Der Bergfilm – Anmerkungen und Einschätzungen zu einem umstrittenen Genre

Spielfilme, zumal Abenteuerfilme, die vor der Landschaftskulisse eindrucksvoller Bergwelten spielen, hat es seit der Stummfilmzeit gegeben. Doch Mitte der 1920er Jahren kristallisierte sich im deutschen Sprachraum ein Genre heraus, das vor allem mit den 20er und 30er Jahren und den Namen Fanck, Trenker und Riefenstahl in Verbindung gebracht wird. Nach 1945 geriet das Genre vor allem deswegen in Misskredit, weil seine prominenten Vertreter in die nationalsozialistische Filmpropaganda verstrickt waren.

Als Begründer des Bergfilms gilt Dr. Arnold Fanck (1889-1974) , der sich dem Thema als Skilehrer und Dokumentarfilmer in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg angenähert hatte. Seine 1920 in Freiburg gegründete Berg- und Sportfilm GmbH produzierte drei Jahre später einen dramatischen Spielfilm mit dem Titel Der Berg des Schicksals, in dem die spätere Bergsteiger-Ikone Luis Trenker (1892-1990) als Schauspieler debütierte. In Fancks nächstem Großfilm Der heilige Berg (1925/26) komplettierte die junge Tänzerin Leni Riefenstahl (1902-2003) das Ensemble, die auch in der Skifahrer-Komödie Der große Sprung (1927) an Trenkers Seite vor der Kamera stand. Doch noch im gleichen Jahr trennten sich die künstlerischen Wege Fancks und Trenkers: Während Trenker in den Jahren 1928 bis 1931 unter der Regie von Nunzio Malasomma und Mario Bonnard spielte, inszenierte Fanck mit Riefenstahl in der weiblichen Hauptrolle die Erfolgsfilme Die weiße Hölle vom Piz Palü (1929) und Stürme über dem Montblanc (1930). Mit seiner ersten eigenen Regie-Arbeit Berge in Flammen brachte Trenker 1931 ein neues Element in das bislang von Abenteuer- und Dramenmotiven dominierte Genre ein: die alpinen Gefechte des Ersten Weltkrieges. Leni Riefenstahl dagegen betonte in ihrem ersten eigenen Film Das blaue Licht (1932) die märchenhaften und mystischen Wurzeln des Genres. 1932/33 stand sie ein letztes Mal für Arnold Fanck für das Grönland-Expeditionsdrama SOS Eisberg vor der Kamera, bevor sie als Gestalterin der Reichsparteitagsfilme der NSDAP Sieg des Glaubens (1933/34) und Triumph des Willens (1934/35) neue Wege einschlug. Auch Fanck behandelte ab Mitte der 30er Jahre andere Themen, führte Regie bei der deutsch-japanischen Koproduktion Die Tochter des Samurai (1936) und dem politisch gefärbten Abenteuerfilm Ein Robinson (1939/40) und übernahm während des Krieges dokumentarische Auftragsarbeiten. Trenker blieb dem Genre dagegen bis Ende der 30er Jahre treu, konnte anschließend jedoch nur noch eingeschränkt Projekte realisieren, nachdem er bei der NS-Führung wegen seiner Haltung zur Südtirol-Frage in Ungnade gefallen war. Nach 1945 war es ebenfalls Trenker, der sich am intensivsten um die Wiederbelebung des Genres bemühte, jedoch weder künstlerisch noch kommerziell an seine früheren Werke anknüpfen konnte.

Die filmhistorische Bedeutung des Bergfilms in seiner Fanck-Riefenstahl-Trenkerschen Prägung liegt insbesondere in technischen und ästhetischen Komponenten: Statt im Atelier entstanden die Bergfilme allen Beschwernissen zum Trotz an Originalschauplätzen, was ihnen – ungeachtet dramaturgischer Unwahrscheinlichkeiten – eine Authentizität verleiht, die den meisten Spielfilme ihrer Ära abgeht. „Das Vorherrschen einsamer Höhen, die exponierten Produktionsbedingungen und die den Filmen häufig konzedierte Sonderstellung gegenüber der übrigen deutschen Kinoproduktion begründete nicht unwesentlich ihren Status als eigenes Genre“, befindet Christian Rapp in seiner 1997 erschienenen Bergfilm-Monographie Höhenrausch. „Der Bergfilm spielte nicht nur fast durchwegs in den Bergen, seine Autoren bestanden stets darauf, daß er dort auch unter jenen Strapazen hergestellt wurde, die die Helden im Film durchleiden. Aus dieser Perspektive läßt sich heute noch relativ leicht bestimmen, was unter dem Begriff deutscher Bergfilm verstanden werden kann und welche Filme er bezeichnet. Spielfilme, in denen das Hochgebirge Motiv oder Schauplatz ist, gab und gibt es viele, aber nur im deutschen Bergfilm wurde auf die Authentizität des alpinen Schauplatzes ein so großer Wert gelegt. Im Unterschied zu alpinen Filmen in anderen Ländern gelang es außerdem dem Bergfilm nur in Deutschland, sich zu einer eigenen Filmgattung zu entwickeln und erfolgreich im Kino durchzusetzen.“ (1)

Autor und Ausstellungskurator Stefan König hielt den Bergfilm zwar für „als Genre, pardon, zu unbedeutend, als dass er jemals genug Kraft gehabt hätte, gesellschaftliche Umstände zu verändern.“ Er sei jedoch so „voll […] mit nationalen Symbolen“, dass geprüft werden müsse, inwieweit er sich „politischen Systemen nutzbar gemacht hat und nutzbar macht. Es ist notwendig zu erörtern, welchen Beitrag das Genre zum Aufbau eines menschenverachtenden Systems möglicherweise geleistet hat (der Bergsteiger als besserer, edlerer Mensch?!).“ (2) Diese Mutmaßung geht zurück auf Überlegungen Siegfried Kracauers, der in Fanck einen Künder jener „Botschaft der Berge“ gesehen hatte, die zugleich „das Glaubensbekenntnis vieler Deutscher“ gewesen sei: Das Bergsteigen sei ihnen eine Leidenschaft gewesen, wenn sie, „im erhabenen Gefühl, es Prometheus gleichzutun“, bayrische Alpengipfel erklommen und von oben auf die „Talschweine“ herabschauten – „die plebejischen Massen, die sich nie in jene hehren Höhen begeben würden.“ Kracauers zufolge wurzelte dieser „heroische Idealismus“ „in einer den Nazis verwandten Mentalität. Unreife und Bergbegeisterung fielen in eins. […] Außerdem war die Vergötzung von Gletschern und Felsen symptomatisch für einen Antirationalismus, den die Nazis ausschlachten konnten.“ (3)

Oft diskutiert, bestimmte die mentalitätsgeschichtliche Verwandtschaft von Nationalsozialismus und Bergfilm die Rezeption des Genres und wurde auch als Erklärung für das Verschwinden des klassischen Bergfilms nach 1945 herangezogen. Der Bergfilm, so Christian Rapp, habe sich „nur in einem soziokulturellen Umfeld entfalten konnte, das auf feierliches Pathos konditioniert war und einem intuitiv handelnden Individuum bedingungslos zu folgen vermochte. Nicht nur die Lebensferne der Landschaft, vor allem die Schicksalsgläubigkeit der darin Ausgesetzten hatten wesentlich zur Konstitution des Genres beigetragen. Diesem Konzept war der deutsche und österreichische Film nach 1945 abhold, auch wenn er sich ins Gebirge begab.“ (4)


(1) Christian Rapp: Höhenrausch. Der deutsche Bergfilm. Wien: Sonderzahl 1997, S. 7.

(2) Stefan König: Alpinismus ist Sport oder: Warum der Bergfilm nationales Pathos aufweist. In: 100 Jahre Bergfilm. Dramen, Trick und Abenteuer. (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung.) Hrsg. v. Stefan König, Hans-Jürgen Panitz, Michael Wachtler. München: Herbig 2001, S. 69.

(3) Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979, S. 120-121.

(4) Rapp: Höhenrausch, a.a.O., S. 253.

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