Der Marshall-Plan

1947 vollzog sich in Amerika endgültig die Wende zu einer neuen Deutschlandpolitik. Die bisherige Demontagepolitik, die im Zusammenhang mit der alliierten Zielsetzung nach einer grundlegenden Zerschlagung des Militarismus und damit auch der Vernichtung der deutschen Rüstungsindustrie stand, wurde aufgegeben. Die Amerikaner stellten die Demontagen als erste ein, die Briten reduzierten den Umfang mit der Eskalation des Ost-West-Konflikts. In der sowjetischen Besatzungszone wurden die Demontagen durchgeführt um die enormen Kriegsschäden in der UdSSR zumindest teilweise zu kompensieren.

Im Juni 1947 propagierte der amerikanische Außenminister George C. Marshall ein umfassendes Hilfsprogramm für Europa.[1] Das ERP, der sog. Marshall-Plan, war ein Element der Kalte-Kriegs-Politik der USA zur Eindämmung des Einflusses der UdSSR in Europa und weltweit. Der  Marshall-Plan hatte den Zweck, die europäische Wirtschaft nach den Kriegszerstörungen zu stabilisieren und für die von Umstellungsproblemen von Kriegs- auf Zivilwirtschaft betroffene amerikanische Wirtschaft Absatzmärkte zu schaffen.

Beim Marshall-Plan (ERP) handelte es sich um ein „Mehrzweckinstrument“, das sowohl von außen- und wirtschaftspolitischen als auch von strategischen Zielsetzungen motiviert war:[2]

  1. Das ERP war wirtschaftspolitisches Pendant zur Truman-Doktrin und als Instrument gegen den Einfluss der UdSSR in Europa im Zuge des beginnenden Kalten Krieges gedacht, mit dem Europa in das westlich-kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem integriert werden sollte
  2. Mit dem ERP wurden auch strategisch-militärische Ziele verfolgt, um im Konfliktfall Verbündete gegenüber der UdSSR zu haben.
  3. Das ERP war ein Konzept, durch das sich die Reorganisation der drei von den Westalliierten administrierten Besatzungszonen und der Bildung einer zentralen deutschen Wirtschaftsverwaltung, teilweise lösen ließ.
  4. Zur Sicherung der US-Wirtschaft war auf längere Sicht eine reorganisierte europäische Wirtschaft notwendig. Europa war der wichtigste Exportmarkt der USA.

Bei all diesen Motiven und Überlegungen spielten die Vorstellungen des ehemaligen Verbündeten keine Rolle bzw. nur insofern, dass sich diese Maßnahmen gegen die UdSSR wandten.

Den USA kam der Marshallplan in mehrfacher Hinsicht zugute: Ein Wiederaufbau Europas als wichtiger Absatzmarkt half auch der eigenen durch den Krieg geschwächten Wirtschaft. Gleichzeitig gelang es dank der engen wirtschaftlichen Anbindung, Westeuropa erfolgreich vor der Sowjetunion abzuschirmen. Die Teilnahme am Marshall-Plan war – noch vor der Gründung der Bundesrepublik – der erste Schritt zur Integration Westdeutschlands in das westliche Wirtschaftssystem.

Mit Hilfe des Marshallplans flossen Kapital- und Devisenhilfen zur Finanzierung von Investitionen und Einfuhren in die Westzonen Deutschlands.  „Indirekt“ kam es im Zusammenhang mit dem Marshall-Plan zum  Abbau von Handelshemmnissen und zum Aufbau eines Freihandelssystems.

„Während Jahrzehnte unbestritten war, dass der Marshall-Plan wesentlich zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas und zur Stabilisierung der europäischen Wirtschaft beigetragen hat, mehren sich in den letzten Jahren Stimmen, die die ökonomische Wirkung des Marshall-Plans für überschätzt erachten. Diese Relativierung des ökonomischen Erfolgs des ERP wird heute immer mehr akzeptiert.“[3]

Nicht zuletzt diente die Hilfe auch der „Imagepflege:  Aus US-Besatzern wurden Verbündete. „Die Bewilligung des Marshallplans wurde in den USA mit massiver Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet. Auch in Europa war sie fester Bestandteil des Programms: Knapp 100 Millionen Dollar wurde allein in Deutschland von 1950 bis 1953 für „sachliche Information“ über das ERP ausgegeben.“[4]

Diese außergewöhnliche Propaganda-Offensive war insbesondere  in der Bundesrepublik Deutschland sehr wirkmächtig und begründete den Mythos des Marshall-Plans im öffentlichen Bewusstsein bis heute.


Anmerkungen

[1] Vgl. Benz (2005)
[2] Vgl. Wirth
[3] Vgl. Wirth, unter Berufung auf Untersuchungen von Werner Abelshauser und Charles C. Maier. Auch im Film „ Unser Wirtschaftswunder –  Die wahre Geschichte“ wird diese Aussage vertreten.
[4] Vgl. Dossier der bpb: Der Marshallplan – selling democracy


Literatur

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