Kino in Hannover 1933 – 1937
Hannover war in den dreißiger Jahren eine Kinometropole. Die Zahl von 30 bzw. 32 Lichtspieltheatern (1933-37) mit ca. 18.000 Plätzen war zwar nicht übermäßig hoch, bezogen auf die Einwohnerzahl kam die Stadt jedoch auf eine „Kinodichte“, die weit über dem Durchschnitt der deutschen Großstädte lag. Sieben Großkinos, etwa der Ufa-Palast, die Ufa-Weltspiele, das Palasttheater oder das Atrium, waren ausgesprochene Premierenkinos und hatten allein 75 Prozent der Besucher. Weiter gab es zehn mittelgroße Kinos, fünf Kleinkinos, welche sich in den Vorstädten befanden, und zehn Kleinstkinos, die hauptsächlich im Zentrum der Stadt lagen und als einzige wochentags mehr als drei Vorstellungen gaben.
Für die Jahre 1933 bis 1937 betrugen die durchschnittlichen Laufzeiten der Filme drei Wochen in den Premierenkinos, danach lief ein großer Teil noch mehrere Wochen lang in den Nachspielkinos weiter.
Anhand der Laufzeiten lässt sich jedoch nicht ohne weiteres der Erfolg der Filme feststellen, da die zentralisierte Filmpolitik und -wirtschaft unter Umständen regulierend eingriff, so dass feste Spielzeiten für einen bestimmten Film in den Premierenkinos schon fest standen, bevor er anlief.
Die durchschnittlichen Eintrittspreise lagen 50 Reichspfennigen und einer Reichsmark. Zum Vergleich: ein Kilogramm Zucker kostete 76 Reichspfennige, zwei Kilogramm Brot kosteten 60, 250 Gramm Butter 90 Reichspfennige.
Das Jahr 1938 markierte in der Entwicklung des „Dritten Reiches“ einen wirtschaftlichen Einschnitt. Zum ersten Mal war die Arbeitslosenzahl auf unter 1,0 Mio. gesunken und hatte damit einen Wert erreicht, der zum letzten Mal in der Phase der relativen Stabilität in den sogenannten „Goldenen zwanziger Jahren“ erreicht worden war. Auch Hannover begünstigt durch die im ganzen Reich laufenden Remilitarisierungsmaßnahmen, lag im Trend des wirtschaftlichen Aufschwungs und der gestärkten Kaufkraft der Bevölkerung, was die gesunkenen Arbeitslosenzahlen (1933: 59.000; Anfang 1935: 14.000) verdeutlichen. Die Tatsache, dass nunmehr wieder einer breiten Basis ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um auch private Vergnügungen finanzieren zu können, lässt sich an den Besucherzahlen hannoverscher Kinos deutlich ablesen: waren es im Jahre 1935 4,3 Mio. Besucher, so steht die Zahl 1936 auf 5,0 Mio. und 1937 auf 5,4 Mio. an. Der Filmkurier, der diese Zahlen abdruckte, folgerte dann auch, dass die Zunahme „vor allem in der verbesserten sozialen Lage begründet“ sei und dass „gerade die Schichten mit niedrigem Einkommen … von sich aus sehr filmfreundlich eingestellt (sind, sich) aber in den vergangenen Jahren diese für sie am wenigsten kostspielige Unterhaltung nur sehr selten leisten“ konnten.
Um die Jahreswende 1937/38 hielt der Film Der Mustergatte mit neun Wochen Aufführungsdauer im Palasttheater (Bahnhofstraße 5) und über 100.000 Besuchern den Rekord der Filmsaison und war damit ein „starke(r) Publikumserfolg“. Diese zweite Arbeit des von der NS-Filmkammer als „politisch zuverlässig“ eingestuften Nachwuchsregisseurs Wolfgang Liebeneiner nach einem gleichnamigen erfolgreichen Bühnenstück macht deutlich, wie im Rahmen einer Komödie Gesellschaftsideologie transportiert wurde. Heinz Rühmann spielte einen „pedantisch-langweilige(n) Ehemann …, der durch einen (nicht vollzogenen) Ehebruch das Interesse seiner Ehefrau zurückgewinnt“. Hier wurde das „sittliche Gesetz“ der Treue als Wert an sich stabilisiert.
Als 1938 die beiden Leni Riefenstahl-Filme über die Olympiade 1936 in Berlin (Teil 1: Fest der Völker; Teil 2: Fest der Schönheit) im Ufa-Palast anliefen, wurden zur Premiere die aus Hannover stammenden Olympiasieger und das Kreisorchester der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingeladen. Bei einer zweiwöchigen Laufzeit wollten 50.000 Besucher die beiden Filme sehen, und der Filmkurier kommentierte: „Damit fand die künstlerische Leistung seiner Schöpferin verdiente Anerkennung.“
Ein ähnliches Rahmenprogramm begleitete die hannoversche Premiere von Herbert Maischs Soldaten- und Abenteuerfilm D III 88. Das Luftwaffenmusikcorps des Luftgaus Langenhagen spielte am 16. November 1936 zur Erstaufführung dieser Apologie der deutschen Luftwaffe im Ersten Weltkrieg auf, um den Film bekannt zu machen. Er war über vier Wochen lang in zwei Kinos zu sehen.
Ein weiterer großer Publikumserfolg in Hannover im Jahre 1938 war der Spielfilm Heimat mit Zarah Leander in der Hauptrolle unter der Regie von Carl Froelich, der in der NS-Zeit als „Vater der Deutschen Filmkunst“ galt. Der Film zog in elf Wochen Spielzeit im Ufa-Palast (Aegidientorplatz) über 150.000 Besucher an und verdrängte damit den Rühmann-Film vom Spitzenplatz. Auch hier wirkte ein Ufa-Star als Publikumsmagnet. Doch nicht nur deutsche Produktionen fanden das Interesse des hannoverschen Publikums, auch ausländische Spielfilme waren gefragt. Das Astoria-Theater (Nordmannstraße 2) war in Hannover das Kino, in dem der Besucher überwiegend Filme ausländischer Provenienz sehen konnte. Lokale Erstaufführungen nicht-deutscher Filme fanden ausschließlich im Astoria statt. Das dortige Kinoprogramm konzentrierte sich ab 1939 auf US-amerikanische, ab 1942 auf italienische Produktionen. Um die Jahreswende 1938/39 war der amerikanische Spielfilm Die Dschungelprinzessin (Jungle Princess, USA 1936, Regie William Thiele) für 13 Wochen auf dem Spielplan des Astoria und wies damit eine der längsten Laufzeiten der zu dieser Zeit in Hannover gezeigten Filme auf.