Der Rat der Götter (1950)
Inhalt
Die Geschichte umfasst den Zeitraum 1933 bis 1948. Ausgehend von den Protokollen des Nürnberger IG-Farben-Prozesses und dem von Richard Sasuly verfassten Buch „IG Farben“, das weit über die USA hinaus die Öffentlichkeit beschäftigte, wird der Anteil des IG-Farben-Konzerns am Aufstieg Hitlers, am Krieg und an den Verbrechen des Faschismus dargestellt. Auf einer anderen Ebene schildert der Film das Schicksal des Chemikers Dr. Scholz, der dem Konzern durch seine Forschungen die Produktion von Massenvernichtungsmitteln ermöglicht, ohne zunächst den eigentlichen Verwendungszweck seiner Arbeitsergebnisse zu kennen. Die Einsicht in seine Mitschuld an den Verbrechen von Auschwitz bewirkt jedoch in Scholz eine entscheidende Wandlung. Er wird zum Ankläger der wahren Schuldigen und ihrer Verbündeten.
Film in der DDR von 1950 bis in die frühen 60er Jahre
Filmansicht bei DEFA Filmwelt
Autoren/Innen
Filmanalyse: Autorengruppe Nachkriegsspielfilme (1993)
Zusammenstellung und Bearbeitung der Materialien: Autorengruppe Nachkriegsspielfilme (1993); aktualisiert: Detlef Endeward (2022ff)
Der Film steht für Bildungs-aufgaben in Niedersachsen auf dem Medienserver Merlin bis zum 31.12.1925 zur Verfügung.
Regie: | Kurt Maetzig |
Drehbuch: | Friedrich Wolf, Phillipp Gecht |
Kamera: | Friedl Behn-Grund |
Schnitt: | Ilse Voigt |
Musik: | Hanns Eisler |
Produktionsleitung: | Adolf Fischer, Karl Gillmore |
Aufnahmeleitung: | Hermann von Rohde, Gerhard Lücke |
Produktion: | Deutsche Film-AG (DEFA) |
Uraufführung: | 12.05.1950, Berlin (Ost) |
Darsteller: | |
Paul Bildt | Geheimrat Mauch, Vorsitzender des Rats der Götter |
Fritz Tillmann | Dr. Hans Scholz, Chemiker |
Willy A. Kleinau | Mr. Lawson |
Hans-Georg Rudolph | Direktor Tilgner |
Albert Garbe | Onkel Karl |
Helmuth Hinzelmann | Oberst Schirrwind |
Inge Keller | Edith Scholz |
Yvonne Merin | Claudia Mauch |
Käthe Scharf | Frau Scholz |
Herwart Grosse | Direktor von Decken |
Theodor Vogeler | |
Arthur Wiesner | |
Karl-Heinz Deickert | |
Brigitte Krause |
Nr. |
Inhalt |
Länge |
Zeit im Film |
1 |
Vorspann. Im Laboratorium: Scholz möchte eine Versuchsreihe abbrechen und wird von seinem Kollegen Hüttenrauch zurechtgewiesen. Onkel Karl erinnert Scholz an den 60. Geburtstag seines Vaters. |
2.56 |
0.00 – 2.56 |
Adolf Hitler verlässt die Villa des Geheimrats Mauch. Geselliges Beisammensein des Verwaltungsrats und Gespräch über Hitlers Funktion in ihren geschäftlichen Planungen. |
2.31 |
2.56 – 5.27 |
|
Scholz und Begleiter geraten in einen Zusammenstoß von Nationalsozialisten und kommunistischer Gegendemonstration. Geburtstagsfeier für Vater Scholz. In der Villa Mauch: Oberst Schirrwind klärt die anwesenden Herren über Fall A (Aufrüstung) und Fall B (Krieg) auf. Schirrwind sucht die Nähe zu Mauchs Tochter, die ihn über die Bezeichnung „Rat der Götter“ für den Verwaltungsrat aufklärt. Mauch weist Direktor Tilgner an, bei den Expansionsplanungen im Weltmaßstab zu denken. |
4.53 |
5.27 – 10.20 |
|
4 |
Bei der Geburtstagsgesellschaft für Wilhelm Scholz trifft ein großzügiges Präsentpaket des Geheimrats Mauch ein. Es kommt zum politischen Streitgespräch zwischen Onkel Karl und einem NSDAP-Anhänger. Geheimrat Mauch setzt Tilgner telefonisch davon in Kenntnis, dass Fall A beginnt. |
3.02 |
10.20 – 13.22 |
5 |
Archivmaterial: Ausschnitt Hitler-Rede und Baubeginn an der Reichsautobahn. Ausschnitt Göring-Rede zur Wiederbewaffnung, Rüstungsindustrie, Militärparaden. Im Labor: Hüttenrauch macht Scholz mit Direktor von Decken bekannt. Scholz beklagt die mangelnde Information über das Endprodukt seine Hydrazin-Forschung. Gespräch Hüttenrauch und von Decken über Scholz und dessen politische Zuverlässigkeit. |
3.55 |
13.22 – 16.17 |
Onkel Karl und andere Fabrikarbeiter sprechen über die Verdeckungsmaßnahmen der Fabrikleitung. In der Fabrik findet nach der Entdeckung regimefeindlicher Flugblätter eine polizeiliche Durchsuchung statt, bei der Karl verhaftet wird. Käthchen teilt Scholz mit, Karl sei vom Gefängnis ins Krankenhaus verbracht worden, und berichtet von der Verhaftungswelle gegen ehemalige SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre. Scholz besucht Karl im Krankenhaus: Karl fordert von Scholz politisches Aufwachen und weist ihn auf die allgegenwärtige Aufrüstung hin. |
3.49 |
16.17 – 20.06 |
|
7 |
Edith Scholz und Tilgner bei der Fahrt im Motorboot: Tilgner berichtet von seiner Balkanfahrt (vgl. Sequenz 3). Mauch bietet Scholz die Übernahme einer Abteilung an: synthetische Farbstoffe, Sprengstoffe oder Lostgase. Scholz interessiert sich für langsam verbrennende Raketentreibstoffe und entscheidet sich für die Sprengstoffabteilung. Scholz lässt sich in seinem Firmenwagen nach hause chauffieren; ein Trupp Hitlerjungen bringt Dieter ins Haus, der beim Gepäckmarsch zusammengebrochen ist. Scholz streitet mit seiner Frau über Dieters Mitgliedschaft in der HJ („Lächerliche Kriegsspielerei!“). |
3.57 |
20.06 – 24.03 |
Mauch im Gespräch mit General Schirrwind über das Nahen von Fall B. Verhandlung deutscher mit amerikanischer Delegation in New York: Tilgner trifft im Einvernehmen mit Lawson ein für beide Seiten befriedigendes Abkommen. Geselliges Beisammensein der Deutschen und Amerikaner in der Villa Mauch: Lawson und Mauch teilen die Welt in zwei Einflusszonen nach synthetischem Benzin und Erdöl untereinander auf und vereinbaren einen Fortgang der Geschäfte auch im Falle eines Krieges. Vertragsunterzeichnung. Lawson gibt ein Versprechen für die Unversehrtheit der Fabrikanlagen bei Luftangriffen ab. |
8.11 |
24.03 – 32.14 |
|
9 |
Gespräche der Widerstandsgruppe um Karl in der Fabrik. Schirrwind und die Familie Mauch erfahren in der Villa Mauch vom Kriegsausbruch. Archivmaterial vom Krieg in Polen. Karl kommentiert auf der Straße die Siegesmeldungen über den Rundfunk in defätistischer Weise. |
3.43 |
32.14 – 35.57 |
10 |
Tilgner wickelt in seinem Büro Geschäfte ab. Bei einer Werksbesichtigung kommt es zu einem Zwischenfall, den Scholz gemeinsam mit den Arbeitern noch rechtzeitig beheben kann. Hüttenrauch und von Decken zitieren Scholz als Zeuge zu den Tierexperimenten mit Hydrazinderivaten. Daheim wird Scholz von Dieter darauf angesprochen, sein Werk helfe bei der Beseitigung der „Juden und Untermenschen in den Konzentrationslagern“. |
6.48 |
35.57 – 42.45 |
11 |
Bei einem Gang durch die Giftgasabteilung des Werkes entdeckt Scholz Zyklon-Kanister für Auschwitz und wird Zeuge eines Hydrazin-Experiment an Tieren Seinen Sohn ermahnt er, dieser solle keine Gerüchte weitertragen. Onkel Karl weist auf Scholz auf einen geheimen Widerstandssender hin. Nachdem er eine Sendung mitgehört hat, zertrümmert Scholz seinen Funkempfänger. |
4.16 |
42.45 – 47.01 |
12 |
Archivmaterial: Rückzug in Russland, verbrannte Erde. Geselliges Beisammensein bei General Schirrwind. Mauch äußert seine Unzufriedenheit über die andauernden Absetzbewegungen der Wehrmacht. Tilgner wird angewiesen, mit Standard Oil für den Fall der deutschen Niederlage Fühlung zu nehmen. Geschäftsreise Tilgners nach Genf und Verhandlungen mit Lawson über die Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Russen. |
5.53 |
47.01 – 52.54 |
13 |
Archivmaterial: Deutscher Rückzug, Flucht aus den deutschen Ostgebieten. Evakuierung der Villa Mauch mit Hilfe von Wehrmachtssoldaten. Tilgner besichtigt vom fahrenden Wagen aus die Fabrikanlagen, die den zurückliegenden Luftangriff unbeschadet überstanden haben. Als Edith ihrer ausgebombten Mutter helfen will, hält Tilgner sie zurück. Mauch trägt Scholz nachdrücklich die Leitung des B-Werkes an. |
3.55 |
52.54 – 56.49 |
14 |
Archivmaterial: Einnahme Berlins durch die Russen. Schirrwind und Mauch erfahren in Mauchs Enklave von der deutschen Kapitulation, Mauch tobt: „Millionen haben wir investiert!“ Onkel Scholz besucht das Werk und findet Scholz im Kreise seiner Mitarbeiter bei den Vorbereitungen, das Werk im Auftrag der Amerikaner wieder in Betrieb zu nehmen. Edith besucht ihre Schwägerin, die sich vor einer möglichen Strafverfolgung durch die Alliierten fürchtet. |
6.29 |
56.49 – 63.18 |
15 |
Tilgner sucht Scholz in dessen Büro auf, um ihn wegen der ungenehmigten Umstellung des Betriebes auf Friedensprodukte zu rügen. Kurz darauf wird er von den Amerikanern verhaftet. Im Untersuchungsgefängnis werden Tilgner und von Decken recht angenehm verwahrt. Ein amerikanischer Offizier überreicht dem bettlägerigen Mauch die Anklageschrift. Archivmaterial: Aufnahmen aus Auschwitz. |
3.30 |
63.18 – 66.48 |
16 |
Gerichtssitzung in Nürnberg: Befragung von Deckens, der angibt, die Giftgasproduktion sei auf Befehl Direktor Mauchs aufgenommen wurden. Mauch gibt an, Schirrwind habe den Auftrag dafür erteilt. Schirrwind streitet die Verantwortung ab. Scholz nimmt im Zeugenstand die Verantwortung für sein Schweigen auf sich und klagt die Direktion für den Missbrauch seiner Forschungsarbeit an, was Aufruhr im Gerichtssaal nach sich zieht. Lawson setzt den Anklagevertreter Wood unter Druck. |
8.57 |
66.48 – 75.45 |
17 |
Mrs. Lawson besucht Tilgner im Untersuchungs-gefängnis. Tilgner droht damit, seine Geschäftsbeziehungen offen zu legen. Der neue Anklagevertreter Howard lädt Tilgner vor, und sie erzielen eine Einigung. |
4.17 |
75.45 – 80.02 |
Nach seiner Rückkehr aus Nürnberg wird Scholz von Karl und seiner Familie für sein Auftreten gratuliert. Der soeben aus der Haft entlassene Mauch, Lawson und die Damen beim Kartenspiel. Scholz gibt seiner Frau bekannt, seine Arbeit im Werk niederlegen zu wollen. Besichtigung der wieder in Betrieb genommenen Fabrik durch Scholz. Im Labor weist er Dieter darauf hin, dass in der Fabrik Kampfstoffe hergestellt werden. Dieter verschließt sich dem Appell seines Vaters, die Forschung zum Wohl der Menschheit einzusetzen. Scholz spricht bei Mauch und Lawson vor. Mauchs Angebot, die Leitung einer Abteilung zu übernehmen, schlägt Scholz aus. |
6.30 |
80.02 – 86.32 |
|
19 |
Scholz berichtet Onkel Karl von der Fortsetzung der Kriegs-Fabrikation. Eine Explosion erschüttert das Gebäude. Scholz, Onkel Karl und Käthchen eilen zum Werk. Scholz sucht in den brennenden Ruinen erfolglos nach Dieter. Die Polizei drängt die Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen, vom Werksgelände. |
5.21 |
86.32 – 91.53 |
20 |
In einer Pressekonferenz berichtet Tilgner den Journalisten von einer Aetherwolkenexplosion und verweigert sich der Nachfrage Onkel Karls nach der Sprengstoffproduktion. Trümmerräumung auf dem Fabriksgelände. Lawson leitet Mauch an, der wartenden Menschenmenge mitzuteilen, dass die Werke im Falle von Unruhen demontiert würden. |
3.41 |
91.53 – 95.34 |
21 |
Scholz wird auf das Gelände gelassen und spricht mit seinem schwerverletzten Sohn. Er teilt Onkel Karl mit, dass er mit Dieter anderswo neu anfangen möchte. Direktor Mauch fährt im offenen Wagen vor und hält eine Beileidsrede vor der Menschenmenge, die von Karl und Scholz unterbrochen wird. Mauch muss sich vor der aufgebrauchten Menge zurückziehen. |
6.02 |
95.34 – 101.36 |
22 |
Mauch flüchtet sich vor dem Volkszorn in seine Villa. Lawson schlägt vor, mit Panzern und Tränengas gegen die Menge vorzugehen zu lassen. Vor der Villa drängen sich die Menschen. In Berlin findet eine Friedensdemonstration statt, in deren Reihen auch Scholz mitmarschiert. |
2.17 |
101.36 – 103.53 |
„Dieser Film ist den Freunden des Friedens in aller Welt gewidmet“.
Mit diesem Vorspann wird auf die Intention des Films verwiesen: erklären, wie es zum Krieg kam, und verhindern, dass es einen weiteren gibt. Ein Antikriegsfilm also, aber unter dem Einfluss des Kalten Krieges entstanden und von ihm geprägt. Die Schuldzuweisungen sind eindeutig: Vertreter des Kapitals (hier die IG-Farben) haben zur Stabilisierung des Faschismus beigetragen, vom Krieg profitiert und sind nach dem Krieg bereits wieder ein den Frieden gefährdendes Potential im westlichen Deutschland.
Der „Rat der Götter“ ist der erste deutsche Nachkriegsfilm, der den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus in Form eines Lehrstückes darzustellen versucht und dabei größtmögliche Authentizität anstrebt. Die Schwierigkeit, einen komplexen theoretischen Zusammenhang (die damals in der DDR allein gültige „Agententheorie“ zur Erklärung von Faschismus) filmisch darzustellen, war Maetzig durchaus klar. In einem Brief an den DEFA-Vorstand vom 22.2.1950 schrieb er:
„Ich darf noch einmal daran erinnern, daß ich von Anfang an gegenüber dem Filmstoff ‚Der Rat der Götter‘ gewissen Bedenken geäußert habe und daß allseitige Übereinkunft darüber bestand, daß dieser Film nur zum Erfolg geführt werden kann, wenn er groß inszeniert wird und wenn alle Wirkungsmöglichkeiten, die das Buch bietet, durch die Inszenierung, den Bau und die Fotografie voll erschöpft werden…“[1]
Zuvor wies Maetzig auf die intensive Arbeit hin, die das Zusammenschneiden von acht Dokumentarteilen aus Tausenden von Metern Dokumentarmaterial erfordere.
Die Verwendung dokumentarischen Materials ist für Maetzigs Intention von zentraler Bedeutung. Das Lehrstück braucht die größtmögliche Authentizität, damit die Warnung ernst genommen wird. Zugunsten dieser Wirkung werden auch ästhetische Mittel benutzt, die fragwürdig sein mögen. So erscheint der Held des Films deutlich erkennbar am Filmschluss in den Aufnahmen der Friedensdemonstrationen vom 1. Mai 1950[2], während die Filmhandlung 1948 (Explosion in Ludwigshafen) endet. Maetzig selbst sah im Rückblick seinen Film so nahe der Realität und damit im Sinn von Authentizität gelungen, dass der Schluss von der realen Entwicklung diktiert zu sein schien:
„Die Dokumente, die beweisen, daß die IG-Farben und die Standard Oil sich den Gewinn von dem Flugzeugbenzin während des ganzen Krieges, den sie gegeneinander führen, teilen, das war ganz neu und verblüffend, die Ergebnisse des II. Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses waren ganz frisch, und während wir noch am Drehbuch schrieben, passierte die Raketentreibstoffexplosion in Ludwigshafen, die kam dann auch als absolut authentisches Faktum dazu, und wieder änderten wir den Schluß des Films und Friedrich Wolf schrieb mir in einem Brief: ‚Hier schicke ich Dir nun den letzten Schluß, den endgültigen Schluß, hoffe ich, wenn uns nicht die Geschichte noch einen letzten diktiert.’“[3]
Ein historischer Film: Die Handlung beginnt „im Rheinischen Industriegebiet Januar 1933“, wie eine Schrifttafel nach dem Vorspann mitteilt. Dies bleibt der einzige Hinweis auf den Ort des Hauptgeschehens. Die Schrifttafel muss denkbare andere Indizien wie z.B. Städteansichten oder Dialekte ersetzen, sie muss beglaubigen, was in Bild und Ton nicht geboten wird.[4]
Alternierend wendet sich der Film von Beginn an der Klasse der Arbeiter, der Intelligenz und der Besitzenden zu: Hier die Familie Scholz, dort die Clique um den Großindustriellen Mauch, Vorsitzender des Verwaltungsrates eines Chemiekonzerns. Beide Klassen werden nicht nur unvermittelt nebeneinander gestellt, etwa allein mittels des harten Filmschnitts. Es gibt ästhetische Vermittlungen, die von den realen Beziehungen zwischen den Klassen innerhalb der Filmstory sprechen sollen: Die Szenenüberblendung und die Wischblende als modifizierte Formen des harten Schnitts schaffen hier deutlicher Sinnzusammenhänge, als jener es vermöchte.
Von der ersten Szene, in der sich Hans und Karl Scholz im Chemiewerk begegnen, wird ÜBERBLENDET zur zweiten, welche die Führungsetage des Konzerns unter sich zeigt; Adolf Hitler verlässt am Abend über eine Freitreppe das Gebäude, in dem konferiert worden war. Hart wird geschnitten auf Straßenkämpfe zwischen Hitlergegnern und Nationalsozialisten, in welche Hans Scholz unversehens gerät. Zu einem Familientreffen anlässlich einer Geburtstagsfeier bei Familie Scholz wird ÜBERBLENDET. Dem harten Schnitt zurück auf den „Rat der Götter“, wie die engste Führungsetage des Konzerns in Anspielung auf die antike Götterwelt sich selbst nennt (optisch konkretisiert durch einen überdimensionalen Gobelin), folgt eine WISCHBLENDE, die in engem Zusammenhang mit dem Dialog steht: Man hält im „Rat der Götter“ den Chemiker Hans Scholz für den Richtigen zur weiteren Erforschung von Hydrazin-Derivaten. Nun nimmt auch Hans Scholz an der Geburtstagsfeier teil, ebenso wie seine Schwester Edith, die Sekretärin bei Mauch ist und später noch Leiterin des firmeneigenen Pressedienstes werden wird. Zwischen den Feiernden kommt es zu einem Streit über die Einschätzung des Nationalsozialismus, ausgelöst von einem Kommunisten und einem Nationalsozialisten in der Familie. Die Szene wird beendet von den Worten: „Ja, ja, unser Herr Geheimrat“, womit Mauch gemeint ist, der nach dem anschließenden harten Schnitt auch gleich zu sehen ist, wie er durch seinen großen Raum streicht, erst zu überlegen scheint, um sodann zielgerichtet ans Telefon zu marschieren und den vom „Rat der Götter“ in der vorletzten Szene beschlossenen „Fall A“ anlaufen zu lassen. Ein wiederum harter Schnitt auf den ersten Komplex Dokumentaraufnahmen zeigt, was „Fall A“ bedeutet: Aufrüstung.
Bevor noch die Filmstory es ausführlicher erzählt, sind so die Grundsituationen geklärt. Es besteht ein besonderes Verhältnis zwischen der Familie Scholz, vor allem dem Chemiker Hans Scholz, und dem Konzern. Der unpolitisch denkende Wissenschaftler wird an diesen ästhetisch „gebunden“, denn er ist bereits verplant für die Ziele des Konzerns, die vorher benannt worden sind: Erschließung neuer Rohstoffquellen auf dem Balkan und „im Osten“. Der Weg zum Ziel führt notwendig über den „Fall B“: Krieg. Die Industriellen sagen jetzt schon unter sich, was sie später öffentlich sagen werden: „Damit haben wir natürlich nichts zu tun.“ Wie politische Verantwortung verlagert wird auf Techniker und Wissenschaftler, auch darum geht es in diesem Film und darum, daß beide sich dessen bewusst sein sollen und danach handeln.
Die zuvor beschriebene Weise der Filmmontage ist funktional: Ihre Differenzierungen in der Form haben Bedeutung, sie „erzählen“ präziser und ökonomischer als es Worte in dieser kurzen Zeit könnten. Dabei handelt es sich bei der Wischblende und beim harten Schnitt „auf Stichwort“ um konventionelle Formen, die auch zahlreich in Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus existieren. Weitere konventionelle Montageformen lassen sich an anderen Stellen des Films finden. Dies gilt es vielleicht weniger zu kritisieren, als zu erklären aus der zeitlichen Nähe der Entstehungszeit des Films zum Nationalsozialismus, somit aus dessen Nachwirkungskraft, andererseits aber auch aus dem Selbstverständnis des Regisseurs Kurt Maetzig:
„Das Bestreben, in irgendeiner Weise auf den Zuschauer zu wirken, gehört für mich zu den wichtigsten Beurteilungsprämissen für die Qualität eines Films. […] Und wenn dies eine Prämisse ist, dann bedeutet das, daß ein Film zum einen Professionalität haben muß – das Handwerk wirklich zu beherrschen und mit dem Zuschauer eine Konvention treffen zu können über eine zu verstehende Formensprache oder ähnliches. Es muß also ein Weg geschaffen werden, auf dem die Inhalte herüberkommen können…“[5]
Zu fragen wäre dann, inwieweit es möglich ist, mit identischen Formen die politisch verschiedensten Inhalte zu „transportieren“[6]. Welche Inhalte will Maetzig in „Der Rat der Götter“ „herüberkommen“ lassen? Sie bestimmen sich aus der Perspektive des Films, die retrospektiv angelegt ist: Vom Ende der Geschichte her, die er erzählt, aus der Position dessen, der weiß, was am „Ende“ der realen Geschichte stehen muss. Diese Perspektive führt zur Linearität einer Story, der das Resultat stets schon eingeschrieben scheint.
Der Film muss Thesen illustrieren, was nicht einfach ist bei deren Komplexität. Die Hauptfigur, Hans Scholz, dessen unbewusste Verstrickung in tödliche Machenschaften genauso einen dramaturgischen Knotenpunkt im Film darstellt wie die Vater-Sohn-Geschichte zwischen ihm und Dieter Scholz, hat einen Großteil dieser Thesen zu tragen. Entlang der allmählichen Entwicklung seiner Figur vom unpolitischen Wissenschaftler zum Friedenskämpfer und Ankläger des deutschen und amerikanischen Kapitals formuliert der Film u.a. die folgenden Thesen:
- Die deutsche Großindustrie finanzierte Hitler und den Krieg („modus vivendi“).
- Während der NS-Zeit und auch während des Krieges gab es Geschäftsbeziehungen zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Großindustrie.
- Bereits vor Kriegsende haben die deutsche und die US-amerikanische Großindustrie sich darauf geeinigt, die spätere Siegermacht Sowjetunion als künftigen gemeinsamen Hauptfeind zu betrachten.
- Dementsprechend war die Verhandlung im Nürnberger Kriegsverbrecher Prozeß gegen die chemische Industrie von interessierten Kreisen in den USA beeinflußt: weitgehende Verschonung der Verantwortlichen aus den Führungsetagen war die Folge.
- Nach dem Krieg wurden von chemischen Betrieben in den westlichen Zonen bereits wieder Stoffe produziert, die zur Kriegsführung taugten.
Diese Thesen sind notwendige Elemente der erzählten Geschichte. Sie werden als Erzählmaterial mit großer Selbstverständlichkeit verwendet, aber nicht problematisiert. „Wahr“ werden sie durch den Blick auf das Resultat der realen wie der erzählten Geschichte. Zu fundamental ist dieses Resultat, als dass man sich einem „ja, so ist es gewesen“ verweigern könnte.
Wodurch wird „Der Rat der Götter“ glaubhaft? Es gibt ein Bündel von Erklärungen, das aufgeschnürt etwa so aussehen könnte:
- Kaum ein Bild, kaum ein Dialog und kaum ein Ton sind hier „sinnfrei“, alles ist mit Bedeutung aufgeladen. „Der Rat der Götter“ enthält weder ins Bild eingedrungene Zufälle, noch irgendwelche Beiläufigkeiten und Unebenheiten innerhalb der Story. Ein markantes Beispiel im Dialog: Als Hans Scholz während des Krieges einmal im Chemiewerk zu einer Demonstration der Auswirkungen der von ihm entwickelten Hydrazine an Tieren geführt wird, meint er zu dem Assistenten, der hinter ihm die schwere Labortür verriegelt: „Das schließt ja wie’n Kassenschrank“. Worauf dieser antwortet: „Oder wie’n Sargdeckel.“ Deutlicher wäre die dialogische Vorbereitung auf die folgenden Bilder und Töne kaum zu leisten gewesen: Scholz sieht zu, wie in einem Glaskäfig Kreaturen in Sekundenschnelle durch Gasströme elend vernichtet werden. Die Tonspur hält in diesen Sekunden ein dissonantes schrilles Pfeifen, das korrespondieren wird mit Tönen, die später zu hören sein werden, wenn innerhalb der Nürnberger Gerichtsverhandlung Filmaufnahmen von KZ-Opfern vorgeführt werden. Dies wiederum ist ein Beispiel für die strenge Kohärenz der Musikkomposition: mit ihrer Wahrnehmung sind gedankliche Verknüpfungsleistungen beim Zuschauer beabsichtigt, die ihn im Sinn des Lehrstückes leiten und die eindeutig vorher bestimmbar sind. Weitere Momente der Filmmusik von Hanns Eisler belegen dies.
Eisler kommentiert die Funktion seiner äußerst sparsamen Musik wie folgt: “Musik wird erst dort eingesetzt, wo in Montagen dokumentarisches Bildmaterial eingesetzt wird. Zeigen die Bilder z. B. den Stapellauf des Panzerkreuzers ,Eugen, so beschreibt der Klang bereits seinen Untergang. Wird der Aufbau der Rüstungsindustrie gezeigt, so stellt der Klang bereits den Schlachtenlärm dar. Die Montage des Rückzugs und Stalingrad zeigen das entsetzliche Elend der deutschen Soldaten. Die Musik zeigt hier Kälte und Härte, die dem Zuschauer die Möglichkeit gibt, sich zu erinnern.“
aus: Filmmusik als Kommentar des SchreckensKurt Maetzig dazu: „[…] er hatte sich bereits völlig von der Untermalungsmusik gelöst und setzte die Musik als eine deutende, kontrastierende zweite Ebene ein. Besonders prägnant wurde das bei diesen Dokumentarmontagen. Zum Beispiel den bombastischen Bildern von der Aufrüstung – `Nun, deutsche Arbeiter, fanget an…´ – , diesem enthusiastischen und fröhlich anmutenden ersten Spatenstich zur Autobahn und ähnlichem, setzte er in der Musik schon den Krieg entgegen. Und die Musik beim Krieg in seiner Anfangsphase mit den Siegesmeldungen ließ bereits die Niederlage spüren. Und wenn die Niederlage kommt, dann kommt bei ihm musikalisch schon wieder die Hoffnung. Also, er geht immer einen Schritt voraus und gibt der Sache damit eine in die Zukunft weisende Bedeutung.“[7]
- Als scheinbar traditionelle historische Erzählung nach dem Schema „und dann, und dann…“ behandelt Maetzigs Film die Chronologie der Ereignisse vom Januar 1933 bis ins Jahr 1948 (bzw. eigentlich 1950). Dies erweckt den Eindruck von Allgemeingültigkeit. Glaubhaft wirkt solch kompakte Verkürzung dadurch, daß ein theoretisches Konzept zur Erklärung von Faschismus der Auswahl und schlüssigen Verbindung von Fakten zugrunde liegt, die „Agententheorie“. Sie bezieht sich auf Dimitroffs Faschismusanalyse von 1935, in der – abweichend von anderen zeitgenössischen Erklärungsansätzen – Faschismus bezeichnet wird als „die Macht des Finanzkapitals selbst“, das zur Erhaltung seiner Macht die terroristische Abrechnung mit der Arbeiterklasse brauche. Da Maetzigs Film nur den schon etablierten Faschismus betrifft, wird die Hauptschwäche des theoretischen Ansatzes nicht deutlich: es gibt keine Erklärung für die Massenbasis des Faschismus, die ihn erst möglich machte.
Der Eindruck von Authentizität im Film wird verstärkt durch Nachinszenierungen bekannter Vorgänge wie z.B.: Adolf Hitler verlässt eine Beratung mit der Großindustrie. Hans Scholz stößt bei der Suche nach einem Kollegen im Chemiewerk auf etliche Tonnen mit dem Giftgas Zyklon B, die für Auschwitz bestimmt sind (Aufschrift). Die Nürnberger Gerichtsverhandlung. Die Raketentreibstoffproduktion am 28. Juli 1948 bei der BASF in Ludwigshafen. - Die Schilderung der Zeitspanne von 1933 bis 1948/50 macht elliptisches Erzählen notwendig. Maetzig bedient sich hierzu der Technik der von ihm oben bereits erwähnten „Dokumentarmontagen“[8]. An vermutlich acht Stellen[9] ist sogenanntes „Dokumentar- und Wochenschaumaterial“, teils aus NS-Wochenschauen, teils aus sowjetischen Quellen stammend[10], in den Film eingearbeitet. Es „begleitet“ indes nicht nur die Spielhandlung, sondern sein gezielter Einsatz betont noch die in den gespielten Sequenzen herausgearbeiteten Zusammenhänge. Im einzelnen beinhalten die acht Abschnitte die folgenden Themen:
- Moralische und militärische Aufrüstung.
- Kriegsbeginn.
- Hydrazin-Experiment an Tieren [11].
- Erste militärische Niederlagen.
- Flucht von Zivilisten vor der Front, Zerstörung des Hinterlassenen.
- Die deutsche Kriegsniederlage.
- Tote und Geschändete in den Vernichtungslagern, Kriegsverbrecherprozess.
- Demonstrationen gegen Krieg und Faschismus (1. Mai 1950).
Jene zeitlichen Lücken, welche die Spielhandlung offen lässt, werden von diesen Abschnitten ausgefüllt. Sie funktionieren als „Gelenkstücke“ der Erzählung, wären aber in ihrer engen inneren Kohärenz auch anders zu lesen: als eigenständiges, mehrteiliges Modell über den Hitler-Faschismus, über Zusammenhänge von Kapital und Krieg, von Krieg und Massenvernichtungen und über Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart.
Die Verwendung von dokumentarischem Filmmaterial führt zu einer Steigerung der Glaubhaftigkeit des Films. Dieser zentrale Effekt beruht nicht darauf, dass in „Dokumentaraufnahmen“ mehr Realität im Sinne von „Wahrheit“ enthalten ist, sondern darauf, dass die Konvention es will, dass dies geglaubt wird. Der existierende Begriff des „Dokumentarischen“ erzeugt eine andere Vorstellung beim Betrachter als der existierende Begriff der „Fiktion“. Beide Begriffe ziehen verschiedene Haltungen dem Wahrzunehmenden gegenüber nach sich.
Maetzig arbeitet mit Konventionen um des Inhalts willen, wie er es selbst betont. Die Frage muss indes gestellt werden, ob es hier legitim ist, nicht nur mit Konventionen zu arbeiten, sondern darüber hinaus sie auch mit Bilder zu füllen, die teilweise in einem Zusammenhang entstanden sind, der grundsätzlich Propaganda und Lügen produziert hat. Es ist dies wiederum die Frage nach den verschiedenen Inhalten bei identischen Formen.
Eine interessante Parallele zu Wolfgang Staudtes Film „Rotation“ ist in der ästhetischen Organisation der moralisch integren Figur des Chefanklägers in „Der Rat der Götter“ zu jener der Opfer in „Rotation“ zu erkennen (das ältere jüdische Ehepaar und der Kommunist Kurt Blank): Wird bei Staudte das Verhalten der Opfer abgelöst von den Lebensumständen und -erfahrungen, aus denen es resultiert, indem die Figuren sich nur verbal mitteilen können und so an Stärke verlieren gegenüber denen, die aus ihren Lebensumständen heraus handeln, so findet sich ähnliches bei Maetzig. Die Schwäche der Figur des Anklägers resultiert daraus, dass er nicht mehr ist als ein Sprechrohr der Humanität, das nur verbal umständlich das längst im Film Gesehene und Begriffene wiederholt. Der Figur fehlt ein „Existenzhintergrund“, der Appell an ein Abstraktum wie „Humanität“ kann diesen nicht liefern. Die Figur wird folgerichtig abgelöst vom neuen Anklagevertreter Mister Howard, der handfeste Interessen vertritt, was die Handlung vorher bereits verdeutlicht hatte.
Am Film „Der Rat der Götter“ ist auf den vorigen Seiten Kritik geübt worden. Kritik wurde allerdings auch vom Regisseur selbst geübt. Kurt Maetzig sagte in einem Gespräch mit Günter Agde:
„[ … ] zum Beispiel ‚Der Rat der Götter‘. Dieser Film hat damals doch großes Aufsehen erregt und auch große Wirkung erzielt. Zugleich stieß er aber an die Grenzen dessen, was auf rationalem Weg überhaupt noch filmisch zu übermitteln war. Sagen wir: die Informationsfülle war insbesondere für den damaligen Zuschauer schon übergroß. Ich habe mich bemüht, nie wieder so viele Informationen in einen Film hineinzupressen. Denn solche Methode kann natürlich leicht dazu führen, die Kunst nicht als eigenen Weg der Erkenntnis, sondern als Esel zu betrachten, der die Säcke mit dem Gold der bereits gewonnenen Erkenntnis zu den Zuschauern hinüberzutragen hat. Dabei ist auch zu bedenken, daß Kunst über Erkenntnisgewinn hinaus noch ganz andere Wirkungen auslöst, Wirkungen ethischer und moralischer Art, durchaus nicht immer bewußt, dafür aber tiefer und umfassender. Und um auf ‚Der Rat der Götter‘ zurückzukommen: Obwohl der Film vollen Erfolg hatte, fühlte ich selbst: Halt, hier bist Du an der Grenze des Möglichen angekommen. Das darfst Du nicht mehr weitertreiben. Das Problem der Überfrachtung des ‚Rats der Götter‘ wurde mir bereits während der Dreharbeiten an diesem Film bewußt, und ich schrieb mitten in den Dreharbeiten darüber: ‚Das Extrem der Bilderzählung ist der Stummfilm, das Extrem des intellektuellen Films ist der gefilmte Dialog. Unsere Filmkunst darf nicht auf einer mittleren Linie zwischen diesen Extremen entwickelt werden, sie muß stärker auf der Seite der reinen Bilderzählung liegen… Aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Verpflichtung der Filmkünstler, nunmehr die formalen Probleme, die hiermit im Zusammenhang stehen, zu studieren. Die Filmkunst ist noch nicht auf ihrem Gipfel angelangt, die neuen Inhalte haben noch nicht die ihnen gemäße Form gefunden.“[12]
Anmerkungen
[1] Kurt Maetzig, Filmarbeit, Berlin / DDR 1987, S. 213 f.
[2] Vgl. Aussage von Albert Wilkening in: filmwärs Nr. 12, Herbst 1988, Hannover, S. 9; sowie Günter Agde: Position und Leistung des Spielfilmregisseurs Kurt Maetzig, in: Kurt Maetzig – Filmarbeit, Berlin/DDR 1987, S. 437
[3] Heiko R. Blum, Kurt Maetzig. Der Pionier, in: Film in der DDR, Reihe Hanser 238, München/Wien 1977, S. 57-76, hier: S. 60
[4] Die Szenen im Chemiewerk sind in den Leunawerken gedreht worden, an Originalschauplätze war 1949/50 nicht zu denken.
[5] filmwärts Nr. 12, S. 10
[6] Zu denken wäre vielleicht auch an einen Vergleich zweier eigentlich unvergleichlicher Filme: Wolfgang Liebeneiners Euthanasie-Film „Ich klage an“ (1941) und Maetzigs „Der Rat der Götter“: Inwieweit korrespondieren die Schlußszenen der beiden Filme miteinander? Ihr Verkündungscharakter ist in ästhetisch ganz ähnliche Formen gegossen – bei einer Differenz der dialogisch vermittelten Inhalte, wie sie radikaler kaum sein könnte.
[7] Kurt Maetzig, Filmarbeit, S. 31
[8] Vgl. Anmerkung 7
[9] Siehe Maetzig in einem „Brief an den Vorstand der DEFA“ vom 22.2.1950, in: Kurt Maetzig – Filmarbeit, S. 215.
[10] Vgl. ebd., S. 31.
[11] Anzunehmen ist, daß es sich hierbei um Aufnahmen aus nationalsozialistischer Quelle handelt, jedoch ist die Sequenz nicht so einfach als von Maetzig Übernommenes, schon vorhandenes Material zu erkennen wie die übrigen „Dokumentar“-Sequenzen. Auch Irmgard Wilharm geht unter Bezugnahme auf Maetzig von 8 Sequenzen aus. (siehe: Irmgard Wilharm: Die verdeckten Spuren des Kalten Krieges im deutschen Unterhaltungsfilm. In: Deutsches Historisches Magazin, Heft 5, 2. Jg. 1992, S. 11/12
[12] Kurt Maetzig – Filmarbeit, S.137/38.
„Man kann keinen Film machen über den Krieg. Wie Kriege entstehen, das wäre wichtig, und was sie bewirke oder zurücklassen bei Menschen.“
Diese Forderung, von Rainer Werner Fassbinder 1971 in einem Essey über die Filme von Douglas Sirk aufgestellt (1), hat Kurt Maetzig bereits 1950 erfüllt. DER RAT DER GÖTTER ist kein Film über den Krieg, aber er zeigt u.a. wie Kriege entstehen und was sie bei den Menschen bewirken oder zurücklassen können.
Diese Hypothese soll exemplarisch anhand von Filmmaterial belegt werden, welches im Kontext des fast zweistündigen Films nur wenige Sekunden ausmacht: an insgesamt sieben Stellen wird von Maetzig sogenanntes „Dokumentar- und Wochenschaumaterial“ in seinen Spielfilm eingewoben. Es „begleitet“ indes nicht nur die Spielhandlung, welche vom Anfang der 30er Jahre bis ans Ende der 40er Jahre reicht, sondern sein gezielter Einsatz wird gleichsam zur Betonung der in den gespielten Szenen herausgearbeiteten Tendenzen und Zusammenhänge.
Die Verwendung des Dokumentarfilmmaterials steht hier nicht lediglich im Dienste einer vermeintlichen „Authentisierung“ der eigentlichen Filmgeschichte, hat also nicht nur eine quasi unterstützende Funktion für die Spielhandlung, sondern ist durch ihre enge Bezugnahme und Kohärenz auch als eigenständiges, siebenteiliges „Lehrstück“ über den deutschen Faschismus (1) zu verstehen.
Im einzelnen beinhalten die sieben Teile folgende Themen:
- moralische und militärische Aufrüstung (Sequenz 5)
- Kriegsbeginn (Sequenz 9)
- erste Niederlagen im Krieg, Zerstörung des Hinterlassenen (Sequenz 12)
- Flucht der Zivilisten vor dem Krieg (Sequenz 13)
- die deutsche Kriegsniederlage (Sequenz 14)
- das scheußliche Resultat des Faschismus: die Toten und Geschändete in den Vernichtungslagern; Kriegsverbrecherprozesse (Sequenz 15)
- Demonstrationen gegen Krieg und Faschismus (Sequenz 22)
Anhand der ersten beiden Dokumentarfilm-Komplexe soll hier auf das äußerst reflektiert verwendete Verfahren der Bild- und Tonmontage hingewiesen werden.
In den ersten Minuten des Films werden die wesentlichen Handlungsorte und Spannungspole skizziert: einerseits die Führungsetagen der Chemischen Großindustrie als Steigbügelhalter des Faschismus mit den Zielen der Aufrüstung („Fall A“) und des Krieges („Fall B“), andererseits die sich aus Kleinbürgern und Arbeitern zusammensetzende Familie Scholz, deren Verbindung zur I:G Farben sich vielfach darstellt: Hans Scholz ist in der chemischen Forschung beschäftigt, seine Schwester Edith als Chefsekretärin des Vorstandes angestellt und der Vater Wilhelm, inzwischen Rentner, war jahrelang Arbeiter in der Firma. Der Vorstandsvorsitzende wird in der Familie Scholz ehrfürchtig „Herr Geheimrat“ genannt. Nur Onkel Karl, ebenfalls Arbeiter in der Firma, steht von Beginn an auf der anderen Seite: er ist agitatorisch für die kommunistische Partei tätig.
Der 31. Januar 1933 ist vorüber, und schon bald greift der „Herr Geheimrat“ zum Telefonhörer, um dem Gegenüber zu verkünden: „Die Vorbereitung für den ‚Fall A‘ beginnt.“
Die erste Montage-Zusammenstellung von Dokumentarfilmmaterial schließt sich an:
Einstellung | Bild | Ton |
1 | Adolf Hitler spricht von einem erhöhten Standpunkt aus zu einer großen Menschenmenge | „Das Ziel ist uns Gesetz. Deutsche Arbeiter fassen an.“ |
2 | (TO) des selbe Motiv in totaler Einstellung | Kriegsgeräusche, Bombenheulen |
3 | Hitler schaufelt Sand | |
4 | (US) eine Spitzhacke wird vehement verwendet | |
5 | Arbeiter schaufeln Loren voll | |
6 | (US) Männer mit nackten Oberkörpern schieben Loren | |
7 | (OS/TO) Baustelle unbestimmter Art mit vielen Arbeitern | |
8 | Ein Güterzug fährt mit rauchender Lokomotive unter einer Brücke durch | |
9 | Schiff an einer Hafenmauer | |
10 | Blick von einem Schiff auf Menschen am Kai | |
11 | Binnenschiff auf Kanal; Hintergrund: Industrieanlagen |
Off-Stimme (Hermann Göring): |
12 | Rohre und Leitungen auf Industriegelände, Schwenk von unten nach oben | |
13 | Kanalschleuse | |
14 | (US) Förderkran | |
15 | dunkle Silhouette einer Fabrik aus der Rauch emporsteigt, dabei Schwenk nach oben | |
16 | (US) Kräne, die sich auf die Kamera zubewegen | |
17 | (OS) Blick von Brücke auf darunter fahrenden Binnenkahn | |
18 | (GA) Drahtherstellung: Schraubenmutter, glänzende Maschinerie | |
19 | Ein Haufen Draht wird von Hand bearbeitet | |
20 | Mann stapelt Drahtpakete | |
21 | Mann stapelt Granaten, ebenfalls glänzend | |
22 | große, fahrbare Kanone, silbern glänzend, sich gegen den tiefschwarzen Hintergrund abhebend, bewegt sich von rechts nach links | |
23 | (OS) Binnenkahn | |
24 | (OS) schräg: Panzer fahren in Formation diagonal durch das Bild (von oben rechts nach unten links) | Geräusch explodierender Bomben, abnehmend |
25 | stehende Panzer, Schwenk von rechts nach links | |
26 | Frontalansicht Flugzeuge |
einsetzendes Sirenenheulen Ton wird höher, steigert sich bis zur Fanfarenähnlichkeit |
27 | Seitenansicht Flugzeuge | |
28 | Schriftzug „Prinz Eugen“ wird über Schiffsbordwand geworfen | |
29 | Schiff im Dock | |
30 | Schiff rutscht von links nach rechts ins Wasser | |
31 | Schiff liegt im Wasser | |
32 | geschlossene Reihen Soldaten marschiert von links nach rechts | |
33 | (US) sich nach oben bewegende Panzerkanonen ragen gen Himmel und „kreuzen“ sich dann |
Diese aus 33 Einstellungen bestehende Montage hat eine Länge von 48 Sekunden und lässt sich in drei Teile scheiden. die jedoch logisch zusammengehören:
- am Anfang steht das Motiv des „Anpackens“ (Handarbeit) im Vordergrund, verbunden mit Hitlers Worten „Deutsche Arbeiter fassen an“. Eine stilisierte „Ästhetik des Aufbaus“ (Spitzhacke, Arbeitermassen vor vielen Loren, unbekleidete Oberkörper in identischer Tätigkeit und Bewegung, Arbeiter als „Ameisen“) bewirkt im Einklang mit Tönen, welche beim Betrachter „Krieg“ assoziieren, den Eindruck von Militarismus.
- Es schließt sich eine „technisch-industrielle“ Bildfolge an, welche mit der gleichzeitigen Off-Stimme korrespondiert, deren letzte Worte zusammenfallen mit der erstmaligen Abbildung von Kriegsgerät (Granaten). Die Verbindungnvon Industrie und militärischen Gerät ist nahezu unmerkbar vonstatten gegangen (auf Drahtherstellung folgt Granatenproduktion); darüberhinaus bekommen die beiden ersten Teile nun einen Sinn.
- Die Panzer, Schiffe und Flugzeuge sind Produkte einer Industrie, sind die direkten Folgen der anfänglichen kollektiven Sinngebung. Während die Kriegsgeräte zwar noch „Friedlich“ anzusehen sind , wird ihr eigentlicher Zweck akustisch vorweggenommen: Zerstörung bis an die Grenze des Ertr#glichen (Sirenen/Fanfarentöne).
In knapper, jedoch bestechend präziser Form sind hier die ökonomisch-sozialen Kriegsvorbereitungen verdeutlicht, wie sie seit 1933 systematisch betrieben wurden. Zugleich bringt diese Montagesequenz die Spielhandlung näher an das Jahr 1939, das Jahr des Kriegsbeginns, heran:
Während des Urlaubs in der Schweiz weilend, erfahren der „Geheimrat“, seine Tochter und der Schwiegersohn von der sofortigen Mobilmachung in Berlin.
Es folgt der zweite dokumentarische Montagekomplex:
Einstellung | Bild | Ton |
1 | Zivilisten mit Koffer | während der ganzen Montage: dramatische, euphorische Musik |
2 | Koffer in Nahaufnahme | |
3 | Waffenübergabe | |
4 | marschierende Soldaten | |
5 | Soldat geht von rechts nach links, sich dunkel vom hellen Hintergrund abhebend | |
6 | total: mehrere Soldaten gehen in die die selbe Richtung | |
7 | ein Boot wird zu Wasser gelassen | |
8 | Blick aus einem Flugzeug auf andere Flugzeuge in der Luft | |
9 | starke (US) dunkle Flugzeuggeschwader, Fallschirmspringer | |
10 | schießende Flak, von links nach rechts | |
11 | Soldaten ziehen Flak-Geschütz | |
12 | von Nebel und Rauch verhüllte Häuser, Soldaten | |
13 | ähnliche Einstellung | |
14 | Soldaten huschen in geduckter Haltung durch Trümmer | |
15 | ähnliche Einstellung | |
16 | Soldaten marschieren in einer Reihe hintereinander | |
17 | schießende Panzer von links nach rechts | |
18 | weite Aufnahme: Explosion, Rauch | |
19 | Kamera hinter eine schießenden Flak | |
20 | einzelnes Kanonenrohr, schießend | |
21 | vorbeifahrende Panzer, von links nach rechts | |
22 | deutscher Panzer (Hakenkreuz ist sichtbar) fährt vorbei, Kamera schwenkt dabei auf den Panzerturm, zufriedene Soldatengesichter werden sichtbar | |
23 | total: in Rauch gehüllte Stadtansicht | |
24 | zerstörte Landschaft, Rauch, umgestürztes Gerät, Flaks schießen blitzartig mit grellem Feuerstrahl | |
25 | ähnliche Einstellung, näher | |
26 | von links nach rechts: Flugzeuge, Bomben werfend |
Off-Stimme: |
27 | Flammenmeer | |
28 | Kanone feuert mit starkem Rückschlag | |
29 | große Kanone wird von rechts nach links gefahren | |
30 | feuerndes Kanonenrohr, diagonale Bildrichtung (von links unten nach rechts oben) | |
31 | undurchsichtiger Rauch | |
32 | Menschenmenge vor „Radiohaus“ |
32 Einstellungen in 52 Sekunden – ein visuelles Stakkato für den Betrachter. Von der Einberufung der Soldaten über das „In-den-Krieg-ziehen“ und die Kampfhandlungen bis hin zur Erfolgsmeldung im Radio: ein wahrhaftiger “Blitzkrieg“, dessen allgemeine Bewegung im Filmbild von links nach rechts fast durchweg eingehalten wird.
Der langanhaltende Einsatz von dramatisch-euphorischer Musik verdichtet alle Einstellungen und Bewegungen gewissermaßen zu einer einzigen großen und kräftigen Bewegung von links nach rechts, welche im klassisch filmpsychologischen >Sinne eine „positive“ Richtung darstellt.
„Man kann keinen Film machen über den Krieg“, schreibt Fassbinder, und meint, der Mensch ginge darin verloren. Maetzig veranschaulicht genau dies: er inszeniert den Krieg nicht noch einmal, sondern bedient sich der filmisch bereits fixierten Kriegsszenarien, in denen in der Tat der Mensch eine Statistenrolle zugewiesen bekommt. Der Krieg scheint eine Angelegenheit von Maschinen zu sein.
Diese Maschinen wurden vor dem Krieg industriell produziert. Der zweite Montagekomplex ist somit auf das engste mit dem ersten verknüpft.
In den Dokumentarfilmsequenzen 3, 4 und 5 ist darauf zu achten, wie die allgemeine Bewegungsrichtung in den Filmbildern (deutscher Rückzug, Flüchtlingstrecks) sich allmählich wandelt in eine „negative“, d.h. von rechts nach links.
Besonders für die Teile 3 und 4 ist auf die Tonspur hinzuweisen: das dissonante und schrille Pfeifen darin korrespondiert deutlich mit den Tönen, welche jene Szenen begleiten, in denen Hans Scholz gezwungen wird, der Wirkungsweise von Zyklon-Gas bei Tieren beizuwohnen.
Die vor Gericht vorgeführten Filmaufnahmen von KZ-Opfern stehen damit in einer engen inneren Verbindung, da sie gleichfalls in besonderer Weise über den Ton zu ihrer eigentlichen Wirkung gelangen: bei ihnen entspricht der fast vollständige Verzicht auf Töne (es ist lediglich leises Gemurmel und Räuspern im Off zu vernehmen) dem gezielten Einsatz der schrillen Peiftöne in den genannten Sequenzen.
(1) Es gibt wohl insgesamt 8 Übernahmen von Dokumentarmaterialien. Zwischen der hier angeführten 2. und der 3. Sequenz gibt es in Filmsequenz 11 einige wenige Bilder von einem Hydrazin-Experiment an Tieren. Anzunehmen ist, dass es sich hierbei um Aufnahmen aus nationalsozialistischer Quelle handelt. Jedoch sind diese Bilder nicht so einfach als von Maetzig Übernommenes, schon vorhandenes Material zu erkennen wie die übrigen Dokumentar-Sequenzen, weil sie direkt in die Spielhandlung integriert sind und keine eigenständige Sequenz ausmachen.
Friedrich Wolf und sein Co-Autor Phillip Gecht begannen das Drehbuch im Sommer 1948, kurz nach dem Ende des IG-Farben-Prozesses. Sie verwendeten viele Originaldokumente aus dem Gerichtsverfahren, verließen sich aber hauptsächlich auf Richard Sasulys Buch IG Farben. Ein weiteres Ereignis, das ihre Arbeit beeinflusste, war die Explosion, die das Chemiewerk der BASF in Ludwigshafen zerstörte und am 28. Juli 1948 280 Tote forderte. Sie ließen dieses Ereignis in das Ende der Filmgeschichte einfließen. [2]
Wolf erzählte später, dass der Titel, Der Rat der Götter, von der göttlichen Versammlung inspiriert wurde, die die Odyssee beendete: Die Direktoren der IG Farben waren die „Götter“, die die Angelegenheiten leiteten, während die gewöhnlichen Sterblichen bluteten und auf dem Feld starben, wie im Homerischen Mythos. Der Autor erzählte, dass sein Werk darin bestehe, „die ‚Götter‘ und die Machenschaften hinter den Vorhängen zu enthüllen“. [3] Er war auch entschlossen, die alten Eliten Deutschlands zu diskreditieren, sowohl aufgrund persönlicher Überzeugungen als auch aufgrund der ideologischen Anforderungen der Sozialistischen Einheitspartei. [4] Die Figuren in Wolfs Geschichte waren den eigentlichen Regisseuren der IG Farben nachempfunden, und selbst ihre Namen klangen ähnlich: Der Erzschurke des Films, der Geheimrat Mauch, basierte auf Carl Krauch. [2]
Wolf entschied sich für Kurt Maetzig als Regiseur. Der Sohn des Autors, Konrad Wolf, fungierte als Regieassistent. [3] Die Arbeit am Rat der Götter dauerte zwei Jahre. Maetzig behauptete später, dass der Film als „dokumentarischer Spielfilm“ gedreht wurde: Während die Charaktere im Grunde fiktional waren, basiere er auf realen Ereignissen. Er behauptete, dass er den IG-Farben-Prozess, der nur von den USA geführt wurde, als den Beginn der Kluft zwischen den Alliierten aus Kriegszeiten und in gewissem Maße – sogar des Kalten Krieges – betrachtete und versuchte, ihn im Film als solches darzustellen. [6]
Die Dreharbeiten fanden vor dem Hintergrund des eskalierenden Kalten Krieges statt. Der Film hatte 5.347.261 Besucher in der DDR. [12]
Die Hauptdreharbeiten fanden in Halle an der Saale statt. Bis zu 500 Statisten wurden aufgeboten, um die Massenszenen zu drehen.
- Detlef Kannapin. Antifaschismus im Film der DDR. Papyros Verlag (1997). ISBN 978-3-89438-142-4. p. 117.
- Markus Wolf. Interview mit Kurt Maetzig. friedrichwolf.de.
- Achim Engelberg. In den Abgründen des 20. Jahrhunderts: Wer verloren hat, kämpfe: 1. Dietz Verlag (2007). ISBN 978-3-320-02110-8. p. 177.
- Seán Allan, John Sandford. DEFA: East German cinema, 1946–1992. ISBN 978-1-57181-753-2. pp. 66–67, 77.
- List of the 50 highest-grossing DEFA films.
Verbot von öffentlichen Vorführungen
Der Film wurde 1955 vom Ausschuss ohne detaillierte Begründung nicht freigegeben.
Trotzdem wurde er in einigen Filmclubs in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt. In einem Bericht von der Aufführung a. 16.12.1955 im Rahmen eines Seminars im Studentischen Filmclub der Universität Bonn des Filmclubs über die Veranstaltung heißt es zur Reaktion des Publikums u.a.:
„Der Film wurde teils mit Gelächter, teils mit offener Empörung, teils mit ironischem Beifall (FDJ-Apotheose am Ende des Films) aufgenommen. Die Diskussion, die sehr gut besucht war, ließ indes erkennen, daß das Gemisch aus historischer Wahrheit und verlogener Geschichtsklitterung, das der Film in geschickt-demagogischer Montage bietet, für ein historisch nicht gebildetes, politisch inaktives und in der Ost-Film-Analyse nicht versiertes Publikum nur schwerlich zu durchschauen wäre. […]“
1967 wurde der Film bei einer erneuten Prüfung freigegeben, mit der Begründung, dass der Inhalt des Films „nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung wirkt und somit nicht gegen § 5,1 des Überwachungsgesetzes verstößt.“
nach: West-Ost-Filmsensur.de
Filmverbot in der BRD für beteiligte Schauspieler
Sämtliche Schauspieler, die in den DEFA-Film RAT DER GÖTTER mitwirkten, der die „monopolkapitalistischen“ Hintergründe des IG-Farben-Konzerns mit einer einseitig-tendenziösen Darstellung des Ludwigshafener Explosionsunglücks verqiickte, haben für Westdeutschland Filmverbot erhalten.
Montags Echo, 26.06.1950
Protest gegen Defa-Film
DEN HAAG, 29. Oktober (AP) Der deutsche Botschafter in den Niederlanden, Dr. Karl Dumont, hat beim niederländischen Außenministerium im Namen der Bundesregierung gegen die Vorführung des sowjetzonalen Defa-Films RAT DER GÖTTER in den Niederlanden protestiert. In dem Protest wird der Streifen als beleidigend für die Bundesrepublik bezeichnet.
Ein Sprecher des niederländischen Innenministeriums erklärte dazu, die (…) Regierung könne dem Ersuchen (…) nicht nachkommen…
Frankfurter Rundschau, 30,10.1951
„Die Hauptbedeutung von „Rat der Götter“ liegt, darin, daß klar und anschaulich Ursachen und Wurzeln der auf das Kriegsgeschäft gerichteten Kräfte vor dem Beschauer bloßgelegt und die Kriegstreiber entlarvt werden.“
oder
„Mit dem „Rat der Götter“ ist sie (die DEFA) der Versuchung oder dem Auftrag erlegen, einen Tendenzfilm bösartiger Couleur zu drehen.“
Diese beiden Aussagen stehen stellvertretend für die Tendenz der meisten zeitgenössischen Kritiken, die eine steht für die west-, die andere für die ostdeutsche Sichtweise. Beide Positionen haben wenig mit dem Film, dafür viel mit politischer Prädisposition zu tun. Je nach Voreinstellung liefert der Film dann genau das, was „ins Bild“ passt.
Wenn man davon ausgeht, dass Filmen in der Auseinandersetzung um gesellschaftliche Themen eine bedeutende Rolle zukommt, dann gilt dies insbesondere für den Film DER RAT DER GÖTTER, behandelt dieser doch ein historisches Thema, das in der öffentlichen und v.a. schulischen Auseinandersetzung mit dem Faschismus selten bzw. fast gar nicht vorkommt: das Verhältnis von Politik und Ökonomie im Faschismus und die Mittäterschaft und Verantwortung von großen Teilen der deutschen industriellen Führungseliten.
Der Film hat darüber hinaus auch Bedeutung, weil sich am Umgang der Politik mit dem Film – sowohl in der BRD wie der DDR – die Frontlinien des Kalten Krieges und gesellschaftspolitische Rahmenbedingung der 50er Jahre festmachen lassen.