Rama Dama (1990)

Inhalt

RAMA DAMA erzählt die Geschichte von Kati Zeiler. Ihr Mann Felix muß direkt nach den Weihnachtsfesttagen 1944/45 wieder an die Front zurück, nach Rußland. Bei einem Bombenangriff wird Katis Haus getroffen und die Wohnung nahezu unbewohnbar. Kati fährt zur Geburt ihres zweiten Kindes zu Verwandten aufs Land. Dort rücken die ersten amerikanischen Panzer an, während Kati ihr Kind zur Welt bringt. Zurück in München, schlägt sie sich selbständig durch: Sie arbeitet als Straßenbahnschaffnerin und versorgt ihre Kinder – und wartet am Hauptbahnhof bei jedem Rücktransport deutscher Soldaten auf die Heimkehr ihres Mannes. Ihre Cousine Leni, versucht ihr Mut zu machen und „schlägt die Brücke zu den verbliebenen kleinen Genüssen“. Zum Lebensalltag gehören auch die amerikanischen Besatzungssoldaten: Ihre Tanzveranstaltungen mit den deutschen „Fräuleins“und ihre materiellen „Reichtümer“. Eines Tages begegnet Kati auf dem Bahnhof dem zurückkehrenden Ex-Soldaten Hans. Dieser richtet sich bei Kati im Hinterhof ein und macht sich nützlich. Kati widersteht lange der Sehnsucht nach Geborgenheit und menschlicher Nähe. Der Liebe, die sie Hans gegenüber entwickelt, gibt sie schließlich aber doch nach. Ihre Beziehung findet jedoch durch die Heimkehr von Felix ein jähes Ende. Hans packt wortlos seine Sachen und geht.


OriginaltitelRama dama
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1990
AltersfreigabeFSK 6[1]
Stab
RegieJoseph Vilsmaier
DrehbuchMartin Kluger,
Joseph Vilsmaier
ProduktionJoseph Vilsmaier
MusikNorbert Jürgen Schneider
KameraJoseph Vilsmaier,
Otto Kirchhoff
SchnittIngrid Broszat
Besetzung
Dana Vávrová: Kati Zeiler Werner Stocker: Hans Stadler Johann Schuler: Felix Zeiler Janina Vilsmaier: Marie Zeiler Theresa Vilsmaier: Theres Zeiler Renate Grosser: Frau Klawuttke

Eine Geschichte von Illusionen und zerstörten Gefühlen

RAMA DAMA „ist ein Film aus dem Blickwinkel der Daheimgebliebenen. Wenn man so will, eine Liebesgeschichte auf dem Hintergrund der sogenannten ‘Stunde Null’“. (FWU-Begleitkarte). Der Blick auf die Details des Alltags zeichnet den Film aus: Ob es das Schminken vor dem Spiegel, das nächtliche „Organisieren“, der Aufbau der Hinterhofhütte oder – als „Höhepunkt“ – die authentische Geburt des Kindes ist, alles wird ausgespielt und dem Zuschauer als kleine Geschichten gezeigt. Als Geschichten, die auf Einfühlung setzen. Allerdings werden sie auch in einen umfassenderen zeitlichen Kontext eingebettet: am deutlichsten in der Parallelmontage der Geburt mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen

Das Drehbuch stützt sich auf die Aussagen zahlreicher befragter älterer Menschen, „Zeitzeugen“ des Kriegsendes – der Film kann als Visualisierung von oral history angesehen werden. „Offenbar bestand ein Bedürfnis nach der Schilderung persönlicher Schicksale (…) weil es vielen Menschen wichtig blieb, angesichts einer Überflußgesellschaft die Zeiten nicht zu vergessen, in denen man sich durch Not näherkam und Entbehrungen hinzunehmen lernte.“ (FWU-.Begleitkarte).

In dieser Form konnte der Film nur entstehen vor dem Hintergrund einer mehrjährigen Praxis der oral history als einer mittlerweile anerkannten Methode der Geschichtswissenschaft. Das Interesse an oral history ist verbunden mit dem Interesse am Alltag. Die Privatsphäre der Menschen wird als Gegenstand geschichtlicher Auseinandersetzung „entdeckt“.


Hier der vollständige Text
Detlef Endeward: Geschichten von Hoffnungen und Wünschen, von Illusionen und zerstörten Gefühlen. Nachkriegsgesellschaft als Gegenwart und Geschichte im Film. Ursprünglich in: FWU Magazin 1-2/1995, S. 21-28
als Word und pdf

 

Der Mut, ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit filmisch aufzuarbeiten, ist ebenso selten geworden, wie die Fähigkeit, diese Aufarbeitung authentisch durchzuführen. Es ist Joseph Vilsmaier gelungen, nach „Herbstmilch“ mit „Rama Dama“ einen zweiten Spielfilm zu realisieren, der das Leben der kleinen Leute in einer Zeit der menschlichen Herausforderung glaubwürdig schildert, ohne unter dem Zwang zur Detailtreue die Entwicklung der Charaktere zu vernachlässigen.

Eine junge Mutter von zwei Kindern wartet nach Kriegsende so lange vergebens auf die Heimkehr ihres Mannes, bis sie dem Werben eines anderen erliegt. Als ihr Mann dann eintrifft, unterwirft sich die Verwirrung der Gefühle wie von selbst dem Gesetz der Realität. Mit der stärksten, von allen Darstellern souverän bewältigten Szene – schweigend akzeptieren sie die schicksalhafte Fügung – endet der Film.

Nicht hoch genug zu bewerten ist die Ausstattung, die mit enormem Aufwand an Material, Technik und Mitwirkenden ein packendes Zeitpanorama bewältigt. Zuweilen scheint es, als habe die Regie aus Freude an der Fülle der Möglichkeiten ,die ihr vom Filmarchitekten und Requisiteur in die Hand gegeben wurden, des Guten zu viel getan; auf einige der Trümmerbilder hätte verzichtet werden können. Aber letztlich trät dies alles zur Gestaltung eines Hintergrunds bei, von dem die typensicher ausgewählten Darsteller ihre Aufgaben überzeugend bewältigen können.

Der Bewertungsausschuß bedauert die Wahl eines Titels, der der bayrischen Mundart entlehnt wurde, da er unter Umständen außerhalb Süddeutschland nicht verstanden wird. Dessen ungeachtet ist ihm die geschmackvolle Durchführung des Films, der selbst in den heiteren Einschüben niemals außer Takt gerät und als deutsches Selbstzeugnis auch im Ausland von Interesse sein dürfte, das höchste Prädikat wert.

Der Film erzählt eine zarte Liebesgeschichte in einer Zeit zusammengebrochener Ordnung und Werte. Im Mittelpunkt steht eine „Trümmerfrau“, die für sich und ihr Kind ums Überleben kämpft, die auf eigenen Füßen stehen muss und Selbständigkeit lernt. Diese eigenständige Rolle wird durch die Rückkehr des Gatten relativiert, das patriachalische Rollenverständnis dominiert wieder. In nostalgisch wirkenden Bildern beschreibt der Film die Folgen des Krieges, ein Frauenschicksal unter vielen, die Suche der Menschen nach einem Stückchen Glück. „Diese Geschichte wird aber nicht wirklich erzählt, kaum eine Szene wird richtig entwickelt, viel zu hastig springt der Film von >ereignis zu Ereignis, von Effekt zu Effekt. Vilsmaier liebt die dramatische Montage, von Musik dröhnend untermalt, die aber keinen Sinn stiftet, sondern sich selbst genügt.“

Wilhelm Roth in: epd Film 1/91

Der Film und seine Charakteristika

„Rama Dama“ steht als Film eigentlich zwischen einer Reihe älterer „Trümmerfilme“ oder Dokumentationen zur Nachklriegszeit und jenen historisierenden Spielfilmen, deren Hauptfiguren meist einen bestimmten Bekanntheitsgrad oder literarische Vorbilder hatten. Es ist ein Film aus dem Blickwinkel der Daheimgebliebenen. Wenn man so will eine Liebesgeschichte auf dem Hintergrund der sogenannten „Stunde Null“. Das war auch die Absicht.

Sicher bleibt auch bei „Rama Dama“ der Hauch eines Trümmerfilms und der Schrecken des Krieges kommt zuweilen hautnah heran, dies jedoch aufbereitet für die Sehgewohnheiten eine inzwischen an „action“ und Dynamik gewöhnten Publikums.

Nicht von ungefähr ist dies ein Film, bei dem die Kamera mit eindrucksstarken Bildern die Regie mitträgt, denn Vilsmaier führt hier als erfahrener Kameramann Regie. Alles ist gut recherchiert, vieles belegbar. Kleine Protokolle der Übergänge von einem Verhalten zum anderen, oft in geschickten Montagen präsentiert, Details gut beobachteter Zwischenmenschlichkeit, Humor zwischen den ernsten Zeilen. Sicher, gewisse Zugeständnisse an szenische Effekte lassen sich nicht leugnen, e gibt originelle Vitalität, die Nonnen klopfen im Takt die Ziegel sauber, und die ausgelassene Tanzfreude zur Swingband in einem Club der Amerikaner heizt auf. Die Eigendynamik diese Films schöpft aber aus der Gabe, Fragmentarisches, kleine Epsioden optisch gut zu präsentieren und dies gleichzeitig über Peronen erlebbar zu machen. Die Dialoge sind knapp gehalten, die Bildsprache dominiert.

So entstand ein Film an der Schnittstelle zwischen dem Deutschland der Nazis und einem noch unbekannten Deutschland. Vielleicht mag man sich fragen, ob das selbstverständliche Zupacken der Menschen, das man hier auf der Kinoleinwand erlebt, einen solchen Stellenwert erlangt, daß darüber die ursächlichen Zusammenhänge dieser Katastrophe in den Hintergrund geraten. Zeitgeschichtliches Wissen sollte daher vor der Besichtigung dieses Films zumindest in großen Zügen angeboten sein.Der Film selbst kann kein Interesse daran wecken und befördern. Was bleibt, ist eindrucksvoll und mag die wichtigen Fragen der Jungen an die Alten mobilisieren, an die, die noch AUskunft geben können über eine Zeit, die sie erlebt und auch mitverantwortet haben.

aus: FWU-Beleitkarte, Grünwald 1991

Zeitgeschichte als Heimatgeschichte

Kriegsgeschehen und seine Folgen einer nächsten Generation filmisch zu vermitteln gehört wohl zum Schwierigsten, was sich die Medien vorgenommen haben. (…)

Diesen Weg, wenn auch auf sehr eigene Weise, gin der als Kameramann erprobte Regisseur Joseph Vilsmaier nach seinem Erfolgsfilm „Herbstmilch“ zwei Jahre später mit „RamaDama“.Der Titel hält sich an den Ausspruch von Münchens Nachkriegsbürgermeister Thomas Wimmer, der den Bürgern im Vokativ ein „Räumen tun wir!“ nahelegt. Vilsmaier will erlebbar machen, was in den Wochen umdas Kriegsende in München und auch im Bayerischen Land geschah. Kleine Beobachtungen und Episoden gestalten das Schicksal seiner Hauptfiguren greifbar und nachvollziehbar, setzen das Lebensgefühl dieser Zeit zwischen Kriegsende und Neubeginn  zusammen.Übrigens einer Zeit, die im Filmschaffen vernachlässigt wurde und der jetzt ein Bedürfnis nach Erinnerung entgegenkommt, kurz bevor die betroffene Generation wegstirbt.

Man ist versucht, von „oral history“ zu sprechen, denn aucg in diesem Film entstand aus der mündlichen Überlieferung von Zeitzeugen eine Bestandsaufnahme, ein möglichst wahrheitsgetreues Bild angesichts einer nie erlebten Herausforderung. Zentrale, wenn man so will „sinnlichanschauliche“ Quellen für das Drehbuch waren zahlreiche Gespräche mit älteren Leuten unddas Bildmaterial des Stadtarchivs, das die zerbombte Stadt München zeigt.

(…)

Ein Film – auch zum Fragenstellen

Rama Dama“ ist ein ehrlicher, von den Bildern her kraftvoller Film. Aber auch ein Film

aus: Wolfgang Brudny in: merz 1/1991, S. 30-32)

Das könnte dich auch interessieren …