machtbefugnisse, die er rigoros und unmenschlich ausnutzt. Die von Kantorek beschworenen „Ruhmestaten“ der Soldaten werden so schon in dieser Ausbildungsphase mit der brutalen Realität des Soldatenalltags konfrontiert und desavouiert. Offen blieb zunächst noch die Frage, ob die Person Himmelstoß ein „sadistisches Schwein“ sei, die dargestellte Art und Weise, wie die Individualität der Jungen gebrochen wird, also an diese Person gebunden ist, oder ob es sich um eine Verdichtung prinzipieller militärischer Ordung handele. Festgehalten wurde aber auch, dass sich die Jungen (noch) gewehrt hätten, also ein Rest von Selbstbewusstsein übriggeblieben sei.

Am Ende der Stunde wurde der Auftrag gegeben, sich einen Überblick zu verschaffen über den Verlauf und die Formen der Auseinandersetzung im Ersten Weltkrieg.


Stunde 3: Grauen des Krieges

In der 3. Stunde stand, nach dem Ansehen der Filmsequenzen, die vor allem den Kriegsalltag an der Front mit den Grabenkämpfen und dem Massensterben zeigen, die Frage im Mittelpunkt: Wie halten die Menschen das aus? Die psychische Belastung der Soldaten sei zwar offensichtlich, aber, so die Schüler, ohne die unmittelbare eigene Erfahrung eigentlich nicht nachvollziehbar.

Insgesamt kam die Lerngruppe zu dem Ergebnis, dass die Fronterfahrungen im Ersten Weltkrieg als ein kollektives Trauma begriffen werden müssen, mit entsprechend langfristigen Wirkungen, sowohl für die einzelnen Individuen als auch für die Gesellschaft der Weimarer Republik.

Nachdem in der 4. und 5. Stunde der Film bis zum Ende gesehen wurde, fand die Besprechung und Gesamteinschätzung des Films am nächsten Tag in der 6. Stunde statt.


Literaturangaben

1. Die aristokratische Weltanschauung gegen die demokratische, aus: Militär- Wochenblatt, Jg. 74, Berlin 1889, Nr. 62 vom 20. Juli und Nr. 67 vom 7. August 1889. Zitiert nach: Gerhard A. Ritter: Historisches Lesebuch 2, 1871 – 1914. Frankfurt/M., Hamburg 1967, S. 92-94
2. Das Militär und die Politik, aus: Otto Graf Stolberg-Wernigerode: Die unentschiedene Generation. Deutschlands konservative Führungsschichten am Vorabend des Ersten Weltkrieges. München, Wien 1968, S. 354f. Zitiert nach: Ziegler, S. 37


Stunde 6: Die verlorene Generation

Ausgangspunkt des Gesprächs war noch einmal die schon von den Schülern geäußerte Erkenntnis, dass sie die psychische Belastung der Menschen im Krieg zwar wahrgenommen hätten, aber nicht „nachvollziehen“ könnten. Nachvollziehen konnten sie jedoch die im Film vorgestellte Konfliktstruktur:

wir hier vorn – ihr da hinten

wir hier unten – ihr da oben

Sehr nahe gingen den Schülerinnen und Schülern die Erlebnisse Bäumers während seines Heimaturlaubs:

  • Das Unverständnis, auf das er in der Heimat stößt und seine Unfähigkeit, sich in der Klasse mitzuteilen, riefen besondere Betroffenheit hervor. Die Schülerinnen und Schüler versetzten sich dabei in erster Linie in die Position der jüngeren Schüler.
  • Die „Argumentation“ der „Stammtischkrieger“ war für die Schülerinnen und Schüler ein weiteres Indiz dafür, dass viele Menschen in Deutschland, zumal die „ideologisch Verblendeten“, für die Wirklichkeit des Kriegsgeschehens gar nicht zugänglich waren.
  • Die Naivität der Mutter ihrem Sohn gegenüber erschreckte die Schülerinnen und Schüler. Dieses Verhalten mache aber auch deutlich, wie gering das Verständnis der Menschen für die Kriegsrealität gewesen sei. Bäumers Konsequenz, nach diesen Erfahrungen an die Front zurückzukehren, war für die Lerngruppe verständlich.

Der Film hat insgesamt starke emotionale Reaktionen bei den Schülerinnen und Schülern hervorgerufen, die bis zu Tränen reichten. Ein Mädchen erinnerte die in einer Unfallsituation selbst erfahrenen eigene – kurzzeitige – Todeserfahrung. Sie habe darüber nachgedacht, wie es wohl sei, diese Todesangst als Dauererfahrung erleben zu müssen. „Das kann man doch eigentlich gar nicht aushalten, was die da über Monate ausgehalten haben!“ war ihr Fazit. Zugleich betonte sie, und knüpfte damit an Äußerungen über die nicht nachvollziehbare psychische Belastungssituation der Soldaten an: „Das ist eigentlich nicht vermittelbar, was dort in mir vorgegangen ist“.

In das Gespräch flossen eigene Erfahrungen ein, die die Schülerinnen und Schüler bei Gesprächen in der Familie/Verwandschaft über Krieg und Kriegserfahrungen gemacht hatten: Zumeist wurde in der Familie wenig oder überhaupt nicht über Krieg gesprochen. Wenn dies der Fall war, wurde sehr viel über besondere Kriegserlebnisse berichtet, aber die tiefe psychologische Bedeutung der Kriegserfahrung oder gar die – nicht sichtbaren – Verletzungen, die dadurch hervorgerufen worden sind, wurden in keinem Fall deutlich und waren somit auch nicht kommunizierbar. Eine Schülerin berichtete beispielsweise davon, dass sie sich bisher gegen Erzählungen ihres Großvaters gesträubt hätte, sich nicht für dessen Geschichten bzw. Erlebnisse interessiert habe. Dieser Film aber („der war gut!“) habe ihre Einstellung verändert, nur sei jetzt ein Gespräch mit dem Großvater leider nicht mehr möglich.

Die Lerngruppe betonte, dass der Film wichtig dafür sei, gerade diese tiefgreifenden psychischen Verletzungen in den Blick zu bekommen und kommunizierbar zu machen.

Besonders wichtig für die Schüler war die Gegenüberstellung von Kantorek und Bäumer und ihr Verhältnis zum Krieg, ihre jeweiligen Reden vor der Klasse ( Rede Kantoreks / Rede Bäumers) . Der Film wurde als Aufforderung verstanden, Agitation zu durchschauen: „Man soll Propaganda nicht aufsitzen „. Insofern sei der Film auch Dokument für „die Macht der Agitation“.

Die Schülerinnen und Schüler betrachteten den Film insgesamt als eine beeindruckende Darstellung des Kriegsgrauens und stellten schließlich ihr Resümee des Films unter die Überschrift „Die verlorene Generation“:

  • Film und Buch wollen „ein Sprachrohr der Sprachlosen“ sein
  • Man kann die Unmenschlichkeit der Situation kaum verstehen: Im Krieg verlieren alle!

Es ist kaum vorstellbar, dass die Menschen – sofern sie den Krieg überlebt hatten – nach solchen Erfahrungen überhaupt „ins Leben“ zurückkehren konnten. „Im Alltag müsse wohl ein „formales Korsett“ umgebunden worden sein, an die Seele aber hätte niemand mehr herankommen können!“ lautete die Formulierung einer Schülerin dazu.

Auf die eigenen Person bezogen, kam die Lerngruppe zu dem Fazit:

  • Man muss versuchen, wenn man mit anderen kommunizieren will, sie erst einmal überhaupt zu verstehen, ihre Beweggründe zu erfahren.
  • Auch wenn die Großeltern nicht über Krieg reden, werde ihre lebenslange Betroffenheit/Bedrückung an vielen Details bemerkbar:
    z. B. die typische Reaktion auf die kindliche Anfrag „Ich habe Hunger!“ – „Warte, wir haben auch nichts bekommen!“

Stunde 7 und 8:
Militärische Begründungen für und Strategien im 1. Weltkrieg

Perspektivwechsel

In der 7. und 8. Stunde wurde ein Perspektivwechsel vorgenommen, wobei Ausgangspunkt dafür Überlegungen zum Verhältnis des Films zu den „wirklichen“ historischen Ereignissen waren:

Der Film muss als dramaturgisch verdichtete Darstellung von Krieg und Kriegsalltag aus der retrospektiven Perspektive der einfachen Frontsoldaten angesehen werden. Er erzählt seine Geschichte aus der Sicht „von unten“. Es stellt sich die Frage: Wie sah die militärische Führung das Geschehen (Sicht „von oben“)?

Der Film sagt nichts über die Ursachen des Krieges, auch nichts über Begründungen der militärischen Führung für den Krieg und für die im Krieg angewendete Strategie. Wie sahen diese aus? Der Film vermittelt keine „Lösungsvorstellungen“, wie Krieg vermieden werden könne – die hilflos-naive „Lösung“ von Tjaden kennzeichnet eher das Erspüren der gesellschaftlichen Hierarchie und Herrschaft (das „wir hier unten – ihr da oben“) – und weist damit auch nicht auf mögliche gesellschaftspolitische Konsequenzen hin. Was waren die Ergebnisse dieses Krieges?

Die Beschäftigung mit diesen Fragen sollte überleiten in eine Beschäftigung mit den gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen bei Kriegsende und zu Beginn der Weimarer Republik. Mit diesem Perspektivwechsel wurde die Arbeit am Film in eine Auseinandersetzung mit der politischen Geschichte vom Erstem Weltkrieg bis zum Ende der Weimarer Republik eingebettet.

Es wird im folgenden nur der Beginn dieser Kursphase beschrieben, in der die Arbeit mit Textquellen unmittelbar in Beziehung zur filmischen Perspektive gesetzt wurde. Die Beschreibung des weitere politikgeschichtlich orientierten Ablaufs des Kurses unterbleibt Zunächst fand eine Auseinandersetzung mit den strategischen Überlegungen des Chefs des Generalsstabs des Feldheeres, General Erich von Falkenhayns, statt. Die Schülerinnen und Schüler erfassten auf den ersten Blick, dass der General den Krieg aus einer völlig anderen Perspektive sah – und zugleich: dass der Film „erlebbar“ gemacht habe, was es hieß, in der „Saugpumpe“ drinzustecken.

Die Schülerinnen und Schüler wandten sich dann der Frage zu: Welche Perspektive/Sichtweise des Kriegsgeschehens – die von Remarque (die des Films) oder die von von Falkenhayn – ist „richtig“? Emotional neigten sie der filmischen Sichtweise zu, stellten dagegen aber die Feststellung, dass ein General in seiner Position wohl gar nicht anders argumentieren – und dann auch handeln – könne: Das „Kriegshandwerk“ verlange derartiges Denken!? Die Problematik wurde erweitert um die Frage nach der politischen Verantwortung für das Geschehen: Womit kann man das Verhalten General von Falkenhayns rechtfertigen? Welches sind die Motive gewesen: Kalkül, Willkür oder (Sach)zwang?

Ein kurzer Lehrervortrag über militärpolitische Strategien seit 1890, der schließlich zu einer Analyse des sogenannten Schlieffen-Plans führte, und die Kenntnisnahme des Kriegsverlaufs anhand einer tabellarischen Übersicht (M 14), vermittelten ein Grundgerüst an Kontextwissen, um die veränderten strategischen Absichten beurteilen zukönnen. Ergebnis: Das Scheitern des ursprünglichen Strategie führte zum – im Film im Mittelpunkt stehenden – Stellungs- und Grabenkrieg. Indem von Falkenhayn Festungen angreifen lässt, greifen andere strategische Überlegungen platz, die – wohlkalkuliert – 350.000 Tote einplanen :

  • Warum macht die militärische Führung trotz des strategischen Scheiterns weiter?
  • Wer trägt dafür die Verantwortung?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde zurückgegriffen auf eine Untersuchung der deutschen Begründungen für den Krieg: Was hatte die politischen Eliten im Kaiserreich bewogen, den Krieg zu führen? Anhand zweier Quellentexte (M 10 und M 12) wurde die Motivkonstellation herausgearbeitet:

  • Annahme einer Bedrohung von außen, der vorzubeugen war
  • Wahrnehmung der Destabilisierung der tradierten Machtpositionen durch die politsche Opposition im Inneren, der begegnet werden sollte

Den Schülerinnen und Schülern wurde in diesem Zusammenhang auch ohne ausdrückliche Thematisierung deutlich: Der Mord in Sarajewo war nur Anlass, nicht Ursache des Ersten Weltkrieges.

Indem die politischen Begründungen in Beziehung gesetzt wurde zum Verhalten der militärischen Führung im Krieg konnte auf die Ausgangsfrage zurückgekommen werden: Eine äußere Bedrohung vorausgesetzt, wurde die militärische Gegenwehr als legitim angesehen – wenn diese Bedrohung real vorhanden gewesen sei. Der Versuch der Bewahrung der politischen Macht durch einen gewollten Krieg wurde als ein Interessenstandpunkt einer Minderheit gegen das Volk gewertet und als verwerflich bezeichnet. Von da ausgehend, waren die Verluste einkalkulierende Strategie Ausdruck einer inhumanen, an der eigenen Machterhaltung orientierten Interessenpolitik.


Stunde 9-14

Stunde 9: Was hat der Krieg mit uns zu tun?

In dieser Stunde stand zunächst die Frage im Mittelpunkt: Was hat der Erste Weltkrieg mit uns zu tun?

Diese Diskussion über den Unterricht selbst war ausgelöst worden durch den Perspektiv- und Materialwechsel in der 7./8. Stunde. Die Schüler empfanden dies als Bruch. „Sind wir jetzt überhaupt noch im Projekt oder machen wir wieder normalen Geschichtsunterricht?“ Hieraus entstand eine für den weiteren Kursverlauf zentrale und den Ablauf bestimmende Diskussion über Zugänge zu geschichtlichen Ereignissen, Arbeitsformen und eigene Betroffenheit. Die Schülerinnen und Schüler wurden zu fragenden Historikern, die sich über ihr Erkenntnisinteresse klar werden wollten.

Sehr lange wurde über die unterschiedliche biographisch bzw. generativ bedingte Betroffenheit – z. B. zwischen Lehrer und Schülern – gesprochen. Außerdem wurde festgestellt, dass viele Erfahrungen verschüttet seien. Die Schüler setzten sich zum ersten Mal mit sozio-biographischen Bedingungen des Verhältnisses zur Geschichte auseinander und reflektierten, dass man auch die Geschichte und Motive der gegenwärtigen unmittelbaren persönlichen Lebensverhältnisse zu verstehen suchen muss, wenn man sie gemeinsam mit anderen mitgestalten will.

Auf einer zweiten Ebene wurde zugleich erkannt, dass zum Verständnis der vorgefundenen gesellschaftlichen und politischen Strukturen – z. B. des Ost-West-Konflikts oder des Krieges im ehemaligen Jugoslawien – eine Beschäftigung mit der Geschichte dieser Strukturen/Verhältnisse unerlässlich ist.

(Auf die Stunden 10 bis 13 wird nicht näher eingegangen.)


Stunde 14: Vergleichendes Resümee

Die Schülerinnen und Schüler bemerkten zu den vorangegangenen Stunden, dass der Film zu all den angesprochenen politischen Ereignissen keine Aussage mache: politische Geschichte sei nicht sein Thema. Der Film stellt den Krieg nicht als historisches Ereignis dar, vermittele aber doch Erfahrungen des Krieges an der Westfront, die verallgemeinert werden können und authentisch (im Sinne von „glaubwürdig“) seien. Insofern sei der Film auch durchaus als eine „Quelle“ im weiteren Sinne anzusehen. Vor allem aber sei der Film hervorragend geeignet, gerade die Erfahrungsebene der einfachen Soldaten zu vermitteln, was die Textquellen nicht oder nicht so gut könnten. Sie betonten ferner, dass der Film für sie wichtig gewesen sei, um die unterschiedlichen politischen Perspektiven besser beurteilen zu können.

Aus dieser Einschätzung heraus wurde das Interesse geäußert, eine weitere filmische Darstellung vergleichend anzusehen und im weiteren Verlauf auch dokumentarische Filme hinzuzuziehen, um zu sehen, wie die Darstellung geschichtlicher Ereignisse dort erfolgt.


Stunde 15 – 17:
Kriegsende und politischer Formwandel in Deutschland

Klausur

Textgrundlage der Klausur war ein Textauszug aus Peter Graf Kielmannsegg: „Die Dolchstoßlegende – „ein bösartiger Unfug“. In einigen Arbeiten stellten die Schülerinnen und Schüler“ konkrete Bezüge zum Film IM WESTEN NICHTS NEUES her:

  • Der Film offenbare, dass der Krieg verloren gewesen sei – schon allein durch die Tatsache, dass Kinder/Jugendliche an die Front geschickt werden mussten. Die „Argumentation“ vom „im Felde unbesiegten Heer“ gehe deshalb an der Wirklichkeit vorbei.
  • Der Film zeige auch, dass die Bevölkerung die wahre militärische Situation nicht habe einschätzen können, insofern habe die Dolchstoßlegende wohl auf fruchtbaren Boden fallen können. Hier wird direkt Bezug genommen auf die Darstellung von Bäumers vergeblichen Bemühungen, der Schulkasse seine Erfahrungen zu vermitteln und auf die Beschreibung der völlig irrationalen Diskussion der „Stammtischkrieger“ über den Krieg.
  • Schließlich offenbare der Film, dass es – zumindest an der Westfront – kein revolutionäres Aufbegehren gegeben habe: Auch nicht die kleinste Andeutung ist im Film festzustellen. Tjadens Äußerungen und die Anfragen der Soldaten an Bäumer bei dessen Rückkehr an die Front, ob es einen Waffenstillstand gäbe, würde vielmehr die allgemeine Kriegsmüdigkeit zum Ausdruck bringen.

Anzumerken ist, dass die Schülerinnen und Schüler, die in der Vergangenheit weniger historisch interessiert gewesen sind, öfter und stärker Bezug nehmen auf den Film, als diejenigen, die über weitergehende Kenntnisse verfügten und vor allem in der Arbeit mit Textmaterialien geübt waren.


Stunde 20: Filmvergleich

Nachdem in den beiden vorherigen Stunden der Film WESTFRONT 1918 von Georg Wilhelm Pabst gesehen worden war, wurden die beiden filmischen Darstellungen im Vergleich besprochen und bewertet.

Der Film WESTFRONT 1918 wurde einhellig als „schwächer“ empfunden: Das Geschehen werde bei IM WESTEN NICHTS NEUES viel eindringlicher dargestellt, die Gefühle der Menschen würden deutlicher vermittelt, die Schicksale der Menschen seien besser zu verfolgen. Der Film vermittle keine Entwicklung der Persönlichkeiten, während Bäumer und die anderen eine Entwicklung durchlebten. In WESTFRONT 1918 komme auch die Kriegsmüdigkeit nicht so zum Ausdruck.

Beeindruckend fanden die Schülerinnen und Schüler allerdings die Darstellung der Heimaterfahrung des Soldaten mit seiner Frau – ein neuer Erfahrungsaspekt gegenüber IM WESTEN NICHTS NEUES. Sie vermissten bei WESTFRONT 1918 den „roten Faden“ in der Handlung.

Formal wurde hervorgehoben, dass WESTFRONT 1918 „filmtechnisch viel schwächer“ sei. Belegt wurde dies mit den Unterschieden in der Darstellung (Perspektiven, Fahrten) des Grabenkrieges: z. B. falle die filmische Präsentation des MG-Nestes gegenüber den Kamerafahrten über die Grabenlandschaft weit ab. IM WESTEN NICHTS NEUES setze die filmischen Mittel viel eindrucksvoller ein, um gerade das „industrielle Töten“ bewusst zu machen. Andererseits sei WESTFRONT 1918 in der Hinsicht deutlicher, dass er die technische Überlegenheit der Alliierten zeige (z. B. anhand der Darstellung der Tanks).

Obwohl einige Schüler bemerkten, dass bei WESTFRONT 1918 eigentlich erst ganz zum Schluss deutlich werde, dass er sich als Anti-Kriegsfilm versteht, wurde auch diesem Film Authentizität zugestanden und insgesamt hervorgehoben, dass er die Glaubwürdigkeit der Darstellung und die Perspektive der Erzählung von IM WESTEN NICHTS NEUES stütze und verstärke.


Stunde 30: Besprechung der Klausur

Das Unterrichtsgespräch über den Film hatte zwei inhaltliche Schwerpunkte:

1. Zunächst wurde angeknüpft an die 12 und 13. Stunde bzw. an die Klausur. Es ging um das Verhältnis von alten Eliten und Nationalsozialismus, wie es Leiser im Zusammenhang der Machtübergabe 1933 darstellt. Anknüpfung an die „angeordnete Revolution“. (Buch zum Film, S. 88 – Göbbels-Rede) Hindenburg erscheint wieder in seiner alten Uniform. (Siehe auch Buch zum Film S. 93) Die Kontinuität und der Wandel der antidemokratischen Bestrebungen werden in den NS-Selbstdarstellungen betont und von Leiser im Kommentar als kennzeichnend für die Verhältnisse aufgenommen. Die Schülerinnen und Schüler äußerten völliges Unverständnis, wie so eine öffentliche Verhöhnung der republikanischen Verfassung und Tradition möglich sein konnte.

2. Der zweite Schwerpunkt lag darin, mit welchen Formen – sowohl filmisch wie auch im Kommentar – die NS-Machterhaltung dargestellt wurde.

Klausurthema:

„Ideologische Auseinandersetzung am Ende der Weimarer Republik: Der Fall Remarque“

Vor dem durch den Leiser-Film angedeuteten Hintergrund wurde die Auseinandersetzung um den Roman und den Film als ein Versuch gewertet, die Weimarer Demokratie endgültig zu liquidieren. Der Kultursektor diene als Bühne des politischen Kampfes. Der Pazifismus werde als antideutsche Verhöhnung des Ansehens der Gefallenen diffamiert und dabei zugleich die Abschaffung der als „undeutsch“ bezeichneten Demokratie ideologisch vorbereitet.

Kaum vorstellbar war den Schülern, wie jemand derartige Positionen (M 29, M 30, M 31) – in Form einer Buch-/Filmkritik nur spärlich getarnt – öffentlich vortragen und sich letztlich auch noch durchsetzen konnte. Sie brachten überhaupt kein Verständnis für derartige Vorstellungen auf, ganz im Gegensatz zu den Gedanken Bäumers. Die Schülerinnen und Schüler nahmen zur Kenntnis, dass bereits vor dem Aufstieg der NSDAP zur Massenpartei eine größere Akzeptanz für antidemokratische und völkisch-darwinistische Ideologien vorhanden gewesen ist, als es die Mitgliederzahlen der DNVP und DVP oder ihre Wahlergebnisse nahelegen: Hier müsse sich ein Großteil der imperialistischen politischen Kultur des Kaiserreichs nach einer kurzen Phase der Verunsicherung zu Beginn der Weimarer Republik schnell wieder etabliert haben, lautete die Vermutung.

An dieser Stelle wäre eine differenzierte Auseinandersetzung mit Gegenpositionen und ihrem weiteren Schicksal notwendig gewesen. Auch eine Beschäftigung mit der politischen Bedeutung der Zensur hätte zum tieferen Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse am Ende der Weimarer Republik beigetragen.

Beides war aber zeitlich nicht mehr realisierbar. Der Kurs endete mit der Analyse von Quellentexten zur Machtübergabe an die NSDAP.


Materialienüberblick


Im folgenden werden zwar alle im Unterricht verwendeten Text- und Kartenmaterialien aufgeführt, aber nur diejenigen hier auch aufgenommen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit am Film stehen (mit Link versehen). Textgrundlage für die Arbeit im Kurs waren die folgenden Titel:

  • Siegfried Ziegler: Das deutsche Kaiserreich. Arbeitsmaterialien für den Geschichtsunterricht in der Oberstufe. München 1989
  • Josef Brecht/Eberhard Kolb/Karl-Heinz Ruffmann: Deutschland im Spannungsfeld der Weltpolitik vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Arbeitsmaterialien für den Geschichtsunterricht in der Kollegstufe. München 1982

Kriegsbegeisterung (Stunde 1)

M 1
Text: Patriotische Rede des Lehrers Kantorek. Wortlaut nach der Filmfassung von 1984 (siehe Einstellungsprotokoll der Sequenz 2)

M 2
Bildseite „Klasse nach der Rede Kantoreks“: 1. Die Jungen reden auf ihren Mitschüler Behm ein – 2. Allgemeine Begeisterung der Jungen (im Begleitheft zum Medienpaket, S. 104)

M 3
Carl Zuckmayer: Kriegsbegeisterung in Mainz

M 4
Bildmontage „Kriegsbegeisterung?“: 1: Kriegsbegeisterte Soldaten bei der Abfahrt an die Front (hier als Bildseite) – 2. Wenig später: Ernsthafte Gesichter (im Begleitheft zum Medienpaket, S. 106)

M 5
Karte: Antikriegsdemonstrationen im Juli 1914 aus: Willibald Gutsche: 1. August 1914. illustrierte historische hefte 3. Berlin (Ost) 1978, S.12

 

Militär im Kaiserreich (Stunde 2)

M 6
Text: Die aristokratische Weltanschauung gegen die demokratische, aus: Militär- Wochenblatt, Jg. 74, Berlin 1889, Nr. 62 vom 20. Juli und Nr. 67 vom 7. August 1889. Zitiert nach: Gerhard A. Ritter: Historisches Lesebuch 2, 1871 – 1914. Frankfurt/M., Hamburg 1967, S. 92-94

M 7
Text: Das Militär und die Politik, aus: Otto Graf Stolberg-Wernigerode: Die unentschiedene Generation. Deutschlands konservative Führungsschichten am Vorabend des Ersten Weltkrieges. München, Wien 1968, S. 354 f., Zitiert nach: Ziegler, S. 37

M 8
Bildmontage „Kriegsausbildung“: 1. Antreten zum Stubenreinigen, mit Zahnbürste –
2. Militärischer Drill (im Begleitheft zum Medienpaket, S. 107)

Die verlorene Generation (Stunde 6)

M 9
Text: Die Rede Paul Bäumers vor der Schulklasse

 

Militärische Begründungen für und Strategien im Ersten Weltkrieg (7./8. Stunde)

M 10
Text: Walter Görlitz: Der Irrtum des Generals von Falkenhayn. In: Die Welt,
19.02.1966. Zitiert nach: Ziegler, S. 126

M 11
Text: „Je eher je besser“ (Notizen Admiral von Müllers über die Konferenz vom 8. Dezember 1912), aus: Walter Görlitz (Hg.): Der Kaiser, Aufzeichnungen des Chefs des Militärkabinetts Admiral Georg Alexander von Müller über die Ära Wilhelms II. Göttingen 1965, S. 124f. Zitiert nach: Ziegler, S. 117

M 12
Text: Der Schlieffenplan (Dezember 1905, Berlin), aus: Der Schlieffenplan. München 1956, S. 145f u. 157f. Zitiert nach. Ziegler, S. 116

M 13
Text: Septemberprogramm Bethmann-Holwegs, aus: Fritz Fischer: Der Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914-18. Düsseldorf 1961, S. 117f

M 14
Synopse: Tabellarische Übersicht über den Ersten Weltkrieg, aus: Ziegler, S 122

M 15
Karte: Der deutsche Angriff auf den Frontgürtel von Verdun, aus: Ziegler, S. 125

Machterhaltungsstrategien der deutschen Militärführung (10. Stunde)

M 16
Text: Chronologischer Überblick (Juli 1918 – August 1920), aus: Brecht u. a., S. 23

M 17
Text. Telegramm des Legationsrats von Grünau (Vertreter des Auswärtigen Amtes bei Kaiser Wilhelm II.) an das Auswärtige Amt, Großes Hauptquartier, 1.10.1918 (abgegangen 14.00 Uhr), aus: Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918, Berlin 1928, S. 61. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 24

M 18
Text: Telegramm des Legationsrats Freiherr von Lersner an das Auswärtige Amt, Großes Hauptquartier, 2.10.1918, aus: ebd., S. 61. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 24

Übergabe der politischen Macht (11. Stunde)

M 19
Text: Die erste deutsche Note an Präsident Wilson, Berlin 3.10.1918, aus: Amtliche Urkunden, a. a. O., S. 14. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 24

M 20
Text: Angeordnete Revolution, aus: Georg Kotowski, S. 143ff

M 21
Text: Die Abdankung des Kaisers Wilhelms II. am 9.11.1918, aus: Prinz Max von Baden: Erinnerungen und Dokumente. Berlin, Leipzig 1927, S. 634f. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 29f

Politische Strategien der Revolutionszeit (12./13. Stunde)

M 22
Text: Die Ausrufung des Freistaats Bayern am 7./8.11.1918, aus: Gerhard Schulze (Hg.): Revolution und Räterepublik in München 1918/19 in Augenzeugenberichten. München 1978. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 29

M 23
Text: Nationalversammlung oder Räteverfassung – Debatte auf dem Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands in Berlin, 16.-21.12.1918. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 30ff

 

Klausur (15. – 17. Stunde)

M 24
Text: Die Dolchstoßlegende – „ein bösartiger Unfug“, aus: Peter Graf Kielmannsegg: Deutschland und der Erste Weltkrieg. Frankfurt/M. 1968, S. 678 und S. 682. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 24/25.

Aufgabenstellung:

 

  • Geben Sie die Aussagen der Materialvorlage thesenartig wieder.
  • Überprüfen Sie die Verbindlichkeit der Thesen mit Hilfe Ihrer im Unterricht gewonnenen Kenntnisse und Einsichten.
  • Stellen Sie begründete Vermutungen an über die Motive für das Verhalten der OHL.

Faschistische Ideologie (24. Stunde)

M 25
Text: Auszüge aus „Mein Kampf“ zu „Juden – Hitlers universales Feindbild“. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 81ff

M 26
Text: Auszüge aus „Mein Kampf“ zu „Lebenskampf, Lebensraum und arische Welt- herrschaft“. Zitiert nach: Brecht u. a., S. 81ff

 

Parteiprogramme im Vergleich (25./26. Stunde)

M 27
Synopse: Politische und wirtschaftliche Vorstellungen der Parteien in der Weimarer Republik, aus: Hans Dieter Schmid: Fragen an die Geschichte, Bd. 4, Frankfurt/M. 1983, S. 24

 

Wahlen in der Weimarer Republik (27. Stunde)

M 28
Ergebnisse der Reichstagswahlen 1919 – 1933, aus: Hans Dieter Schmid: Fragen an die Geschichte, Bd. 4, Frankfurt/M. 1983, S. 25

 

Klausur (28./29. Stunde)

M 29
„… und wir Jungen“, aus: Die Kommenden. Überbündisches Blatt der volksbewussten Jugend. (Freiburg), Heft 18, 3. Mai 1929. Zitiert nach: Schrader

M 30
Freiherr von der Goltz, Oberst a. D.: Erich Maria Remarque: „Im Westen nichts Neues“, aus: Deutsche Wehr. Zeitschrift für Heer und Flotte, (Berlin), Heft 14, 1929. Zitiert nach: Schrader

M 31
Der Hetzfilm verboten, aus: Neue Preußische Kreuzzeitung, (Berlin), 13.12.1930. Zitiert nach: Schrader, S. (Medienpaket Baustein VIII)

 

Die Regierungskrise in Italien – Parallelen zur politischen Kultur der Weimarer Endzeit? (31./32. Stunde)

M 32
Reinhard Hülsebusch: Absturz nach einem steilen Aufstieg. Der italienische Unternehmer Silvio Berlusconi ist als Politiker gescheitert. HAZ vom 23.12.1994

Übergabe der Macht an die NSDAP (33./34. Stunde)

M 33
Eingabe führender Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie sowie großagrarischer Kreise an Reichspräsident von Hindenburg für die Berufung Hitlers Mitte November 1932, aus: Die ungeliebte Republik. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik Weimars 1918 – 1933. Hrsg. von Wolfgang Michalka und Gottfried Niedhart, München 1984, S. 340-342

M 34
Die Aufzeichungen des Staatssekretärs Dr. Meissner über den Empfang des Zentrumsführers Prälat Dr. Kaas durch den Reichspräsidenten, 18.11.1932. Zitiert nach: Michalka/Niedart, S. 342/43

M 35
Auszug aus Schleichers Regierungsprogramm, 15.12.1932. Zitiert nach: Michalka/ Niedart, S. 343

M 36
Gleichschaltungsgesetz. Zitiert nach: Brecht u. a.

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