Werbemaßnahmen und Medienrummel

Peter Struck (2023)

Anfangs nehmen sich die Werbemaßnahmen noch recht bescheiden aus: Kassiererinnen und Platzanweiserinnen verteilen Handzettel und Postkarten an die Besucher, eine große Vorreklame mit besonderen Fotos und Texten in den Schaukästen und in der Kassenhalle macht Appetit auf kommende Premieren. Schon bald werden die Vorankündigungen der Premieren mit eigens angefertigten Dias auf den Theatervorhang projiziert und dabei oft auch mit dem Soundtrack des Films untermalt, zudem werden Werbe-Dias und erste Trailer nach der Wochenschau gezeigt.

Inserat zur Premiere von JOHANNES UND DIE 13 SCHÖNHEITSKÖNIGINNEN in den Weltspielen, 1951

Zusätzlich zu etlichen Meldungen, Inseraten und Voranzeigen bringen die Zeitungen und Veranstaltungsmagazine als »Appetizer« immer wieder die Konterfeis der Hauptdarsteller oder Szenenbilder mit Kurztexten. Flankiert werden die Maßnahmen in den Printmedien durch regelmäßig wiederholte Rundfunkhinweise, die Verteilung von bis zu 20.000 Handzetteln und Flugblättern, die Versendung von Postkarten an ausgewählte Personengruppen wie Ärzte, Rechtanwälte oder Kaufleute, Plakate an hannoverschen Bauzäunen, bis zu 250 Litfaßsäulen und besonders gestalteten Werbesäulen wie dem »Werbepylon« in der Bahnhofstraße, Werbungen in den Schaufenstern von Reisebüros, Schallplattenläden und großen Kaufhäusern, eine »Laufreklame« an der Kröpcke-Uhr sowie einen Werbeanhänger (»Stünkels Werbewagen«), der auch beleuchtet werden kann.

Zu den einschlägigen Kampagnen kommen im Einzelfall spezielle Maßnahmen hinzu, die direkt Bezug nehmen auf das Thema eines Films. Am Tag vor der Uraufführung von DER THEODOR IM FUSSBALLTOR im August 1950 etwa werden auf dem Fußballplatz von »Arminia« vor 20.000 Zuschauern Werbe-plakate herumgetragen, auch mit Lautsprecherdurchsagen wird zusätzlich auf die Uraufführung hingewiesen.

Vor der Erstaufführung von ENDSTATION MOND im Juli 1951 verteilen vier »Astronauten« zwei Tage lang 10.000 Handzettel in der Stadt. Im Vorfeld der Premiere von BLAUBART mit Hans Albers im Januar 1952 weckt die Norddeutsche Zeitung mit einem kuriosen Inserat die Neugier: »Mütter, haltet eure Töchter fest! …BLAUBART kommt«.

Die Redaktionen der hannoverschen Zeitungen werden persönlich mit Pressematerial versorgt, für die Presse gibt es zudem eine gesonderte Vorbesichtigung des Films und einen »Pressetee« mit Schauspielern, Regisseuren, Autoren und Komponisten, der Theaterleitung und Personen vom Film-Verleih. Zur Uraufführung von DIE ZÜRCHER VERLOBUNG im April 1957 werden z. B. über 60 Journalisten eingeladen. Zur Premiere von DIE FRAUEN DES HERRN S. im August 1951 wird der Pressetee in einer besonderen Kulisse inszeniert: Damals bringt die »Blumenbahn«, ein mit Blumen bemalter Straßenbahnwagen, die Darsteller zur ersten deutschen Bundesgartenschau in den Stadthallengarten, wo man im Anschluss an den Pressetee auch gleich die Autogrammstunde zelebriert.

Auf das Hauptinserat am Tag der Uraufführung folgen etliche »Nachstoß«-Inserate, Filmrezensionen, Berichte über die Uraufführungsfeierlichkeiten und Portraits der Hauptdarsteller und kommenden Stars sowie jede Menge Artikel mit Klatsch und Tratsch aus dem Leben der Prominenten. Die angekündigten Stars werden meist schon am Bahnhof von einer großen Fangemeinde begrüßt, absolvieren brav ihren Pressetee im Hotel Luisenhof oder im Central-Hotel und bahnen sich dann einen Weg durch den Menschenauflauf vor dem Filmtheater, um der ersten Festvorstellung um 18.15 Uhr in der Loge beizuwohnen.

Zur Premiere erscheinen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur sowie Vertreter der Presse, die die besondere Atmosphäre der Ur- oder Erstaufführung hautnah miterleben wollen. Nach der ersten Filmvorstellung lässt sich das Filmteam auf der Bühne bejubeln und gibt anschließend Autogramme, meist stehen noch Interviews, Rundfunk- oder Wochenschau-Aufnahmen an. Zwischen beiden Abendvorstellungen der Uraufführung von DIE WUNDERSCHÖNE GALATHEE im Mai 1950 übergibt Hannelore Schroth auch den Hauptgewinn der Opernhauslotterie – ein Auto – an die Gewinnerin, anschließend macht sie Aufnahmen für die Titelseite des Stern.

Nach der ersten Vorstellung wird die Prominenz zum Festessen geladen, nicht selten im Central-Hotel, derweil um 20.45 Uhr die zweite Festvorstellung beginnt. Für das Schaulaufen der Stars am Eröffnungabend werden in der Regel zwei Vorstellungen angesetzt. Auf einem ersten Höhepunkt des Premieren-Hypes Ende 1951 zelebriert man jedoch einen regelrechten Begrüßungsmarathon für Grethe Weiser, Marika Rökk oder Hans Albers, wobei mit dem Parforceritt durch bis zu fünf Vorstellungen in zwei Filmtheatern pro Abend eine logistische Meisterleistung gelingt: Für die Erstaufführung von JOHANNES UND DIE 13 SCHÖNHEITSKÖNIGINNEN im September 1951 verzeichnet das Premierenbuch im Telegramm-Stil: »Eine unübersehbare Menschenmenge begrüßt die Darsteller und die Schönheitsköniginnen. Anschließend Fahrt mit einem Bus zum Gloria-Palast und Auftritt auf der Bühne. Auch hier erwarteten tausende die Darsteller und die Schönheitsköniginnen. 20.30 Eintreffen vor den Weltspielen. (Polizei war machtlos, Straßenverkehr war lahmgelegt) 20.40 Auftritt auf der Bühne. 21.40 Abfahrt zum Gloria-Palast und zweiter Auftritt auf der Bühne. 22.50 Zweiter Auftritt Weltspiele. Anschließend gemütliches Beisammensein.«

Zur Premiere der CSARDASFÜRSTIN im Dezember 1951 erscheinen laut Premierenbuch »Marika Rökk, Jeanette Schultze und Regisseur Georg Jacoby am 27.12. in beiden Theatern in den letzten zwei Vorstellungen. 18.00 Eintreffen vor den Weltspielen. Nur mit Mühe konnte die Polizei die Menschenmassen vor dem Theater zurückhalten und den Künstlern einen Weg vom Auto zum Eingang bahnen, wo begeisterte Verehrer beiderlei Geschlechts die Künstler enthusiastisch begrüßten. 20.00 Erster Auftritt WELTSPIELE 20.30 Erster Auftritt GLORIA-PALAST 22.30 Zweiter Auftritt WELTSPIELE 23.00 Zweiter Auftritt GLORIA-PALAST Unzählige Male mußten die Künstler in beiden Theatern immer wieder auf die Bühne und für den Beifall danken. Besonders Marika Rökk wurde nach ihren launigen Begrüßungsworten turbulent gefeiert.«

Da die CSARDASFÜRSTIN und BLAUBART fast zeitgleich anlaufen, werden die CSARDASFÜRSTIN in Hannover und BLAUBART in Bremen zuerst aufgeführt und die Filme anschließend gestauscht. Für die Premiere von BLAUBART am 29. Januar 1952 setzt Hauptdarsteller Hans Albers noch eins drauf. Wieder zitieren wir aus dem Premierenbuch: »17.15 Ankunft Hans Albers vor den WELTSPIELEN – wie schon auf dem Bahnhof hatte auch hier die Polizei Mühe und Not die Menschenmenge zurückzuhalten. Presseempfang in den WELTSPIELEN. Hans Albers trat nach dem Film in den Vorstellungen WELTSPIELE – 15.45, 18.15, 20.45 und GLORIA-PALAST – 18.30 und 21.00 Uhr auf.« Am 30. Januar besichtigt Hans Albers die Redaktion der Hannoverschen Presse, anschließend erneuter »Theater-Aufenthalt und Bühnenauftritte wie am Vortage in beiden Theatern. […] Tagesabschluss: Abendessen im Luisenhof.«

Die Regel sind jedoch zwei Vorstellungen am Premierenabend, und nach deren Absolvierung gegen 23 Uhr wird zur Premierenfeier ins Hotel Luisenhof geladen. Doch zuvor lassen sich die Darsteller oft erneut auf der Bühne feiern und geben anschließend wieder Autogramme. Das Premierenbuch zur Uraufführung von KÖNIGIN LUISE vermerkt dazu für den 15. Februar 1957: »Die schon obligatorische Autogrammstunde fand einen enormen Zuspruch und mußte weit über die festgesetzte Zeit ausgedehnt werden. Trotzdem blieb ein großer Teil zurück, und man verlangte in Sprechchören immer wieder nach den Darstellern.« Nicht selten muss die Autogrammstunde aufgrund des großen Andrangs abgebrochen werden und die Darsteller werden durch den Hinterausgang aus dem Theater in wartende Autos verfrachtet. So berichtet das Premierenbuch zur SCHLAGERPARADE am 3. November 1953: »Es mitternachtete sehr, als die Künstler endlich durch eine Hintertür das Theater verlassen konnten.« Meist werden die Stars dort aber noch von einer großen Fangemeinde lautstark verabschiedet. Noch zur Uraufführung der ZÜRCHER VERLOBUNG im April 1957 verlangt eine »zahllose Menschenmenge […] immer wieder nach ihren Lieblingen. Die Abfahrt wurde äußerst schwierig, da jede Taxe umlagert wurde«, führt auch hier das Premierenbuch aus.

Werbepylon der Weltspiele, 1955 (© Foto: Wilhelm Hauschild)

Immer wieder gleicht das Bad in der Menge dem Szenario einer Belagerung: Die beginnt bereits bei der Ankunft am Bahnhof, nimmt beim Eintreffen der Stars vor dem Theater schon beinahe bedrohliche Züge an und mündet schließlich in endlosen Sprechchören bei der Abfahrt vom Bühneneingang. Die Sprechchöre vor dem Theater beginnen aber gern auch schon während der Filmvorführung – wie bei der Uraufführung von HERZ DER WELT im Februar 1952. Wieder werden die Hauptdarsteller Hilde Krahl und Dieter Borsche vor den Weltspielen »von einer unübersehbaren Menschenmenge« erwartet, die nur »mühsam von der Polizeiabsperrung zurückgehalten« werden kann.

Doch dann schildert das Premierenbuch eine verschärfte Situation: »Während der nächsten beiden Vorstellungen wollten die Menschenmengen nicht weichen. Hunderte umlagerten das Theater von allen Seiten und versuchten herauszubekommen, in welchen Räumen sich die Darsteller aufhielten. […] Die Sprechchöre auf der Straße nahmen einen Umfang an, der die Vorstellung zu stören begann und Polizei aufgeboten werden mußte, um nur einigermaßen Ruhe zu schaffen. In offenstehende Fenster von Nebenräumen des Theaters wurden mit Blumen und Steinen beschwerte Zettel mit Glück- und Autogrammwünschen geworfen. Die von einfachsten mit angehefteten Blumen und Blümchen versehen Zetteln bis zur besten Ausführung an Blumensträußen gehefteten Autogrammwünsche waren so zahlreich, daß sie gar nicht alle erfüllt werden konnten.«

Nach der Vorstellung wartet die härteste Bewährungsprobe auf die Schauspieler, wenn auf die Stürme der Begeisterung die reale Bestürmung und physische Bedrängung der Stars bei der Autogrammstunde folgt.

Filmwerbung über den Kinoeingängen

Das könnte dich auch interessieren …